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2015-08-10

WACKEN 2015 - Matsch? Egal. Becherskandal!

Yep, ich bin spät dran. Erst hatte ich ein paar Tage lang noch keine Lust, diesen Bericht anzufangen, und dann kam Wackens Rache - eine fiese Sommererkältung, die ich mir eben dort eingefangen habe.



Dabei war das Wetter doch super, so wie fast jedes Jahr am Wochenende rund um den ersten Samstag im August. Ok, es hat kurz vorher ziemlich heftig geregnet, aber das zählt nicht. Bis inklusive Freitag war schließlich noch Juli.

Würde sich das Veranstaltungsdatum nach dem ersten Freitag im August richten, dann hätte die Gesamtsituation wohl schon ganz anders ausgesehen. Doch ich will gar nicht, dass sich da etwas ändert, denn auch wenn Matschzombie-Bilder zur medialen Folklore gehören; bis auf einzelne Schauer ist das Wacken Open Air durchschnittlich eine - zumindest meteorologisch - recht trockene Angelegenheit. 1999, 2002, 2012 und 2015 waren während der gesamten Laufzeit des Festivals die einzigen Jahre, in denen das Pisswetter zu einer ernsthaften Herausforung wurde.
Und abgesehen davon, dass das Vorankommen auf dem matschigen Grund für alle schwierig war, muss ich mal ganz egoistisch feststellen, dass ich mit den wirklich schlimmen Problemen (gesperrte Campingplätze, Ausweichparken in Itzehoe oder sogar Hungriger Wolf usw.) als bei einem Anwohner parkender Heimschläfer zum Glück nichts zu tun hatte.


Mittwoch

Der Weg zur Bandausgabe hat sich selten so lang angefühlt. Was für ein Matsch auf dem Weg über die Campingplätze! Die Wartezeit in der Schlange hielt sich jedoch in Grenzen, so dass noch ein gesundes Zeitfenster zum ersten Programmpunkt auf meiner persönlichen Running Order blieb.



Unmittelbar vorher machten noch die bekloppte holländische Marching-Band Blaas Of Glory in der Nähe der Wackinger Stage Station. Das Lied, mit dem die Gruppe zu ihrem nächsten Auftrittsort abmarschierte, war ganz klar der Theme Song des heutigen Tages: "The Final Countdown"




Danach hieß es dann, sich von der Bühne aus verzaubern zu lassen. Anders kann man ja nicht beschreiben, was passiert, wenn Anneke van Giersbergen den Mund aufmacht. Die Dame könnte auch alleine das Telefonbuch von Amsterdam vorlesen und es wäre ein Ereignis. Einfach wunderschön, charismatisch, zauberhaft.
Statt Namen und Nummern gab es natürlich in erster Linie Musik von The Gentle Storm, bekannterweise live ohne den scheuen Mann hinter dem Vorhang Arjen Lucassen. Ebenfalls nicht dabei war der Keyboarder der Band, weil diesem am Morgen das Auto mit seinem kompletten Equipment gestohlen worden war!
Trotzdem wurde es ein tolles Konzert. Die Mannen und Frauen um Drum-Maschine Ed Warby ließen nichts anbrennen. Auch die Backgroundsängerin wusste die richtigen Akzente zu setzen.
In einem Cover-Block kamen u.a. noch im Original ebenso von Anneke van Giersbergen gesungene Songs von The Gathering und Devin Townsend zum Zuge.

Nur ein bisschen nass war es.

Aber zum Glück fand der Rest unseres Musikprogramms komplett auf den den beiden Bühnen im Zelt statt, welches dieses Jahr erstmals einen kompletten festen Boden hatte, so dass es keine Mudpits vor den Bühnen gab. Allerdings folgten die Bodenplatten durchaus den Unebenheiten des Geländes, für kalte Füße in großen Pfützen war also trotzdem gesorgt.

Und das war wohl auch, wo ich mir meine Erkältung abgeholt habe.



Nachdem wir noch die letzten Stücke des Superhelden-Kasperletheaters der Grailknights mitbekommen hatten, war es Zeit für den Wacken-Klassenclown Nr. 1 Mambo  Kurt.

Im Zelt hatte ich den Mann in beige bisher tatsächlich noch nie gesehen. Ansonsten war es natürlich der gewohnte Heimorgel-Hardcore. Und natürlich durfte im Reigen von Mambos Coverversionen nicht die absolute Hymne des Tages fehlen: "The Final Countdown"
Highlight war diesmal allerdings das letzte Stück, bei dem er einen "Mambo II" an die Heimorgel setzte, während er selbst crowdsurfen ging. Und sein Ersatz war echt mal eine Bühnensau und hat bis ganz zum Schluss super einen hingeorgelt.


Als nächstes spielte eine Kultband der Achtziger, die früher komplett an mir vorbeigegangen war, jedoch genauso klang, wie ich sie mir optimistisch vorgestellt hatte.
Der treibende Postpunkfolkindependetrocksound von New Model Army räumte gut ab und wusste auch mich ohne Einwände zu überzeugen.



Ganz anderes Programm dann direkt im Anschluss auf der anderen Bühne.
Uli Jon Roth hatte ich bisher nur bei seinem ziemlich wirkungslosen Gastauftritt beim Wacken-Konzert von Deep Purple erlebt. Dementsprechend waren meine Erwartungen eher gedämpft. Technisch gut, aber zu generisch, das war meine Prognose, mit der ich allerdings weit daneben liegen sollte!

Tatsächlich dachte ich auch die ersten zwei, drei Lieder lang noch, dass der Sänger klasse ist, mir die Musik an sich gut gefällt, aber dieses hohe Gefiedel vom alten Hippie auch weg könnte... Doch dann kam eine Nummer, in der er richtig aufdrehte und von da an habe ich kapiert, was der gute Mann da macht, und wie er selbst bei Mordstempo aus den höchsten Bünden noch total gefühlvolle Klänge aus seinem Instrument holt. Am Ende war ich von diesem Auftritt komplett überzeugt. Großer Gitarrenrock vom Altmeister!


Nun war es beinahe Mitternacht. Zeit für den finalen... naihrwisstschon.


Zu den unmöglichsten Dingen dieses Wacken Open Airs, die ich mir noch vor wenigen Jahren wohl selbst nicht geglaubt hätte, gehört ganz klar, mittwoch nachts im Zelt ausgerechnet Europe abzufeiern.
Die Band mit diesem einen, vollkommen überspielten Stratosphärenhit, den man als Kind in falschem Englisch mitgesungen hat und der einem zur Zeit der ersten Wackenbesuche vollkommen peinlich gewesen wäre.
Und dann ist da ja auch noch der kleinere Zwillingshit "Rock The Night", welcher auf exakt denselben Akkorden beruht, und den ich, bis er gespielt wurde, erfolgreich verdrängt hatte.
Und Aaaaalter, war das eine Ekstase in der Menge, als dieses Zeug gespielt wurde!

