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2013-08-09

WACKEN 2013 - More of that Jazz!

Feiner Jazz war das wieder!


Aber zunächst einmal zum Wetter, welches letztes Jahr ja ein großes Thema war.

Diesmal gab es keinen Kampf gegen den schlammigen Untergrund, nein ganz im Gegenteil:

Es war tagsüber überwiegend heiß und wolkenlos trocken. Zum Glück wehte meistens noch eine leichte Brise frischer Wind, sonst wäre es noch schweißtreibender geworden. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr musste man aber schon achten. Und Sonnenschutz war auch zu empfehlen. Ansonsten ziehe ich diese Art Wetter dem Schlammchaos vom Vorjahr doch deutlich vor.
Am Samstag Nachmittag schaute dann aber doch noch ein heftiges Regenband vorbei. Die Presse soll ja schließlich nicht ohne ihre Wacken-Schlammschlacht-Klischeebilder auskommen!

Ok, ich habe auch ein paar davon gemacht. Wird allerdings noch eine Weile dauern, bis der eine Film, den ich mir traditionellerweise in meine lustige Pinguinkamera gepackt habe, entwickelt ist.
Bei den Ordnern sorgte die Knipse übrigens nur für Belustigung und leichte Verwunderung. Von idiotischen Begegnungen am Einlass bin ich dieses Jahr tatsächlich mal verschont geblieben.

Überhaupt gibt es wenig Kritik zu üben. Das Hauptproblem ist für mich nach wie vor der von mir jedes Mal aufs neue beklagte, eklatante Kreativitätsmangel bei der Zusammenstellung des Billings.

Man kann ja nicht einmal Witze darüber machen, dass nächstes Jahr zum fünfundzwanzigsten Jubiläum bestimmt wieder Avantasia kommen. Tut man dies nämlich, kommen "schwupps* die ersten Ankündigungen für 2014 und natürlich sind neben diversen anderen Dauergästen Avantasia dabei!
Hatten die nicht versprochen aufzuhören? - Ja, aber was diese Versprechen seit Scorpions, Running Wild usw. wert sind, wissen wir ja...
Ich könnte auch schon wieder damit anfangen, welche Bands und Genres seit Jahrzehnten vernachlässigt werden, aber auf mich hört ja doch niemand. ;)

Dabei sind die Veranstalter ansonsten wirklich lernfähig. Man schaue sich nur mal all die Änderungen der letzten Jahre an. Alles was den Leuten am vielzitierten "Zirkus" zu viel ist, wie z.B. Wrestling, Wet-T-Shirt-Contests, Feuerprollshow usw. schrumpft doch innerhalb von ein, zwei Jahren wieder auf ein erträgliches Maß zusammen oder verschwindet ganz. Das Wackinger-Gelände, welches letztes Mal unter einem lieblosen Durchlaufstationscharakter litt war z.B. diesmal auch wieder besser strukturiert. In diesen Dingen sieht man immer wieder deutlich, wie auf Kritik eingegangen und über Probleme nachgedacht wird.
Von daher gehe ich mal davon aus, dass den Machern das Booking-Problem durchaus selbst bewusst ist, sie aber einfach in Veträgen mit Labels und Agenturen gefangen sind und gar nicht anders können.


Das ist natürlich unbelegte Spekulation. Jetzt halte ich mich lieber an das, was ich sicher weiß, nämlich wie ich meine vier Festivaltage erlebt habe.

Grundsätzlich war der Ablauf jeden Tag, mir zunächst in Schenefeld ein Tetrapack Saft zu besorgen, um die ersten paar Luxusgetränke in Wacken zu sparen, dann meinen Bruder aus Mehlbek abzuholen, und dann offiziell ein paar nette wackener Einheimische zu besuchen, bei denen wir parken durften. Und nachts ging es dann wieder unter die heimische Dusche und ins richtige Bett. Auf Diskussionen, ob das noch Metal ist, lasse ich mich übrigens nicht ein. Man bleibt so auf jeden Fall eher auf dem Festivalgelände und sieht mehr Bands, als wenn man den ganzen Tag auf dem Campingplatz versauert.


Mittwoch:

Mittlerweile kann man ja schon einen Tag vor eigentlichem Festivalbeginn durchgehend Konzerte besuchen. Ich habe allerdings noch normal gearbeitet und es deswegen bei einem Einstimmungsbesuch am Abend belassen. Zunächst einmal hieß es, die Bändchenausgabe zu finden (warum nicht mehr am dorfseitigen Eingang?) und für die Full Metal Bag anzustehen, in der es diesmal übrigens überraschenderweise mal kein Frei.Wild-Merchandising zu finden gab! Dafür war mein Beutel aber total durchnässt, so dass ich alle Sachen aus Papier, die ich ohnehin weggeschmissen hätte, gleich wegschmeißen musste. Zum Glück ist die Regenjacke ja eingetütet, und die war auch das einzige, was ich an den folgenden Tagen sicherheitshalber dabei hatte.

Um 20:00 Uhr feuerten Russkaja auf der Wackinger Stage dann mal wieder ordentlich "Energia" ins Publikum. Mehr Partystimmung als bei diesem verrückten Russenska-Kollektiv ist wohl kaum möglich.


Nachdem Russkaja gezeigt hatten, wie es geht, wanderten wir unvermittelt ins Fremdschäm-Epizentrum, wo uns MegaBosch auf beeindruckende Weise zeigten, wie es nicht geht.

Es ist eine Sache, auf einem auf postapokalyptisch getrimmten Container mit Käfig fürs Schlagzeug und GoGos einen auf Möchtegern-MadMax zu machen und dabei schlechte Musik mit noch schlechterem Prollgesang plus peinlichen Texten ("Es ist so geil, jetzt hier zu sein! Es ist so geil! blabla geil blubb geil... geil") zu spielen. Aber wenn man dann das eher verhalten reagierende Publikum auch noch fragt, ob es all das, was hier geiles aufgebaut wurde, denn auch genauso geil wie man selbst findet... aua.
Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis ich das Wort "geil" wieder ohne Fremdschämtrauma hören und benutzen kann.


Donnerstag:

Mein Konzerttag begann vor der Doppelbühne im Zelt mit den sehr unterschiedlichen Metal Battle-Gewinnern aus Polen und Japan. Gnida bretterten brutalen Oldschool-Deathgrind in die Riesensauna und mein Bruder und ich waren uns einig: Das war guter Jazz!

