CYNIC - Carbon-Based Anatomy (2011)
Tja, über Cynic habe ich mittlerweile ja so viel Lob vergossen, dass mir spätestens seit dem Livereview zum Konzert am 19. Dezember eigentlich kaum noch etwas zu schreiben einfällt.
Vielleicht hilft mir ja ein Blick ins Lehrbuch für Cynic-Rezensionen...
Nein, leider nicht. nach diesem ist nämlich zunächst einmal die Messung des Metal-Gehalts wichtig, bzw. die Feststellung, ob und wie weit sich die Musik der Band seit "Focus" geändert hat. *gähn*
Also gut: Man hört schon durchaus, dass die Band im Metal verwurzelt ist, es gibt aber keine längeren Riffpassagen und auch keine Growls. Und ja, diese EP ist tatsächlich kein zweites "Focus", unterscheidet sich von den Bonus-Tracks der späteren "Focus"-Neuauflage, klingt ebenso nicht nach "Traced in Air" und knüpft auch nicht direkt da an wo "Wheels Within Wheels" auf der "Re-Traced"-EP aufgehört hat!
Und dennoch erkennt man natürlich schon nach kürzester Zeit, dass es sich um Cynic handelt. Irre! Wie überraschend! Und scheiße, was sind mir diese Kriterien kackegal. Dass Metaller oftmals engstirnige Traditionalisten sind - ok, dass wird sich auch in den nächsten dreißig Jahren nicht ändern. Aber dass gerade sogenannte Fans progressiver Bands von diesen verlangen, sich ab einem bestimmten Punkt ja nicht mehr zu ändern, da steige ich nicht hinter.
Und eigentlich machen Cynic ja in gewisser Weise doch jedesmal das gleiche. Auch "Carbon-Based Anatomy" nimmt uns mal wieder mit auf die komplette Reise durch Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt. In erstaunlich kurzer Zeit, das muss man zugeben.
Aber natürlich gibt es Unterschiede zu den vorangegangenen Trips. Der deutlichste ist wohl, dass es sich nur bei der Hälfte der sechs Tracks um vollwertige Songs handelt, die auch für sich alleine stehen können. Demnach ist es zu empfehlen, die EP stets als zusammenhängendes Gesamtwerk zu hören, das steigert die Wirkung erheblich und lässt sich bei 23 Minuten Spielzeit auch leicht einrichten.
Musikalisch gibt es nicht nur im von Gastsängerin Amy Correia intonierten, schamanenhaften Intro "Admidst the Coals", der Meditation "Bija!" und dem Ausklang "Hieroglyph", dessen Text im Booklet passenderweise recht schwer lesbar ist, einen deutlichen Einschlag von Ambientklängen und Weltmusik.
Mit diesem Einfluss, aber auch verdeutlicht in einem naiven Songtitel wie "Elves Beam Out", machen sich auch in den eigentlichen Songs die 70er Jahre stärker bemerkbar als in der Vergangenheit, ohne jedoch das wie gewohnt doch eher futuristische Gesamtklangbild an sich zu reißen.
Die Besetzung der Band ist mit Paul Masvidal, Sean Reinert und Immer-wieder-Studiobassist Sean Malone eine sichere Nummer, die jeder für sich und zusammen erst recht mit ihrem unverkennbaren Stil viele Glanzpunkte setzen. Allein der Basslauf des Titelstücks ist schon für die Götter. Dazu die exzellenten Leadgitarren und als weitere Markenzeichen das zwischen Jazz und Powerdrumming fließende Spiel Sean Reinerts und der mal ganz reduzierte, mal durch Vocoder-Effekte entrückte Gesang Paul Masvidals, schon ist man wieder ganz tief drin, im Cynic-Klangkosmos. Und wie immer gilt dabei, dass bei aller Kunst der Song an sich stets im Mittelpunkt steht.
Um den Thron der absoluten Spitzenscheiben 2011 kann "Carbon-Based Anatomy" zwar nicht mitkämpfen (dafür fehlt es einfach an Spielzeit), aber sowohl Fans, die nicht bis in alle Ewigkeit Neuauflagen der "Focus" hören wollen, als auch Neu-Zyniker machen hier mit dem Kauf nichts verkehrt.