Doch Europe waren ja niemals die Band, für die man sie angesichts ihrer anderthalb Hits halten könnte. Und tatsächlich ist ja auch "The Final Countdown" an sich ein gut arrangierter Song.
Der Grund, warum ich mir Europe überhaupt auf der Running Order markiert hatte, ist das aktuelle Album "War Of Kings", welches einfach mal - ganz ohne wenn und aber - saustark ist.

Alle Daumen hoch für Europe! Ganz großer Rock!


Donnerstag


*brrr*  Zu Wacken eine richtige Jacke anziehen? Was soll man machen...


Abgesehen davon, dass es recht kühl war, hielt sich das Schlechtwetter aber bereits in Grenzen, viel ernsthafter Regen kam da nicht mehr. Reicht ja auch, schon ständig aufpassen zu müssen, dass man sich nicht am Boden festsaugt.


Donnerstags ist ja immer die Gelegenheit, ein paar meiner Lieblingshassthemen auszupacken, doch ich denke zu Skyline und MegaBosch, welche beide gerade spielten, als wir ankamen, habe ich wohl in der Vergangenheit bereits genug gesagt. Ganz davon abgesehen haben wir ja zum Glück auch so gut wie nichts von beiden mitbekommen. Die Wastelandblablubb-Stage haben wir aus Sicherheitsgründen das ganze Festival lang nicht aus der Nähe gesehen.

Auch von U.D.O. mit dem Bundeswehr Musikkorps blieben wir gänzlich unbehelligt.


  
Stattdessen sahen wir uns im Bullhead City Circus noch ein paar Mini-Gigs der am internationalen Metal Battle teilnehmenden Gruppen an.

Den Anfang machten Troldskugge aus Norwegen, deren Pagan-Tralala-Black Metal gut gemacht, aber nicht wirklich mein Ding war. Trotzdem ganz witzig - und der Sänger ist so arschhässlich, dass er einen Sack überm Kopf tragen muss.



Ein ganz anderes Kaliber waren die Walkways aus Israel, welche sehr viel System Of A Down gefrühstückt hatten, jedoch mehr als ein reines Plagiat der Vorbilder waren.
Bühnenbild und Corporate Identity waren auch ziemlich gut durchdacht.
Im Wettbewerb haben sie am den zweiten Platz (von 28 Bands) gemacht, und das sicherlich nicht unbegründet.


Das Trio Libertad O Muerte aus Urugay überzeugte danach mit derbe dreckigem Thrash Metal, der meist gut in die Fresse ging, aber auch mit ein paar gelungenen rhythmischen Elementen der Marke Sepultura aufwarten konnte.


Stortregn aus der Schweiz zelebrierten dann zerstörerisch blastenden Black Metal wie er wohl am meisten Spaß macht.



Eine Band Pause, dann betraten die Teilnehmer aus Großbritannien die Bühne und machten schnell klar, dass die Jury sie wohl weit nach vorne wählen würde.

Der vierte Platz sollte es immerhin werden für Metaprism, die jetzt gar nicht die Musik spielen, welche ich mir kaufen würde, die sich jedoch mit ihrem Frontmännlein/Frontweiblein-Doppelpack ziemlich professionell präsentierten.
Etwas zu notgeil kam mir die Bildregie vor, welche anscheinend extra einen Kameramann abgestellt hatte, nur um das Dekolleté zu filmen, wenn diese die Matte kreisen ließ. Was ziemlich oft vorkam.

Tatsächlich ist mir im Dankeschön-Filmchen auf der Wacken-Homepage aufgefallen, dass dort jeden Menge Livebilder von den Hauptbühnen gezeigt werden, jedoch nur ein einziger Ausschnitt aus dem Zelt - ja, genau dieser Ausschnitt.


Jetzt stehe ich zugegebenermaßen etwas auf dem Schlauch. Habe ich die letzte Metal Battle-Band Arana aus Costa Rica gesehen? Fand ich sie gut? Ich weiß es nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich gerade einen Durchhänger. Auf jeden Fall habe ich eine Erinnerungslücke.

Noctiferia hatte ich mir als evtentuell interessant markiert. Waren sie dann aber doch nicht.
Also rüber zum Hauptgelände!


Dort hatte auf der True Metal Stage gerade Rob Zombie sein Coole-Sau-Programm begonnen. Ist schon sehr festivaltaugliches Zeug, gegen das man eigentlich nichts sagen kann.
So richtig mitnehmen konnte er mich allerdings auch erst mit alten White Zombie-Klassiker "Thunder Kiss '65".
Insgesamt hat mir der Mann zu viel Rockstarstimmungsquatsch und Coverversionen eingeschoben. James Brown anzuteasen war ja noch ganz witzig, aber wozu ein halbherziges "Enter Sandman"-Cover anspielen?




Im Anschluss gab es eine ungewöhnlich lange Pause, mussten für den Headliner der "Night To Remember" doch beide Bühnen umgebaut und zusätzliche LED-Leinwande anstelle der großen Werbebanner installiert werden.
Bzw. für die Headliner des Abends, handelte es sich doch um den ersten Auftritt der Power Metal-Legende Savatage seit über zehn Jahren, zusammen mit dem einstigen Ableger - und jetzt in den USA irre erfolgreichem Hauptprojekt der Truppe -  Trans-Siberian Orchestra.


So ganz klar war mir nicht, wie ich mir die Sache mit den zwei Bühnen vorstellen sollte, also bezog ich sicherheitshalber einen Platz ziemlich weit vorne in der Mitte, von dem aus man das Geschehen auf beiden Seiten gut beobachten konnte.

Die Show begann dann alleine auf der Black Stage mit dem Auftritt von Savatage, die als Sänger sowohl den Mountainking höchstselbst, Jon Oliva, als auch Zachary Stevens auffuhren.
Es begann mit Oliva und dem Doppelpack "Gutter Ballett" / "24 Hrs. Ago" und es war gleich klar, wer hier der unangefochtene Zeremonienmeister sein würde. Was für eine großartige, gepeinigte, authentische Stimme!

Nach sieben Stücken inklusive "Edge Of Thornes" und natürlich "Hall Of The Mountain King" ging dann das Licht aus und auf der True Metal Stage begann - zunächst ohne jegliche personelle Überschneidung mit Savatage - das Trans-Siberian Orchestra.

Das Konzept von TSO ist ja, bekannte Gassenhauer aus Klassik, Oper und sogar dem Weihnachtsliedergesangsbuch zu nehmen, und diese mit savatage-ähnlichen Riffs zu verheiraten und diese schon ziemlich kitschige Melange noch mit einer Armee von Lead- und Backgroundsänger(inne)n und sogar Tänzerinnen zu veredeln.

Yep, die Philosophie nutzt sich schnell ab. Anderseits kann ich mir auch schwer vorstellen, mit welcher anderen Art von Musik diese epochale Show vorstellbar gewesen wäre, insbesondere nachdem schließlich tatsächlich beide Bühnen gleichzeitig bespielt wurden und man gar nicht mehr wusste, wo man hinschauen sollte. Die totale Reizüberflutung!



