- CD review -
DREAM THEATER - Black Clouds & Silver Linings (2009)
Mal abgesehen von der dazu passenden gelungenen Covergestaltung im "Awake"-Stil ist der Titel des neuesten Dream Theater-Albums doch etwas ungeschickt gewählt.
Auf deutsch übersetzt bedeutet "Black Clouds & Silver Linings" nämlich so viel wie "wechselhaftes Wetter". Wenn man das auf die Musik bezieht... ;)
Ok, eines ernsthaft gleich vorweg: wirkliche Graupel- oder Nieselwettersongs gibt's hier natürlich nicht zu hören. Dennoch komme ich nicht umhin, ein wenig Kritik auf hohem Niveau anzubringen, denn tatsächlich gibt's hier doch ein paar kleine Baustellen, an denen es vielleicht noch besser sein könnte, wenn Dream Theater ihren Veröffentlichungsrhythmus etwas verlangsamen und dafür noch mehr Mühe in die einzelnen Alben stecken würden.
Kaum zu beanstanden ist der viertelstündige mit Black-Metal-Elementen und sogar einem Blastbeat aufwartende Opener "A Nightmare To Remember", in dem John Petrucci das Kindheitstrauma eines schweren Autounfalls aufarbeitet. Ein bisschen weniger für den Song eher unerhebliche Instrumentalkapriolen hätten allerdings nicht geschadet. Aber auch so noch sehr stark.
"A Rite Of Passage" kommt etwas ausgewogener daher und ist ein echter DT-Metal-Kracher mit starker Hookline. Kann man problemlos zwischen den Klassikern der frühen Alben hören.
"Wither" hingegen hätte nicht sein müssen. Eine typische, leicht kitschige Petrucci-Ballade, wie es sie schon mehrmals gegeben hat, ohne wesentliche Neuerungen oder ein wirklich hängenbleibendes Gitarrensolo. Kann man hören, doch so richtig weiß ich nicht, was der Song soll. Am ehesten geht er noch als Ruhe vor dem Sturm durch, welcher danach mit "The Shattered Fortress" losbricht.
Als einzelner Track ist dieses Stück teilweise etwas wirr, handelt es sich hier doch um den mit vielen Zitaten geschmückten letzten Teil von Mike Portnoys gr0ßem autobiographischen Konzeptwerk über die zwölf Stufen des Alkoholentzugs, welcher auf "Six Degrees Of Inner Turbulence" begann und dann auf den nächsten vier Alben fortgeführt wurde.
Gut möglich, dass das ganze Ding irgendwann mal live gespielt und aufgezeichnet wird. Ich habe mir's schon einige Male als Playlist angehört. Mein Gesamteindruck: Es ergibt sich ein in sich schon sehr stimmiges über 55-minütiges Konzeptwerk, welches aber insgesamt durch den hohen Geriffe-Anteil und das vielleicht doch nicht ganz so ergiebige Thema etwas repetiv und eindimensional daherkommt. Dementsprechend gefällt mir der vierte Teil, das atmosphärische "Repentance" vom "Systematic Chaos"-Album als größte Abwechslung auch am besten.
Vom "Albumfinale im Album" zurück zum eigentlichen Album.
In "The Best Of Times" erinnert sich Mike Portnoy 13 Minuten lang sehr offen an seinen verstorbenen Vater. Für mich ist es in dieser Form schon fast eine Nummer zu privat und zu viel, ich weiß nicht, ob ich es wirklich so genau wissen möchte. Anderseits gibt es am Ende eines der großartigsten Gitarrensoli der Dream-Theater-Geschichte zu hören, was den Song im Zweifel eindeutig rettet.
Und selbst wenn alle bisher rezensierten Stücke Mist wären, die CD wäre dennoch jeden Cent wert, denn es folgt ja noch das knapp 20minütige "The Count Of Tuscany".
Und dieser Graf hat es in sich - Dream Theater at its absolutely best! Bei dem Song stimmt einfach alles. Dabei halten die Supermusiker ihre Finger zum Teil bemerkenswert still. Der pinkfloydeske Instrumetalpart in der Mitte und das abschließende Finale sind einfach ganz groß. Besser geht's nicht. Klassiker!
Dazu gibt es (in der Version die ich besitze) noch zwei Bonusdiscs.
Eine davon habe ich noch niemals gehört und werde sie vermutlich auch zukünftig niemals einlegen, denn sie enthält das komplette Album als Instrumentalmix. Wer zum Henker braucht so etwas denn? Ein Zugeständnis an die die James-LaBrie-Hasser-Fraktion? Was für ein Quatsch. Sein Gesang ist auf dem gesamten Album tadellos, davon möchte ich nichts missen.
Mike Portnoy hingegen hätte an einigen Stellen doch lieber die Klappe halten können...
An den meisten Stellen ist aber auch der Gesang des Schlagzeugers nicht zu beanstanden. Besonders gilt dies für die von ihm alleine eingesungen Backgroundgesänge des Queen-Medleys auf der anderen Bonusdisc, welche ausschließlich Coversongs enthält.
Trotzdem wären diese mit Beteilung des eigentlichen Sängers sicherlich noch besser geworden. Dafür beeindruckt LaBrie besonders mit seinem exzentrischen Leadgesang in "Lily Of The Valley". Sehr schön!
Die Coverversionen beinhalten neben Queen auch noch Stücke u.a. von Rainbow, King Crimson und Iron Maiden. Erwartungsgemäß setzen DT eher auf ihr äußerst solides Spiel (einen Song wie "Large Tongues In Aspic, Pt. 2" covert man natürlich in erster Linie, weil man's kann) als auf wirklich neue Interpretationen. Aber damit fahren sie gut. Mir gefällt die Bonusscheibe sehr, ich finde an ihr sogar weniger zu nörgeln als am eigentlichen Album.
Doch wie eingangs gesagt: alle Kritik bewegt sich hier wie immer bei Dream Theater auf sehr hohem Niveau. "Black Clouds & Silver Linings" ist zwar nicht mein persönliches Album des Jahres geworden wie seinerzeit "Scenes From A Memory", enthält aber ein paar echte Klassiker und mit "The Count Of Tuscany" sogar ein Klangmonument für die Ewigkeit.
Hmm... was will man eigentlich mehr? ;)