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2012-12-31

ARJEN LUCASSEN - Lost In The New Real

Und dann war da dieses Jahr ja noch ein Konzeptalbum aus Holland...

Mr. Ayreon hat mal wieder zugeschlagen und eine neue Doppel-CD rausgehauen.


ARJEN ANTHONY LUCASSEN's Lost In The New Real (2012)

Nachdem man sich an dem grenzgenialen Cover-Artwork und dem gewohnt schicken Booklet sattgesehen hat, stellt sich zunächst einmal natürlich die Frage, warum nicht Ayreon vorne drauf steht.
Schließlich gibt ja schon das "Filmplakat" von "Lost in the New Real" dem Eingeweihten einen dezenten Hinweis darauf, dass sich Arjen Lucassens neue Geschichte problemlos in das Universum der Meisterwerke "The Human Equation", "Into the Electric Castle" und "01011001" einfügen lässt.

Antworten gibt es einige: Zum einen fehlen die von Ayreon gewohnten Gastsänger. Bis auf einen über die ganze Albumlänge präsenten Backgroundsänger und eine Sängerin in einem der insgesamt 20 Lieder stemmt der Meister den Gesang hier ganz alleine und lässt einen dabei auch keine weiteren Vokalisten vermissen.
Ähnlich wie auf der elektrischen Festung gibt es jedoch einen Erzähler, der als "Dr. Voight-Kampff" viele Stücke einleitet, nämlich den Schauspieler Rutger Hauer.

Und auch die musikalische und konzeptionelle Ausrichtung unterscheidet sich von Ayreon - zumindest gerade so weit, dass eine andere Etikettierung sinnvoll erscheint.
"Lost in the New Real" ist zwar wieder einmal eine naiv hochtragende und mal wieder das ganze große Ganze umfassende Science-Fiction-Story geworden, hat aber auch eine teilweise sehr persönliche Metaebene, in der Arjen ganz klar über sich, seinen Lebensstil und seine Art, Musik zu hören und zu komponieren schreibt.
Besonders ernst nimmt er sich dabei nicht immer, und andere Kapitel sind ganz klar rein fiktiver Quatsch ohne persönlichen Bezug. Wie das alles funktiert, ohne zerfahren zu wirken, wäre schon fast zu viel verraten. Ich sage mal so: Es handelt sich um einen relativ simplen, teilweise an den ersten "Universal Migrator"-Teil erinnernden Überbau mit einer ebenso einfachen, aber dennoch befriedigenden Auflösung, in den sich im Grunde unendlich viele Stimmungen und Themen unterbringen lassen:
kataklysmische Naturkatastrophen, Geburtenkontrolle, Weltraum, Internet, Einsiedlertum, Sterbehilfe und und und...

Aber diese Themen werden eben nicht alle gleich ernsthaft und "schwer" genug behandelt, um als Ayreon durchzugehen.

Herr Lucassen hat sich hier sehr locker gemacht. Musikalisch huldigt er vor allem seinen 70er-Jahre-Helden, wie schon die Songtitel "Pink Beatles In A Purple Zeppelin", "Where Pigs Fly" und "When I'm A Hundred Sixty-Four" selbst für den Allerlangsamsten mehr als deutlich machen. Das ist vielleicht nicht ganz so innovativ wie seine stärkeren Prog/Folk/Metal-Mix-Momente auf einigen seiner früheren Werke, ist aber ebenso verdammt gut gemacht (Powerdrumming von Ed Warby inklusive) und verbreitet einfach Freude.

Apropos Instrumente: sämtliche Saiten- und Tasteninstrumente (bis auf Geige und Cello) hat der Meister eigenhändig eingespielt. Und wie immer sind Arrangements und Produktion über jeden Zweifel erhaben.


Die Geschichte von "Lost In The New Real" wird bereits auf der ersten CD komplett zu Ende erzählt.
CD 2 besteht aus einem Mix von weiteren Songs, die CD 1 nochmal vertiefen, sowie verschiedenen Coverversionen, die thematisch mit dem Album verwandt sind und den Mastermind vermutlich sogar dazu inspiriert haben, am prominentesten darunter sicherlich Pink Floyds "Welcome To the Machine".