Als Prinzip kristallisierte sich heraus, dass immer beide Bühnen gespiegelt wurden, d.h. es spielten permanent zwei Drummer zusammen, wenn auf einer Bühne ein Solo-Geiger stand, dann auch auf der anderen, fast alle Gesangsparts wurden zu Duetten mit einem Partner auf der anderen Bühne usw... Und wenn unter diesen Sänger dann mal eben eine Hausnummer wie Russell Allan dabei ist - das alleine sagt ja schon etwas aus.

Also auch wenn mein inneres Kitschometer geprüft wurde - das war einfach eine ganz schön epochale, musikhistorische Show!
Die Fernsehaufzeichnung gibt dies übrigens nur unzureichend wieder, da zum einen der Anfang fehlt, und sich dieses Zwei-Bühnen-Ding vielleicht auch gar nicht wirklich auf Konserve einfangen lässt.

Könnte ich nachträglich etwas ändern, dann würde ich am Mittelteil, in dem TSO alleine gespielt haben, kürzen, und dafür der reinen Savatage-Show noch zwei, drei Songs zuschlagen.





Freitag


Endlich normales Festivalwetter!

Den musikalischen Auftakt um eins servierten uns die Inzwischen-auch-schon-Dauergäste Sepultura.
Aber die Konzerte der Brasilianer in Wacken sind ja auch immer super. Diesmal wurde Bandjubiläum gefeiert und dementsprechend beinhaltete das Programm auch ein paar ganz alte Gassenhauer aus der Thrash Metal-Gruft. Kann man machen!




Kvelertak auf der Nachbarbühne interessierte mich dann nicht, doch mit dem melodischen Death Metal von At The Gates ging es danach mit hervorragendem Geboller weiter, ehe das erste der proggigeren Highlights des Tages anstand:

Queensrÿche boten eine hervorragende Mixtur aus technischer Versiertheit und eingängigen Hooks, so wie man es erwarten konnte. Natürlich schafften es auch einige "Operation: Mindcrime"-Hits ins Set, auch wenn die Band das Album ja nicht mehr komplett spielen darf. Sänger Todd La Torre war fantastisch aufgelegt, man brauchte also keine berüchtige Drama Queen am Mikro vermissen...


Nun stand ein böser Clash an: Opeth oder Annihilator?

Wir begannen zunächst einmal mit den kanadischen Thrashern auf der Party Stage. Die Mannen um Jeff Waters, bei denen für ein Lied - eine Stunde vor seinem Auftritt mit Dream Theater - ihr Ex-Drummer Mike Mangini vorbeischaute, machte ihre Sache zwar ordentlich, konnten mich aber bei weitem nicht so packen wie bei ihrem letzten Gastspiel in Wacken.

Nach einer Weile sortierten wir uns vor der True Metal Stage für Dream Theater ein und verfolgten währenddessen noch einen guten Teil der Show von Opeth.
Ich muss schon sagen: Der Trend ihres Headlinergigs auf dem Roadburn Festival hält an: die Schweden gefallen mir live immer besser. Allein diese mahavishnu orchestra-würdigen Schlagzeuggrooves sind der Hammer. Die Balance zwischen Seventies Prog, Folk und Death Metal stimmte und die Laut/leise-Dynamik funktierte diesmal auch wunderbar, da die Soundcrew hier eine der sicherlich besten Leistungen des Wochenendes ablieferte. 1a!



Und nun war es soweit. Der Augenblick, auf den ich in meinen Reviews seit zehn Jahren hingemeckert habe: Dream Theater spielten in Wacken!

Statt eines typischen Festivalprogramms aus Klassikern plus ein paar neuen Stücken feierten die Progmetaller auf ihres Sommertour ihr dreißigjähriges Jubiläum, indem sie in chronologischer Reigenfolge von jedem Album einen Song spielten.
Das waren allerdings ein paar Stücke zu viel für die in Wacken vorgesehene Zeit, so dass die Alben "Awake", "A Change Of Seasons", "Six Degrees Of Inner Turbulence" und "Black Clouds & Silver Linings" hier unberücksichtigt bleiben mussten. Gekürzt wurden vor allem ruhigere Stücke, so dass abgesehen von der Mitsing-Ballade "The Spirit Carries On" ein ziemlich metal/rifflasiges Set übrig blieb.

Die Fans liebten es und feierten die Band zurecht ab, auch wenn die vorangegangene Tour der Stimme James LaBries anscheinend nicht gut getan hatte. Gesanglich war das verglichen mit den letzten Dream Theater-Konzerten, die ich gesehen habe, leider ziemlich schwach.
Natürlich waren das Set und die Dramaturgie letztes Jahr in Hamburg noch besser, aber das damalige Programm mit einer Festivalshow schlagen zu wollen, wäre auch illusorisch.
Nee, das war schon super! Ein bisschen vermisst habe ich allerdings die Comic-Alter-Egos der Band, die diesmal in keinem Filmchen vertreten waren.


Für das Finale des Freitags ging es nun wieder rüber ins Zelt, wo wir noch die letzten Minuten von Armored Saint mitbekamen, die klar machten, dass die Show von John Bush, Joey Vera und co. sicherlich nicht von schlechten Eltern gewesen war.
Aber man kann halt nicht alles haben. Gerade jetzt verzichteten wir ja auch auf die Black Label Society, um an der folgenden Zeremonie teilzunehmen...




"Zeremonie", da die Schweizer Samael das zwanzigjährige Jubiläum ihres Klassiker "Ceremony Of The Opposites" feierten, ein Album, welches ich damals ziemlich geliebt habe - und zugegeben auch das letzte Album der Band, mit dem ich mich beschäftigt habe. Von daher war der Auftritt für mich auf jeden Fall sowohl nostalgisch als auch immer noch aktuell.

Eines der ungewöhnlichsten Merkmale des (Post-)Black Metals von Samael ist, dass der Großteil des Schlagzeugs aus dem Computer kommt, nur hin und wieder akzentuiert durch zusätzliche echte Drums, da der Schlagzeuger (übrigens noch derselbe Herr wie vor zwanzig Jahren) ansonsten die Keyboards bedient. Nein, das entspricht nicht dem traditionellen Metal-Reinheitsgebot, ist tatsächlich aber ziemlich geil.
Einige Songs des komplett gespielten "Ceremony"-Albums wurden auch darüber hinaus ein wenig mehr an den elektronischeren Sound der modernen Samael angepasst, aber das machte das Ganze nur interessanter.

Ungewöhnlich, eigenwillig, auf die Glocke, böse. Sehr gut, Samael!



Es war nun zehn und es standen u.a. mit Nuclear Assault und My Dying Bride durchaus noch interessante Gruppen auf den Brettern, doch wir waren schon lange genug auf den Beinen und machten uns für heute auf den Heimweg.

Bei trockenen Bodenverhältnissen, die einem auch mal erlauben, sich eine Weile hinzulegen, schafft man doch wesentlich mehr Programm.



Samstag


Erkältungsbedingt war unser Wacken-Kommando inzwischen auf zwei Leute (mein Bruder und ich) geschrumpft. Das bedeutete für mich vor allem, dass weniger Leute genervt warten würden, während ich zum ersten Mal seit bestimmt mindestens zehn Jahren das Metal-Markt-Zelt heimsuchen wollte.