Im Auto hatten wir nämlich einen USB-Stick als DJ, auf dem ich u.a. Jaco Pastorius, George Benson, Passport und jede Menge verwandtes Zeug gespeichert habe. Daraus war also gerade der Running Gag entstanden, alles in Wacken als Jazz zu bezeichnen.

Und was machen die Wahnsinnigen von Mysterious Priestess aus Japan? Beginnen ihr Set natürlich mit einem lupenreinen Jazz-Intro und machen uns so unseren Insiderwitz kaputt!
Die sehr jung wirkende Band wurde aber auch nach dem Intro für Normalmetaller nicht unbedingt zugänglicher, sondern frickelte einen stilistisch absolut schmerzfreien Over-the-top-Progmetal mit blackmetaleskem Gesang, in dem gerade Takte hohen Seltenheitswert hatten. Technisch erstaunlich versiert und von den Arrangements her stark übertrieben, sorgten Mysterious Priestess für genauso belustigte wie beeindruckte Verwunderung. Es gibt schlechtere Publikumsreaktionen, siehe MegaBosch...


Die weiteren Highlights spielten sich dann im Infield ab. Von Annihilator wusste ich eigentlich nicht viel mehr, als dass sie Kanadier sind, Thrash Metal spielen, und das Jeff Waters gerne rote V-Gitarren benutzt. Nun weiß ich auch, dass sie live richtig grmmpf... geil sind (aaargh, verschwindet aus meinem Kopf, MegaBosch!). Vor allem den Gesang fand ich sehr überzeugend.


Apropos überzeugender Gesang: Den gab es dann auch bei den ganz klassischen Hardrockern von Thunder, die ich als Teenager bestimmt doof gefunden hätte. Aber man entwickelt sich ja zum Glück weiter. Der Stoff zum totalen Ausrasten war es zwar nicht, doch sehr gut gemacht und eine passende Einstimmung auf die danach auftretende Legende Deep Purple.

Was soll ich zu Deep Purple groß schreiben? Viel Hammond, viel Blues, lange Soli, riesige Hits, ohne die Rock- und auch Metalwelt eine andere geworden wäre... Legenden bei der Arbeit eben. Bin sehr froh, sie endlich mal gesehen zu haben. Jazz at its finest!



Danach kam dann der Night-to-remember-Headliner Rammstein.

Als echter Metalfan sollte ich Rammstein ja hassen, weil die ja gar kein Metal sind, sondern nur laute, riffbetonte, harte Stromgitarrenmusik mit provokanten Texten spielen, also lupenreinen... ihr wisst schon... Jazz. Und das dann auch noch auf der "True Metal Stage"! Sakrileg!

Und als Laibach-Fan müsste ich über Rammstein, deren musikalische Identität zu großem Teil auf dem "Opus Dei"-Album der Slowenen beruht, eigentlich nur milde lächeln.

Mache ich aber nicht. Natürlich ist es komisch zu sehen, wie prominent das Laibach-Kreuz hier geborgt wird, und natürlich liegt die inhaltliche Substanz beider Gruppen Welten auseinander.

Aber man muss Rammstein einfach zugestehen, dass sie große Entertainer sind (Laufband für den Keyboarder = bester Bühneneffekt des Festivals) und mittelerweile auch so einige feine Songs im Repertoire haben. Ich würde sie mir zwar nach wie vor nicht auf einem regulären Tourkonzert anschauen, aber gut gefallen hat's mir schon.
Und das sage ich, obwohl ich sie nicht wirklich unter idealen Umständen gesehen habe. Wir hatten nämlich nach Deep Purple die blöde Idee, uns vom linken Teil des Infields mehr in die Mitte zu bewegen und gerieten so in eine der fiesesten Menschenquetschen, die ich auf dem Open Air je erlebt habe. Da half nur, nach hinten raus zu flüchten und es außen herum zu versuchen. Und weil die Leute in der Mitte so dicht gedrängt standen und nachdrängelten, hieß "außen herum" nicht im hinteren Teil des Infields entlang zu gehen oder über den Vorplatz, sondern tatsächlich einen Bogen bis über den Campingplatz zu spannen!
Den Rest des Konzertes haben wir dann aber aus der ersten Reihe erlebt - der ersten Reihe des Movie Fields allerdings, wo es ein paar Songs dauerte, bis man den Sound einigermaßen verstehen konnte. Aber wie gesagt, mir gefiel es trotzdem.

Und dann war da natürlich noch der in der medialen Nachbetrachtung oder auf lächerlichen facebook-Seiten wie "Wacken ist kein Heavy Metal" (*mimimi*) vollkommen übergewichtete Auftritt von Heino.
Die Zeit die ich gebraucht habe, um zu überlegen, ob ich darauf überhaupt eingehe plus die Zeit, die ich nun tippe ist ja schon länger, als die zwei Drittel von "Sonne", die der Mann da auf der Bühne stand. Im Kontext einer Band, die textlich desöfteren mit schwermütiger volkstümlicher Romantik kokettiert, kann ich mir viele unlogischere Bühnengäste vorstellen. Und handwerklich besser als der - im Verhältnis zu den Leuten, die ihn tatsächlich miterlebt haben - noch viel übergewichtetere - Auftritt von Roberto Blanco 2011 war er auch.
Ich sage also heute wie damals: Kirche --> Dorf!

Viel erwähnenswerter finde ich den Abschluss des Konzertes, als Till Lindemann auf einer Kanone reitend Schaum in die Menge spritze und es Konfetti regnete. Eine Minute später sprang nämlich mein Bruder plötzlich auf, und lief zehn Meter davon und fing einen einsamen Konfettischnipsel, der den ganzen weiten Weg über das komplette Infield bis zu unserer ersten Reihe zurückgelegt hatte. Was für ein Andenken!
Als ein Fan neidisch wurde, hat er es aber ganz großherzig in der Mitte geteilt.


Freitag:

Die "True Metal Stage" war u.a. Powerwolf, Sabaton und Doro sei Dank an diesem Tag komplett verbotene Zone.

Dafür hatte es unser erster Programmpunkt auf der "Black Stage" um halb zwei hatte gleich in sich: Einmal Hirn durchschütteln mit Gojira bitte! Wenn es eine (relativ) junge Band mit absolut eigenständigem Signatursound auf dem Festival gab, dann waren es die Franzosen. Brutal, präzise und immer mit dieser leicht schrägen, intensiven Grundstimmung. Schwer zu beschreiben, manchmal auch schwer zu begreifen, aber ganz großes, unkonventionelles Kino!