Das mag nach Resteverwertung und Bonusflickwerk klingen, aber tatsächlich bleibt das Doppelalbum in seiner Gesamtheit immer eine runde Sache.


Arjen Anthony Lucassens "Ego-Trip" ist verglichen mit einem epischen Brocken wie Motorpsychos "The Death Defying Unicorn" vielleicht ein sehr traditionelles Rock-Konzeptalbum und wird wohl an dessen langfristige Bedeutung nicht heranreichen können. Innerhalb von Lucassens Diskographie handelt es sich aber dennoch um ein weiteres Meisterwerk, das sich trotz seines etwas lässigeren Anspruchs nicht vor seinen anderen Werken verstecken muss.


Und als nächste Scheibe - soviel hat er ja schon per Video-Teaser verraten -  gibt es dann ja wieder die volle Ayreon-Breitseite!


Anspieltipps: Lost In The New Real, Yellowstone Memorial Day, Pink Beatles In A Purple Zeppelin, Welcome To The Machine

AUTOPSY - Born Undead (DVD)

Mmmh, guten Appetit!

Natürlich ist das Cover dieser Autopsy-DVD nicht die feine Vegetarier-Art. Aber es hat durchaus eine Botschaft, die sich auf den Inhalt übertragen lässt: Guts, guts, guts!

Oder anders ausgedrückt: meeehr!

Will sagen: viel value for money.





AUTOPSY - Born Undead (2012)

Diese DVD hat gleich zwei Kernstücke.

Das erste davon ist eine Dokumentation über die gesamte Geschichte der us-amerikanischen Gore-Death-Metal-Institution. Von Chris Reiferts Tagen mit Chuck Schuldiner und Death, den Death-Metal-Boom der frühen Neunziger, gefühlten dreißig Basserwechseln, einer katastrophalen US-Tour, die letztendlich zur Auflösung der Band führte, den Brücken-Jahren mit Abscess bis zur Revitalisierung der Band und den Aufnahmen zu "Macabre Eternal" lässt dieser Film nichts aus und zieht sich damit auf eine Länge von knapp über zwei Stunden.
Für den unbedarften Zuschauer und das Absahnen von Filmpreisen ist das natürlich nichts, als Fan hat man jedoch das Gefühl, dass sich da jemand wirklich um einen kümmert. Sehr ehrlich, sympathisch oder auch down to earth, wie der Angelsachse sagt.

Die andere Hälfte des Inhalts ist Autopsy live, und zwar Material von gleich vier verschiedenen Konzerten aus den Jahren 2010 und 2011, ohne dass allzu viele Songs sich dabei überschneiden würden.
Mit satten 18 Tracks (+ 2 weiteren von den Proben für das Konzert) führt quantitativ der Mitschnitt vom Maryland Death Fest. Dazu kommt noch das Hole In The Sky Festival, sowie Highlights vom Party San (aaarrgh, hätte ich die Gelegenheit bloß genutzt!) und Slaughter By The Water.

Schnörkellos brutal, 100% Death Metal und davon jeden Moment "Wer hat's erfunden?", keine großen Sperenzchen, aber eine gute Prise Humor - das bekommt man hier in großen, blutig versuppten Löffeln kredenzt.

Bild- und tontechnisch ist das alles nicht Led Zeppelin oder "The Dark Knight Rises", sowohl was die Konzertmitschnitte, als auch was die Dokumentation angeht.
Nein, das hier ist im Verhältnis zum Mainstream natürlich alles obskurer Underground und will auch nichts anderes sein. Dafür ist es verdammt ehrlich und direkt. Wäre es technisch möglich, dann hätten Autopsy diese Veröffentlichung wahrscheinlich nicht auf DVD, sondern auf Vinyl herausgebracht.

Für Fans und Metalhistoriker ist "Born Undead" eine tolle Fundgrube. Und die Gestaltung der Hülle (Mediabook) ist auch jenseits des hübschen Covers gelungen.
Ganz klare Kaufempfehlung von mir!

Anspieltipps: Braucht man die als Fan? ;)

2012-12-30

OLLI SCHULZ - S.O.S. Showman Olli Schulz Live (DVD)

Maßgeblich für die Auswahl der meisten Musik-CDs und -DVDs, die ich mir zulege ist eigentlich mein Musikgeschmack.