Tatsächlich habe ich mich auch nicht durch die komplette Vinylauswahl gearbeitet, sondern nur stichprobenartig in einigen Ecken zugeschlagen. Auch die Bühne mit ihren Krankenschwester-Shows und solierenden Drummern ließ ich links liegen.

Obwohl es der letzte Festivaltag war, gab es noch viele Schätze zu entdecken und die Versuchung, sich diverse Klassiker endlich auch auf Platte zu holen, war groß. Im Sinne meines Budgets (und meiner Schulter, welche die Einkaufstasche schließlich den Rest des Tages trage sollte) blieb ich allerdings standhaft und beließ es insgesamt bei vier LPs:



Ja, bis auf unten rechts eine ziemlich antizyklische Auswahl für dieses Festival - dafür aber sehr geil. ;)


Zu Powerwolf sage ich besser nichts. Wer's mag...

Es ist zu ertragen, wenn man danach mit einem der absoluten Highlights des Festivals belohnt wird:


Amorphis spielten "Tales From A Thousand Lakes".

Yep, noch ein Album, das Geburtstag feierte. Mit genau diesen Stücken hatten wir die Band vor zwanzig Jahren in einem winzigen Liveclub in Itzehoe gesehen, wo sie vor überschaubarem Publikum und erheblich alkoholisch angeheitert eine ziemlich chaotische, aber kultige Show abgeliefert hatten.

Und nun nur wenige Kilometer entfernt, doch auf der Black Stage des größten Metal Open Airs der Welt. Was für ein Gegensatz!
Und die Finnen waren verdammt gut, auch wenn der strahlende Sonnenschein so gar nicht auf Songs wie "Black Winter Day" abgestimmt war. Wie gesagt: Amorphis waren eines der Festivalhighlights!


Danko Jones nahm ich wohlwollend nebenbei auf, doch der nächste Auftritt, dem wir vollständig beiwohnten, fand auf der beschaulichen Bühne des Biergartens statt, wo wir direkt noch gute Sitzplätze in direkter Hörweite zur Action ergatterten.


Steve'n'Seagulls, finnische banjobekloppte Partycoversensation aus diesem Internet spielten Rock- und Metalklassiker auf ihre eigene, ganz unnachahmliche Weise und die Meute war aus dem Häuschen.

Definitiv die Partyband, die man dieses Jahr gesehen haben musste!


Auf der Black Stage war parallel dazu anscheinend auch Party, als unter dem minimal spannenden Titel Rock Meets Classic anscheinend gerade Dee Snider mit schickem "Stop Taking Selfies!"-Shirt seinen größten Hit sang. Hatte ich gar nicht gewusst, dass der auch hier auftauchen würde...


Bloodbath spielten ordentlichen Death Metal, den ich allerdings nicht wirklich beurteilen kann, da wir nur ein Stückchen des Auftritts aus weiter Ferne betrachteten.
Wir wollten nämlich keinen Schlenker durchs Infield machen, da der nächste Hauptprogrammpunkt doch wieder am anderen Ende des Geländes im Zelt stattfinden sollte.



Setz mir die Pistole auf die Brust und frag mich, was der eine beste Auftritt des W:O:A 2015 war - wenn ich mich entscheiden müsste, dann könnte es tatsächlich der Gig von Morgoth gewesen sein.

Ein Indiz dafür ist auf jeden Fall, dass ich nach keiner anderen Show so sehr überrascht war, dass es schon zu Ende war. Viel zu kurz!

Die Könige des deutschen Todesbleis bretterten uns Hits von "Cursed" und "Odium", sowie Stücke des neuen Albums "Ungod" um die Ohren  und es war einfach die ultimative Death Metal-Show".
Viel besser als 2011 auf der Party Stage. Fantastisch!

Apropos Party Stage...




Dort hatte bereits die nächste Death Metal-Abreibung begonnen.

Cannibal Corpse blasteten, staubsaugten und solierten, als gäbe es kein Morgen. Saugeil!
Und besonders komisch, wenn sich zu ihrem Ultrabrutalgebolze die Leinwandbilder der Hauptbühne anschaute, auf denen Sabaton (siehe Powerwolf...) herumposten.

Für den Death Metal war dies auf jeden Fall ein ganz großer Tag.



Doch nun hieß es erstmal Heavy Metal, denn Judas Priest gaben sich auf der True Metal Stage die Ehre.

Was soll man zu Priest schon groß sagen?
Ich bin überhaupt kein Experte für die Band, doch 2011 fand ich sie überzeugend, und diesmal ebenso. Rob Halford an sich ist ja schon eine Metal-Großmacht. Und er war wohl der einzige Sänger mit so viel Geschichte in seiner Stimme wie Jon Oliva an diesem Wochenende.

Vor der Bühne war es zurecht proppevoll, kein Wunder, gönnte sich doch nun auch die Chefetage mal ein Konzert vom Publikum aus. (Zumindest Thomas Jensen sortierte sich direkt neben mir ein.)

Nach vielleicht zwei Dritteln von Judas Priest verzichteten wir allerdings auf die ganz großen Hits und machten uns zum nächsten Death Metal-Sahnestück auf.



Aaaalter! Was hatten die Todesmetaller denn heute alle im Tee?

Wie geil bitte waren Obituary?

Nee, komm, mir fällt nichts mehr ein. Wahnsinn.



Und das war dann mal wieder ein großes, langes, wunderprächtiges Wacken Open Air für uns.


Es gab wieder diverse kleine Verbesserungen hier und da, die Stimmung unter Fans und Crew war bestens und für das Wetter kann ja niemand was.

Das einzige was mich wirklich negativ gestört hat war die Getränkepreiserhöhung über die Verkleinerung der Becher.

Vielleich wäre mir dies alleine gar nicht aufgefallen. An einem Getränkepils wurde mir allerdings ein größerer Becher vom Vorjahr (entsprechend weniger gefüllt) angedreht. Und diesen Becher hat dann natürlich niemand mehr zurückgenommen!

SKANDAL! ICH KOMME NIE WIEDER!!!!elf!!!



Zum Schluss noch meine obligatorischen Bandwünsche für nächstes Jahr. Ich beschränke mich mal auf Gruppen, deren Buchung für Wacken ich tatsächlich für realistisch vorstellbar halte - und Junge ist das ungewohnt hier zum ersten Mal nicht Dream Theater auflisten zu müssen...

Anthrax
Blues Pills

Melvins
Metal Allegiance
Motorpsycho
Sulphur Aeon
The Dillinger Escape Plan
The Winery Dogs
Voivod 

Das würde mir erstmal reichen. Aber dass ich komme, ist ja eh schon gesichert.


(edit: Aus aktuellem Anlass gehören auch Mordred unbedingt auf die Wunschliste!)

2013-08-09

WACKEN 2013 - More of that Jazz!

Feiner Jazz war das wieder!


Aber zunächst einmal zum Wetter, welches letztes Jahr ja ein großes Thema war.

