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2024-02-29

Denovali Duett mit NOTILUS und THE LOVECRAFT SEXTET


Vielleicht bin ich in Bezug auf Vorbestellungen etwas zu geduldig. Diese beiden Alben hätte ich wahrscheinlich schon vor Monaten hier besprechen können - und das nicht nur, weil ich zumindest die digitalen Varianten schon lange habe. (Allerdings halte ich mich dann oftmals trotzdem mit dem Hören zurück, damit's bei Ankunft des Tonträgers noch frisch ist.)

Doch die künstliche Denovali-Intelligenz hatte die insgesamt drei Artikel meines Auftrags nicht auf "verfügbar" gestellt. Und ich denke natürlich Ewigkeiten lang, dass die Herstellung der Tonträger sich wohl ein wenig verzögert hat, ehe ich auf die Idee komme mal vorsichtig nachzufragen.
Und schon is es beinahe ein halbes Jahr seit Bestellung, ehe das schwarze bzw. hellblaue und silberne Gold auch bei mir eintrudelt.







THE LOVECRAFT SEXTET - The Horror Cosmic (light cyan vinyl LP) (2023)

Dass das neueste Album von Jason Köhnens ultimativer Darkjazz-Spielwiese auf Denovali und nicht wie "Miserere" oder die "Black​†​White"-Single auf Debemur Morti Productions erschienen ist, verrät uns ja schon einmal, dass blackmetallische Einflüsse diesmal eher nicht zu erwarten sind.

Ansonsten bietet dieser selbsterklärte Soundtrack zu einem noch nicht existenten Film aber Elemnte so ziemlich alle Doomjazz-Varianten, die wir von den Vorgängeralben und -EPs und darüber hinaus in der Mount Fuji Doomjazz Corporation und weiteren Vorgängerprojekten gehört haben. Der von Bohren & der Club of Gore geprägte Zeitlupen-Synthie-und-Saxophon-Sound, sowohl in der Jazz-Noire-, Chamber-Pop- als auch der mystisch-orientalischen Spielart ist hier eben so anwesend wie die wavigen Achtziger mit ihrem großen Schlagzeugsound. Wie auf "Miserere" spielen auch Klassik, Horrorsoundtrack und Operngesang eine wichtige Rolle, doch werden sie hier zwar durchaus intensiv, aber in einem bei weitem nicht so erdrückend bösartigen Zusammenhang präsentiert.

Beim Lovecraft Sextet geht es Köhnen ja immer darum, die Grenzen seines Darkjazz-Begriffs durch andere Genres und Stimmungen zu erweitern. "The Horror Cosmic" bietet in dieser Beziehung zwar keine bisher komplett ungehörten Zutaten, doch die Weite und Eleganz des eigentlich nur Metal ausklammernden Bogens, den das Album spannt, macht es zum vielleicht bisher vollkommensten Ausdruck seiner Vision mit diesem Projekt.

Die perfekte Untermalung zum gemütlich knackenden Kaminfeuer im Burgsaal, während außerhalb der meterdicken Mauern unterm Vollmond das Gewitter tobt.










NOTILUS - Notilus II (CD) (2023)

Die Franzosen Notilus, deren Debüt ich mit neben diesem Zweitwerk auch gleich mitbesorgt habe, sind im Vergleich deutlich weniger Dark oder Doom, dafür aber sehr viel deutlicher Jazz. Future Jazz allerdings, denn neben Posaune, Kornett, Saxophon und Drums sind es vor allem synthetische Klänge und Effektspielereien, welche die Ästhetik dieser Gruppe bestimmen.

Das Resultat kann man sowohl als Ambient Jazz Fusion als auch maximal introvierten Techno betrachten. Oder halt extra-smoothen Lounge-Jazz mit modernen Mitteln für die extra coolen Kids. Dazu zähle ich mich dann halt auch gerne, haha.
Ernsthaft: Mir fallen im Bereich durchaus sehr experimenteller Musik, kaum wärmer klingende, angenehmer hörbarere (und doch sehr spannende) Kost als Notilus ein.

Grandios komponiertes Zeug, welches sicherlich denselben Nerv anspricht, der mich zum Fan von The Comet Is Coming macht. Allerdings klingen Notilus im Vergleich big-bandiger und atmosphärenorientierter. Mehr Denovali geht vermutlich kaum auf einem Album. Sehr gut! 





2024-02-24

CAN - Live In Paris 1973

Die offizielle Livealbum-Serie der Legende Can geht in die vierte Runde und taucht nach Stuttgart, Brighton (beide 1975) und Cuxhaven (1976) tiefer in die Vergangenheit und in den retrospektiv vielleicht noch etwas typischeren Sound der Gruppe.