Bei manchen Silberscheiben hingegen geht es mir dann doch mehr darum, einfach das Richtige zu tun und ein besserer Mensch zu werden.


OLLI SCHULZ - S.O.S. Showman Olli Schulz Live (2012)

Ein Mann, ein Wort.

Und noch ein Wort. Und noch eines. Und noch eine Geschichte, und noch eine Anekdote, und Faden verloren und ach ja usw.

Da ist auch ein Klavier, aber das steht da nur als Ablagefläche.
Und eine Gitarre ist da noch, die spielt Herr Schulz sogar ab und zu. Aber wirklich nur ab und zu.

In erster Linie ist Olli Schulz einfach da und erzählt aus seinem Leben. Rammstein, Sido, Farin Urlaub, King Diamond, Mando Diao - alle waren sie dabei und haben diesen Showgiganten geformt.

Olli Schulz ist der neue große alte Mann des Premiumgeschichtenerzählens in Deutschland, ein Held des Rock'n'Roll, ein Mensch für die Menschen.
Wer wirklich herzhaft was zu lachen haben will, der macht mit dieser DVD nichts verkehrt!

Und ab un zu spielt er auch mal ein Lied.
Dieses kann allerdings jäh durch an YouTube in Deutschland erinnernde Einblendungen unterbrochen werden...

Ein absoluter Knaller ist die Bonus-DVD, in welcher sein Alter Ego Bibi McBenson sich mit seiner Band zu einem fulminanten Comeback-Gig aufmacht. Doch schon bald hängen die Manierismen der einzelnen Musiker, welche damals zur Trennung geführt haben, wieder wie eine düstere Wolke über dem Tourbus und das Elend nimmt seinen Lauf...

Rocktainment Deluxe!

Anspieltipps: Der Strumpfmaskenmörder, H.D.F.K.K., Spielerfrau, Der Rumäne, Partytrack

THE MARS VOLTA - Noctourniquet

Morgen ist Silvester und ich bin von meinem Vorsatz, alle dieses Jahr erschienenen Musikscheiben meiner Sammlung zu rezensieren, noch ganze zwei Alben plus zwei DVDs entfernt. Also nichts wie ran!

Das folgende  Album erschien bereits im März und hat sich seitdem ganz weit oben in meiner Playlist festgefressen. Omar Rodriguez-Lopez (Musikchef u. Gitarre) und Cedric Bixler-Zavalas (Gesang) präsentieren:


THE MARS VOLTA - Noctourniquet (2012)

Mein großes Problem beim Schreiben über The Mars Volta ist ja der Mangel an Vergleichen und Referenzen außerhalb des Universums der Band selbst.

Also überlasse ich die Basics einfach mal anderen und konzentriere mich auf die Fragen: Was ist anders? Was ist neu?

Es gab mal wieder Besetzungswechsel, so hat man u.a. einen neuen Drummer an Bord. Wesentlich normalsterblicher wird das Schlagzeugspiel dadurch aber nicht. Zwar gibt es keinen Rhythmus-Overkill wie auf "The Bedlam of Goliath", dafür allerdings auch in ruhigen Passagen sehr viel anspruchsvollen Breakbeat.

Der dramatischste Wechsel für den Sound hat sich allerdings an den Tasten vollzogen. Auf sehr eigenständige Weise vom Geist des Krautrock beseelt, nehmen Synthesizer und Klangeffekte eine prominente Rolle wie nie zuvor ein. Bei "In Absentia", ausgerechnet mit siebeneinhalb Minuten dem längsten Track von "Noctourniquet" geht die Liebe zur Elektrospielerei sogar soweit, dass man die ersten drei Viertel des Songs das Gefühl hat, die "normalen Instrumente" (Gitarre, Bass, Drums) spielen nur noch die zweite Geige - anstrengend, sich da reinzuhören, aber am Ende sehr lohnenswert.

Die meisten Stücke sind allerdings leichter zugänglich. Tatsächlich meistert dieses Album spielend den Spagat, einerseits bei aller sofortigen Wiedererkennbarkeit The Mars Volta einen sehr kantigen, vollkommen kauzigen Neuanstrich zu verpassen (der einzige wirklich traditionelle TMV-Song ist "Molochwalker"), anderseits aber eben zugänglich wie vielleicht niemals zuvor zu sein.

