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2024-10-17

Schneiderkalypse 2024 - frei drehender Schlagzeuger verschleißt fünf Gitarristen auf sechs Alben!

September 2024. Der Sommer sieht seinem Ende entgegen und Jörg lässt es wieder mächtig schneidern!

Wie ein Krake hockt der Hückelhovener hinter seinem Drumkit und irrwischt improvisierend mit der Hälfte seiner Tentakel zu wechselnden Gitarristen seine Trommeln schwindelig, während die andere Hälfte schon dabei ist, die im Wochentakt erscheinenden Duett-Album für den Postversand einzupacken.

Vier seiner zu jeder Saison im einheitlichen Design in GROSSEN VERSALIEN ihren Titel vom Cover brüllenden Kollaborationen hat er nun schon wieder auf uns losgelassen, zusammen mit Luís Lopes, Dirk Serries und Eric Quach aka thisquietarmy. Davor erschienen schon ein paar Wochen vorher das zweite Album von The Nude Spur und die LPs Nummer 9 und 10 von Teen Prime. Und auch wenn ich von jenen eine verpasst habe, bleiben doch immer noch satte sechs Tonträger, die ich mit Argusohren durchleuchtet habe, um nun im enzyklopädischen Format über sie zu dissertieren.

Oh sorry, leider leider habe ich gerade nicht ganz so viel Zeit. Ich kürze meine Ambitionen also aufs Wesentliche zusammen. 








SCHNEIDER | LOPES (LP) (2024)

Im Prinzip lässt das niemals ermüdende Chaos, welches Schneider seinem Drumkit entlockt, seinem Improvisationspartner nur die Wahl, sich entweder zurückzulehnen und das Wirrwarr mit atmosphärischer Beständigkeit zu unterfüttern - oder panisch mitzuhalten und dem eigenen Instrument möglichst schnell eine Vielzahl von ebenso chaotischen Geräuschen zu entlocken. Luís Lopes, in meiner Musiksammlung bisher nur auf einem gemeinsamen Album mit Bassist Gonçalo Almeida und Drummer Phillipp Ernsting vertreten, wählt den zweiten Weg.

Und so klingt der sechzehnminütige "One Armed Bandit" dann auch, als hätte ein Spieler an diesem eine gewaltige, auf einem Seelenverkauf an den Teufel basierende Glückssträhne, die unablässig Münzen aus der Maschine rasseln lässt.
Auf der B-Seite "Danger of Suffocation" geht er es dann etwas weniger explosiv an, dämmt die Saiten oft ab, erstickt Töne und Noten im Keim. Und wenn er sie gegen Ende tatsächlich frei lässt, tobt die Gitarre sofort im schwersten Heavy Jazz-Sturm.







SCHNEIDER | SERRIES (LP) (2024)

Dirk Serries, selbst zwischen Deep Listening Ambient, Free Jazz und allerhand verwandter Experimentalmusik extrem veröffentlichungswütig, geht die Herausforderung etwas anders an. Der Belgier setzt vor allem auf eine klangästhetisch beständige Krachmauer, die sich in jedem der fünf Tracks von einer anderen Seite zeigt.

"Muscle Steam" gehört vermutlich zu den brutalsten Performances, die er bisher eingespielt hat, "Enhance the Machine" ist eher krank verstörend und "Mechanical Collapse" vereint diese beiden Eigenschaften. Ein mächtig brutzelnder, sich kaum um die rhythmischen Exzesse kümmernder Drone eröffnet die B-Seite mit "Complex Particle System".
"Force Regeneration" schließlich ist ein Meisterstück dissonanten Unterwassergewabers, über dem Schneider mit vielen panischen Hi-Hat-Akzenten um sein Leben rudert. 







SCHNEIDER | THISQUIETARMY (LP) (2024)

Der bisher stärkste Kontrast zwischen ruhelosem Hochgeschwindigkeitsgeratter und in sich ruhender Gitarre erwartet uns in "Attrition Warfare", dem Opener des Duetts Schneider / thisquietarmy. Wenn es einen Musiker gibt, der weiß wie man mit Loops und Tretminen sich immer weiter verdichtende Wellen aus Ambient, Post Rock, Drone und Noise in wogende Bewegung versetzt, dann ist es der unter diesem Soloprojektnamen tätige Kanadier Eric Quach, der sich nicht nur nicht von Schneider aus der inneren Ruhe bringen lässt, sondern sich im Laufe der vier Stücke sogar als so schwere Masse über die Drums legt, dass sie mitunter sogar einbremsen.

Der Sound dieses Albums ist ungemein fett, und dürfte ich nur eine Schallplatten dieser Serie behalten, dann wäre es wohl diese.







SCHNEIDER | THISQUIERARMY (CD) (2024)

Oh!

Ok.