CAN - Live In Paris 1973 (2LP) (2024)

Es ist ein trauriger Zufall, dass die erste nicht rein instrumentale Veröffentlichung aus dieser Serie mit Damo Suzuki am Mikrofon nun zwei Wochen nach dem Ableben des Japaners erscheint. Dass diese Phase der avantgardisten Band erst jetzt Teil dieses Rückblicks ist, wird beim Hören allerdings schnell verständlich. Letztendlich sind dies ja alles aus dem Publikum heraus mitgeschnittene, als gute Bootleg-Qualität klassifizierbare Aufnahmen, die mit moderner Technik optimiert und restauriert wurden. Und ein nicht ganz optimaler Gesangssound ist bei solchem Ausgangsmaterial einfach schwer zu retten.

Suzuki singt während dieser Show, über die den Liner Notes nach anscheinend keine großartigen Details bekannt sind, weniger als ich erwartet hätte - und zumeist relativ unauffällig, da er objektiv schlicht zu leise ist. Wäre er ein "normaler" Sänger gewesen, von dem klar durch den Song führende Strophen und Refrains erwartete, dann hätte man die Aufnahme vermutlich als nicht veröffentlichungsreif abgehakt. Seine oftmals in Fantasiesprache improvisierte Performance zwischen Jazz-Scat und Radiohead vorwegnehmendem Falsettklagen geht allerdings eher als instrumentale Textur durch, die sich nicht zwingend vom Rest abheben muss und so auch (und evtl. sogar besser) in dieser ziemlich tief eingebetteten Präsentation funktioniert.

Ok, ein paar tatsächliche Textpassagen gibt es hier und da auch zu hören. Denn auch wenn die bis zu zwei LP-Seiten Jams nach Vorbild der vorigen Livealben keine Titel tragen, sondern nur in der Form "Paris 73 Eins" nummeriert sind, haben Can doch ein paar Songs von Studioalben eingebettet. Ich schaue jetzt aber nicht nach, welche dies sind, denn ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich diese eh nicht kenne und mich über eben diese (natürlich auch diesmal sofort am einheitlich Design erkennbare) Liveserie an die Band herantaste.

Und vieles, was ich über die drei später aufgenommenen Vorgänger gesagt habe, trifft auch hier zu, vor allem wie unverschämt funky die Gruppe aufspielt und wie nimmermüde kreativ Michael Karolis Gitarre aberwitzige Brücken zwischen hypnotischem Space Rock und moderner Klassik schlägt.
Apropos Hypnose: Am offensichtlich unterschiedlichsten agiert Jaki Liebezeit, der hier bei aller jazzfusionistischen Dynamik oftmals noch offensichtlicher als in späteren Jahren wie eine vorzüglich programmierte halbe Maschine spielt.

Und so bleibt auch mit Damo Suzuki, den ich 2018 einmal gemeinsam mit Minami Deutsch live erleben durfte, das Fazit bestehen:

Can waren überirdisch aufeinander abgestimmt und sie auf der Bühne zu erleben muss eine rauschahfte, magische Erfahrung gewesen sein. Je mehr hörbare Zeugnisse davon René Tinner und das nun einzige noch unter uns weilende Bandmitglied, Keyboarder Irmin Schmidt ans Tageslicht holen können, desto besser!

Auch wenn's klanglich passagenweise mal dumpfer als ideal klingt (der Bass in "Paris 73 Drei" dröhnt z.B. viel zu undifferenziert über den Rest), ist dieses Album natürlich großartig, und es gibt abgesehen vom lieben bösen Geld letztendlich doch kein wirklich überzeugendes Argument, auf eine Zeitreise nach Paris zu verzichten. 





2024-02-23

CHELSEA WOLFE - She Reaches Out To She Reaches Out To She

"I cannot stop
I want to be all things
I've got to let go
I want to be all things"

That's what Chelsea Wolfe sang on "Be All Things" from her semi-acoustic last album "Birth of Violence" back in 2019. And even though her duo Mrs. Piss, Joni Mitchell cover and collaborations with Emma Ruth Rundle and Converge kept her on our radar, it has been a while hasn't it?

It certainly felt longer, especially with that lack of resolve due to the European tour that has never been.

Now after the standstill of the world and trials and tribulations in her own life and environment the Californian Queen of Contemporary Gothic is finally back with an album that seems to be completely built around the premise of those verses.


