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2016-02-29

SPIDERGAWD und THE CHEATERS live im Hafenklang, Hamburg (28.02.2016)

Spidergawd
Ok, es ist Montag, ich habe noch reichlich Flohmarktplattenhör - und Fernsehnachholverpflichtungen... also machen wir's kurz!

The Cheaters

Es war proppevoll im Hafenklang, und als erstes durften The Cheaters (ebenso wie der Headliner aus Norwegen) das Publikum beglücken. Fragt mich alten Premiumexperten nicht nach Vergleichen, aber so wie das Trio ihn abgefeuert hat, mag ich meinen Punk sehr gerne.
Ideenreich, immer nach vorne, geile tanz- bis pogbare Rhythmen, schöner Exzess am Schluss, überhaupt sehr gut gespielt. Müsste ich nicht unbedingt zu Hause hören, aber live empfehlenswert! 

Spidergawd
Da die Bühnentiefe des Ladens überschaubar ist, stand das Schlagzeug der Cheaters natürlich ziemlich weit vorne, während hinten schon das Doublebass-Monster von Kenneth Kapstad auf seinen Einsatz lauerte. Großartig war dann der Moment in der Umbaupause, als vier Mann den Teppich, auf dem das Ding stand, bis ganz an den vorderen Bühnenrand zogen. Weiter kann einem ein Drummer nicht auf die Pelle rücken!

Dadurch war das Spidergawd-Konzert für mich dann auch gleich noch direkter als der Auftritt in Tilburg letzten April. Damals hatte ich die Gruppe noch als Ableger von Motorpsycho bezeichnet, was der Sache natürlich nicht ganz gerecht wird. Natürlich ist die Rhythmussektion eindeutig wiederzuerkennen, auch wenn Bassist Bent Sæther sich auf dieser Tour anscheinend vertreten lässt, doch der Hauptsongwriter ist ja Gitarrist und Sänger Per Borton.
Und so ein dickes Bariton-Saxophon bringt natürlich auch noch eine eigene Note in diesen wilden Hardrockboogiekrachnroll, den das Quartett mit Volldampf in den Saal bläst.

Gesanglich bzw. geschreilich gibt es schon noch Luft nach oben, aber insgesamt sind Spidergawd live eine supergroovekrachende Party-Macht, die es absolut in sich hat. Ganz klar brandheißer Scheiß der Stunde, den man gesehen haben sollte!

Habe mir auch "III", das dritte Album seit 2014, mitgenommen. (Jep, die Jungs sind nicht nur live sehr fleißig.) Review demnächst! 


The Cheaters:





Spidergawd:







2016-02-27

VOIVOD - Post Society

Klein, aber fein! Es gibt neues von Voivod!

VOIVOD - Post Society (2016)

Ok, so ganz neu sind auf dieser EP nur zwei der insgesamt fünf Stücke. "We Are Connected" und "Forever Mountain" sind ja schon durch die Split-Singles mit At The Gates und Napalm Death seit einer Weile bekannt und nun eben auch für CD-Hörer verfügbar.

Da passt es, dass Drummer Away beim Coverartwork weiterhin dem Zeichenstil dieser Veröffentlichungen treu bleibt.  Noch ein wunderbarer Hinkucker in der Voivod-Galerie!

Musikalisch bauen auch die beiden brandneuen Songs auf dem Statement auf, welches die Kanadier mit "Target Earth", dem ersten Album ohne Piggy (R.I.P.), abgegeben haben.


In verfrickelt abgefahrenen und doch nachvollziehbaren Kompositionen, die ebenso melodischer Progmetal wie schräg brutaler Thrash - oder in "Fall" auch manchmal fast schon Doom - sind, schüttelt das Quartett mal eben ein paar Meisterwerke aus dem Ärmel, deren Qualität und Eigenständigkeit 99 Prozent der Metalwelt nur durchs Weltraumteleskop hinterherschauen können.

Hauptreferenz bleibt die kreative Hochphase von "Dimension Hatröss" (1988) bis "The Outer Limits" (1993), angereichert mit dem Thrash-Drive der vorigen Werke, letztendlich wird aber kein Abschnitt der Bandgeschichte krampfhaft gemieden.

Kritikpunkte gibt es für mich nullkommagarkeine, denn selbst die kurze Spielzeit von einer halben Stunde kommt mir länger vor, da in den Liedern einfach eine Menge passiert.
Und wo der Sound von "Target Earth" in den Bässen doch insgesamt etwas zu dumpf war, ist nun auch alles in Ordung.

Was die Performance angeht, muss ich allen voran Sänger Snake loben, dem man den Spaß daran, die Musik mit seinem ureigenen Gecroone zu veredeln, jederzeit anhört.  

Chewy begnügt sich wie gewohnt nicht damit, den originalen Voivod-Gitarrensound erfolgreich zu emulieren, sondern erweitert vor allem in den Leadpassagen das Klangspektrum der Band um seine eigene Facette.

Und der "neue Neue" Rocky fügt sich am Bass ähnlich nahtlos in die Band ein. Seine Stunde schlägt vor allem im letzten Track.
Das Hawkwind-Cover "Silver Machine" reiht sich nun natürlich ungewollt in eine gewaltige Masse von Tributen an Lemmy (R.I.P.) ein, vermag aber durchaus noch hervorzustechen.
Innerhalb der Voivod-Diskographie erinnert mich das Ding wohl auch nicht ganz zufällig an eine Mischung aus "The Outer Limits" und die stark von Motörhead beeinflusste, straight und rotzig rockende Phase in den 2000er Jahren.

Fazit: Voivod-Neulinge sollten zugreifen. Fans müssen das Ding eh haben!