Ja, die Zusammenarbeit von Schneider und thisquietarmy wär tatsächlich so ergiebig, dass gleich zwei Alben dabei herausgekommen sind. Und damit man sie in ihrer Namensgleichheit nicht verwechselt, wurde dieses hier nicht auf Vinyl, sondern als CD veröffentlicht. Das ist auch hinsichtlich der Spielzeit praktisch, denn fünfundsechzig Minuten sind für eine einzelne Schallplatte ja eh zu viel.

Davon abgesehen geht "Schneider | Thisquietarmy" nicht nur als direkte Fortsetzung von "Schneider | Thisquietarmy" durch, sondern auch als Steigerung: längere Tracks, mehr Brummen und Brutzeln, mehr Lärmschichten, mehr Intensität und tatsächlich auch eine musikalisch noch stimmigere Struktur im Inferno, welches das komplett eingeloggte Duo vom Stapel lässt.
Dass es nach einer Dreiviertelstunde, zu Beginn des über zwanzigminütigen Abschlusstracks "Rainbow Codes" mal eine Weile gemäßigter - aber ungemein spannungsgeladen - zugeht, passt perfekt in den Gesamtfluss dieses Free Drone Metal-Meisterstücks.

Ja, ich denke das Ding kann ich bedenkenlos neben dem letzten Album von Glimmen im Kreis meiner Schneider-Favoriten einordnen. Und vor den sehr viel komponierter wirkenden thisquietarmy x Away-Alben müssen sich sowohl diese CD als auch die LP ebenso nicht verstecken.  







THE NUDE SPUR - If They Move Kill 'Em (CD) (2024)

Ist das jetzt schon zu viel "richtige" Musik geworden? Keine Sorge, auch mit dem Co-Chaoten Thomas Kranefeld hat Schneider sich wieder zusammengerottet, um den Nachfolger für das selbstbetitelte Debüt ihres Projekts The Nude Spur einzudreschen.

Die Gitarre schrammelt, slided, strummt, shreddet nun noch druckvoller und auf Krawall gebürsteter als zuvor. "If They Move Kill 'em" heißt das siebenteilige, beinahe das gesamte Album bildende Titelstück - und Junge, es zuckt und tourettet und schießt als Reaktion darauf ganz gewaltig! The Nude Spur zelebrieren im Grunde klassischen johnzornschen Jazzcore - und das nun noch eine Stufe weiter aufgedreht. Don't listen to this if you have a heart condition!

Zum Abschluss zeigt der nackte Sporn im über zwölfminütigen "Open The Pod Bay Door, Hal" noch seine reduziertere, ruhigere Seite, ehe wieder alles herrlich kaputtpurzelt, die CD sich selbst pulverisiert und der Polycarbonatstaub den Laser deines Players ruiniert. Den Preis is der avantgardadaistische Spaß, den die Scheibe macht, aber allemal wert.







TEEN PRIME - No. 10 (LP) (2024)

Puh, allmählich wird das nervlich aber schon zerrüttend. Und nun kommt auch noch der neueste Streich des schon länger aktiven Duos mit Sebastian Väth, welches man stets daran erkennt, dass das Backcover das Cover und das Cover das Backcover ist, dazu.

Nein, geradeaus gespielte, ohne stilistische Angewöhnung nachvollziehbare, eben normale Musik, ist auch auf diesem Album nicht zu erwarten. Dennoch sind Teen Prime wohl das geplanteste, auskomponierteste Projekt in dieser Runde. Die Arrangements sind zwar ziemlich lose und scheinen immer noch häufig ein Kind zu emulieren, welches Haushaltsgegenstande die Treppe herunterfallen lässt - aber es gibt eben auch zumindest lick- und riffverwandte Strukturen, sowie kompakt konzentrierte Bewegungen und geplante Wechsel.

Dazu passt auch, dass die meisten der Tracks vergleichsweise kurze Spielzeiten zwischen zweieinhalb und fünf Minuten haben. Nur der beinahe dreizehnmitüge Psychedelic Jazz Jam "The Singer" fällt hier aus dem Rahmen.
In dem Stück wird übrigens nicht gesungen. Anderswo finden allerdings durchaus Hillbillygesang und Sprachsamples statt. Überhaupt wurde auch was Gitarrenoverdubs angeht mehr nachbearbeitet.
Man könnte also fast sagen "No. 10" ist ein ganz normales Studioalbum.

Vielleicht stimmt dies ja auch. Es klingt halt nur wie perfekt in die richtige Beschäftigung kanalisierter Wahnsinn. "An Assessment in the Course of Empty Gestures" z.B. beginnt so ein bisschen wie die ohnehin immer mal wieder anklingenden Japaner Kukangendai in effektgeloopt mit Quasi-Blastbeats, und ist in angemessener Lautstärke genossen eine der sich am intensivsten durchs Trommelfell vibrierenden Hirnschmelzerfahrungen des Jahres. Zusammen mit dem zentralen Longtrack der A-Seite hat sich die Anschaffung des Albums damit schon amortisiert.

Und der Rest ist halt auch geil.







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