CHELSEA WOLFE - She Reaches Out To She Reaches Out To She (transparent green vinyl LP) (2024)

It really seems as if she reached out to her many past selfs - Dark Americana Chelsea, Crushing Doom Chelsea, Experimental Alternative Chelsea, Droning Electronica Chelsea, Eery ASMR Chelsea and all the others -, gathered all their collective wisdom and rebuilt herself in a new image that unites all past features to a new, but also familiar face.

"She Reaches Out To She Reaches Out To She" benefits from the creative constants of not only Wolfe's own input as sole writer, singer and lyricist of the album, but also her congenius partnership with Ben Chisholm, who always translates the unspoken part of her soul into thick atmospheric textures (are those two the Wednesday variant of Lizzy Grant and Jack Anonoff?), and her sisterhood with drummer Jess Gowrie, who expresses herself with an impressive performance that seemlessly flows between programmed and actually played rhythms.

For an album so highly anticipated (not only) within the Metal community it immediately strikes you as very Electronic. The booming beat of the opener "Whispers In the Echo Chamber" certainly set a tone, as does the prominent presence of synths during the record's whole duration.
But then there are also obvious heavy guitars; interestingly almost exclusively performed by Mother Tongue's  Bryan Tulao, and the only exception on "House Of Self-Undoing" neither being Chisholm or Wolfe herself, but Gowrie. Yet somehow you can never completely put the sound into one specific box. It always is... all things.

But even with some tracks being simultanously understandable as atmospheric Ambient Trip Hop pieces and Industrial-influenced Dark Alternative Metal, the singer's spellbinding charisma and poetry, but first and foremost even before that the extremely earwormy songwriting hold it all together with a naturalness that makes even thinking about the technicality, what stylistic bridges are being crossed, a pretty redundant excercise. Why analyse to death what sounds and feels so perfect?

I won't claim this is Chelsea Wolfe's best work to date - that slope is way too slippery, since I really respect every single entry in her discography to be chosen as personal favorite. And why even settle on one?
But that being said "She Reaches Out..." shows the artist at a very mature high point. Seldom has Chelsea Wolfe paired the darkness with so much light and developed such an open welcoming appeal, without forcing anyone to use the word Pop. No, this album isn't Pop. Yet still there's something universal in the best way about it, and it rightfully should pull many new listeners towards her world.

The only thing I'm actually uncertain about is the artwork. The cover itself isn't her most evocative by far, but the colour combination, also with the transparent green vinyl is fine. But why print the lyrics for ants if you could easily double the font size withour ruining anything? Come on!

Album is still fucking fanatstic though.  





2024-02-14

YOUN SUN NAH mit BOJAN Z. live in der Laeiszhalle, Hamburg (13. Februar 2024)

Es war mein drittes Konzert in der altehrwürdigen Laeiszhalle, allerdings das erste im Kleinen Saal, der mich vom holzvertäfelten Ambiente her etwas an den "Kleinen" Saal der Elbphilharmonie  erinnerte. Meine persönliche Perpektive ähnelte auf jeden Fall der vom Erland Cooper / Henrik Lindstrand-Konzert im November, da ich auch hier wieder sehr früh im Vorverkauf zugeschlagen und mir einen Sitzplatz in der Mitte der ersten Reihe gesichert hatte.

Heute erwartete mich allerdings kein beinahe rein instrumentaler Abend, sondern eine Sängerin, die schon lange auf meiner Wunschliste stand, auch wenn ich die letzten paar, mir teilweise etwas zu glattgebügelten Alben nicht mehr so nahe verfolgt hatte.

Die Südkoreanerin Youn Sun Nah trat zunächst ein Kalimba spielend alleine ans Mikrofon und begann den Auftritt mit einer sanften Version vom vor allem durch Nina Simone bekannten Hit "Feeling Good", in dessen Verlauf sie aber bald vom serbischen Pianisten Bojan Zulfikarpašić begleitet wurde, der sich übrigens offziell zum Glück - und sicherlich nicht grundlos - gerne einfach Bojan Z. abkürzt.

Als zweites wurde es dann textlich auf seltene Weise emotional und explizit intim, da ihre Interpretation von Björks "Cocoon" auf der Setliste stand. Tatsächlich wurde das komplette neue Album "Elles" gespielt, welches ganz anderen Künstlerinnen aus unterschiedlichsten Musikrichtungen gewidmet ist. Für das Duo hieß dies, dass es sich zwischen französischem Chanson, verrückter Jazz-Hexerei, Jefferson Airplanes "White Rabbit" und dem Spritual "Sometimes I Feel Like A Motherless Child" vielfältig kreativ austoben konnte.