Anspieltipps: Fall, We Are Connected, Post Society

2016-02-25

#HdD - Schlandhänger

Hach damals...


im Januar 2007, als dieses ganze Schland-Ding noch irgendwie lustig war.
(aufgenommen mit Ansco Pioneer 620er-Film-Kamera)


2016-02-24

MONSTER TRUCK - Sittin' Heavy

Was für eine Art Zeichen ist es eigentlich, wenn man bei einem Plattencover an die "Frei sein"-Best of von Peter Maffay (zu finden auf jedem auch schallplattenmäßig noch so dünn bestückten Flohmarkt) denken muss?

Egal, die vollfrontale, mit echten Logo-Aufnähern bestickte Jeansjacke auf der neuen Scheibe von Monster Truck vermittelt auf jeden Fall eine ganz klare Botschaft, was musikalisch zu erwarten ist, denn merke: je denim desto retro.

Hat man das Ding jedoch in der Hand, wird schnell klar, dass die Artwork-Idee tatsächlich ziemlich cool ist, was vor allem an der Rückseite der abfotograferten Jacke liegt, auf der jeder Songtitel des Albums seinen eigenen Patch bekommen hat. In deren Gestaltung ist auch der eine oder andere humorvolle Hinweis auf die kanadische Herkunft der Band zu entdecken.

Doch, diese Hülle hat durchaus Potential, zu einem Klassiker zu werden. Zumindest in Kanada, zumal sich die Gruppe zu Hause gerade in einer Phase des massiven Durchstartens inklusive Spitzenpostionen in den Charts befindet.

Aber entscheidend sind natürlich nicht die Klamotten, sondern die Musik...





MONSTER TRUCK - Sittin' Heavy (red vinyl 2LP) (2016)

Die Auswahl an bejeansten Bands, die sich der Revitalisierung klassischen Hardrocks - gerne auch angereichert mit Blues oder (proto-)metallischen Einflüssen - verschrieben haben, ist aktuell bekanntermaßen riesig. Allein mit den Retro-Bands einer mittelgroßen Gemeinde in Schweden ließe sich vermutlich ein fünftägiges Festival beschallen.

Der Trend ist mir zwar generell nach wie vor sympathisch, allerdings reicht mein Interesse trotzdem vergleichsweise selten so weit, dass ich eine Gruppe auf Tonträger haben muss.

Auch bei Monster Truck hatte ich bis vor einer Woche noch gar nicht ernsthaft daran gedacht, sie auf Konserve besitzen zu wollen, obwohl ich ihren Auftritt beim Roadburn Festival 2014 ja sensationell fand.
Nein, die Entscheidung kam ganz neulich spontan, als ich beim Einkauf des "The Hateful Eight"-Soundtracks nach einem Beifang suchte (Versandkosten und so) - und ich habe es keine Sekunde bereut.

Die zwölf Songs auf "Sittin' Heavy" fußen ganz klar im Siebziger-Jahre-Hardrock, treten mal mächtig Arsch, sind mal bluesig entspannt und weisen durchaus im Einzelfall mal in die Neunziger (Soundgarden). Nein, orthodoxe Spezialisten, die sich auf eine ganz bestimmte musikhistorische Phase festgelegt haben, sind Monster Truck auf keinen Fall. Wohl aber haben sie klar erkennbare Vorlieben, zu denen auch eine sehr starke Portion Southern Rock gehört, die sich über das gesamte Album manifestiert, sei es mal "nur" in ansteckenden, lebensbejahenden Hooks oder auf die Spitze getrieben in "For The People", bei dem einem unwillkürlich wippende Cowboystiefel an den Füßen wachsen.

Es ist insgesamt schon eine sehr bunte Mischung, die sich auf den drei roten LP-Seiten ausbreitet.
Und was die Band dabei auch anpackt, es funktioniert hervorragend!

Am Ende dieser Rezension stehen ja wie immer ein paar Anspieltipps. Zunächst hatte ich mir nach ein paar Durchläufen des Albums fünf Titel herausgeschrieben. Dann hörte ich es wieder und dachte: Nee, es sind genau die anderen Stücke!
Der Grund dafür ist einfach, dass es hier keine Ausreißer gibt. Weder einen alles überstrahlenden Übersong, noch einen Stinker, sondern ausschließlich 1a mitreißende Rock'n'Roll-Qualitätskost, serviert in einem Soundgewand mit erkennbarem sludgephilosophischen Einfluss, in dem Gitarre, Bass und Orgel meist eine fette organische Einheit bilden.

Ich habe dann übrigens den Zufallsgenerator über die Tipps abstimmen lassen. Und das ist schon ok so.   


Die vierte Seite der Doppel-LP ist nicht abspielbar, hat aber ein sehr schönes, sogar mal gut erkennbares (wenn auch nicht ganz so leicht abfotografierbares) Edging, welches die Patch-Idee des Backcovers noch einmal aufgreift.

Nur hier ist auch der Aufnäher zum Lied "Midnight" zu sehen, denn der Track befindet sich exklusiv auf der Schallplattenversion des Albums. Selbst der beiliegende Download-Coupon spart den Song aus. Man muss ihn sich bei Digitalisierungsbedarf also eigenhändig aus der Rille kratzen.  Und da er sich auf Augenhöhe mit dem Rest von "Sittin' Heavy" befindet, ist er es auch wert.


Fazit: Der Monster Truck rollt! Die Band wird sicherlich auch in Europa bald noch mehr Kleinwagen auf dem Highway zerschroten.





Anspieltipps: It Gets Better, Midnight, Don't Tell Me How To Live, Another Man's Shoes, To The Flame

2016-02-21

LISERSTILLE - Midnight Wave (Live at Radar 2015)

Manchmal frage ich mich als mittlerweile doch ziemlich fleißiger Hobbymusikrezensent ja schon, ob ich nicht zu viel Lob und Superlative in meine Texte einfließen lasse. Ist das überhaupt noch glaubwürdig? Und sofort darauf erinnere ich mich daran, dass ich für fast alle von mir besprochene Musik ja schließlich Geld ausgeben musste. Und neue Alben laufen damit in der Regel schon vor dem Kauf durch den Filter meines exzellenten Geschmacks.

