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2023-11-28

JO QUAIL und CORECASS live im Hafenklang, Hamburg (27. November 2023)


Gestern Morgen hatte ich einen wirren Traum, an dessen Handlung ich mich natürlich nicht erinnern kann, in dem jedoch irgendwie eine Austellung in einem riesigen Museum eine Rolle spielte. Aus einem Raum dort kamen fantastische Klänge, elfen- und todesfeengleicher Gesang. Ohne die Besucher zu beachten, spielte dort einfach so Anna von Hauswolff mit Ideen herum.
Als ich nach dem Aufstehen vor meinen Kleiderschrank stand, griff ich mir davon beeinflusst natürlich mein Anna von Hausswolff "All Thoughts Fly"-Tourshirt. Und als ich ins Auto stieg, um zur Arbeit zu fahren, spielte der Player doch tatsächlich das Livealbum von Anna von Hauswolff.

Zwischenzeitlich dachte ich mir da, ich müsste später am Abend wohl mal Jo Quail fragen, ob sie vielleicht kürzlich etwas für oder mit Anna aufgenommen hat und der Kosmos mir einen Hinweis darauf geben wollte.
Tatsächlich stellte ich nach montagabendlicher Fahrt durchs erste winterliche Wetter im hamburger Hafenklang fest, dass ich tatsächlich auf den Supportact des Konzerts vorbereitet worden war.






CORECASS

Hinter Corecass verbarg sich ein experimentelles, sehr filmmusikalisches Projekt der Hamburgerin Elinor Lüdde, welche in unterschiedlichen sehr atmosphärischen Bewegungen Harfe, Elektronik, Orgeln, Effekte und gelegentlichen Gesang miteinander verband, was mich sehr bald an - natürlich - Anna von Hausswolff, aber auch Kali Malone und Jóhann Jóhannsson erinnerte. Der Hypesticker der "V O I D"-CD erwähnt hingegen stattdessen Hildur Guðnadóttir - dicht genug, würde ich sagen. Begleitet wurde sie von einem Mitmusiker, der entweder einen sehr geduldigen, als Textur dienenden Drone-Bass spielte, oder Gitarre, welche mit eher post-rockigen Ansätzen ihr elektroakustisches Gemisch aus mystischem Ambient, klerikalen Stimmungen und kitschfreier Neoklassik ergänzte.

Zwischen den einzelnen Segmenten der Performance blieben immer noch Restklänge übrig - oder zumindest eine Ahnung davon, da die Lüftung?Heizung?Klimaanlage? des Hafenklangs ein permanentes Grund-Meeresrauschen erzeugte, welche es erschwerte auszumachen, wann tatsächlich theoretische Stille herrschte. Das Publikum im heute mal teilbestuhlten Saal traute sich also erst ganz am Ende, dem Auftritt seinen wohlverdienten Applaus zu spenden.

So bequem es war, in der Mitte der ersten Reihe zu sitzen, so sehr schaffte es der Laptop auf der Bühne, mir oft den Blick auf die Künstlerin zu versperren. Sonst hätte ich wohl noch eine handvoll Bilder mehr gemacht. Ansonsten war es aber ein großartiger, dichter und inspirierender Auftritt.

Das hatte ich ehrlich gesagt aber schon geahnt oder zumindest gehofft, als direkt vorher - mich zu einem anderen tollen Konzert der letzten Zeit zurückwerfend - der komplette Longtrack "Again" von Archive aus den Boxen gekrochen kam. Nach so einer Konservenvorlage muss man ja einfach abliefern.









JO QUAIL

Ich hatte sie auf der Bühne mit Myrkur und Mono gesehen, als Toursupport von Mono und Emma Ruth Rundle und als eine der triumphalen Hauptgewinnerinnen des Roadburn Festivals 2022, wo sie ihr eigenes Orchesterwerk "The Cartographer" vorstellte.

Nun also war Cellistin extraordinaire Jo Quail Headlinerin ihrer eigenen Solotour. Angesichts der Tatsache, dass sie eine sehr spezifische, von Szenen und sogar der teutonischen Unterscheidung zwischen E- und U-Musik losgelöste Nische bespielt gerade in diesen Zeiten - und an einem schietwetterigen Montag - kein risikoloses Unterfangen.
Für diese Umstände hatten sich allerdings genügend Zuhörer eingefunden und man merkte schnell, dass die redselige Engländerin sich hier eingerahmt von ihren mitgebrachten Stahl-Dekoskulpturen wohnzimmerig wohl fühlte.

Hauptsächlich auf ihrem unverwechselbaren E-Cello, zwei Mal jedoch auch akustisch spielte sie Stücke quer durch ihre Diskographie und auch ein wenig darüber hinaus.
Und auch wenn sie natürlich bereits ohne Tricks mit beeindruckend virtuosem und gefühlvollen Spiel und vielen interessanten Musikgesichtern punktet, ist ihr Alleinstellungsmerkmal natürlich die hohe Schule des Loopens, mit der sie zunächst minimalistisch oder manchmal auch leicht verwirrende Stücken zu mächtiger ausdrucksstarker Majestät steigert.

Gleich beim ersten Stück machte sie zum ersten mal auf der Tour einen groben Schaltfehler, der dazu führte, dass auch sämtliche nicht zur Wiederholung vorgesehenen Parts mit in die Schleife eingespeist wurden. Das war der Künstlerin ziemlich peinlich, sie hätte es aber problemlos als Feature statt Bug verkaufen können, klang es doch tatsächlich ziemlich überwältigend. Es war also gleich klar: Selbst wenn Jo Quatsch macht, kommt dabei immer noch fantastische Musik raus.
Unfassbar, was für komplexe Schichten mit nur einem Instrument (und zahlreichen Spieltechniken) erzeugt werden können.

Ich hatte den Eindruck, dass ihr Auftritt - zumindest danach - nur noch souveräner und gekonnter geworden ist - was für eine grandiose Musikerin und Komponistin! Tolle fantasieanregende Musik, ihre humorvolle, leicht chaotische Art wie immer als sympathischer Bonus - was wollte man mehr?
Ein neues Album vom Merch-Tisch vielleicht? Habe ich natürlich abgeerntet. 

Nur das bereits erwähnte hypnotisierende Dauerrauschen machte - selbst wenn die Künstlerin es als Teil des gedachten Szenenbildes zum Teil der Performance erklärte - auf Dauer etwas müde. John Cage im Hafenklang zu interpretieren wäre definitiv eine derbe Herausforderung.








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