Bojan Z. glänzte mal am Rhodes Piano, mal am Flügel, loopte und effekte auch mal, spielte auf dem Klavier Schlagzeug oder schlug direkt auf die Saiten. Fast alle Stücke enthielten außerdem Solo-Passagen, in denen sich der unkonventionelle Tastenmann reichlich Szenenapplaus abholen konnte. Keine Frage, der Mann hätte hier schon alleine eine denkwürdige Performance feiern können.

Die Sängerin jedoch hob den Auftritt auf vollkommen außerirdisches Level. Youn Sun Nah betrat die Bühne mit einem mitreißend freundlichen Charisma, welches reine unverfälschte Freude am Gesang ausstrahlte - und unterstrich diese Attitüde mit unfassbaren Fähigkeiten.
Egal, ob sie im Flüsterton mit geschlossenem Mund und mir rätselhafter Technik eine ewig lange Note hielt, ob sie zusammen mit Z. in wahnsinnig schnellen Scats abenteurliche Tonsprungakrobatik vollführte, in stets beeindruckender Kontrolle rauere oder grandiosere Stimmfarben malte oder vom Croonen zur Oper wechselte - dieser Ausnahmemusikerin bei ihrer persönlichen Grenzverschiebung des Begriffs Jazz zuzuschauen, war eine magische Erfahrung.

Alle Highlights kann man nach dieser Show eigentlich gar nicht aufzählen. Klar, "Killing Me Softly With His Song", ganz minimalsitisch nur mit Handdrehleier, durch die man den Song als Lochkarte durchlaufen sah, bleibt natürlich auch visuell sehr deutlich hängen.
Ganz anders, aber ebenso unterhaltsam war ihr dreckiger, mit zugedrückter Nase rausgepresster Mummenschanz als Tom Waits am Ende der mit Standing Ovations abgefeierten Zugabe.

Ich könnte noch weiter schwärmen, aber ich glaube meine Begeisterung für Youn Sun Nah ist deutlich genug geworden. Keine Frage: Ich hatte mir hier und heute mit dem Ticket selbst ein exzellentes Geburtstagsgeschenk gemacht!
Und nach dem Konzert hat die Künstlerin sich dann auch noch überraschend als Konditorin betätigt und mir eine kleine Torte spendiert: 

Hach!







2024-02-13

NAPALM DEATH. PRIMITIVE MAN und WORMROT im Gruenspan, Hamburg (11. Februar 2024)


Sorry, bevor ich anfangen kann, muss ich erst einmal meine Rock'n'Roll-Bingokarte suchen... Ich habe nämlich Sonntag das Woltersche Quadrupel vollgemacht. Klar, die Wahrscheinlicheit den regelmäßig drüben auf DreMuFueStiAs aus dem Pit berichtetenden Philipp auf einem Metalkonzert zu treffen, ist immer gegeben, aber auf gleich vier Konzerten hintereinander, drei davon in Hamburg, eines in Flensburg - das ist schon eine außergewöhnliche Quote.
Wer also an einer weiteren Perspektive zu den Shows von Spidergawd, Lucifer und Minerall und ihren Supports interessiert ist: nichts wie rüber! Aber haaalt, nicht so schnell! Bitte erst einmal meinen Senf zu Ende lesen!

Es ist Mai 1992, wir sind in der Großen Freiheit 36, das Motto der Tour ist Campaign For Musical Destruction und es spielen Obituary, Napalm Death und Dismember. Nee, Moment! Das war die die letzte Tour mit dem Motto, bei der ich zugegen gewesen bin. Glaube ich zumindest ziemlich fest, haha. Lang ist's her. Und die Grindcorepioniere sind immer noch voll dabei. Respekt!

Doch nun fast forward zurück ins Jahr 2024!
Zum frühen, aber als sehr früh angekündigten Einlass schlängelte Sich eine lange Besucherreihe vom Gruenspan aus die Straße entlang. Es bestand also niemals Zweifel, dass die Bude rappelvoll werden würde. Der Grund für den dann doch immer noch sehr frühen späteren Beginn war, dass die Crossover/Thrash Metal-Band Biermächt - auch bekannt unter dem Auftritte in Deutschland wohl seit Jahrzehnten behindernden Namen Wehrmacht - sich wohl aus mir unbekannten Gründen aus dem Package zurückgezogen hatte. Es spielten also nur noch drei Gruppen.






Den Anfang machten die Singapurer Wormrot, die vor fast genau einem Jahr erst grandios das Hafenklang zerlegt hatten. Auch diesmal stand das Restduo aus unverschämt fetter Gitarre und derbe überschalliges Polyrhythmusgeblaste wie einen Sommerspaziergang erscheinen lassenden Drums wieder mit dem Sänger von Implore als Tourmitglied auf der Bühne.