Zum Teil sind es natürlich die relativ kurzen und zumeist relativ kontrollierten Songs, die "Noctourniquet" zu einem vergleichsweise poppigen Hitalbum machen. Die funky Gitarrenarbeit ist bemerkenswert zurückhaltend, ausschweifende Saitenwichsorgien Fehlanzeige.
Hauptverantwortlich ist jedoch Cedric Bixler-Zavala, der sich stimmlich erstaunlich variabel zeigt und scheinbar über jedes wirre Gewusel eine griffige, mitreißende Gesangslinie zu zaubern versteht.

Für mich einer der absolut herausragenden Ohrwürmer dieses Jahres, muss ich namentlich unbedingt noch "Empty Vessel Make the Loudest Sound" erwähnen. Allein durch diesen Song wird dieses Album die Ewigkeit überdauern. Was für eine Hymne!

Und was für ein Album mal wieder! The Mars Volta eben. Klarer Spitzenanwärter zur Wahl des Albums 2012.

Anspieltipps: Empty Vessels Make The Loudest Sound, In Absentia, The Malkin Jewel, Noctourniquet, Molochwalker

2012-12-17

KREATOR, MORBID ANGEL + NILE in der Großen Frühheit 36, Hamburg (14.12.2012)

Nein, ich habe es über Arbeit, schreibfaulen Restsamstag und Hobbit-Sonntag nicht vergessen: am Freitag war da doch noch was, nämlich ein großartiges Metal-Package auf der Großen Freiheit 36, welches einerseits zum nostalgischen Schwelgen und Mal-wieder-fünfzehn-Jahre-alt-Sein einlud, aber anderseits auch für jüngere Fans noch absolut relevant war.

Kreator, für mich aktuell nur hinter Slayer und Coroner in den Top-Thrash-Bands des Planeten, zusammen mit Morbid Angel, dem Synonym für Death Metal schlechthin! Und davor mit Nile noch eine weitere, in eine ähnliche Kerbe schlagende Todesbleikapelle der Spitzenklasse.

Den Opener Fueled by Fire kann ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen. Ich war zwar echt bemüht, zeitig loszukommen und war auch schon etwa um viertel vor sechs vor Ort, doch das war gerade mal rechtzeitig für Nile. Einlass um 16:30 Uhr und Beginn nur wenig später, das halte ich für einen ganz schlechten Scherz. Die gesamte Veranstaltung war um 22:15 Uhr vorbei, also ungefähr so früh wie mein letztes Konzert auf der Reeperbahn. Da haben allerdings auch satte drei Bands weniger gespielt!

Nun war das für mich persönlich nicht weiter tragisch, aber prinzipiell muss man hier einfach öffentlich auf die Veranstalter schimpfen, nicht dass solche Zustände noch zur Regel werden. Es kommen schließlich nicht ausschließlich halbtags arbeitende St.Paulianer zu so einem Konzert.


Ansonsten gab es zum Glück keinen Grund zu meckern - bei durchgehend ordentlichem Sound lösten die Bands voll und ganz ein, was sie versprachen, also zunächst einmal Qualitätsdeathgrind mit mehreren Growlern und charakteristischen Soli von Nile.

Morbid Angel spielten einmal mehr ein sehr nostalgisches Set, d.h. neben ein paar Krachern von "Illud Divinum Insanus" ausschließlich Stücke der ersten vier Alben mit Schwerpunkt auf "Altars of Madness". "God of Emptiness" war natürlich dabei, David Vincent ist als Frontmann einfach die Macht, und Trey Azagthoths maximal krankes Solo in "Chapel of Ghouls" sowieso. Ein Hammerauftritt!


Bei Kreator standen die Zeichen dann von Anfang an auf Heimspiel. Schon der Bandhistory-Introfilm und die böse metal Bühnendeko mit erhöhtem Ventor-Drummerthron sprachen da eine ganz deutliche Sprache.
Das abwechslungsreiche Programm deckte fast alle Phasen der Kreator-Discographie ab, wobei natürlich besonderes Gewicht auf das aktuelle Spitzenalbum "Phantom Antichrist" und die unverzichtbaren Klassiker gelegt wurde.
Saitenhexer Sami Yli-Sirniö wusste viele Glanzpunkte zu setzen, und Mille glänzte auch zwischen den Songs mit gewohnt putzigen Ansagen. Also alles, wie es sein muss!