Diesmal gab es keinen Kampf gegen den schlammigen Untergrund, nein ganz im Gegenteil:

Es war tagsüber überwiegend heiß und wolkenlos trocken. Zum Glück wehte meistens noch eine leichte Brise frischer Wind, sonst wäre es noch schweißtreibender geworden. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr musste man aber schon achten. Und Sonnenschutz war auch zu empfehlen. Ansonsten ziehe ich diese Art Wetter dem Schlammchaos vom Vorjahr doch deutlich vor.
Am Samstag Nachmittag schaute dann aber doch noch ein heftiges Regenband vorbei. Die Presse soll ja schließlich nicht ohne ihre Wacken-Schlammschlacht-Klischeebilder auskommen!

Ok, ich habe auch ein paar davon gemacht. Wird allerdings noch eine Weile dauern, bis der eine Film, den ich mir traditionellerweise in meine lustige Pinguinkamera gepackt habe, entwickelt ist.
Bei den Ordnern sorgte die Knipse übrigens nur für Belustigung und leichte Verwunderung. Von idiotischen Begegnungen am Einlass bin ich dieses Jahr tatsächlich mal verschont geblieben.

Überhaupt gibt es wenig Kritik zu üben. Das Hauptproblem ist für mich nach wie vor der von mir jedes Mal aufs neue beklagte, eklatante Kreativitätsmangel bei der Zusammenstellung des Billings.

Man kann ja nicht einmal Witze darüber machen, dass nächstes Jahr zum fünfundzwanzigsten Jubiläum bestimmt wieder Avantasia kommen. Tut man dies nämlich, kommen "schwupps* die ersten Ankündigungen für 2014 und natürlich sind neben diversen anderen Dauergästen Avantasia dabei!
Hatten die nicht versprochen aufzuhören? - Ja, aber was diese Versprechen seit Scorpions, Running Wild usw. wert sind, wissen wir ja...
Ich könnte auch schon wieder damit anfangen, welche Bands und Genres seit Jahrzehnten vernachlässigt werden, aber auf mich hört ja doch niemand. ;)

Dabei sind die Veranstalter ansonsten wirklich lernfähig. Man schaue sich nur mal all die Änderungen der letzten Jahre an. Alles was den Leuten am vielzitierten "Zirkus" zu viel ist, wie z.B. Wrestling, Wet-T-Shirt-Contests, Feuerprollshow usw. schrumpft doch innerhalb von ein, zwei Jahren wieder auf ein erträgliches Maß zusammen oder verschwindet ganz. Das Wackinger-Gelände, welches letztes Mal unter einem lieblosen Durchlaufstationscharakter litt war z.B. diesmal auch wieder besser strukturiert. In diesen Dingen sieht man immer wieder deutlich, wie auf Kritik eingegangen und über Probleme nachgedacht wird.
Von daher gehe ich mal davon aus, dass den Machern das Booking-Problem durchaus selbst bewusst ist, sie aber einfach in Veträgen mit Labels und Agenturen gefangen sind und gar nicht anders können.


Das ist natürlich unbelegte Spekulation. Jetzt halte ich mich lieber an das, was ich sicher weiß, nämlich wie ich meine vier Festivaltage erlebt habe.

Grundsätzlich war der Ablauf jeden Tag, mir zunächst in Schenefeld ein Tetrapack Saft zu besorgen, um die ersten paar Luxusgetränke in Wacken zu sparen, dann meinen Bruder aus Mehlbek abzuholen, und dann offiziell ein paar nette wackener Einheimische zu besuchen, bei denen wir parken durften. Und nachts ging es dann wieder unter die heimische Dusche und ins richtige Bett. Auf Diskussionen, ob das noch Metal ist, lasse ich mich übrigens nicht ein. Man bleibt so auf jeden Fall eher auf dem Festivalgelände und sieht mehr Bands, als wenn man den ganzen Tag auf dem Campingplatz versauert.


Mittwoch:

Mittlerweile kann man ja schon einen Tag vor eigentlichem Festivalbeginn durchgehend Konzerte besuchen. Ich habe allerdings noch normal gearbeitet und es deswegen bei einem Einstimmungsbesuch am Abend belassen. Zunächst einmal hieß es, die Bändchenausgabe zu finden (warum nicht mehr am dorfseitigen Eingang?) und für die Full Metal Bag anzustehen, in der es diesmal übrigens überraschenderweise mal kein Frei.Wild-Merchandising zu finden gab! Dafür war mein Beutel aber total durchnässt, so dass ich alle Sachen aus Papier, die ich ohnehin weggeschmissen hätte, gleich wegschmeißen musste. Zum Glück ist die Regenjacke ja eingetütet, und die war auch das einzige, was ich an den folgenden Tagen sicherheitshalber dabei hatte.

Um 20:00 Uhr feuerten Russkaja auf der Wackinger Stage dann mal wieder ordentlich "Energia" ins Publikum. Mehr Partystimmung als bei diesem verrückten Russenska-Kollektiv ist wohl kaum möglich.


Nachdem Russkaja gezeigt hatten, wie es geht, wanderten wir unvermittelt ins Fremdschäm-Epizentrum, wo uns MegaBosch auf beeindruckende Weise zeigten, wie es nicht geht.

Es ist eine Sache, auf einem auf postapokalyptisch getrimmten Container mit Käfig fürs Schlagzeug und GoGos einen auf Möchtegern-MadMax zu machen und dabei schlechte Musik mit noch schlechterem Prollgesang plus peinlichen Texten ("Es ist so geil, jetzt hier zu sein! Es ist so geil! blabla geil blubb geil... geil") zu spielen. Aber wenn man dann das eher verhalten reagierende Publikum auch noch fragt, ob es all das, was hier geiles aufgebaut wurde, denn auch genauso geil wie man selbst findet... aua.
Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis ich das Wort "geil" wieder ohne Fremdschämtrauma hören und benutzen kann.


Donnerstag:

Mein Konzerttag begann vor der Doppelbühne im Zelt mit den sehr unterschiedlichen Metal Battle-Gewinnern aus Polen und Japan. Gnida bretterten brutalen Oldschool-Deathgrind in die Riesensauna und mein Bruder und ich waren uns einig: Das war guter Jazz!

Im Auto hatten wir nämlich einen USB-Stick als DJ, auf dem ich u.a. Jaco Pastorius, George Benson, Passport und jede Menge verwandtes Zeug gespeichert habe. Daraus war also gerade der Running Gag entstanden, alles in Wacken als Jazz zu bezeichnen.

Und was machen die Wahnsinnigen von Mysterious Priestess aus Japan? Beginnen ihr Set natürlich mit einem lupenreinen Jazz-Intro und machen uns so unseren Insiderwitz kaputt!
Die sehr jung wirkende Band wurde aber auch nach dem Intro für Normalmetaller nicht unbedingt zugänglicher, sondern frickelte einen stilistisch absolut schmerzfreien Over-the-top-Progmetal mit blackmetaleskem Gesang, in dem gerade Takte hohen Seltenheitswert hatten. Technisch erstaunlich versiert und von den Arrangements her stark übertrieben, sorgten Mysterious Priestess für genauso belustigte wie beeindruckte Verwunderung. Es gibt schlechtere Publikumsreaktionen, siehe MegaBosch...


