Wooooohoooooooooooo!
Ok, ich kann nicht behaupten, die Memo nicht bekommen zu haben. Ich habe sie nur nicht richtig gelesen. Und so ging ich, als ich meine Doppel-LP des neuesten (tatsächlich immer noch!) Albums von King Gizzard and the Lizard Wizard bestellte, davon aus, dass sie sowohl das reguläre Album als auch den Extended Mix enthalten würde. Stattdessen bekam ich allerdings nur den letzteren. Aber das ist, wie ich gleich ausführen werde, auch ok so.
Da beide Versionen gleichzeitig dasselbe und verschiedene Werke darstellen, rein digital aber stets zusammen präsentiert werden, beziehe auch ich beide Varianten von "The Silver Cord" in mein Geschreibsel mit ein.
Und wer nicht gerade zu jeden Fans gehört, welche die Band eigentlich nur zu ihren Garagenpsychedelicwurzeln zurückkehren sehen möchte, der muss zugeben, dass diese Priorisierung von Qualität über Quantität keinesfalls ein schlechter Schachzug ist.
Dabei ist es natürlich zentrales Markenzeichen der Gruppe, bei jeder Veröffentlichung - ganz egal, wo sie uns stilistisch hinführt - ein hohes Niveau und ihre eindeutig wiedererkennbare Identität zu wahren. Von den fünf 2022er Alben habe ich mir zwei allerdings noch nicht einmal angehört. "Ice, Death, Planets, Lungs, Mushrooms and Lava" hingegen hat sich vor allem als großartiger Jam auf langen Autofahrten erwiesen. Das Potenzial, auf lange Sicht mit dem besten Material der Band mitzuhalten, spürte ich allerdings nur beim auf alles scheißenden, wagemutig kurzen und chaotischen "Made In Timeland".
Dieses Jahr erschien nun aber bereits der gnadenlose Thrash-Metal-Dampfhammer *LuftfürdenlangenTitelhol* "PetroDragonic Apocalypse; or, Dawn of Eternal Night: An Annihilation of Planet Earth and the Beginning of Merciless Damnation", ein Doppelalbum, welches die ersten Dreschansätze von "Infest The Rats' Nest" and das Psych-Prog-Meisterwerk "Polygondwanaland" in eins verschmolz und noch eine Menge zusätzlichen Pfeffer, Präzision und Energie hinzufügte. Das Ergebnis kann nicht nur mit allem mithalten, was King Gizzard jemals zuvor gemacht hat, sondern kann sich auch innerhalb der tatsächlichen Metal-Szenen behaupten, von denen es inspiriert wurde. Ein absoluter Knaller!
Es enthielt außerdem noch eine erzählte Ambient-Version der gesamten Geschichte aus einer anderen Perspektive als Bonustrack.
Und hier kommt nun "The Silver Cord" und öffnet eine komplett neue Dose Echsen, während es gleichzeitig ebenso sehr eine weitere Version der PetroDrakonischen Apocalypse präsentiert. Ja, ich weiß, das klingt alles nach einer Menge. Es ist aber irgendwie erklärbar. Hoffe ich zumindest, anderseits würde der Rest dieses Textes ein Krampf. Aber ich bezweifle dies und schütze mich einfach mit einem präventiven Auflockerungsschrei davor.
Wooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooh!!!
"The Silver Cord" ist mit knapp sechsundzwanzig Minuten ganz klar eines der bisher kürzesten Alben von King Gizzard and the Lizard Wizard. Es ist auch der mit Abstand weiteste Vorstoß der Band in vollelektronische Gefilde, werden hier doch erstmals gar keine akustischen Instrumente mehr gespielt. Stattdessen bekommen wir jeden Menge Vintage-Synthesizer, Effekte, komplett künstliche Drums und sogar Gitarrensynthesizer auf die Ohren - ein vollkommenes Bekenntnis zum Konzept also. (Die Credits dazu sind ähnlich nerdig detailliert wie auf Blood Incantations Ambient-Ausflug "Timewave Zero".)