Somit ist es sicherlich nachvollziehbar, dass hier selten Verrisse auftauchen.

Trotzdem frage ich mich gerade bei chronisch eher wenig beachteten Künstlern durchaus, ob es etwas bringt, immer wieder den selben Sermon zu salbadern, wie einzigartig und grenzgenial XY sind und wie charakterlich und als Mensch unvollkommen man ohne ihre/seine Musik ist. Jaja, Herr Ohlsen, wir haben kapiert, dass Du XY ganz dufte findest... *gähn* Poste mal lieber was mit Katzen!

Liserstille (auch unbekannt als Lis Er Stille), die im dänischen Brøckhuus mittlerweile einen eigenen Eintrag unter "sträflich unterbewertet" haben, sind mir am Freitag zum Glück entgegen gekommen und haben auf ihrer Bandcamp-Seite ein Livealbum veröffentlicht, welches alle Lobhudeleien bestätigt und von jedem Zweifler vor dem Download gestreamt werden kann.

Ich müsste also eigentlich gar nichts weiter dazu sagen, und könnte es dabei belassen, meine unbedingte alternativlose Kaufempfehlung abzugeben.

Aber das tue ich natürlich nicht.
    

LISERSTILLE - Midnight Wave (Live at Radar 2015) (mp3) (2016)

Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass es zusätzlich zu den Audioaufnahmen auch ein Video der ganzen Geschichte obendrauf gibt! Mit fast acht Gigabyte Dateigröße ist das mp4 schon ein durchaus respektables Datenmonster, welches ich mir gerne auf eine DVD ausgelagert habe.

Was es hier zu hören (und wahlweise auch zu sehen) gibt, ist in keiner Hinsicht gewöhnlich. Liserstille beweisen während dieses beinahe zweistündigen Konzertes, dass sich komplett in einem eigenen Universum befinden.
Und in diesem Universum kann eine kommerziell nicht wirklich gigantische, exzentrische Post/Progrockgruppe auch mal einen kompletten Club mittels Requisiten und Änderung der Beleuchtung bis in die Toiletten hinein im Blade Runner-Stil umdekorieren (zu sehen in diesem Behind the Wave-Video) und auch ohne Metallica-Budget auf einer rundum von Publikum umgebenen Bühne zu einem Mitternachtskonzert auftreten.

Man ahnt, dass das von allen Beteiligten mit sehr viel Liebe gestaltete Ambiente live noch beeindruckender gewesen sein muss und schon aufgrund der überschaubaren Größe der Location schwer abzufilmen war. Denn zu viele Kameraleute auf zu engem Raum könnten das Publikum und die gesamte Veranstaltung auch schnell stören. (Wenn sie denn überhaupt verfügbart gewesen wären.)
So konzentrieren sich dann auch relativ wenige Kameras eher darauf, die Stimmung einzufangen, als stets die komplette Bühne abzudecken und Close-Ups der gerade wichtigsten Musiker zu liefern.
Und das funktioniert - selbst wenn es Resultat äußerer Zwänge sein mag - auch ziemlich gut.

Das Drumherum muss gewirkt haben, denn die Stimmung, die sich während des Auftritts entfaltet, ist etwas ganz besonderes. Und dermaßen epische Sets spielen die Dänen ja auch nicht jeder Tage. Nein, dieses Herzenskonzert ist ganz klar als Highlight in der Geschichte der Band zu erkennen.

Im Zentrum steht natürlich das aktuelle Album "Empirical Ghost", doch auch die komplette "Flight Of Belljár"-EP und weitere ältere Songs, u.a. die durch die Verwendung des Kontrabasses herausstechenden Stücke von "Nous" finden ihren Platz.


Muss ich zur Musik noch etwas sagen? Zu den schwebenden bis komplett durchdrehenden Kompositionen? Zur rhytmischen und dynamischen Unberechenbarkeit der Gruppe? Zu den dramatischen Keyboards und dem magischen Wind-Synthesizer? Zum charismatischen Bowie-meets-Postpunk-Gesang? Dazu, dass der Drummer ein irrer Duracell-Junkie ist?

Nein, da hilft keine noch so gesunde Skepsis: Das hier ist allerhöchste Güte, Liserstille gehören einfach zum besten was man sich als Freund ebenso künstlerisch anspruchsvoller wie exzessiver Rockmusik derzeit ankucken kann!

Um einen facebook-Kommentar zu zitieren, der "Midnight Wave" im Grunde präzise auf den Punkt bringt:

"SHIT!! Next level!!"


Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.




Anspieltipps: Zenith, Lyncher's Aim, Precognition, Myte, Lys Over Tid


LORD BISHOP ROCKS und BLACK&LUPIN live im Atzehoe, Itzehoe (20. Februar 2016)

Lord Bishop Rocks

Morgen spielen The Winery Dogs in Hamburg - und ich hab's verpennt, mir rechtzeitig ein Ticket zu sichern. Da brauche ich natürlich mindestens zwei Spitzen-Rockkonzerte, um das auszugleichen. Eines folgt in genau einer Woche, das andere habe ich gestern spontan im leider für einen Samstag mal wieder eher mau besuchten Atzehoe abgehakt.

Black&Lupin
Am Support-Act des Abends fand ich ja zunächst einmal vor allem die Vintage-Orgel faszinierend. Ich weiß nicht, um was für ein Fabrikat es sich handelt, aber eines ist klar: Solche Designs, bei denen der fest mit dem Instrument verbundene Ständer unter der Orgel noch ein Bücherregal als Bonus enthält, denkt sich heute keiner mehr aus.