Die weiteren Highlights spielten sich dann im Infield ab. Von Annihilator wusste ich eigentlich nicht viel mehr, als dass sie Kanadier sind, Thrash Metal spielen, und das Jeff Waters gerne rote V-Gitarren benutzt. Nun weiß ich auch, dass sie live richtig grmmpf... geil sind (aaargh, verschwindet aus meinem Kopf, MegaBosch!). Vor allem den Gesang fand ich sehr überzeugend.


Apropos überzeugender Gesang: Den gab es dann auch bei den ganz klassischen Hardrockern von Thunder, die ich als Teenager bestimmt doof gefunden hätte. Aber man entwickelt sich ja zum Glück weiter. Der Stoff zum totalen Ausrasten war es zwar nicht, doch sehr gut gemacht und eine passende Einstimmung auf die danach auftretende Legende Deep Purple.

Was soll ich zu Deep Purple groß schreiben? Viel Hammond, viel Blues, lange Soli, riesige Hits, ohne die Rock- und auch Metalwelt eine andere geworden wäre... Legenden bei der Arbeit eben. Bin sehr froh, sie endlich mal gesehen zu haben. Jazz at its finest!



Danach kam dann der Night-to-remember-Headliner Rammstein.

Als echter Metalfan sollte ich Rammstein ja hassen, weil die ja gar kein Metal sind, sondern nur laute, riffbetonte, harte Stromgitarrenmusik mit provokanten Texten spielen, also lupenreinen... ihr wisst schon... Jazz. Und das dann auch noch auf der "True Metal Stage"! Sakrileg!

Und als Laibach-Fan müsste ich über Rammstein, deren musikalische Identität zu großem Teil auf dem "Opus Dei"-Album der Slowenen beruht, eigentlich nur milde lächeln.

Mache ich aber nicht. Natürlich ist es komisch zu sehen, wie prominent das Laibach-Kreuz hier geborgt wird, und natürlich liegt die inhaltliche Substanz beider Gruppen Welten auseinander.

Aber man muss Rammstein einfach zugestehen, dass sie große Entertainer sind (Laufband für den Keyboarder = bester Bühneneffekt des Festivals) und mittelerweile auch so einige feine Songs im Repertoire haben. Ich würde sie mir zwar nach wie vor nicht auf einem regulären Tourkonzert anschauen, aber gut gefallen hat's mir schon.
Und das sage ich, obwohl ich sie nicht wirklich unter idealen Umständen gesehen habe. Wir hatten nämlich nach Deep Purple die blöde Idee, uns vom linken Teil des Infields mehr in die Mitte zu bewegen und gerieten so in eine der fiesesten Menschenquetschen, die ich auf dem Open Air je erlebt habe. Da half nur, nach hinten raus zu flüchten und es außen herum zu versuchen. Und weil die Leute in der Mitte so dicht gedrängt standen und nachdrängelten, hieß "außen herum" nicht im hinteren Teil des Infields entlang zu gehen oder über den Vorplatz, sondern tatsächlich einen Bogen bis über den Campingplatz zu spannen!
Den Rest des Konzertes haben wir dann aber aus der ersten Reihe erlebt - der ersten Reihe des Movie Fields allerdings, wo es ein paar Songs dauerte, bis man den Sound einigermaßen verstehen konnte. Aber wie gesagt, mir gefiel es trotzdem.

Und dann war da natürlich noch der in der medialen Nachbetrachtung oder auf lächerlichen facebook-Seiten wie "Wacken ist kein Heavy Metal" (*mimimi*) vollkommen übergewichtete Auftritt von Heino.
Die Zeit die ich gebraucht habe, um zu überlegen, ob ich darauf überhaupt eingehe plus die Zeit, die ich nun tippe ist ja schon länger, als die zwei Drittel von "Sonne", die der Mann da auf der Bühne stand. Im Kontext einer Band, die textlich desöfteren mit schwermütiger volkstümlicher Romantik kokettiert, kann ich mir viele unlogischere Bühnengäste vorstellen. Und handwerklich besser als der - im Verhältnis zu den Leuten, die ihn tatsächlich miterlebt haben - noch viel übergewichtetere - Auftritt von Roberto Blanco 2011 war er auch.
Ich sage also heute wie damals: Kirche --> Dorf!

Viel erwähnenswerter finde ich den Abschluss des Konzertes, als Till Lindemann auf einer Kanone reitend Schaum in die Menge spritze und es Konfetti regnete. Eine Minute später sprang nämlich mein Bruder plötzlich auf, und lief zehn Meter davon und fing einen einsamen Konfettischnipsel, der den ganzen weiten Weg über das komplette Infield bis zu unserer ersten Reihe zurückgelegt hatte. Was für ein Andenken!
Als ein Fan neidisch wurde, hat er es aber ganz großherzig in der Mitte geteilt.


Freitag:

Die "True Metal Stage" war u.a. Powerwolf, Sabaton und Doro sei Dank an diesem Tag komplett verbotene Zone.

Dafür hatte es unser erster Programmpunkt auf der "Black Stage" um halb zwei hatte gleich in sich: Einmal Hirn durchschütteln mit Gojira bitte! Wenn es eine (relativ) junge Band mit absolut eigenständigem Signatursound auf dem Festival gab, dann waren es die Franzosen. Brutal, präzise und immer mit dieser leicht schrägen, intensiven Grundstimmung. Schwer zu beschreiben, manchmal auch schwer zu begreifen, aber ganz großes, unkonventionelles Kino!

Danach schauten wir mangels Pflichtterminen mal, wer so im Zelt spielte: Dr. Living Dead bretterten mit Totenkopfmasken und Mike-Muir-Bandana ein an D.R.I. erinnerndes Hardcore/Thrash-Brett. Nett.

Die Kamikaze Kings hatten sich angeblich sowohl dem Rock'n'Roll als auch dem Metal verschrieben, müssen aber dummerweise mal irgendwo gelesen haben, dass GoGo-Tänzerinnen, 80er-Jahre-Bühnenoutfits und testosterontriefende Sexprolltexte zwingend dazugehören. Klar, das ist alles auch ironische Partymasche, aber wenn man nur verwundert davor steht und sich nicht sicher ist, ob das da freiwillig oder unfreiwillig komisch ist, dann ist da ganze doch noch überarbeitungswürdig. Acht Punkte auf der MegaBosch-Geilheitsskala.

Besser wurde es mit Black Messiah, obwohl sich mir die ganze Musikrichtung Pagan Metal nach wie vor nicht erschließt. Deutschsprachiger Röhrgesangsfolk trifft Black Metal. Aber warum zum Henker tut er das?
Gerade die Teufelsgeigerpassagen fand ich aber schon witzig. Und die Einsicht des Sängers, dass ein Fell als Bühnenklamotte in einem derart heißen Zelt nicht die beste Wahl ist.

