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2017-08-17

THE BUG VS. EARTH - Concrete Desert

Obwohl ein großer Fan von Justin Broadrick, bin ich jenseits seiner beiden Hauptprojekte Godflesh und Jesu doch weit davon entfernt, ein Komplettist zu sein.
Hätte ich mich z.B. mal mit einer seiner prominentesten Nebenbaustellen, Techno Animal, oder seiner Zeit in God beschäftigt, dann wäre mir auch der Name seines Mitstreiters Kevin Martin aka The Bug schon vor dem letzten Roadburn Festival ein Begriff gewesen.

Dort war dessen gemeinsamer Auftritt mit Earth-Gitarrist Dylan Carlson noch als "The Bug vs. Dylan Carlson of Earth" kommuniziert worden. Auch wenn diese Variante natürlich inhaltlicher präziser ist und unnötigen Missverständnissen vorbeugt, geht der Name des Duos auf ihrem Studioalbum ein bisschen leichter von der Zunge:





THE BUG VS. EARTH - Concrete Desert (white and black marble / grey and black marble 2LP) + Below Heaven (red 12") (2017)


"Concrete Desert" ist also die Kollaboration eines überaus erfahrenen, immer wieder neues ausprobierenden Elektro-Musikers/Produzenten mit stilistischen Referenzen von Dubstep über Trip Hop und Industrial bis Jazzcore, dessen Diskographie bis Anfang der Neunziger Jahre zurückreicht, mit dem droneheiligen Großmeister des Zeitlupen-Gitarren-Twangs - dessen Tonträgerschaffen übrigens ebenfalls Anfang der Neunziger begann.

Was man von dieser Konstellation zu erwarten hat, ist offensichtlich: mit der Geduld einer Sergio-Leone-Kameraeinstellung wabernde Westernlicks, die über blauwalverschlingendes E-Gedröhne und bis zum Erdmittelpunkt bassenden Beats ganz langsam einmal bis zum Vollmond und zurück doomen. Und etwas dieser Vorstellung zumindest sehr ähnliches bekommt man auch.

The Bug vs. Earth live in Tilburg
Was für die Chemie dieses Albums wohl entscheidend ist, erklärte sich in einem Interview, welches ich vor einigen Wochen gelesen hatte. Kevin Martin erklärte darin, dass er seine Inspiration für dieses Instrumentalalbum die Metropole Los Angeles war, die er - nicht gerade Großstadtmensch - als endzeitliche Betonwüste empfindet.
Dylan Carlson hingegen kann das gar nicht nachvollziehen und findet LA eigentlich ganz cool.

Diese polaren Haltungen fließen beide in "Concrete Desert" ein und verleihen dem Album einen großen Teil seiner Spannung. Es ist ein durchgehend düsteres, langsames Werk, doch wenn die Gitarre nicht gerade im puren Noisemodus die Geräuschwerdung surrealen Advantgardekinos exerziert, begegnet sie der von The Bug heraufbeschworenen trostlosen Postapokalyse oft mit einer geradezu abgebrühten Tiefenentspanntheit, welche nicht nur die Hörbarkeit, sondern auch das katharsische Potential dieser Musik enorm steigert.

Und so funktioniert das Doppelalbum als dunkle Mitternachtsbeschallung ebenso gut wie wenn draußen bei Weltuntergangswetter der Sturzregen aufs Carportdach lärmt oder man im stockenden Autobahnverkehr auf Höhe Hamburg-Stellingen in der norddeutschen Wüstensonne brutzelt. Ich habe es getestet.

"Concrete Desert" hat bei mir nicht sofort zu hundert Prozent gezündet, doch das war das bei solcher Musik ganz normal ab und zu auftretende Phänomen, dass man zunächst einmal ein paar Längen empfindet, bevor man sich in Fluss und Rhythmus hineingehört hat.

Earth-Fans und generell alle Freunde des gepflegten Drone können hier ziemlich risikolos zuschlagen, denn was dieses transatlantische Team hier ins Vinyl gefräst hat, ist ein außerordentlich gelungenes, genreübergreifendes und tatsächlich auch abwechslungsreiches Slow-Motion-Meisterwerk.
 

Wer die Wahl zwischen CD und Schallplatte hat, der sollte hier übrigens unbedingt zu letzten greifen: Die Haptik stimmt, das Artwork ist super, die verschiedenfarbig marmorierten LPs selbst sehen nicht nur fantastisch aus, sondern klingen auch so. Was für ein vollmundig edel abgerundeter Bass! Sehr beeindruckend.




Das entscheidende Argument für die zwölfzöllige Version ist aber - bei einem Preis von derzeit um die fünfundzwanzig Euro -, dass zusätzlich zur Doppel-LP noch eine Rille namens "Below Heaven" beiliegt.

Deren B-Seite enthält mit "Another Planet" einen atmosphärischen Solotrack von The Bug, welcher nicht essentiell ist, das Ganze aber schön abschließt.

Die A-Seite jedoch ist für mich in diesem Paket unverzichtbar, beherbergt sie mit "Dog" und "Pray" doch alternative Interpretationen der Albumtracks "Snakes Vs Rats" und "Broke" - hier allerdings mit Heisergeschrei von niemand geringerem als... na, da kann man drauf kommen... genau, Justin Broadrick, der schon fast an sein gebrochenes Extremgekehle auf dem PainKiller-Stück "The Toll" anschließt. Hammer!


"Concrete Desert" punktet bei mir also in allen Belangen: Aufmachung, Preis/Leistungs-Verhältnis, Produktion - und musikalisch gewinnt dieser innovative Dröhndub sowieso.





Highlights: Concrete Desert, Dog, Don't Wald These Streets, American Dream, Other Side Of The World, Agoraphobia,





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