Leider erwies sich die Orgel letztendlich auch als das interessanteste an der Band Black&Lupin, die einen ganz netten funky Classic Rock spielte, der mit fortlaufendem Set und Warmlaufen der erkälteten Sängerin auch ein paar durchaus gute Momente entwickelte, insgesamt aber doch zu versicherungsangestelltenmäßig zahm gespielt wurde.

Die besten Momente hatte - natürlich - die Orgel zu verantworten, alleine oder im Wechselspiel mit der Gitarre, und auch "White Rabbit" zu covern ist prinzipiell eine gute (wenn auch nicht die originellste) Idee. Ansonsten bleibt aber noch Luft nach oben. Das muss einfach mehr Arsch treten!


Lord Bishop Rocks

An Tritten in den Allerwertesten mangelte es bei Lord Bishop Rocks hingegen nicht.

Der Riese* Lord Bishop und seine beiden Mitmusiker zelebrierten einen explosiven Heavy Funk Rock mit Einsprengseln aus Blues und diversen anderen Stilen.
Dass der Mann ein Jimi Hendrix-Jünger ist, erkennt man schon rein äußerlich an den ähnlich wie bei Randy Hansen verkehrt herum gespielten Gitarren. Es gibt ja anscheinend einige Gitarristen, die das als Anfänger so bei ihrem Idol gesehen haben und erst später erfuhren, dass Hendrix Linkshänder war...

Wie auch immer, was die Band hier aufs Parkett legte, hätte tighter und souveräner kaum klingen können. Lord Bishop Rocks ist ganz klar eine powervolle Partymaschine, die sich den Albumtitel "Motörfunk" für ihr aktuelles Werk nicht aus der Luft gegriffen hat. Für noch unwiderstehlicheren Powertrio-Groove müsste man schon zu den Winery Dogs... hrmpf.
Als besonderes Highlight bleibt das (gegenüber dem Instrument) gnadenlose Basssolo hängen, nach dem der Viersaiter folgerichtig erstmal für ein paar Stücke geschont und von der Orgel ersetzt wurde.

Die Auswahl der Coversongs im Set hätte zwar nicht unorigeller sein können, aber gerade wenn ein Musiker es schafft, mit so stark beanspruchten Allgemeinplätzen wie "Cocaine", "All Along The Watchtower", "Voodoo Chile" und "Whole Lotta Love" (mit stimmgewaltiger Unterstützungung und vollem Körpereinsatz ihres Merchandising-Verkäufers) noch zu beeindrucken, dann sagt das ja auch etwas über Qualität und Selbstbewusstsein des Künstlers aus.

Ein sehr schönes Konzert, welches ein vielfaches der anwesenden Zuschauermenge verdient gehabt hätte.


*Schon während der Vorband stand sein Mikrofonständer auf der Bühne und wirkte neben der Sängerin wie eine hohe Reckstange. Als Lord Bishop dann zum Umbau auf die Bühne kam, hat er das Ding zu meinem belustigten Erstaunen dann noch höher gestellt.


Hier nun ein wenig digitales Spielzeuggeknipse aus meiner Harinezumi 4.0

Black&Lupin:





Lord Bishop Rocks:

















  

2016-02-20

MOTORPSYCHO - Here Be Monsters

Ich bin ja kein großer Freund von gefühlter Wahrheit, aber...

Wenn Motorpsycho ein Album veröffentlichen, welches "Here Be Monsters" heißt und dieses geile Coverartwork hat, dann kann der Rest nur gut werden!

Nein, das ist nicht logisch, nicht rational, denn theoretisch könnten ja auch die Norweger mal einen schlechten Studiotag haben und ins Klo greifen.

Ja, ich weiß, das klingt schon komisch bis unrealistisch. Wer soll das glauben?

Im Ernst: It's Motorpsycho!





MOTORPSYCHO - Here Be Monsters (LP+CD) (2016)

Die obligatorische Frage, wie zum Henker das Trio es schafft, trotz Liveaktivitäten und Zweitjobs in Spidergawd, in so schneller Frequenz so viele so hochwertige Veröffentlichungen rauszuhauen, muss weiterhin unbeantwortet bleiben. Da steckt man einfach nicht drin.

"Here Be Monsters" ist ein reguläres Album, also kein Monumentalbrocken wie die lässigste aller Rockopern "The Death Defying Unicorn" oder das chor- und orgelgewaltige Liveprojekt "En Konsert For Folk Flest", beides Kooperationen mit dem Komponisten / Jazzorganisten Ståle Storløkken.

Jener ist diesmal nicht dabei, soll die Entstehung der Songs aber maßgeblich beeinflusst haben, und das hört man auch.
So gesehen kann man das Album also auch nicht ganz in die Reihe stellen mit "Still Life With Eggplant" und "Behind The Sun", welche ja beide als Ausgleich zu den eben erwähnten Werken entstanden sind - und die zudem, was ich in meinem Reviews gar nicht erwähnt hatte,  als Quartett-Einspielungen mit Reine Fiske u.a. an zweiter Gitarre selbst etwas aus der Reihe fielen.

"Here Be Monsters" ist ein relativ kurzes Werk, welches auf eine LP passt, und gewissermaßen Motorpsycho light, und zwar in dem Sinne, dass man sich nicht nur auf die Stammbesetzung reduziert, sondern zumeist auch ziemlich relaxt zu Werke geht.

Ziehen wir das zunächst als Intro und später als Interludium vor dem Finale eingesetzte Thema von "Sleepwalking" ab, so besteht die Platte noch aus fünf Songs.
Der erste davon, "Lacuna/Sunrise", ist allerdings schon knapp zehn Minuten lang und setzt mit seinem locker psychedelisch progrockenden Wesen den Grundton für die Platte.
Unter der Oberfläche brummranzt der Bass zwar bereits im typischen Motorpsycho-Groove, was voll aufgedreht schon ordentlich wummst, doch voll entfalten soll sich dieser Aspekt der Musik erst später.