Danach kam die einzige kleine Enttäuschung für mich. Henry Rollins erzählte bei seinem Spoken-Words-Auftritt nämlich zu großen Teilen die gleichen Sachen wie letztes Jahr, als er seine Predigt allerdings sogar noch besser auf den Punkt brachte. Ich hätte wirklich gedacht, dass der Mann noch mehr Geschichten auf Lager hat. Trotzdem blieb ich sitzen. Man braucht schließlich auch mal etwas Pause, um sich zu sammeln für den Rest des Tages.

Zurück zur "Black Stage" - New York! Hardcore! Agnostic Front! Nackenbrecherpogojazz! Sehr gut!


Manchmal ist er einem ja schon etwas zu immer und überall, aber dieses Jahr musste auch mal wieder ein kompletter Auftritt von Mambo Kurt im Biergarten sein. Und jungejungejunge artete das aus! Mambos Heimorgel und Gameboy rockten so dermaßen ab, dass sogar die Massen vor der Hauptbühne, auf der Sabaton spielten, mitgingen! So sah es jedenfalls manchmal aus - ein kleiner eingebildeter Sieg in der David-gegen-Goliath-Klangschlacht der kleinen Biergartenbühne mit  der gigantischen "True Metal Stage".
Der Mann in beige enttäuscht eben nie. Jazz ist Trumpf!

Nach dieser Party ging's erstmals zur "Party Stage", auf der die alten Haudegen von Corvus Corax (waren schon Mittelalter bevor es hip wurde) kräftig in den den Dudelsack und diverse andere Eigenbau-Instrumente bliesen.
Dieses Mal hatten sie tatsächlich kein Orchester dabei, wurden dafür aber bei vielen Stücken von der Taiko-Gruppe Wadokyo auf japanischen Riesentrommeln unterstützt. Wie immer machmal mit Längen durch zu viele Wiederholungen, insgesamt aber sehr mächtig und sehenswert.





Nun war es aber schon fast halb elf - höchste Zeit für METAL Jazz!

Vorher bekam ich allerdings doch einen whoooooooooyeahhhgeiltollwichtigen VIP/Presse-Ausweis geschenkt. Ohne dazugehöriges Band hat der zwar keinen praktischen Nutzen, ist aber trotzdem hübsch.


Im proppevollen Zelt gab sich das kanadische Kult-Trio Anvil die Ehre. Im Gepäck hatten Lips und Co. Klassiker wie "Winged Assassins", "Mothra" und "Metal on Metal", neue Stücke von "Hope In Hell" und einen Höllenpanzer voll Metalklischees wie viel zu langer Gitarrensoli (natürlich mit Dildo) und dem obligatorischen Drumsolo, eingebettet in das "Juggernaut Of Justice"-Instrumental "Swing Thing".
Doch so ungerecht es manchen anderen Bands gegenüber auch sein mag - Anvil dürfen das!
Und zwar nicht nur, weil sie es einfach irre gut machen, nein. Kaum eine andere Band strahlt solche ehrliche Freude am Metal aus und das springt ins Publikum über. Highlight des Tages!

Übrigens - ganz ohne Scheiß eine Original-Ansage von Lips:
"Enough with this Blues and on with the Jazz!"


Samstag:

Da ich am Vortag ja bei Corvus Corax gewesen war, hatte ich vom - aus gesundheitlichen Gründen - vorzeitig abgebrochenen Motörhead-Auftritt nichts mitbekommen.

Als Ausgleich dafür hatte ich nun das vergleichsweise exklusive Vergnügen beim Spoken-Word-Auftritt von Anthrax-Gitarrist Scott Ian zugegen zu sein. Neben ein paar Verwechslungsanekdoten und einer kleinen Fragestunde bestand sein Auftritt in erster Linie aus der von Comiczeichnungen unterstützten, epischen Erzählung seiner ersten Begegnung mit Lemmy in einem londoner Pub und deren Folgen. Sehr lustig war es - und wir haben etwas gelernt: Lädt Lemmy Dich zu einem Drink ein, sage niemals "I'll have what you're having."

Nach etwas Überbrückung durch Die Apokalyptischen Reiter, mit denen ich nach vor nur so mittelviel anfangen kann, gab es eine amtliche Death-Metal-Volldröhnung mit Lamb Of God, was allerdings in meiner Erinnerung eher eine untergeordnete Rolle spielt. Genauso heftig wie die Mucke krachte nun nämlich der Regen auf uns ein! Schnell rein in die schwarze Regenjacke - und gleich ein großes Loch vorne hineingerissen, weil ich meine Mütze vor einem Windstoß retten musste. Dennoch war der Schutz besser als nichts und wir hatten weiterhin unseren Spaß.
Das Abtrocknen ging dann auch relativ schnell, nur an den Füßen blieb Sportschuh sei Dank dieses feuchtpelzige Gefühl, gerade neues mikroskopisches Leben zu erschaffen.

Als Anthrax um siebzehn Uhr mit "Among The Living" und "Caught In A Mosh" ihre Thrash-Metal-Party starteten, konnten die Umstände gar nicht besser sein: Gute Laune, Sonnenschein und diverse Schlammpits, in denen sich jene Fans suhlten, die eh nicht mehr dreckiger werden konnten. Aber ihr kennt ja die Klischee-Fotostrecken. ;)
Die Band jedenfalls ging richtig ab, vor allem Joey Belladonna war in Topform. Und wer "I Am The Law" und das Joe Jackson-Cover "Got The Time" im Gepäck hat, gewinnt ja sowie immer. Müsste ich mich für einen Lieblingsauftritt beim diesjährigen W:O:A entscheiden, dann wären Anthrax wohl unter den beiden Spitzenkandidaten!

Wer war Kandidat Nr. 2? Der kommt noch noch...

Doch zunächst einmal ging es gleich weiter mit dem ebenfalls sehr sehr geilen (puh, ich musste schon fast gar nicht mehr an MegaBosch denken...) Konzert von Danzig.

Bei Danzig denke ich zunächst einmal an die tiefen Neunziger, an Kassetten, an ein beeindruckendes Konzert  in den Docks mit der damals ganz frisch angesagten Vorgruppe White Zombie, an das Dynamo Open Air 1994, bei dem ein Kumpel einen von zwei in die Menge geworfenen Drumsticks fing, der dann später im Tausch gegen einen Pungent Stench-Stick aus der hamburger Markthalle zu mir kam.

Und dann denke ich natürlich an Glenn Danzigs instrumentales Düstermusik-Soloalbum "Black Aria", welches wir früher als viel zu oft verwendeten Soundtrack zum Rollenspiel Das Schwarze Auge in und auswendig kannten.

Von diesem Werk kam natürlich auch das Intro, ehe der Muskelzwerg und seine drei Musiker mächtig losrockten. Ich hatte die Band ja seit Ewigkeiten nicht mehr gehört, so dass es immer wieder diese herrlichen Ach-ja!-Momente gab, egal ob der Meister "Twist Of Cain", "Am I Demon" oder "How The Gods Kill" anstimmte.