Im Vergleich zur Headlinershow im deutlich kleineren Laden fand ich, dass sich im hohen, laut schallenden Gruenspan-Gemäuer mit breitem Absperrungsgraben vor die Bühne die Wirkung ein wenig verlor. Klar, wahnsinniger Qualitätsgrindcore wurde heute auch geboten, die Menge fand's zurecht geil und alle waren glücklich. Wie überragend die Band aber tatsächlich sein kann, wurde in der Position als Opener nur angedeutet. Ein bisschen schade, aber natürlich in dieser Konstellation normal und kaum zu vermeiden.









Primitive Man spielten im Anschluss eine Show, die ohne weiteren Zusammenhang schon als headlinerwürdig durchgegangen wäre. Als ich das Sludge-Trio um das runde Geburtstagskind Ethan Lee McCarthy zuletzt auf dem Roadburn Festival 2022 gesehen hatte, konnte ich wegen Clashs nicht ganz die neutronensternschwere menschenfeindliche Abgründigkeit ihres beinahe absurd überzeichneten Doomsounds abtauchen. Diesmal jedoch lies ich mich natürlich den kompletten Auftritt lang zerdröhnen.

Zum Glück hielt ich mich vorne an der Absperrung fest und konnte so, der die Knochen von innen in ihre zellulare Bestandteile zerlegenden Wucht dieser Existenzhassmusik zum Trotz, die Illusion des aufrechten Gangs aufrecht erhalten.
Primitive Man zermalmen dich einfach wie eine Saftpresse, bis nur noch evolutionäre Ursuppe übrigbleibt. Herrlich! Ich kann kaum noch nachvollziehen, warum ich ursprünglich ein paar Versuche gebraucht hatte, um mich für die Zerstörungsmacht dieser Krachmaschine aus Colorado zu erwärmen.

Perfekte Zermalmung - folgerichtig floss später auch mein letztes bares Scheingeld in zwei primitive Tonträger, damit sich "Caustic" nicht mehr so alleine in der Sammlung fühlt.









Zunächst einmal war Augenreiben angesagt: Was für eine Body-Transformation von Shane Embury! Ach nein, Kommando zurück. Jener nimmt sich aktuell eine Auszeit und wird live vom Bassisten von Pro- Pain ersetzt. Dafür ist Barney aber immer noch sowas von Barney der britische Tanzbär wie eh und je. Einfach ein Original.

Eigentlich unfassbar, dass sich der hochleistungssportliche Radikalkrach von Napalm Death als solide Grundlage für eine Jahrzehnte währende und immer noch spannende Karriere erwiesen hat.
Dass die Band immer hungrig und kreativ geblieben ist, merkte man an der quer durch die Diskographie jagende Setlist, die bewies, dass Grindcore zwar derbes Geboller ist, aber deswegen nicht auf Abwechslung verzichten muss. Und damit meine ich nicht nur die ganz offensichtlichen Ausflüge in Killing Joke-Hommage oder den swansigen Abschluss mit dem nihilistischen Stampfer "Contemptuous" von "Utopia Banished".

Nein, hier passierte tatsächlich in jedem Track etwas anderes. Gemeinsam hatten sie ihre ultrapräzise Brutalität und dass sie die Meute in einen permanenten Zustand des Ausrastens versetzten.
In der Mitte der ersten Reihe war ich hier definitiv einem wilden Einwerken von Kräften ausgesetzt, wie ich es lange nicht mehr erlebt hatte. Mein Körper bedankte sich, dass es nicht das Level von Voivod im Logo 2018 erreichte, aber sportlich war das schon. Respekt für die guten Samariter neben mir, die es tatsächlich schafften, den mit Abstand jüngsten Besucher während seines ersten Konzerts blessurenfrei zu halten! Großer Einsatz für das hohe Gut der musikalischen Früherziehung.

Politisch kann man die junge Generation natürlich auch bedenkenlos in die Napalm Death-Tagesstätte schicken. Dass Barneys Erwähnung der AfD das Publikum inspirierte zu skandieren, was ganz Hamburg von den Schlumpfnazis hält, gehörte hier einfach zum selbstverständlichen guten Ton.

Kann ich irgend etwas schlechtes über die Briten sagen? Nö, geht nicht. Das war wirklich ein astreiner, wunschlos glücklich machender Abriss.

Nächstes Konzert dann in knapp vier Stunden nach Veröffentlichung dieses Berichts! Es gibt smoothen Vocal Jazz, also sozusagen das komplette Kontrastprogramm. In diesem Sinne: Nazi Jazzheads Fuck Off!