Erst einmal folgt mit "Running With Scissors" nämlich ein noch angejazzteres Instrumental, ehe in "I.M.S." dann aufs Gas getreten und insbesondere gegen Ende der wuchtige Rock'n'Roll-Hammer gezückt wird.

Die B-Seite beginnt mit dem großen Pop-Moment des Albums. "Spin, Spin, Spin" ist das Cover eines Folkrock-Songs, eindeutig inspiriert durch die von der Band H.P. Lovecraft gespielte 60er-Jahre-Psychedelic-Rock-Version des Stücks. Das hätte durchaus auch gut auf die "Childhood's End" von Ulver gepasst. Und Motorpsycho machen sich das Ding großartig zu eigen. Die Harmoniegesänge glänzen zwar auf dem gesamten Album, doch in diesem Ohrwurm sind sie am unwiderstehlichsten. 

Die Krönung folgt aber erst zum Schluss. "Big Black Dog" ist ein über siebzehnminütiger Longtrack, in dem der epische Einfluss Storløkkens nicht zu überhören ist. Motorpsycho fahren hier ihre komplette Dynamikpalette von zart gesäuselt bis überwältigend bombastisch auf. Der schwarze Hund bellt alle Qualitäten der Band hinaus und könnte sich live zu einem echten Sethighlight entwickeln. Wau!



Motorpsycho machen's also wie immer ein bisschen anders als sonst, aber zeigen trotzdem alles, was sie können. Und das kann so sonst niemand. Fans können eh blind (bzw. taub) zugreifen. Alle anderen ernsthaft musikinteressierten Menschen eigentlich auch. Ich habe nullkommnix zu beanstanden.

Und die CD-Version liegt der Platte auch gleich bei. So geht's!


Anspieltipps: Spin Spin Spin, Big Black Dog, Lacuna/Sunrise

2016-02-17

SULA BASSANA - Shipwrecked

Ich erinnere mich zwar nicht wo, doch vor nicht allzu langer Zeit las ich in einem Interview die sinngemäße Aussage von David Schmidt, dass es keinen guten oder schlechten Psych gäbe. Vielmehr, so sagt er, ist Musik entweder Psych, oder sie ist es eben nicht.

Da mag durchaus etwas dran sein. Zum einen sollte der auch als Sula Bassana bekannte Hansdampf der Krautjamszene (u.a. aktiv mit Electric Moon, Zone Six, The Papermoon Sessions) und Labelguru von Sulatron Records ja eine gewisse Fachkompetenz besitzen.

Zum anderen würde es auch erklären, warum ich das Gefühl habe, ein Review zu seinem neuen Solowerk verfassen zu können, welches ich vollkommen unverändert ebenso für das gleichzeitig erworbene Debütalbum von Yuri Gagarin verwenden könnte, obwohl beide Platten sich in in Sound, Instrumentierung und Arrangements erheblich unterscheiden.

Aber da ist diese Stimmung, dieser Soundtrack zu einem imaginären Weltraumdrama, bei dem Fernweh und Verlorenheit, Reise und Absturz, Nähe und Distanz, Staunen und Einsamkeit untrennbar miteinander verwoben sind.

Oder wir sagen einfach: es ist halt sehr trippy.


Und das wäre bei schlechter Musik nicht möglich; das könnte es tatsächlich nicht sein, wenn es nicht auch gut wäre. Diese Reise gibt es also anscheinend tatsächlich nur in gut. Demnach müsste das Wort "Psych" als komplette Rezension eigentlich genügen. Faszinierend.



SULA BASSANA - Shipwrecked (orange marbled vinyl) (2016)

Psych.























Ok, es gibt durchaus noch mehr zum individuellen Charakter des Albums zu sagen. Und zwar nicht nur, dass die LP super aussieht und das schwere Vinyl qualitativ 1a ist.

Auch wenn die obligatorische Gitarre nicht fehlt; auf "Shipwrecked" dominieren vor allem Elektroklänge.
Herr Bassana setzt dabei auf analoges Synthie- und Orgelgedöns, sowie Spielzeuginstrumente. Am meisten "retro" daran wirken die Beats, welche vollkommen aus der Zeit gefallen ganz unverhohlen nach wieder aufgepeppeltem Elektroschrott-Heimcomputer vom Flohmarkt klingen.
Neben den Rhythmusmaschinen gibt es auch noch andere Sounds, die für sich genommen wohl kindisch wirken würden.
Doch in der Mischung mit den warmen Analogsounds entwickeln diese vermeindlich billigen und naiven Bestandteile einen geradezu unwiderstehlichen Charme, und tragen ihren wichtigen Teil zum Gelingen der gesamten Mission bei.

Die erste Seite ist mit ihren zwei hypnotischen Longtracks voller wabernder, organischer Bewegung und suggeriert den Aufbruch in die abenteuerliche Ferne.
Auf Seite B kommen wir dann in jenen neuen Galaxien an, doch es läuft nicht so wie erhofft, denn das Schiff gerät in Turbulenzen und strandet. Upbeat und positive Vibes werden dementsprechend zurückgefahren und machen anderen Themen Platz, während wir vorsichtig die neue Umgebung erkunden...

Wie die Geschichte nun im Detail verläuft, muss jeder Hörer in seinem eigenen Kopfkino entscheiden. Eines ist allerdings gewiss: die Reise lohnt sich!
"Shipwrecked" ist ein sehr kurzweiliges Vergnügen für alle Freunde des instrumentalmusikalischen Milchstraßensurfens und extraterrestrischer National Geographic-Reportagen.