Die sieben kleinen Stücke fließen alle ineinander über, so dass sich das Album beinahe wie ein einziger zusammenhängender Track anfühlt. Auch das offizielle Video zu den ersten drei Songs "Theia", "The Silver Cord" und "Set" unterstreicht diese Idee.
Letztendlich sind sowohl diese Triple-Single als auch das gesamte Album zwar unterhaltsam, wenn man nicht so viel Zeit hat, dienen aber im Grunde nur als Vorgeschmack auf das eigentliche Ding, den Extended Mix. Mal im Ernst: Wer schaut sich heute noch die Kinofassung der Herr der Ringe-Trilogie an?
In der erweiterten Version schwillt der Opener von dreieinhalb auf fast einundzwanzig Minuten an, während auch alle folgenden sechs Tracks mindestens die Zehn-Minuten-Marke knacken. Was das Ganze folgerichtig zu einem herrlich exzessiven Neunzig-Minuten-Doppelalbum macht. Oder kurz gesagt: Woooh, schweinigyle!
Sounds zwischen Schultze, Kraftwerk, 80er Pop und 90er umpffumpffumpff Euro-Dance, hin und wieder und auch Breakbeats. Unwahrscheinlich, dass hier gezielt eine spezifische Bewegung Pate stand. Es scheint vielmehr - wie immer so - dass King Gizzard einfach das machen, worauf sie Bock haben. Ähnlichkeiten entstehen hier vor allem durch die Klangpalette des benutzten Equipments.
Eine sehr spezielle Phase in jedem Track ist jene, wenn auch durch textliche Rückgriffe aufs letzte Album ("Motor Spirit" / "Converge!" / "Gila! Gila!") deutlich gemacht wird, dass alle Songs tatsächlich auf denselben Ideen wie ihre vermeintlich vollkommen gegensätzlichen Metal-Gegenstücke auf "Petrodragonic Apocalypse" beruhen!
Was genau die inhaltlichen Brücken zwischen der Over-the-top-Komplettzerstörung des Planeten und dem kosmisch-esoterisch mesopotamischen Mystizismus von "The Silver Cord" sind, überlasse ich fleißigeren Lyrikanalysten zu ergründen. Es ist auf jeden Fall eine lässige neue Ebene, ein beeindruckendes Yin zum Yang (oder umgekehrt?) und vor allem eine erbarmungslose Ohrwurmschleuder! So hirngestört und abhängig haben mich King Gizzard & The Lizard Wizard selten hinterlassen. Die Produktion gehört auch zum allerfeinsten aus dem hause KGLW - was für ein Kopfhörertrip! Einfach ein Spaß Spaß Spaß machendes fettes Hammeralbum.
Nur "Chang'e", der Track im Zentrum des Album wirkt mit seiner eher auf "Butterfly 3000" passenden Zuckersüßlichkeit doch etwas deplaziert in dieser Tanzopalypse und entwickelt leider ein paar Längen. Alles andere ist einfach so viel stärker!
Wer also Playlisten nutzt, dem würde ich als ideale Version von "The Silver Cord" grundsätzlich immer zu sechs Siebteln den Extended Mix empfehlen - mit der einzigen Modifizierung, Stück vier sozusagen als Zwischenspiel durch die kurze Version zu ersetzen, so dass der Fluss zwischen den wild fetzenden Tracks drumherum nicht mehr gestört wird. Dann stimmt alles. Und für den Connaisseur der Quantität sind es insgesamt ja auch so immer noch stolze zweiundachtzig Minuten Spacedisco. You will see everything you can be in the music!
Das Coverfoto ist jetzt schon Kult, der Metallic-Druck der Rain of Sorrow-Edition schreit Achtziger-Jahre - und geht ganz scheiße zu fotografieren. Das transparente Vinyl mit blauem Splatter ist ebenfalls ein Hinkucker. Wie immer ist das Ganze leider viel zu kostspielig - aber halt auch leider leider leider geil. Aber sowas von!
Muss ich noch erwähnen. dass mir die kurze Version Albums digital reicht? Habe ich ja eigentlich schon erklärbärt. Da könnte mich höchstens noch eine Veröffentlichung in einem anderen physischen Format (also CD oder Kassette) erweichen.