Das Publikum im prall gefüllten Haus feierte die Thrasher dann auch verdient frenetisch ab. Da werden sich nachher einige in ihren schweißnassen Shirts draußen im kalten Nieselregen gehörig erkältet haben...


Fazit: Kurz vorm Fest ein herrliches Metal-Legenden-Fest ohne auch nur eine langweilige Minute.

Besonders Morbid Angel könnte ich mir sofort wieder anschauen. Aber das war ja eigentlich schon immer so. ;)


2012-12-09

CYNIC - The Portal Tapes

Nach dem aktuellen Geschreibsel zum "Hobbit"-Soundtrack wird's mal wieder Zeit für etwas älteres. Zwei Alben stehen schon seit März in meiner Rezensions-Warteschleife. Und eines davon ist tatsächlich sogar noch viele Jahre älter und erst 2012 offiziell erschienen...


CYNIC - The Portal Tapes (2012)

"Cynic" steht auf dem limitierten Tonträger namens "The Portal Tapes" drauf, obwohl es eigentlich gar nicht Cynic ist, anderseits aber uneigentlich schon irgendwie... Ok, ich fang von vorne an:

Nach dem legendären und bis heute unvergleichlichen Debütalbum "Focus" (1993) lösten sich Cynic bekanntlich 1994 auf und ließen uns bis 2008 auf das Wiederauferstehungsalbum "Traced In Air" warten.

Die Zeit zum dritten Album, welches derzeit noch in Arbeit ist, wurde bisher mit den EPs "Re-Traced" und "Carbon-Based Anatomy" verkürzt. Und dieses Jahr nun also dieser als hübsches Digipack aufgemachte Silberling, der es mit zehn Tracks tatsächlich mal wieder auf Albumlänge bringt und doch nicht das neue Album ist.

Denn tatsächlich handelt es sich hier um Aufnahmen, die Paul Masvidal, Sean Reinert und drei weitere Mitstreiter nach dem Ende von Cynic in den Jahren 1994 und 1995 unter dem Projektnamen Portal als Demo aufnahmen aber bisher nie in dieser Form veröffentlichten, da auch diese Formation sich bald wieder auflöste. Einzig die drei Songs "Cosmos", "Circle" und "Endless Endeavors" haben es auf die erweiterte Neuauflage von "Focus" gebracht und sind mit der Reunion auch ins Live-Repertoire gerutscht.

Diese drei Songs waren zu der Zeit wohl auch als einzige unter diesem Bandnamen veröffentlichungsfähig. Zu weit weit weg von allen "Focus"-Markenzeichen sind die restlichen Stücke.
Zunächst einmal gibt es hier definitiv keinen Metal zu hören, sondern allesamt ruhige, im Prinzip poppige und einfach strukturierte Lieder, auf denen die Musiker ihre Virtuosität wesentlich zurückhaltender als auf dem vorhergegangenen Jazz/Avantgarde/Progmetal-Meilenstein  aufscheinen lassen.

Der Gesang teilt sich zwar wieder in zwei Hauptstimmen auf, doch statt Vocoderstimme vs. Deathgrowls sind es hier klassischer Männlein und Weiblein, die sich am Mikrofon ergänzen, wobei der größte Leadgesangsanteil bei Aruna Abrams liegt, während Paul Masvidal sich mit meist etwas tieferer Tonlage als heutzutage eher ruhig im Hintergrund hält.

Nein, das wäre einfach nicht durchgegangen...
Heutzutage sieht es diesbezüglich allerdings anders aus, sind die letzten beiden  EPs doch großenteils auch eher ruhig ausgefallen. Mittlerweile ist man es als Fan gewohnt, dass die Werke von Masvidal und Reinert immer etwas anders (und dabei eben mal lauter mal leiser) ausfallen, aber eben auch alle dieses vom Härte- und Gefrickelgrad unabhängige gewisse Etwas haben, was sie einfach zu Cynic macht.