Und um noch einmal auf den Vergleich zur ersten Yuri Gagarin zurückzukommen: Schon diese Landschaften auf den Covern beider Scheiben... Ich glaube, der Kosmonaut und der Bassanaut sind tatsächlich auf genau dem selben Planeten gelandet!

Vielleicht treffen sie sich ja eines Tages?



Anspieltipps: Shushie Express, Shipwrecked, Moonbase Alpha Alpha

2016-02-12

DREAM THEATER - The Astonishing

"Ambitioniert" ist wohl die zentrale - und geschickteste - Vokabel in der Promotion zum neuen Werk von Dream Theater, einem zweieinhalbstündigen, aus 34 Tracks bestehenden Konzeptalbum der Kategorie Rock-Oper.

Selbst wenn er das Teil überhaupt nicht ausstehen kann, wird doch fast jeder Kritiker zumindest diesem Wort zustimmen und es übernehmen. Denn dass ein Unterfangen ambitioniert ist, sagt ja nur etwas über die Absicht aus, jedoch noch gar nichts über den Erfolg.

Die Absicht der Band war es, ihr eigenes "The Wall" zu schaffen, eine Zielsetzung die mir im Grunde redundant vorkommt, da Dream Theater ja bereits 1999 mit "Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory" ein Konzeptalbum veröffentlicht haben, welches den zum Ende hin doch etwas durchwachsenen Pink Floyd-Klassiker klar in die Tasche steckt.

Wir reden jetzt natürlich, liebe Musikhistorikerpolizei, über meinen ganz persönlichen Geschmack.
"Scenes" gehört für mich in die rare Kategorie der so rundum perfekten Alben, dass ich auf die Frage "Was ist noch besser als das?" die Antwort verweigern würde. Und so viel sei schon gesagt: "The Astonishing" kann diesen Erfolg eindeutig nicht wiederholen.

Das muss es ja auch nicht zwingend. Oder verlangt irgendwer von Queensrÿche ein zweites "Operation Mindcrime"?

Upps.

   

DREAM THEATER - The Astonishing (2016)

Die eingangs genannten Zahlen lassen es bereits erahnen: "The Astonishing" ist zunächst einmal vor allem - und von allem - viel, sehr viel.

Beim ersten Durchlauf fühlte ich mich dadurch folgerichtig ziemlich erschlagen und ich habe mich auf eine ziemlich lange Warmlaufzeit eingestellt, um diese Reizüberflutung in meinem Kopf zu strukturieren. Eine Gesamtspielzeit wie ein mittlerer Tarantino-Film, ein Wust an Tracks und nach einem elektronischen Intro schon in der zweiten Minute die volle Breitseite aus dickster Zukleisterung mit Chören und Orchester, unmittelbar gefolgt von Gitarren- und Keyboard-Soli, Filmmusik, noch mehr Chören, noch mehr Orchester...

Und dann beginnt die Geschichte. James LaBrie singt ganze acht verschiedene Charaktere (und Exposition). Und immer wieder viel Keyboards, viel Chorgesang, viel Streicher, viel Leadgitarren. Hier Samples, da plötzlich eine Brassband, anderswo ein Dudelsack... Viel viel, viel...

Es flutschte dann aber beim lässigen Nebenbeihören doch sehr viel schneller als erwartet, "The Astonishing" zu entknoten.
(Und sollte es für ein Review doch noch zu früh sein und ich mich hier vollständig zum Affen machen, habe ich spätestens nach der Liveaufführung des Albums ja noch Gelegenheit, mich zu korrigieren.)

Zunächst einmal wirken die vierunddreißig Tracks gleich weniger bedrohlich, wenn man erkennt, dass davon eine Handvoll nur elekronische Zwischenspiele sind und es zudem Overtüren gibt, sowie ein paar Stücke, die eher handlungsorientierten Brücken- als eigenständigen Songcharakter haben. Und natürlich gibt es eine ganze Reihe Themen, die songübergreifend immer wieder aufgegriffen und variiert werden.

Also im Grunde alles ganz klassisch nach dem Rockoper-Lehrbuch, wie es auch Neal Morse oder Arjen Lucassen immer wieder gerne benutzen. Werke wie Spock's Beards "Snow" oder der Output von Ayreon sind es dann auch, mit denen sich Dream Theater hier realistischerweise am ehesten messen.

Und ob man sein Konzept dabei in wenigen Longtracks mit unendlich vielen Parts präsentiert oder eben gleich in vielen kurzen Stücken, ist ja letztendlich reine Formsache.


Die musikalische Basis von "The Astonishing" sind die melodischen und nur relativ selten in Frickelorgien ausbrechenden Dream Theater, wie man sie beispielsweise von "Octavarium" kennt. Was das Verhältnis von Gefühl zu Technik angeht, kommt auch "Scenes From A Memory" als Vergleich in Frage.

Und doch ist dies klanglich eine ganz andere Baustelle. John Petrucci hat zwar das komplette Konzept im Alleingang ersonnen und ist mit der Gitarre sehr geschmackvoll präsent, doch die Hauptrollen überlässt er zu großen Teilen anderen.  Die musikalische Bebilderung der Geschichte obliegt vor allem Keyboarder Jordan Rudess und im fast ebenso großen Maße Komponist David Campbell.
Der Kanadier hat nicht nur diverse Filmsoundtracks in seiner Vita stehen, sondern ist vor allem die Luxus-Go-To-Adresse, wenn es darum geht, sich als Pop-, Rock-, Rap-, Countrystar in klassische Klänge aller Art einzuwickeln.

Durch seine Arbeit auf "The 2nd Law" von Muse sind Dream Theater auf ihn gekommen, und tatsächlich ist das Album auch eine ganz gute Referenz für vieles, was er zu "The Astonishing" beigesteuert hat.

