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2025-05-18

DRAZEK FUSCALDO GLIMMEN, SCHNEIDER | KRISTOF und THE NUDE SPUR


Moin. Es ist mal wieder Zeit für die Rubrik "Was macht Jörg Schneider eigentlich gerade?"

Antwort: Er spielt mit Roji, die inzwischen auch schon wieder ein Album veröffentlicht haben, in Japan. Nee, da kommt man nicht mit. Die Rubrik müsste richtigerweise also heißen: "Was hat Jörg Schneider eigentlich neulich, vor vielen Wochen gemacht?"

Doofe Frage, neue Alben veröffentlicht natürlich. Das läuft bei dem Schlagzeugmonster aus Hückelhofen ähnlich wie mit den Nachwuchs in britischen katholischen Arbeiterfamilien laut Monty Python.







DRAZEK FUSCALDO GLIMMEN - Drazek Fuscaldo Glimmen (CD) (2025)

Wenn Du mich kopfüber am Rande einer Klippe baumeln ließest und mir drohen würdest loszulassen, wenn ich mich nicht sofort für ein Lieblingsprojekt von Schneider entscheide, dann würde ich wohl Glimmen mit ihrem spannenden, atmosphärisch dichten Ambient/Drone Free Jazz wählen.

Auf dieser CD, deren Songtitel schlicht die jeweilige Länge von "18:34", "14:12" und "18:01" spoilern, hat sich das Quartett mit Przemyslaw Drazek (Gitarre, Mandoline, Bläser) und dem Bassisten, Perkussionisten und - für das Album wahrscheinlich am prägendsten - Sänger Brent Fuscaldo zusammengetan.
Ich kann irgendwie so gar nicht sicher einordnen, ob mir der Gesang eher von afrikanisch gefärbten Spiritual-Jazz-Stimmen oder osteuropäischer, arabischer, irischer oder wasweißich welcher Folklore inspiriert zu sein scheint. Da mir partout kein augenfaustig passender Vergleich für sein Timbre in den Sinn kommen mag, schwimme ich hier zugegebenermaßem ganz elendlich. Auf jeden Fall ist der Gesang ein ausdrucksstarkes i-Tüpfelchen, das auf nimmermüde wallenden Improvisationswellen segelt.

Über unablässig hyperaktiver Schlagzeugaktivität strahlen in sich ruhende Kontrabassläufe, flächige Ambient-Gitarren, erhabene Bläserklänge und Vibraphon eine spirituelle, meditative Ruhe aus.
"Drazek Fiscaldo Glimmen" ist ein durchaus ereignisreiches und auch mal laut werdendes Album, welches jedoch durchgehend dazu einlädt, sich wie die saftige Fleischeinlage in der warmen Hühnersuppe treiben zu lassen. Zen-Faktor zehn.

Das Artwork von Jason Wietlispach weiß auch sehr zu gefallen!









THE NUDE SPUR - The Major Kong Rodeo (CD) (2025)

Jetzt aber wieder aufgewacht und auf heißen Kohlen getanzt!

Das Duo The Nude Spur aus Schneider und Gitarrist Thomas Kranefeld hat sich mal wieder zum gemeinsamen Western-Noiserock-Freejazz-Chaotenjam zusammengefunden - und es glaube niemand, sie würden plötzlich taugen, ein gedimmt beleuchtetes romantisches Dinner zu beschallen!
Nö, es werden natürlich erneut komplett außer Rand und Band - wie von verzogenen Bullykindern, die von hinten mit Gummibändern auf sie schießen, angetrieben - herdenweise ungezähmte Gäule im unkontrollierten Galopp übers Zwerchfell getrieben.

Eine Einordnung nach Spaß, Gestörtheit oder halb gespielten und in der Hektik wieder verworfenen Noten im Vegleich zum selbstbetitelten Debüt und "If They Move Kill'Em" spare ich mir.

Wer's liebt, der liebt es, und wer bisher mit verklebten Synapsen und blutenden Ohren schreiend die Klippe hinuntergesprungen ist, der wird auch gegenüber "The Major Kong Rodeo" den schnellen Luftweg nach unten vorziehen.  








SCHNEIDER KRISTOF - This Ain't My First Rodeo, Pal! (CD) (2025)

Der Satz im Titel muss wohl von Jörg Schneider stammen, der gerade zwei Monate zuvor "The Major Kong Rodeo" eingespielt hatte, als er mit Michel Kristof über grundsätzliche Ideen für die gemeinsame Session für dieses Album diskutierte.

Im Prinzip funktioniert das neue Werk dieser beiden Wiederholungstäter ja auch sehr ähnlich. Die zehn auf dem CD-Digipak nicht einmal ausgewiesenen Tracks (online erfährt man, dass es sich jeweils um "Rodeo" mit französischer Nummerierung dahinter handelt) sind allesamt mittel- bis komplett panische Herzrasenbeschleuniger, die allerdings im Vergleich zu The Nude Spur eine größere dynamische Bandbreite abbilden und sich weniger auf einen spezifischen Gitarrensound konzentrieren.

Das Geschehen ist also insgesamt etwas akzentuierter - und muss es auch sein, denn Hölle, über eine Stunde dieser in alle Richtungen ausschlagenden blutdruckerhöhenden Nervenmassage ist - soviel Freude jeder einzelne Track auch macht - einfach eine verdammt respektable Menge, die einfach hier und da auch ein bisschen deutlich herausgestellte Abwechslung benötigt.