Danach schauten wir mangels Pflichtterminen mal, wer so im Zelt spielte: Dr. Living Dead bretterten mit Totenkopfmasken und Mike-Muir-Bandana ein an D.R.I. erinnerndes Hardcore/Thrash-Brett. Nett.

Die Kamikaze Kings hatten sich angeblich sowohl dem Rock'n'Roll als auch dem Metal verschrieben, müssen aber dummerweise mal irgendwo gelesen haben, dass GoGo-Tänzerinnen, 80er-Jahre-Bühnenoutfits und testosterontriefende Sexprolltexte zwingend dazugehören. Klar, das ist alles auch ironische Partymasche, aber wenn man nur verwundert davor steht und sich nicht sicher ist, ob das da freiwillig oder unfreiwillig komisch ist, dann ist da ganze doch noch überarbeitungswürdig. Acht Punkte auf der MegaBosch-Geilheitsskala.

Besser wurde es mit Black Messiah, obwohl sich mir die ganze Musikrichtung Pagan Metal nach wie vor nicht erschließt. Deutschsprachiger Röhrgesangsfolk trifft Black Metal. Aber warum zum Henker tut er das?
Gerade die Teufelsgeigerpassagen fand ich aber schon witzig. Und die Einsicht des Sängers, dass ein Fell als Bühnenklamotte in einem derart heißen Zelt nicht die beste Wahl ist.

Danach kam die einzige kleine Enttäuschung für mich. Henry Rollins erzählte bei seinem Spoken-Words-Auftritt nämlich zu großen Teilen die gleichen Sachen wie letztes Jahr, als er seine Predigt allerdings sogar noch besser auf den Punkt brachte. Ich hätte wirklich gedacht, dass der Mann noch mehr Geschichten auf Lager hat. Trotzdem blieb ich sitzen. Man braucht schließlich auch mal etwas Pause, um sich zu sammeln für den Rest des Tages.

Zurück zur "Black Stage" - New York! Hardcore! Agnostic Front! Nackenbrecherpogojazz! Sehr gut!


Manchmal ist er einem ja schon etwas zu immer und überall, aber dieses Jahr musste auch mal wieder ein kompletter Auftritt von Mambo Kurt im Biergarten sein. Und jungejungejunge artete das aus! Mambos Heimorgel und Gameboy rockten so dermaßen ab, dass sogar die Massen vor der Hauptbühne, auf der Sabaton spielten, mitgingen! So sah es jedenfalls manchmal aus - ein kleiner eingebildeter Sieg in der David-gegen-Goliath-Klangschlacht der kleinen Biergartenbühne mit  der gigantischen "True Metal Stage".
Der Mann in beige enttäuscht eben nie. Jazz ist Trumpf!

Nach dieser Party ging's erstmals zur "Party Stage", auf der die alten Haudegen von Corvus Corax (waren schon Mittelalter bevor es hip wurde) kräftig in den den Dudelsack und diverse andere Eigenbau-Instrumente bliesen.
Dieses Mal hatten sie tatsächlich kein Orchester dabei, wurden dafür aber bei vielen Stücken von der Taiko-Gruppe Wadokyo auf japanischen Riesentrommeln unterstützt. Wie immer machmal mit Längen durch zu viele Wiederholungen, insgesamt aber sehr mächtig und sehenswert.





Nun war es aber schon fast halb elf - höchste Zeit für METAL Jazz!

Vorher bekam ich allerdings doch einen whoooooooooyeahhhgeiltollwichtigen VIP/Presse-Ausweis geschenkt. Ohne dazugehöriges Band hat der zwar keinen praktischen Nutzen, ist aber trotzdem hübsch.


Im proppevollen Zelt gab sich das kanadische Kult-Trio Anvil die Ehre. Im Gepäck hatten Lips und Co. Klassiker wie "Winged Assassins", "Mothra" und "Metal on Metal", neue Stücke von "Hope In Hell" und einen Höllenpanzer voll Metalklischees wie viel zu langer Gitarrensoli (natürlich mit Dildo) und dem obligatorischen Drumsolo, eingebettet in das "Juggernaut Of Justice"-Instrumental "Swing Thing".
Doch so ungerecht es manchen anderen Bands gegenüber auch sein mag - Anvil dürfen das!
Und zwar nicht nur, weil sie es einfach irre gut machen, nein. Kaum eine andere Band strahlt solche ehrliche Freude am Metal aus und das springt ins Publikum über. Highlight des Tages!

Übrigens - ganz ohne Scheiß eine Original-Ansage von Lips:
"Enough with this Blues and on with the Jazz!"


Samstag:

Da ich am Vortag ja bei Corvus Corax gewesen war, hatte ich vom - aus gesundheitlichen Gründen - vorzeitig abgebrochenen Motörhead-Auftritt nichts mitbekommen.

Als Ausgleich dafür hatte ich nun das vergleichsweise exklusive Vergnügen beim Spoken-Word-Auftritt von Anthrax-Gitarrist Scott Ian zugegen zu sein. Neben ein paar Verwechslungsanekdoten und einer kleinen Fragestunde bestand sein Auftritt in erster Linie aus der von Comiczeichnungen unterstützten, epischen Erzählung seiner ersten Begegnung mit Lemmy in einem londoner Pub und deren Folgen. Sehr lustig war es - und wir haben etwas gelernt: Lädt Lemmy Dich zu einem Drink ein, sage niemals "I'll have what you're having."

Nach etwas Überbrückung durch Die Apokalyptischen Reiter, mit denen ich nach vor nur so mittelviel anfangen kann, gab es eine amtliche Death-Metal-Volldröhnung mit Lamb Of God, was allerdings in meiner Erinnerung eher eine untergeordnete Rolle spielt. Genauso heftig wie die Mucke krachte nun nämlich der Regen auf uns ein! Schnell rein in die schwarze Regenjacke - und gleich ein großes Loch vorne hineingerissen, weil ich meine Mütze vor einem Windstoß retten musste. Dennoch war der Schutz besser als nichts und wir hatten weiterhin unseren Spaß.
Das Abtrocknen ging dann auch relativ schnell, nur an den Füßen blieb Sportschuh sei Dank dieses feuchtpelzige Gefühl, gerade neues mikroskopisches Leben zu erschaffen.