Bass und Schlagzeug konzentrieren sich ungewohnt stark auf ihre Kernaufgabe als sicheres Fundament, welches all den Kladderadatsch darüber zusammenhält. Und das ist auch notwendig und richtig so.
Mike Mangini erhält noch einige wohldosierte Angeberspots, in denen er sich an seinem Kit austoben darf, während die Performance von John Myung wesentlich geradliniger und unauffälliger als auf den letzten beiden Alben gerät.

James LaBrie hingegen hat eine tragende Rolle wie niemals zuvor auf einem Dream Theater-Album, da wirklich lange Instrumentalpassagen rar gesät sind und es einfach eine Menge Text aus verschiedenen Perspektiven abzusingen gibt.
Ok, "abzusingen" klingt unangemessen despektierlich. Denn wenn es in einem Punkt wohl kaum Widerspruch geben dürfte, dann darin, dass der Sänger wirklich unglaublich auf den Putz haut.
Ohne dabei ins zu verstellte Schauspielern zu geraten, schafft er es, alle Figuren gut unterscheidbar zu verkörpern. Das Album wird so als Krönung über allem, was sonst darauf geschieht, vor allem zu LaBries Meisterstück.



Nicht ganz so erstaunlich wie der Titel und die Musik ist allerdings die Story, welche auf "The Astonishing" erzählt wird:
Ein dystopisches nordamerikanisches Imperium befindet sich gesellschaftlich in einem nicht weiter erklärten, aber halt so schön an "The Hunger Games" und ähnliche Geschichten erinnernden Spagat zwischen Science Fiction und Mittelalter.
Die einzige erlaubte Musik wird von Maschinen fabriziert. Es gibt allerdings eine Widerstandsbewegung. Und die Wunderwaffe des Anführers dieser Miliz ist sein Bruder, eine Erlösergestalt, die den Menschen die Musik wiederbringt...

Natürlich sind die meisten Rock-Oper-Handlungen eher naiv gestrickt und würden auf ein anderes Medium übertragen eher nicht funktionieren.
Viel wichtiger als die Tragkraft der Handlung an sich ist ihre Umsetzung, und durch deren Qualität funktioniert die Erzählung von "The Astonishing" durchaus.

Allerdings wurden meiner Meinung nach auch einige Chancen vertan, da irgendwie doch alles nur zum Hintergrund für eine ziemlich konventionelle Romeo-und-Julia-Geschichte um Liebe, Macht und Familienbande wird, die keine wirklich großen Überraschungen bereithält.
Mich persönlich hätte eine Handlung, die sich mehr um die gesellschaftlichen Konflikte in ihrer ganzen Hässlichkeit kümmert, besser gefallen. Dadurch, dass das Album ja deutlich die für Konzeptwerke dieser Art typische Neigung zum Musicalhaften hat, ist mir von der angeblichen Dystopie viel zu wenig zu spüren.
Ein interessanter Ansatz wäre gewesen, die Rolle der "noise machines" noch weiter auszubauen. Deren Zwischenspiele dienen sicherlich vor allem dafür, dass sich die Musiker live mal eben die Finger ausschütteln können. Doch was wäre es für eine mutige Möglichkeit gewesen, ihre elektronische Musik auch tatsächlich ins Songwriting zu integrieren! Und die Musik hätte noch unmittelbarer mit der von ihr illustrierten Welt zu tun.

Es gäbe also im Setting durchaus Ansatzpunkte, das Ding auch musikalisch unkonventioneller aufzuziehen. Denn dass Rockopern auch ohne strenge Anlehnung ans Regelbuch hervorragend funktionieren können, ist ja z.B. durch Motorpsychos "Death Defying Unicorn" hinreichend bewiesen.

Doch dies ist im Großen und Ganzen auch nur Kritik auf hohem Niveau.

Es sind letztendlich nur ein paar Passagen, die mir wirklich klar zu kitschig geraten sind, insbesondere diese Weihnachtsglocken in "Begin Again". Örgs. Doch gerade angesichts der Gesamtspielzeit haben solche Momente tatsächlich kaum Gewicht.


Das einzige ernsthaft große Ärgernis ist der Quasi-Titeltrack und Rausschmeißer "Astonishing".
Wenn die fabelhaften Superprogmetaller Dream Theater mir über zwei Stunden lang eine Geschichte erzählen, in der Musik die Welt rettet, dann erwarte ich am Ende auch ein wirklich großes, schillerndes, zauberhaftes, erstaunliches Stück Musik!
Und auch weil am Anfang beider CDs Overtüren stehen, sowie gegen Ende des ersten Teils in "A New Beginning" das schönste und längste Gitarrensolo des Albums gab, würde ein abschließendes, alles überragendes Instrumental auch strukturell Sinn haben.
Aber stattdessen gibt es den einfallslosesten Track von allen; Dream Theater im erprobten langsamen Epochalmodus, mit viel zusätzlichem Tamtam, aber im Zusammenhang doch seltsam substanzlos und ernüchternd.
Da kann man nur hoffen, dass sie sich zumindest für die Liveaufführung noch ein dramatisches Ass im Ärmel aufgespart haben.

Mein Tipp: Besser "gleich" nach Track 33 auf Stopp drücken, dann endet "The Astonishing" zumindest ein wenig befriedigender.


Insgesamt ist  "The Astonishing" dennoch ein wirklich großes, beeindruckendes Werk geworden, welches sich mit jedem Durchlauf zu weiterer Pracht aufbläst.

Wie eingangs verraten kann es sich in seiner Gesamtheit zwar nicht mit der innerdiskographischen Referenz "Scenes From A Memory" messen, doch im oberen Drittel oder Viertel der Dream Theater-Albumgeschichte sollte es sich langfristig durchaus festsetzen können.

[EDIT November 2016: Nach Monaten, in denen mich vor allem die Story und Gesamtlänge vom Hören des Albums abgehalten haben (seit dem Konzert Anfang März nur zwei Durchläufe), muss diese Einordnung wohl weit nach unten korrigiert werden.]