Dies gilt im gesamtdiscographischen Zusammenhang eben auch für die "Portal Tapes", weshalb ich die Veröffentlichung als Cynic-Werk auch absolut gerechtfertigt finde.

Man muss allerdings schon einschränken, dass sie damals für viele Elemente ihres heutigen Sounds noch geübt haben. Obwohl es sich bei den meisten Tracks um zeitlos schöne Musik handelt, sind gerade zum Ende hin manche Ideen und ihre Umsetzungen noch nicht auf Zielniveau und einige Textpassagen noch arg cheesy. Allerdings darf man ja nicht vergessen, dass dies "nur" ein Demo war.

An diesen paar Stellen einfach beim Hören locker bleiben und es bleibt immer noch ein interessantes Interimswerk, für das man zwar schon in Stimmung sein muss, in das man als Fan jedoch auf jeden Fall zumindest mal reinhören sollte!

Anspieltipps: Cosmos, Karma's Plight, Endless Endeavors, Road To You

HOWARD SHORE - The Hobbit : An Unexpected Journey (Soundtrack)

Mensch, bald ist's Mitte Dezember. Zeit, sich zu überlegen, wo und wann man den "Hobbit" kuckt...

Wenn ich nur nicht so ein Skeptiker wäre, was Synchronisation und dritte Dimension angeht... Aber auf ein hier vom Dorf erreichbares Kino, in dem Peter Jacksons neuester Streich zweidimensional und englisch läuft, kann ich wohl kaum hoffen.

Herr Shore, schmeißen Sie bitte Chor und Orchester an, um mich ein wenig mehr in Kino-Stimmung zu bringen!


HOWARD SHORE - The Hobbit : An Unexpected Journey (Original Motion Picture Soundtrack - Special Edition) (2012)

Etwas über 2 Stunden später: Danke, Howard!

Wie zu erwarten bleibt "Der Hobbit" auch musikalisch dem in der "Herr der Ringe"-Filmtrilogie etablierten Kosmos treu.

Fast alle Völker, Figuren, Orte bekommen ihr eigenes Thema, alles wird komplex miteinander verbunden und mit lautem, aber stimmungsvollem Getöse in die Welt hinausgeschmettert. In vielen Stücken der zwei CDs sind natürlich neue Variationen seit zehn Jahren vertrauter Themen zu hören: das Auenland, Rivendell, Gollum und noch einige weitere. Dadurch fühlt man sich beim Hören auch ohne Kenntnis des Films schon sehr zu Hause.

Analog zum Gefährten-Thema aus dem ersten "Herr der Ringe"-Film ist die Heldenhymne hier natürlich das Zwergen-Thema, welches geschickterweise auf einem von Tolkien selbst gedichteten und von den Zwergendarstellern im Film gesungenen Lied basiert, welches in poppigerer Form dann auch als Abspannsong fungiert. Stünde im Booklet nicht, dass der Komponist und Sänger dieses Stückes Neil Finn heißt, dann hätte ich fast auf Ayreon-Mastermind Arjen Lucassen getippt. Nicht nur im Gesang, sondern auch im Arrangement höre ich da einige Parallelen.


Anlass zum Meckern gibt wie so oft nur die - äußerlich durchaus schicke - Verpackung.
Wann wir endlich mal die CD-Hülle erfunden? Ich kann diese Pappscheiße, die zur Zeit so angesagt ist, echt bald nicht mehr sehen.
Zweimal wurden die CDs nun rausgenommen und schon musste ich einen Riss doppelseitig mit Tesafilm verarzten. Klar, Plastik ist auch nicht besser... Wie gesagt, die CD-Hülle an sich muss eben erst noch erfunden werden.

Ich hoffe dann mal, dass der Film mich demnächst über dieses Ärgernis hinwegtröstet - dritte Dimension hin oder her.

Musikalischer Hauptunterschied der Special Edition zur normalen Version des Soundtracks sind übrigens vier Bonustracks am Ende. Man zahlt also nicht nur für die rissgefährdete Papphülle zwei Euro mehr. ;)


Anspieltipps: Misty Mountains, An Ancient Enemy, The Defiler, Over Hill, Riddles In The Dark, Song Of The Lonely Mountain

CANDLEMASS - Psalms For The Dead

Über ein Drittel Türen im Wacken-Adventskalender wurden ja nun schon geöffnet, ohne dass es eine Bandankündigung gegeben hätte, bei der ich wirklich vor Freude an die Decke gesprungen bin.