Als Anthrax um siebzehn Uhr mit "Among The Living" und "Caught In A Mosh" ihre Thrash-Metal-Party starteten, konnten die Umstände gar nicht besser sein: Gute Laune, Sonnenschein und diverse Schlammpits, in denen sich jene Fans suhlten, die eh nicht mehr dreckiger werden konnten. Aber ihr kennt ja die Klischee-Fotostrecken. ;)
Die Band jedenfalls ging richtig ab, vor allem Joey Belladonna war in Topform. Und wer "I Am The Law" und das Joe Jackson-Cover "Got The Time" im Gepäck hat, gewinnt ja sowie immer. Müsste ich mich für einen Lieblingsauftritt beim diesjährigen W:O:A entscheiden, dann wären Anthrax wohl unter den beiden Spitzenkandidaten!

Wer war Kandidat Nr. 2? Der kommt noch noch...

Doch zunächst einmal ging es gleich weiter mit dem ebenfalls sehr sehr geilen (puh, ich musste schon fast gar nicht mehr an MegaBosch denken...) Konzert von Danzig.

Bei Danzig denke ich zunächst einmal an die tiefen Neunziger, an Kassetten, an ein beeindruckendes Konzert  in den Docks mit der damals ganz frisch angesagten Vorgruppe White Zombie, an das Dynamo Open Air 1994, bei dem ein Kumpel einen von zwei in die Menge geworfenen Drumsticks fing, der dann später im Tausch gegen einen Pungent Stench-Stick aus der hamburger Markthalle zu mir kam.

Und dann denke ich natürlich an Glenn Danzigs instrumentales Düstermusik-Soloalbum "Black Aria", welches wir früher als viel zu oft verwendeten Soundtrack zum Rollenspiel Das Schwarze Auge in und auswendig kannten.

Von diesem Werk kam natürlich auch das Intro, ehe der Muskelzwerg und seine drei Musiker mächtig losrockten. Ich hatte die Band ja seit Ewigkeiten nicht mehr gehört, so dass es immer wieder diese herrlichen Ach-ja!-Momente gab, egal ob der Meister "Twist Of Cain", "Am I Demon" oder "How The Gods Kill" anstimmte.

Nach jenem Song war der Danzig-Auftritt bis auf den Abschluss "Mother" eigentlich vorbei, denn es kam ein schwarzweiß bemalter Muckibudenfreund namens Doyle auf die Bühne, mit dem Herr Danzig vor sehr sehr langer Zeit, als ich noch einen flensburger Kindergarten besuchte, in einer gewissen Punkband gespielt hat. Und so freute sich die Meute über mehr als ein halbes Dutzend Misfits-Klassiker, ehe wir mit der Jazzballade "Die, Die My Darling" in den Rest des Abends entlassen wurden.

Die Schatten wurden nun allmählich länger, und was gibt es besseres, um einen in die Dunkelheit zu geleiten als von Großmeistern ihres Fachs zelebrierten Doom?


Candlemass kamen auf die "Party Stage" und bewiesen ganz klar, warum sie die Gruppe waren, auf die ich mich dieses Jahr am meisten vorgefreut hatte. Tonnenschwere Black Sabbath-Riffs, fantastische Leadgitarren und mit Mats Levén ein herausragender Sänger, der so ziemlich alles kann, was seine Vorgänger so drauf haben. Gänsehaut! Jeder Song war klasse, und doch war ich gerade von den Stücken des letzten Albums "Psalms For The Dead" (u.a. "Prophet", der Titelsong und "Black As Time" inklusive nihilistisch philosophischem Intro) besonders angetan.
Und zum Abschluss durfte natürlich als dritter Zugabensong die Überhymne "Solitude" nicht fehlen. Ganz groß, was die Schweden da abgeliefret haben!

Wir sahen dann noch auf der Leinwand den Zugabenteil von Alice Cooper, der bei "Poison" und "School's Out" showmäßig mächtig auf den Putz haute. Das Konzert hätte ich schon gerne ganz gesehen, aber eine ärgerliche Überschneidung muss es bei den vielen Bands ja immer geben.

Es folgten u.a. noch Nighwish, Rage mit Orchester und die unvermeidlichen Dauergäste Subway To Sally. Die schenkten wir uns jedoch alle. Sicher spielten auch noch sehenswerte Bands (z.B. Meshuggah), doch wir machten uns in dem Bewusstsein, dass wir die Highlights schon erlebt hatten (und es im T-Shirt noch ziemlich klamm werden könnte) sehr zufrieden von dannen.


Und so war es wieder wie so oft in den letzten Jahren: Große Enttäuschung bei den Bandankündigen, weil die richtigen Knaller so dünn gesäht sind und immer wieder die gleichen Nasen die Hauptbühnen beschallen - und doch hat man am Ende wieder jede Menge interessante, gute und mehr als gute Shows gesehen.
Mehr Jazz in dieser Zeit geht nicht!

In der Nacht von Sonntag auf Montag habe ich also gleich das X-Mas-Ticket (Weihnachten, haha...) geordert. Über zweieinhalb Stunden Kampf und Krampf auf Metaltix.de und mein Haupthaar ist doppelt so grau wie vorher. Das, liebe Kinder, ist Jazz!

In diesem Sinne: Tschüß bis zum nächsten Jahr!


Bandwünsche, die mir gerade einfallen:

Atheist
Autopsy
Ayreon
Cynic
Dream Theater
Godflesh
James LaBrie

Motorpsycho
Psychotic Waltz
Swans
The Winery Dogs
Treponem Pal
Triptykon
Voivod

Müssen ja nicht alle sein, aber ihr wisst ja, welches die sträflich vernachlässigten Acts sind...



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 Hmmm....

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Soll ich?

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Ok, ich kann's mir ja doch nicht verkneifen...

Man merkt, dass sich nach Jahren der Hofierung der Trend in der Mainstream-Presse leicht dreht. Plötzlich spielen sich Hardcore-Szeneorgane wie der Stern oder der Fernsehsender n.tv als Hüter des wahren Wacken-Spirits auf und ziehen über die böse Kommerzialisierung her...