Nach jenem Song war der Danzig-Auftritt bis auf den Abschluss "Mother" eigentlich vorbei, denn es kam ein schwarzweiß bemalter Muckibudenfreund namens Doyle auf die Bühne, mit dem Herr Danzig vor sehr sehr langer Zeit, als ich noch einen flensburger Kindergarten besuchte, in einer gewissen Punkband gespielt hat. Und so freute sich die Meute über mehr als ein halbes Dutzend Misfits-Klassiker, ehe wir mit der Jazzballade "Die, Die My Darling" in den Rest des Abends entlassen wurden.

Die Schatten wurden nun allmählich länger, und was gibt es besseres, um einen in die Dunkelheit zu geleiten als von Großmeistern ihres Fachs zelebrierten Doom?


Candlemass kamen auf die "Party Stage" und bewiesen ganz klar, warum sie die Gruppe waren, auf die ich mich dieses Jahr am meisten vorgefreut hatte. Tonnenschwere Black Sabbath-Riffs, fantastische Leadgitarren und mit Mats Levén ein herausragender Sänger, der so ziemlich alles kann, was seine Vorgänger so drauf haben. Gänsehaut! Jeder Song war klasse, und doch war ich gerade von den Stücken des letzten Albums "Psalms For The Dead" (u.a. "Prophet", der Titelsong und "Black As Time" inklusive nihilistisch philosophischem Intro) besonders angetan.
Und zum Abschluss durfte natürlich als dritter Zugabensong die Überhymne "Solitude" nicht fehlen. Ganz groß, was die Schweden da abgeliefret haben!

Wir sahen dann noch auf der Leinwand den Zugabenteil von Alice Cooper, der bei "Poison" und "School's Out" showmäßig mächtig auf den Putz haute. Das Konzert hätte ich schon gerne ganz gesehen, aber eine ärgerliche Überschneidung muss es bei den vielen Bands ja immer geben.

Es folgten u.a. noch Nighwish, Rage mit Orchester und die unvermeidlichen Dauergäste Subway To Sally. Die schenkten wir uns jedoch alle. Sicher spielten auch noch sehenswerte Bands (z.B. Meshuggah), doch wir machten uns in dem Bewusstsein, dass wir die Highlights schon erlebt hatten (und es im T-Shirt noch ziemlich klamm werden könnte) sehr zufrieden von dannen.


Und so war es wieder wie so oft in den letzten Jahren: Große Enttäuschung bei den Bandankündigen, weil die richtigen Knaller so dünn gesäht sind und immer wieder die gleichen Nasen die Hauptbühnen beschallen - und doch hat man am Ende wieder jede Menge interessante, gute und mehr als gute Shows gesehen.
Mehr Jazz in dieser Zeit geht nicht!

In der Nacht von Sonntag auf Montag habe ich also gleich das X-Mas-Ticket (Weihnachten, haha...) geordert. Über zweieinhalb Stunden Kampf und Krampf auf Metaltix.de und mein Haupthaar ist doppelt so grau wie vorher. Das, liebe Kinder, ist Jazz!

In diesem Sinne: Tschüß bis zum nächsten Jahr!


Bandwünsche, die mir gerade einfallen:

Atheist
Autopsy
Ayreon
Cynic
Dream Theater
Godflesh
James LaBrie

Motorpsycho
Psychotic Waltz
Swans
The Winery Dogs
Treponem Pal
Triptykon
Voivod

Müssen ja nicht alle sein, aber ihr wisst ja, welches die sträflich vernachlässigten Acts sind...



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 Hmmm....

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Soll ich?

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Ok, ich kann's mir ja doch nicht verkneifen...

Man merkt, dass sich nach Jahren der Hofierung der Trend in der Mainstream-Presse leicht dreht. Plötzlich spielen sich Hardcore-Szeneorgane wie der Stern oder der Fernsehsender n.tv als Hüter des wahren Wacken-Spirits auf und ziehen über die böse Kommerzialisierung her...

Früher hieß es schließlich stolz "sponsored by nobody".
Soso, ihr seid also Zeitzeugen des tiefsten "früher", welches mindestens 1991 gewesen sein muss. Denn vom Plakat und der Bühne meines ersten Wacken Open Airs 1992 (Headliner Saxon) habe ich noch deutlich ein prominentes Zigarettenmarkenlogo in Erinnerung.
Und den originalen, den echten Wacken-Geist findet man nur noch im Dorf, wenn man mit den begeisterten Bewohnern spricht? - Sorry, aber bis auf die direkt eingebundenen Leute und den örtlichen Supermarkt, der nicht zufällig einem Herrn Jensen gehörte, hat das Festival die Wackener (Gribbohmer, Holstenniendorfer...) doch anfangs gar nicht tangiert. Irgendwann war dann aber auch im Dorf mehr los und spätestens nach dem berühmten ersten Onkelz-Jahr fühlten viele Bewohner sich gestört.
Dann hat man jedoch miteinander geredet und vor allem hat man festgestellt, dass sich ja doch jede Menge Spaß haben und nicht zletzt auch Geld verdienen lässt... Und seitdem ist im Großen und Ganzen Friede, Freude, Full Metal Village.

Der wahre Wacken-Spirit ist für mich dann aber doch eher - so ungern ich es auch zugebe -, dass alle zwei, drei Jahre immer wieder Doro und Saxon spielen. ;)


In Artikeln dieser Art ist auch nach wie vor gerne vom Jägermeister-Kran (wo?) und Wet-T-Shirt-Contests (ja, wo zum Teufel denn?) die Rede. Und natürlich vom "Wrestling-Zelt", in dem komischerweise zu 95 Prozent der Zeit Musik stattfindet.

Nicht dass die Journallie nicht auch ein paar Körner finden würde (Ja, Captain Morgan und die immer gleichen Werbeschleifen nerven!), doch die meisten Sachen lassen sich ziemlich leicht auseinander nehmen.
Aber was soll's? Es geht ja doch in erster Linie darum, die Klischee-Fotostrecken mit Schlammzombies und Feuerwehrkapelle unterzubringen.


Peinlicher als jeden Pressebericht finde ich allerdings manche facebook-Seiten (siehe weiter oben) und Foren, auf denen sich jene, die keine Karte bekommen haben oder einfach schon viel zu metal sind der Lächerlichkeit preisgeben, z.B. in dem sie sich über genrefremde Besucher in weißen Anzügen und pinken Slippern aufregen...


Ich war zufällig live zugegen, als diese Fotosession stattfand, stand ein paar Meter weiter vorne. Das Bild ist also nicht, wie einige super tolerante Idioten, für die man sich als Metalfan nur schämen kann, gephotoshopt. Anders als ihr Hasskappentastaturfresser waren die Leute auf dem Gelände nämlich tatsächlich alle ganz entspannt und haben den Herrn Jan Delay nicht - wie ihr es bestimmt getan hättet - geköpft, gevierteilt und die Reste dann ausgepeitscht.

Anderseits kann ich euren Hass natürlich schon ein klein wenig nachvollziehen. Der Typ ist schließlich durch Beziehungen irgendwie umsonst reingekommen.

Und ihr habt es schon wieder nicht geschafft, vor dem frühen Ausverkauf eurer Ticket zu bekommen.

Viel Glück für 2015!