Also wende ich mich doch einfach einer schon länger für nächstes Jahr bestätigten Band zu, auf die ich jetzt schon wieder richtig Laune habe. Grund dafür ist neben dem tollen Auftritt 2012 natürlich auch die Hoffnung, ein paar Stücke vom aktuellen Album auf die Ohren zu bekommen:


CANDLEMASS - Psalms For The Dead (2012)

Von allen Silberscheiben, die ich mir dieses Jahr zugelegt habe, ist diese ganz eindeutig die traditionsbewusste. Schon das Cover und die Bandfotos (inklusive Posing mit großem Metallkreuz) bzw. -zeichnungen sprechen eine ganz deutliche Sprache. Ok, der Bandname Candlemass natürlich auch...
"Psalms for the Dead" ist fast so etwas wie ein Klang gewordener Lexikoneintrag zum Begriff "Doom Metal (oldschool)". Die gute alte Black Sabbath-Lehre also.

Das ist für die Doom-Institution Candlemass natürlich grundsätzlich erstmal keine Sensation. Die Qualität und Konsequenz mit der die Tradition auf diesem Album gepflegt wird, lässt aber aufhorchen. Besonders lyrisch zelebrieren die Schweden mit geradezu kindlicher Freude 60er- und 70er-Jahre-Klischees, wobei die Höhepunkte wohl die schön britischen spoken words über die böse schwarze Zeit in "Black As Time" und die absolute Kitschplosion "Dancing In The Temple (Of The Mad Queen Bee)" sind. Wer Zeilen wie "I see the ogre polish the rainbow" schreibt, kann nur ein guter Mensch sein.
Ich war vom ersten Hören an versucht, den Text dieses Songs in meinem Review mit "The Fairy Feller's Master-Stroke" vom legendären "Queen II"-Album zu vergleichen, und tatsächlich habe ich nun gelesen, dass das Stück vom gleichen Gemälde wie Freddie Mercurys Klassiker inspiriert sein soll!

Und das beste daran ist: Auch wenn manches sich echt seltsam liest - im Zusammenhang mit der Musik passt es und wird auch niemals peinlich. Kitsch und Klischee sind ja so Disziplinen, an deren Beherrschung gerade im Metal-Bereich viel zu viele Bands kläglich scheitern. Candlemass meistern sie auf "Psalms for the Dead" souverän.

Und musikalisch gibt es hier sowieso in keiner Minute etwas auszusetzen. Im Grunde könnte ich hier jeden der neun Tracks als Anspieltipp nennen. Ein Doom-Metal-Meisterwerk!


Abzüge in der B-Note gibt nur die Bonus-DVD, die mit ihren großenteils selbst gefilmten, ziemlich wahllos geschnittenen Szenen rund ums "70.000 Tons of Metal" einen Unterhaltungswert gegen Null hat. Dafür darf man mal wieder einen "FSK: 0 Jahre"-Aufkleber direkt vom Cover abpulen... (Ja, mich ärgert dieser Scheiß immer wieder. Warum nicht einfach den Sticker auf die Einschweißfolie pappen?)
Ich bin ja ausdrücklich ein Freund von Bonus-Discs, aber wenn man dafür kein ausreichend starkes Material hat, kann man es auch gerne sein lassen.

Zum Glück ist die CD stark genug, dass ich in meinem nicht vorhandenen Bewertungssystem dennoch höchstens einen halben Punkt von der Höchstnote abziehe.


Zu schade nur, dass es sich hier wohl um ein Abschiedswerk handelt und der grandiose Sänger Rob Lowe in Wacken auch nicht mehr mit von der Partie sein soll.

Ich bete dann mal zum Doom-Gott, dass er nochmal ein ernstes Wörtchen mit seinen Gesandten spricht...


Anspieltipps: The Sound of Dying Demons, Black As Time, Dancing In The Temple (of the Mad Queen Bee), Psalms For The Dead