Eine Tendenz für das nächste volle Album werde ich aus der EP nicht ableiten, denn daran halten sie sich ja ohnehin nicht. Wenn auf eines Verlass ist, dann doch dass Cynic immer sie selbst bleiben, jedoch mit jeder Veröffentlichung eine neue Facette ihres Sounds präsentieren. Und dies hoffentlich nie wieder mit einer fünfzehnjährigen Pause dazwischen!
Anspieltipps: Carbon-Based Anatomy, Box Up My Bones
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2012-01-09
2012-01-07
Tonträger 2011, Teil 5: Die nihilistische Dreifaltigkeit (JESU)
Kein Jahr, in dem uns Justin K. Broadrick nicht mit mindestens einem Release von Jesu beglückt. Um für 2011 auf drei zu kommen, habe ich allerdings etwas geschummelt, da "Heartache / Dethroned" schon im Dezember des Vorjahres rauskam. Aber der Dezember geht ja immer so schnell vorbei, deswegen wollen wir hier mal keine Haarspalterei betreiben. ;)
Außerdem hat die Musik auf dieser Doppel-EP ja ohnehin schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel, handelt es sich doch um eine Wiederveröffentlichung des Debüts von Jesu, sowie die Aufbereitung noch älterer Demoaufnahmen.
JESU - Heartache / Dethroned (2010)
Die aus nur zwei, jeweils ca. zwanzigminütigen Songs bestehende EP "Heartache", ursprünglich 2004 erschienen, kommt zwar nun optisch reduzierter in noch monochromerer (und sich somit besser in die Diskografie einfügender) Aufmachung daher, hat aber musikalisch nichts von ihrer Kraft und Relevanz eingebüßt.
Nach wie vor ist dies eines der ganz essentiellen Werke im Broadrick-Universum.
Den Song "Heartache" kann man aus heutiger Sicht als Vorläufer des mehr als doppelt so langen Brockens "Infinity" betrachten, dem er im Aufbau nicht unähnlich ist.
Nachdem man zunächst einmal an die Zerre der Saiteninstrumente gewöhnt wird, bestimmen Riffs und relativ häufige Wechsel das Klangbild, ehe das Stück etwa in der Mitte sein langsames Mantrathema mit der immer gleichen Textzeile "But really there's nothing" findet.
Im Vergleich zu den meisten Veröffentlichungen des Vorgängerprojektes Godflesh zeigt sich der Sound insgesamt melancholischer und dynamischer, der Drumcomputer hingegen klingt in manchen Passagen noch gewollt synthetischer. In "Ruined" öffnet Broadrick seinen Klangkosmos zudem noch weiter für Pianosounds, die man früher von ihm nicht so gehört hätte. Anderseits hält dieser Track im Gegensatz zu den meisten späteren Jesu-Werken noch das damals gewohnte brutale Shouting bereit, welches im Laufe der Zeit immer mehr von der zerbrechlichen Gesangsstimme abgelöst worden ist.
Alles in allem bewegt sich "Heartache" perfekt im Spannungsfeld Mensch und Maschine, Gefühl und Kälte, Schönheit und Abgrund.
Das ältere Material der nun erstmals erschienenen "Dethroned"-EP steht dem kaum nach. Die Stücke sind zwar kürzer, dafür sind derer vier zu hören. Von harten Godflesh-Rhythmen zu melancholischeren Elegien umfasst sie ein angesichts ihrer Kürze schon bemerkenswertes Klangspektrum. Irgendwo knarrzt, ranzt und dröhnt es dabei allerdings ständig, im Vergleich zu "Heartache" ist der Sound also schon etwas dreckiger. Mit einem echten Schlagzeug hätten sich die Stücke auch allesamt gut in das erste Full-Length-Album "Jesu" eingefügt.
Als eigenständiges Merkmal dieser EP kann man die Effekte auf dem Gesang betrachten, die natürlich im Prinzip nichts wirklich neues sind, hier aber beispielsweise im Titeltrack eine besonders entfremdende Qualität entfalten.