Aber zurück zum Gemecker: Wenn ich schon dabei bin, diesen Text viel negativer erscheinen zu lassen, als ich das Album tatsächlich empfinde, hier zum Schluss noch als sanfte Kritik Stinkefinger in Richtung Roadrunner Records ein paar aktuelle Vinyl-Preise:

Kamasi Washington (3 LPs) : ca. 30 Euro
Iron Maiden (3 LPs) : ca. 30 Euro
The Gentle Storm (3LPs + 2 CDs) : ca. 40 Euro
Dream Theater (4 LPs) : ca. 40  Euro? nein, es sind 94,99 Euro!

Ich bin ja kein Mathematik-Genie, aber irgendwas liegt da doch schief. Das muss ja eine gigantisch geile Karte sein, die der LP-Box beiliegt...

Deswegen: Kaufen unbedingt - aber nur auf CD!
Sonst denkt da noch jemand, diese Preispolitik sei okay.



Anspieltipps: A New Beginning, Moment Of Betrayal, Three Days, The Gift Of Music, The Path That Divides, A Saviour In The Square, Lord Nafaryus


2016-02-11

RAM und VLADIMIR HARKONNEN live im Panopticum, Itzehoe (10. Februar 2016)

RAM
Rumhängen? Nichtstun? Sich auf facebook über besorgte Rassisten ärgern? Eine DVD einschieben und dabei gemütlich einpennen?
Nicht die heldenhaftesten Aktivitäten, aber was soll's! Feierabend kann eben nicht immer actionreich, konstruktiv und weltrettend sein.

Gestern hätte durchaus in der Art enden können. Aber dann war da doch diese Stimme, die kurz vor halb acht zu mir flüsterte: Aaalter! Du hast echt noch keine der unzähligen Gelegenheiten ergriffen, Dir mal Vladimir Harkonnen anzuschauen. Das ist allmählich echt nicht mehr entschuldbar. Und heute Abend spielen sie in Itzehoe, als Support von RAM, deren aktuelles Album den Soundcheck im "Deaf Forever" gewonnen hat. Und das für acht Ocken! Das könnte unter Umständen echt mal ein Konzert werden, wo man sich im Nachhinein ärgert, wenn man seinen bequemen Arsch nicht hochbekommen hat.

Vladimir Harkonnen

Eine gute Dreiviertelstunde später umgibt mich also im gut gefüllten Panopticum das Aroma von Bier, Kippen, Kutten und Metalschweiß.

Traditionell soll es an diesem mit dem Slogan "Return Of The Iron Tyrants" beworbenen Abend auf der Bühne zugehen. Vladimir Harkonnen sind jedoch keine orthodox spezialisierten Hardliner, sondern präsentieren sich als Verfechter gleich mehrerer headbangerkompatibler Brauchtümer, nämlich Thrash, Hardcore, (so ein bisschen) 80er-Jahre-Heavy Metal und Punk, alle vereint unter dem Ziel, dass es permanent ohne Umschweife ordentlich auf die Fresse gibt.

Brüllzwerg* Philipp Wolter Harkonnen grölt den ersten Publikumsreihen gerne direkt ins Gesicht, verteilt als Entschuldigung dafür aber auch Topfpflanzen oder lässt sich am Boden wuselnd auf die Haare treten. Voller Einsatz!  Am Ende wurde die Stimmungsschraube noch zusätzlich mit einem Exodus-Cover angezogen. Ein gelungener Auftritt, Herr H.!

* Nein, sooo klein ist er gar nicht. Und bärtig auch nicht. Aber ich mag das Wort so.  

RAM

Auch wenn die fünf Harkonnens ihr Ding richtig gut raus haben, gibt es wohl keinen Zweifel, dass das, was der schwedische Headliner der Menge im Anschluss vor den Latz knallt, in einer noch edleren Stahlliga geschmiedet wurde.

Reden wir nicht um den heißen Brei herum: ein Konzert von RAM ist ein bisschen wie eine Zeitreise für zu spät Geborene, die schon immer mal bei einem intimen Clubkonzert von Judas Priest dabei sein wollten. Mit hervorragendem Sirenengesang und nietenbesetztem Lederhandschuh, und bei voller Umarmung aller Posing- und Grimassenklischees des Genres, preschen RAM durch einen Kader mitreißender Metalhymnen der obersten Güteklasse.
Nein, viel Luft nach oben bleibt nicht, und ich staune, wie schnell die Zeit vergeht, als der Sänger den letzten regulären Song ansagt. Alles richtig gemacht!

Und so scheiße der Bandname auch für sämtliche Suchfunktionen des Internets ist, als Konzertschlachtruf ist er schon ziemlich mächtig.


Ein feiner Abend mit zwei geilen Bands also.

Auf Tonträger haben ihre Stilrichtungen bei mir erfahrungsgemäß meist eher eine geringe Rotationsfrequenz zu erwarten, so dass ich mich am reichlich gedeckten Merchandise-Billardtisch eher zurückgehalten und mit der fünf Jahre alten "Under The Scythe"-Single in gold als Andenken begnügt habe.


Nebenbei war der Abend für mich auch die erste Gelegenheit meine neue Digital Harinezumi 4.0-Spielzeugknipse im Livefoto-Betrieb zu testen. Allzuviele Bilder habe ich aus dem Gewusel nicht gemacht, aber immerhin reichte es, um zu verifizieren, dass das Ding die Lichtgegebenheiten deutlich besser schaukelt als die 3.0er. Ob das dem neuen Modell oder der absichtlichen individuellen Qualitätsstreuung bei jedem einzelnen Exemplar zu verdanken ist, kann ich allerdings nicht sagen. Auf jeden Fall ist sie nächstes Mal wieder dabei. 

METAL!