Früher hieß es schließlich stolz "sponsored by nobody".
Soso, ihr seid also Zeitzeugen des tiefsten "früher", welches mindestens 1991 gewesen sein muss. Denn vom Plakat und der Bühne meines ersten Wacken Open Airs 1992 (Headliner Saxon) habe ich noch deutlich ein prominentes Zigarettenmarkenlogo in Erinnerung.
Und den originalen, den echten Wacken-Geist findet man nur noch im Dorf, wenn man mit den begeisterten Bewohnern spricht? - Sorry, aber bis auf die direkt eingebundenen Leute und den örtlichen Supermarkt, der nicht zufällig einem Herrn Jensen gehörte, hat das Festival die Wackener (Gribbohmer, Holstenniendorfer...) doch anfangs gar nicht tangiert. Irgendwann war dann aber auch im Dorf mehr los und spätestens nach dem berühmten ersten Onkelz-Jahr fühlten viele Bewohner sich gestört.
Dann hat man jedoch miteinander geredet und vor allem hat man festgestellt, dass sich ja doch jede Menge Spaß haben und nicht zletzt auch Geld verdienen lässt... Und seitdem ist im Großen und Ganzen Friede, Freude, Full Metal Village.

Der wahre Wacken-Spirit ist für mich dann aber doch eher - so ungern ich es auch zugebe -, dass alle zwei, drei Jahre immer wieder Doro und Saxon spielen. ;)


In Artikeln dieser Art ist auch nach wie vor gerne vom Jägermeister-Kran (wo?) und Wet-T-Shirt-Contests (ja, wo zum Teufel denn?) die Rede. Und natürlich vom "Wrestling-Zelt", in dem komischerweise zu 95 Prozent der Zeit Musik stattfindet.

Nicht dass die Journallie nicht auch ein paar Körner finden würde (Ja, Captain Morgan und die immer gleichen Werbeschleifen nerven!), doch die meisten Sachen lassen sich ziemlich leicht auseinander nehmen.
Aber was soll's? Es geht ja doch in erster Linie darum, die Klischee-Fotostrecken mit Schlammzombies und Feuerwehrkapelle unterzubringen.


Peinlicher als jeden Pressebericht finde ich allerdings manche facebook-Seiten (siehe weiter oben) und Foren, auf denen sich jene, die keine Karte bekommen haben oder einfach schon viel zu metal sind der Lächerlichkeit preisgeben, z.B. in dem sie sich über genrefremde Besucher in weißen Anzügen und pinken Slippern aufregen...


Ich war zufällig live zugegen, als diese Fotosession stattfand, stand ein paar Meter weiter vorne. Das Bild ist also nicht, wie einige super tolerante Idioten, für die man sich als Metalfan nur schämen kann, gephotoshopt. Anders als ihr Hasskappentastaturfresser waren die Leute auf dem Gelände nämlich tatsächlich alle ganz entspannt und haben den Herrn Jan Delay nicht - wie ihr es bestimmt getan hättet - geköpft, gevierteilt und die Reste dann ausgepeitscht.

Anderseits kann ich euren Hass natürlich schon ein klein wenig nachvollziehen. Der Typ ist schließlich durch Beziehungen irgendwie umsonst reingekommen.

Und ihr habt es schon wieder nicht geschafft, vor dem frühen Ausverkauf eurer Ticket zu bekommen.

Viel Glück für 2015!






2013-06-17

ANVIL - Hope In Hell

"Stabreim zu Stabreim" im Titel? Check!

 Albernes Klischee-Metal-Coverartwork mit Amboss? Check!

Infantile Schülerbandtexte? Check!

Breitmaulig grimassierender Frontmann und Drummer mit angewachsener Gehirnkappe? Check!

 --> ein neues Album von Anvil ist da!


 ANVIL - Hope in Hell (2013)


Wenn die schon knapp vor der Entdeckung des Feuers dagewesen Kanadier um Frontspinner Steve "Lips" Kudlow ein neues Album herausbringen ("Hope in Hell" ist ihr fünfzehntes Werk), dann ist mit einer Sache nicht zu rechnen, nämlich der Neuerfindung des Rades Ambosses.

Stattdessen wird die Zeitmaschine auf Anfang der Achtzigger gestellt und purer Heavy Metal ohne Schnörkel und Sperenzchen abgeliefert.

Die Stärken liegen dabei wie immer in der absolut souveränen musikalischen Permormance, die von Robb Reiners legendären Powerdrumming getragen und von Lips' aus vollem Herzen schreddernder Leadgitarre veredelt wird.

Die Schwäche liegt vor allem in den Texten, die man in Ermangelung einer geeigneten deutschen Vokabel nur als cringeworthy bezeichnen kann. Allerdings ist dies hier ja keine feinsinnige Prog-Veranstaltung, also muss man wohl einfach drüber hinweghören. Es ist ja nicht so, dass z.B. AC/DC uns jemals philosopisch stimuliert hätten. Und wenn es in "BadAss Rock'n'Roll" selbstreferentiell heißt "Bang your head / til you're dead / what Metal on Metal said" oder wenn in "Flying" tatsächlich nur diverse Flugrouten rund um die Welt aufgezählt werden, dann ist es auch schon wieder lustig.

Der Umgang mit Klischees ist eines der wesentlichen Merkmale, die für mich entscheiden, ob ich eine Band mag oder nicht. Die besten Herangehensweisen sind, Klischees ganz zu vermeiden, geschickt mit ihnen zu spielen oder sie gezielt zu kultivieren.
Anvil leben ihre Klischees. Die sind wirklich so! Und deswegen funktioniert diese Band. What you see ist what you get. Ehrlich währt am längsten. Totgesagte leben länger. Hach, da freut sich das Phrasenschwein!

Aber abgesehen davon, dass Anvil es grundsätzlich einfach draufhaben, muss man doch festhalten, dass das Niveau von "Juggernaut of Justice" leider in keiner Minute erreicht wird. Den Anspruch dieses Albums kann man ganz klar nach Motörhead-Manier verorten: "We are Anvil and we are rock'n'roll!"
Das sind sie auch und selbst das "Smoke On The Water"-Gedächtnisriff in "Through With You" ändert nichts daran, dass "Hope In Hell" frischer wirkt als das bekannterweise unter schwierigen Bedingungen entstandene "This Is Thirteen".