Trotzdem bleibt dies natürlich Kost für fortgeschrittene Krachjazz-und-Gepolter-Liebhaber, die sich zu Brötzmanns "Machine Gun" die Fingernägel lackieren und in einer Gerölllawine Babylätzchen stricken können. Würde mich beides zwar mangels Übung in jeden Handwerken auch überfordern, aber dieses Rodeo macht mir trotzdem Spaß. 







2023-12-30

GLIMMEN - DOS

Musikalisch ist es vielleicht nicht der logischste nächste Schritt nach Sulphur Aeon. Doch wenn wir schon bei bemerkenswert verpackten Scheiben sind, dann komme ich am neuen Album von Glimmen einfach nicht vorbei. Ist es das handwerklich perfekteste und praktischste Cover? Die annähernde Funktionslosigekit des Gatefolds (keine Hülle im eigenlichen Sinne), sowie deutlich sichtbare Knitterkanten und Verklebungen sagen . Durch die stark reflektierende Außenschicht ist es noch dazu sehr schwierig vernünftig zu fotografieren.

Das zählt in diesem Fall allerdings auch gar nicht, sondern ist nur Teil des Charmes, handelt es sich doch bei jedem Exemplar um ein Unikat, eine vierseitige Collage aus original Zeitschriften, Werbekatalogen und Büchern aus dem amerikanischen normanrockwellschem Zeitalter. Dazu jeweils eine historische Flugzeug-Postkarte, auf welche die Credits geklebt wurden.

Ganz klar bestes Cover des Jahres! Oder kann man zu dieser süßen Miezekatze etwa nein sagen?


GLIMMEN - DOS (LP with individual collage artwork) (2023)

Ok, ich muss zugeben, dass es sich hier um das Backcover handelt. Ich bin aber insgesamt sehr zufrieden mit der Kopie, die ich erwischt habe. Insgesamt gibt es von dem Ding nur hundert Stück. Von diesen wiederum bekommt man - sofern noch erhältlich - 25 Stück nur in Wisconsin, 25 weitere im Rest Nordamerikas und den Rest über Drummer Jörg Schneider aus Deutschland.

Wer auf individuell überraschende Vinylkunst steht, der sollte also nun schon einmal mit dem Einkaufsklickfinger zucken! Für alle anderen sage ich natürlich auch gerne ein paar Worte zur auch rein digital erhältlichen Musik:

Glimmen ist ein gemeinsames Projekt von Schneider mit Jason Wietlispach und einer Reihe von weiteren amerikanischen Gastmusikern. Im Vorjahr erschien ihr selbstiteltes Debut auf CD mit einem - bei weitem nicht so aufwendigen, jedoch ebenfalls schönen - handgemachten Cover. Ja, ich finde so etwas einfach immer toll.

Musikalisch bewegt man sich hier im von Schneider an sich häufig bespielten Feld zwischen Ambient, Drone und experimentell frei jazzender Improvisation.
Das nimmermüde hyperaktive Drumming ist somit schon leicht als Markenzeichen erkennbar. Dadurch dass aber auch stets eine nicht komplett spezifizierte Vielzahl an Instrumenten aktiv ist, erweitert sich das Klangspektrum z.B. im Vergleich zu den meisten Duo-Kollaboartionen des Schlagzeugers erheblich. Auch dass die sechs Stücke im Vergleich zu den drei Tracks des Vorgängeralbums kürzer geworden sind hilft dabei, einen noch größeren Abwechslumsreichtum zu etablieren.

Gitarren, Vibraphon, Saxophon, Kontrabass, zusätzliche Perkussion und elektronische Klänge mischen sich auf "DOS" zu einer lebensgefährlich riskanten Abfahrt durch atmosphärisch dichten Nebel. Irgendwie schafft es dieses Album wie eine rasend anwachsende Lawine zu rollen und einen doch im entspannt entrückten Superheldenmodus darüber schweben zu lassen. Ganz faszinierendes Zeug, das ich auch ohne Einschränkungen Einsteigern in die Welt des Free Jazz empfehlen würde. Kontemporäre Experimentalgewursteloberklasse mit unbedingter Kopfhörerempfehlung!

Und wo wir schon beim Klang sind: Nicht nur die optischen Schauwerte und die Musik an sich stimmen hier, sondern auch die Pressung ist tadellos.

Ich könnte jetzt wie bei der Hälfte der dieser Tage noch rausgehauenen Rezensionen wieder das Hätte-auch-in-die-AOTY-Liste-gehört-Gejammer anfangen, aber ehrlich gesagt habe ich meine noch reichlich mehr Veröffentlichungen einschließende Post aus Hückelhoven gleich unberücksichtigt außen vorgelassen, weil man irgendwann einfach eine Deadline ziehen müssen, nach der die Vorauswahl nicht mehr erweitert werden kann.

Als beinahe-katastrophale Anekdote sei noch erwähnt, dass mein Postzusteller das Paket mit diesem glimmenden Schatz in die Empfangskistee gepackt hat, obwohl in diese reich getauter Schnee geraten war. Eine Hälfte des Kartons war also komplett durchnässt - und zum Glück war es die richtige, auf der eine Künststoffhülle die LP erfolgreich vor der Pitschnässe geschützt hat. Die andere Seite - auf der sich mehrere CDs befanden - nach unten gepackt und diese wären alle hundertprozentig in Mitleidenschaft gezogen worden! Puh... Großes Aufatmen.