Für Freunde der musikalischen Katharsis liefert der Meister auf diesem Solowerk wieder einmal feinste Kost, und während der hypnotischen letzten Takte von "I Can Only Disappoint You" wünscht man sich, es hätte davor noch ein bisschen mehr als eine knappe halbe Stunde Musik gegeben.
Anspieltipps: Heartache, Dethroned, Ruined, I Can Only Disappoint You
JESU - Ascension (2011)
Während ich "Heartache" (mit dem Bonus "Dethroned" nun erst recht) zu jenen Jesu-Scheiben zähle, die ich einem Neuling zum Einsteig ans Herz legen würde, sieht es bei diesem neuesten Longplayer etwas anders aus... Nein, das Album ist definitiv kein Flop! Aber es ist schon sehr... anstrengend, selbst für Jesu-Verhältnisse.
Dabei ist es aber weit entfernt von der ausufernden Stumpfheit von Songs wie dem genialen Debütalbum-Opener "Your Path To Divinity". Auch wabert sich hier kein Song über die Zehn-Minuten-Grenze. Und es mangelt ähnlich wie auf dem zweiten Album "Conqueror" oder der "Lifeline"-EP ebenso nicht an Melodien, denen man anders arrangiert schon fast Pop-Appeal attestieren könnte.
Dennoch hat sich das Album sehr langsam an mich herangeschlichen. Hört man "Ascension" nämlich nur so nebenbei, besteht das Risiko, dass einen die Musik einfach verdammt runterziehen kann.
Nie klangen Jesu (hier mal wieder als Duo mit Ted Parsons als echtem Drummer) so organisch, nie stand so wenig Maschine zwischen dem Song und den Hörer. Selbst der fragile Gesang verzichtet über weite Strecken auf die gewohnten Delay-Spielereien. Dadurch ist "Ascension" sehr intim geworden, und so nah wie hier am emotionalen Kern der Musik zu lauschen, das erfordert schon ein gehöriges Maß an Gewöhnung. Denn hier geht es nunmal eine Stunde lang sehr langsam und schlechtwetterlyrisch zu.
"You give life and then don't feed it - It's all smothered beauty"
"Is it any wonder that something's missing forever more?"
"Age comes like the night in winter, just after we leave December"
"Can't you keep it to yourself? Does it eat you up like the cancer in us all?"
"Is it any wonder that something's missing forever more?"
"Age comes like the night in winter, just after we leave December"
"Can't you keep it to yourself? Does it eat you up like the cancer in us all?"
Hat man sich in dieser Gedankenwelt zu einer Stunde lang permanent schwermütig langsamer Musik erst einmal zurecht gefunden, dann dringen durch all die Depression auch die Songs zu einem durch und entfalten irgendwann auch ihre ganze Schönheit. Und am Ende - im Finale von "December", dem darauf folgenden "King of Kings" und dem abschließenden Epilog und Titelstück - meint man fast dieser Himmelfahrt (="Ascension") beizuwohnen.
Dieser Prozess der Entfaltung hat eben nur - bei mir zumindest - deutlich länger als allen vorangegangen Alben und EPs gedauert. Aber was langsam wächst, wird ja oft umso besser.
So auch hier. Hat man es sich erschlossen, so reiht sich "Ascension" nahtlos in die Reihe seiner meisterlichen Vorgänger ein.
Anspieltipps: Broken Home, King Of Kings, Small Wonder, Fools
Und nun schwelge ich noch ein wenig in bitterem Selbstmitleid, weil ich Jesu dieses Jahr nicht auf dem Roadburn Festival sehen kann...
2012-01-02
2012-01-01
52 Wochen | 52 | fin
Na also, endlich ist dieses Trauerspiel vorbei! So viele auf den letzten Drücker rausgequetschte Notbilder. wer hätte gedacht, dass ein läppisches Digitalfoto pro Woche so kompliziert sein kann? Gerade, wo es mit dem 365-Tage-Projekt damals ja ganz gut geklappt hat. Dieses Jahr gibt's weder das eine noch das andere, stattdessen hoffentlich im monatsschnitt mal wieder ein bisschen mehr reguläre Fotografie.
Moin 2012!
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