Doch im Vergleich zum direkten Vorgänger, der auch ein paar erfolgreiche Experimente wagte, fehlt einfach etwas. Und ich bin wohl nicht der einzige, der vermutet, dass "etwas" der letztes Jahr im Unfriedenen gegangene Bassist Glenn „Five“ Gyorffy sein könnte, der der Band songwritingtechnisch sicherlich mehr Feuer unterm Hintern gemacht hat, als es sein Nachfolger Sal Italiano kann, von dem ich hier noch keine nennenswerten Impulse heraushöre.

So bleibt für Album Nummer 16 ("Artwork mit Amboss"), durchaus wieder Luft nach oben.

Live hingegen (bald ist ja wieder Wacken!) mache ich mir keine Sorgen, denn die Bühne ist für Anvil ohnehin wichtiger als das gerade aktuelle Studioalbum.

Anspieltipps: Call Of Duty, Pay the Toll, Shut The Fuck Up, Mankind Machine



2011-12-25

Tonträger 2011, Teil 2: Amboss auf Amboss (ANVIL)

 ANVIL - Monument Of Metal (2011)

Nach dem - berechtigen - Hype um die hervorragende Filmdokumentation "Anvil - The Story Of Anvil" war es natürlich nur folgerichtig, den vielen dadurch neu gewonnenen Fans, zu denen auch ich mich zähle, eine Übersicht über das bisherige Schaffen in Form einer Best Of anzubieten.Wie es sich bei einer so durch und durch geerdeten Band wie Anvil gehört, hat die Band die enthaltenen Tracks selbst verlesen. Ein paar Songs der ersten drei Alben "Hard'n'Heavy", "Metal on Metal" und "Forged in Fire" wurden sogar extra neu aufgenommen. Und im Cover, welches selbstverständlich einen Amboss zeigt, sollte jeder, der den Film gesehen hat, ein gewisses Gemälde von Schlagzeuger Robb Reiner wiedererkennen. Und zum Glück ist es nicht jenes, welches im Treppenflur zur Toilette hängt. *g*

Musikalisch gibt es hier ausschließlich - na klar! - Heavy Metal. Diesen könnte man noch weiter spezifizieren finden sich bei Anvil ja zahlreiche Spielarten wie Power Metal, Hard Rock, Doom, Thrash etc. wieder, aber bei einer Band, die länger da ist als die meisten anderen und einfach nur konsequent ihr Ding macht, sind solche akademischen Spitzfindigkeiten im Grunde müßig. Anvil rocken!
Das muss man wissen - und wer es noch nicht tut, der kann sich auf "Monument Of Metal" hervorragend informieren.

Anspieltipps: Plenty Of Power, Park That Truck, Metal On Metal, Thumb Hang


Reicht die Musikkasse aber nur für einen Tonträger, so gibt es allerdings tatsächlich einen noch besseren Einstieg in die Welt des Ambosses:

ANVIL - Juggernaut Of Justice (2011)

Was schon auf "This Is Thirteen" versucht, aber noch nicht hundertprozentig umgesetzt wurde, nämlich ein absolut frisches und endlich mal auch voll auf der Höhe der Zeit produziertes Anvil-Album aufzunehmen, ist mit dem vierzehnten Studioalbum, der Gewalt der Gerechtigkeit, nun vollends gelungen.

So wurden zwei lange mitgeschleppte Schwächen abgestellt: Lips, als Gitarrensau über alle Zweifel erhaben, ist nun einmal nicht der größte aller Metal-Tenöre und versucht sich auf diesem Album nicht mehr an Bereichen, die ihn stimmlich überfordern und kann so durchgehend überzeugen.


Power-Drummer Robb Reiner verhält sich songdienlicher als bei vielen älteren Songs, indem er das Tier auch mal ein paar Takte lang zurückhält und dann umso effektiver von der Kette lässt, so z.B. beim mit Bläsersätzen (!) überraschenden Instrumental-Show-Off "Swing Thing".

Auch ansonsten zeigen die Kanadier vom black-sabbathesken "Paranormal" über unwiderstehliche Groovestampfer wie "New Orleans Voo Doo" bis zu schnellen Krachern wie "Running" oder "When Hell Breaks Loose" die ganze Palette ihres Könnens. Schwachstellen habe ich auf diesem Album noch keine ausmachen können. Auch die Bonus-Tracks der Special Edition hauen rein und runden das Album perfekt ab.

Dazu gibt's noch noch eines der großkotzigsten und somit besten Anvil-Coverartworks aller Zeiten.
Es ist doch schön zu sehen, wie sich die alten Herren bei aller Leidenschaft für ihre Musik nach wie vor niemals zu ernst nehmen. Allein wer das Konzept, auf jedem Titel seiner Band "Amboss" einen Amboss zu zeigen und stets das Schema "Stabreim auf Stabreim" anzuwenden, über so lange Zeit so gnadenlos durchzieht, der kann doch nur ein guter Mensch sein.

In der Kategorie prog-freier Metal ist "Juggernaut of Justice" für mich das Nummer-Eins-Album dieses Jahres.

Und aufgemerkt: Ich habe in zwei Rezensionen nicht einmal das Wort "Spinal Tap" benutzt! ;)

Anspieltipps: New Orleans Voo Doo, Swing Thing, Paranormal, Fuken Eh!

2010-08-09

Wacken 2010 - Festivalbericht

Vorweggenommenes Fazit: das Wacken Open Air war geil, mit Sicherheit eines der besten aller Zeiten!

Schade nur, dass ich diesmal ohne die charmante Begleitung der letzten beiden Jahre auskommen musste. Aber vielleicht ja nächstes Mal wieder? ;)

Als einzigen organisatorischen Mangel muss ich neben den paar unvermeidbaren doofen Bandüberschneidungen ankreiden, dass die Definitionshoheit darüber, was eine "normale" Kamera ist, bei Ordnern liegt, die davon z.T. so wenig Ahnung haben wie ich meinerseits vom wirkungsvollen Einsatz muskelaufbauender Präparate.

Einerseits bin ich natürlich immer wieder dankbar, wenn mir jemand erklärt, dass meine niedrigpreisige Allerwelts-Consumer-Spiegelreflex Profiausrüstung ist - ich als Amateur weiß davon nämlich nichts ;) -, anderseits bezahle ich ungern hundertdreißig Euro Eintritt, nur um mit schlecht gebrieften Securitynasen debattieren zu müssen oder sogar am Einlass abgewiesen zu werden, so dass ich ewig zu einem alternativen Eingang laufen muss. Und dass dann auch noch am Samstag, nachdem man drei Tage dort unterwegs ist.

Also liebe Verantwortlichen - wenn ihr wirklich solche Angst habt, dass jemand unakkreditiert zu gute Fotos schießt, dann macht doch erstens die Fotogräben noch zwanzig Meter breiter und hängt die Bühnen außerdem mit Vorhängen zu, auf denen große Fotoverbotsschilder drauf sind! Gute Fotos macht nämlich in der Regel nicht die Kamera, sondern der Typ dahinter, und auch mit einem iPhone kann aus der ersten Reihe sicherlich mal ein glücklicher Schuss gelingen.
Davon, das ich in den Vorjahren einige meiner beliebtesten Wackenfotos mit antiken Falt- und Boxkameras gemacht habe, fange ich am besten gar nicht an... ;)

So, genug gemotzt.

Meine bisher fertig aufbereiteten Bilder sind übrigens HIER zu sehen.
Bei einigen Bands wie z.B. Iron Maiden oder Slayer habe ich allerdings gar nicht erst versucht, zu fotografieren, weil das Bühnengeschehen für meine Profikamera zu weit entfernt, die Bühne zu dunkel bzw. das direkte Umfeld zu gefährlich war oder ich einfach gerade keinen Bock hatte. ;)


Ich war von Mittwoch bis Samstag in Wacken, habe allerdings wieder zu Hause gepennt und dementsprechend wenig vom Campingplatz gesehen. Ebenfalls nicht statt fand bei mir die W.E.T.-Stage (nur Mittwoch ein paar Minuten reingekuckt), der Biergarten (kein Mambo Kurt für mich dieses Jahr) und das Bullhead City Wrestling Zelt, in dem u.a. Ölcatchen und Wet-T-Shirt-Wettbewerbe stattfanden, damit gewisse Spiegel-Online-Schreiber auch etwas zu berichten hatten.

Ich pendelte hauptsächlich zwischen den drei Open-Air-Bühnen des Hauptgeländes und dem Wackinger Village hin und her.


Mittwoch:

W:O:A 2010 / bagpipes

Fußball und Highland Games gekuckt.

Musik fast nur von einer mir namentlich nicht bekannten Spielmannstruppe aus dem Wackingerdorf.

Dann recht früh nach Hause, da kein zwingendes Programm anstand und ich keinen Bock auf Regen hatte. Am Movie Field kuckte ich mich dann aber doch noch eine Weile an Anvil! The Story Of Anvil fest, eh ich zum Schluss kam, dass ich den ja auch jederzeit trocken zu Hause auf DVD kucken kann, wenn ich möchte.
Den heftigsten Schauer allerdings hatte es schon nachmittags gegeben, als ich eine Stunde lang für mein Armbändchen und die Full Metal Bag inklusive Plastikregenjacke anstand. ;)


Donnerstag:

Wetter von nun an warm - aber nicht zu heiß - und regenfrei.
Zum Aufwärmen erstmal eine lustige Gauklershow angesehen.

Musikalisch wurde es wahrlich eine Night to Remember:

Alice Cooper besser und mit mehr mir bekannten Songs als erwartet, hat mich gut unterhalten. Die Show ist natürlich Kasperkram, aber ehrlich - welche Metalshow, bei der Kostüme und Requisiten zum Einsatz kommen ist das nicht? Macht ja auch nichts, so lange es unterhält. :)

Mötley Crüe habe ich im Gespräch ja nur so am Rande mitbekommen und die sind auch wirklich nicht mein Ding. Nur der Drummer kam mir bekannt vor - hat der mal in irgendeinem Film mitgespielt? ;) Irgendwie lustig aber auch der Sänger, weil die Stimme überhaupt nicht zum Typen passt. Wirkt total, als wäre der die ganze Zeit hochgeschlumpfpitcht worden.

Iron Maiden
entfesselten das Publikum nicht so sehr wie vor zwei Jahren, da diesmal kein Klassikerset, sondern schwerpunktmäßig Stücke der letzten vier Alben gespielt wurde. Dennoch ist Maiden natürlich Maiden, daran gibt's nichts zu rütteln. Und die Stücke sind ja auch alle klasse. Schade nur, dass die Songs, die ich am liebsten gehört hätte, nämlich "Brighter Than A Thousand Suns" und "For The Greater Good Of God" nicht zum Zuge kamen.

Gojira wären noch ein sehr guter Grund gewesen, mal die W.E.T. Stage zu besuchen. Nur die liefen ja parallel zu Maiden - also nicht. Eindeutig der größte Klops in der Running Order.


Freitag:

Ein Wackentag mit historischer Highlightdichte am späten Abend. Und anstrengend - ich war von ca. 13:00 bis 03:00 Uhr dort, davon die allerwenigste Zeit nicht auf den Beinen. Ganz erholt habe ich mich davon glaube ich immer noch nicht.

Bands:

Orphaned Land
aus Israel kannte ich vorher nur vom kurzen Reinhören. Gefiel mir gut. Der Sänger behauptet, nicht Jesus zu sein. Tatsächlich lief er nicht über Wasser und es gab weder Freibrot noch -wein.

Lange lange hat's gedauert, so viele Jahre und Schicksalsschläge innerhalb der Band... Zu erklären, wie sehr ich mich auf mein drittes Voivod-Konzert nach 1993 und 1997 gefreut habe, würde hier den Rahmen sprengen. Hätte sonst nur der allerletzte Dreck in Wacken gespielt, ich wäre trotzdem wegen Voivod gekommen.
Und wie sehr die Band sich freute, war ihnen den ganzen Gig über hundertprozentig anzusehen und zu hören. Hammer! Wer das verpasst hat, ist doof. Basta.

W:O:A 2010 / voivod

Also liebe Herren Away, Snake, Dan, Blacky (oder im Studio meinetwegen auch Jasonic) - unbedingt neues Material aufnehmen! (wäre das erste ohne Piggy - R.I.P. - an der Gitarre) Und live sowieso weitermachen!

Fröhlich weiter ging's mit The Boss Hoss. Die Cowboys sorgten wie schon letztes Jahr für riesige Partystimmung und waren sich dabei der Ironie auf der "True Metal Stage" spielen zu dürfen durchaus bewusst.

Danach gab's für mich ein bisschen Pause, futtern, ein paar Songs Arch Enemy, Futtern und Feuershow, nebenbei Grave Digger...

... und dann von Viertel nach elf bis drei Uhr morgens drei Hauptacts komplett hintereinander:

SLAAAAAAAYYYEEEER!!!!
Was soll ich noch mehr sagen? Slayer sind einfach die Macht! Schön, dass die "Seasons In The Abyss" gut vertreten war in der Setlist. Ja Mensch, was soll man noch groß sagen...
SLAAAAAAAYYYEEEER eben.

Danach kamen dann Anvil.

Ich habe ja ziemlich viele Ideen, worüber ich mal bloggen könnte, die ich dann doch nicht umsetze. Eine davon wäre ein Doppelreview des Iron-Maiden-Films "Flight 666" und der schon weiter oben erwähnten exzellenten Doku "Anvil! The Story Of Anvil" gewesen, zwei Filme, die gegensätzlicher kaum sein könnten: auf der einen Seite die Metalmillionäre, die im eigenen Jet, gesteuert vom Sänger persönlich von Megakonzert zu Megakonzert fliegen, auf der anderen Seite die Kanadier, welche in den frühen Achtzigern auf dem Weg zum ganz großen Metal-Ruhm waren, dann aber irgendwie auf der Strecke blieben und ihrem Traum, irgendwie an diese Rockstar-Zeiten anzuknüpfen auch unter widrigsten Bedingungen jahrzehntelang nicht aufgeben.

Nachdem man diese Band ja in jenem vielleicht großartigsten aller Rock'n'Roll-Film in ihren absurdesten und bittersten Momenten erlebt und mitgelitten hatte und ich auf dem aktuellen Album "This Is Thirteen" feststellen musste, dass die Musik auf Platte tatsächlich nur bedingt funktioniert und Lips auch kein wirklich großartiger Sänger ist, war es schon sehr befriedigend zu sehen, wie Anvil auf der Hauptbühne von Wacken - mit fetterer Lightshow als Slayer - die Zeit ihres Lebens hatten und rockten wie Sau! Lips machte Faxen, schrie Ansagen in sein Gitarrenpickup und packte den legendären Gitarrensolo-Dildo wieder raus, Robb Reiner spielte eines der wenigen wirklich guten Drumsoli in der Geschichte des Festivals. Metal on Metal! Um es mit Nigel Tufnel zu sagen: Dieser Auftritt ging bis 11!

W:O:A 2010 / anvil


"Sehr gutes Ding - ein dritter Teil 2011 muss aber nicht mehr sein. ;)"

Das sagte ich vor zwei Jahren zum "Cantus Buranus" von Corvus Corax. Nunja, der dritte Teil kam ja jetzt sogar schon ein Jahr früher als von mir prognostiziert. Und was interessiert mich eigentlich mein Gefasel von vorgestern?
Am Rezept (tausend Leute auf der Bühne, mittelalterliche Instrumente + Orchester + Chor + ab und zu Opernsängerin, Bombast, Bombast und nochmal Bombast) hat man nichts geändert. Ein bisschen düsterer war's vielleicht noch. Und einfach schwer beeindruckend.

Eine Stunde später zu Hause war ich gerädert wie vielleicht noch nie nach Wacken - war aber dennoch schon voller Vorfreude auf den...


Samstag:
Deutlich weniger "Pflichttermine" im Programm, also hatte ich es auch nicht ganz so eilig loszufahren.

Dennoch war ich um 15:45 Uhr pünktlich zu Overkill vor Ort. Auch so eine Band, die mich im Studio nicht richtig überzeugt, aber live regelmäßig alle Zweifel wegbläst.
Nach einigen Songs ging ich nach vorne, um von der Seite durch den Graben zurückkehrende Crowdsurfer zu knipsen, was sich ja schon letztes Jahr als ganz unterhaltsamer Zeitvertreib erwiesen hatte.
Das war's auch diesmal wieder - bis zu dem Moment, in dem ich Zeuge der laut Polizeibericht einzigen wirklich schweren Verletzung in Wacken wurde, als ein Fan ausrutschte, mit dem Hinterkopf gegen eine Strebe der Absperrung knallte und regungslos liegenblieb. Ziemlich übel anzuschauen... zum Glück hat er das überlebt.

(Mehr von mir dazu und zum Thema Crowdsurfing hier auf flickr.)

Dadurch, dass ich deswegen etwas früher wieder nach hinten ging, traf ich mal wieder meinen Bruder, den ich zuletzt kurz nach Voivod gesehen hatte, wo er genau wie ich in der ersten Reihe gestanden hatte, der mir stolz erzählte, wie er kurz darauf noch Blacky und Away von Voivod auf dem Gelände getroffen und sich ein Autogramm erstalkt hatte. ;)
Kurz nach dieser Erzählung geschah dann der oben erwähnte Einlasszwischenfall mit der zu professionellen Kamera. Schon faszinierend, wie schnell man in Wacken mitten im Gespräch auseinandergerissen werden kann...

Wieder auf dem Gelände gab ich mir ein wenig gepflegten Präzisionsgrindcore von Lock Up und direkt im Anschluss auf der Wackinger Stage das irishfolkige Kontrastprogramm mit The Keltics.

W:O:A 2010 / the keltics

Das Finale bildeten für mich schließlich die beiden letzten Bands auf der Party Stage, nämlich die Doom-Götter Candlemass und die komplett ihr Klassikeralbum "Wildhoney" zelebrierenden Tiamat. Zwei fantastische Auftritte und ein relativ ruhiger, atmosphärischer Abschluss für ein Metalfestival.

Im ersten Regen nach einem staubtrockenen Tag verließ ich um halb zwei glücklich das 21. Wacken Open Air.
Für eine beste Band kann und will ich mich diesmal gar nicht entscheiden, da war ja gleich eine Handvoll Gruppen, die dieses Prädikat verdient hätten.

Wie ich schon eingangs sagte: mit Sicherheit eines der besten W:O:As aller Zeiten! :)


Bandwünsche für nächstes Jahr:
  • die nach wie vor überfälligen Dream Theater
  • die frisch reunierten Autopsy!
  • die Celtic Frost-Nachfolger Tryptikon
  • und Cynic können auch gerne dem Club der Bands, die alle zwei, drei Jahre kommen beitreten
  • Jesu oder alternativ auch ein weiteres Livereunionskonzert von Godflesh, aber lieber Jesu ;)