Ja, "Even For Just The Briefest Moment / Keep Charging This "Expiation" / Plug In To Making It Slightly Better".
Die Lektion habe ich ja schon aus seinen Kooperationen mit den türkischen Freejazzern Konstrukt gelernt: Wenn Du das japanische Experimentalmonster Keiji Haino in seiner Kreativküche besuchst, dann hast Du nachher die komplizierte lange Album- und Songtitelscheiße am Schuh.
Und natürlich enorm fahrstuhluntaugliche, extremavantgardistische Musik.
KEIJI HAINO + SUMAC - Even For Just The Briefest Moment / Keep Charging This "Expiation" / Plug In To Making It Slightly Better (CD) (2019)
Nun sind
Sumac, die hier bereits zum zweiten Mal mit
Haino gemeinsame Sache machen, an sich ja schon ein äußerst sperriges und unkonventionelles Biest.
Das Trio aus
Aaron Turner (der neben der Gitarre auch das Artwork zu verantworten hat), Bassist
Brian Cook (der nebenbei auch noch bei
Russian Circles spielt) und dem absolut eigensinnigen Ausnahmedrummer
Nick Yacyshyn wird zumeist ja am ehesten dem Post- und Sludge-Metal zugeordnet, aber so ganz genau weiß natürlich niemand, was dieses fiese ultraschwere, grobe und gleichzeit instrumental so anspruchsvolle Zeug eigentlich ist.
Eines ist jedoch klar: Je freier sie aufspielen, desto eher merkt man, dass diese Typen sich ganz natürlich durch einem Raum bewegen, in dem Extremkrach, Metal und Freejazz ohne Berührungsängste zusammen abhängen und
chillen stressen.
Auf diesem Album erleben wir nun
Sumac in experimentellster Laune, durch den Ring gezogen von
Keiji Hainos Noise-Gitarre und Herumgekeife. Außerdem spielt der Mann hier noch Flöte und
Taepyeongso, was - wie wir alle selbstverständlich wissen - eine kurze Kegeloboe aus der koreanischen Musiktradition ist.
Relativ harmlos mit
Haino am Blasinstrument fängt "Even For Just The Briefest Moment / Keep Charging This "Expiation" / Plug In To Making It Slightly Better" auch an.
Beim nur etwas über fünf Minuten langen Opener "Interior Interior Interior Interior - Space - Disgusting Disgusting Disgusting" könnte es sich glatt um eine lose Neuinterpretation eines Stücks aus dem Fundus von
Alice Coltrane oder
Miles Davis handeln.
Der zweite Track, fünfzehn Minuten lang und betitelt "Now I've Gone And Done It I Spilled Holy Water (Just Water) Over That Thing Called Healing Music……………………………. / There Was A Faint "Tsk" Noise", ist dann aber schon sehr viel mühsamer verortbarer, stärkerer Tobak, der bei mir seltsamste, diffuse Assoziationen weckt.
Saw Throat meets
Einstürzende Neubauten trifft
Bill Frisell auf Kokain stolpert über Verstärker ist kaputt. Geht das?
Ich weiß es doch auch nicht. "Even For Just The Briefest Moment / Keep Charging This "Expiation" / Plug In To Making It Slightly Better", der Titelsong also, nimmt gleich eine halbe Stunde Platz ein und schlägt in eine ähnliche Kerbe. Nur noch etwas irrsinnig brutaler.
DasistkeineMusikmehr (sprich: sehr musikalisch und inspiriert, aber so gar nicht auf die Weise, die ein Fan der Greatest Hits von
AC/DC und
der kommerziellen Mittelphase von
Marius Müller Westernhagen ohne bewusstseinserweiternden Brunch nachvollziehen könnte.
Wobei, wäre der elegische Postrockausklang des Stücks fünf Ecken geradliniger gespielt... mit diesem unberechenbarem Übereinandergestolpere allerdings... Nope.
John Zorn und
Mike Patton gefällt das auf jeden Fall.
Radiotauglicher wird das Krachlärmgedresche natürlich auch im abschließenden Neunzehnminüter "(First Half) / Once, Twice, Thrice / When You Press The Third Time / Carve Esteem And Despoliation Into Your Heart (Second Half) / Every Historical Scar / Has Been Lined Up At Regular Intervals But / Their Permeation Is Different / Beautified With A Loss Spray" nicht, auch wenn man als Swans-Fan hier eine gewisse Spur von vertrautem Halt finden kann.
Mann, was ist das fordernder Scheiß. Aber so irre gut.
Das hätte ich eigentlich schon vor einem halben Jahr ahnen können, als ich mehrfach in "Even For Just The Briefest Moment / Keep Charging This "Expiation" / Plug In To Making It Slightly Better" reingehört hatte und schon wusste, dass ich das Ding irgendwann haben wollte.
Auf Vinyl war mir das mit Importversandkosten dann aber zu teuer und ich habe es zunächst auf die Merkliste, später dann als CD auf die Weihnachtswunschliste verschoben.
Und erst jetzt, da ich es Santa sei Dank mehrfach komplett gehört habe, ist mir die ganze Wucht und Kongenialität dieses Antikommerzialistenklassentreffens bewusst.
Ist das hier eventuell die geilste Musik, die mir das ganze Jahr untergekommen ist?
Und warum beuge ich mich dem Schneller-fertig-ist-besser-Trend des Internets und veröffentliche meine Best-of-Jahresendlisten nicht erst im Januar oder Februar?
Das hier ist ja nicht das erste Album, bei dem ich mich nach Vollendung meiner
Top 22 frage, ob es nicht auch dort hineingehört. In diesem Fall geht es aber wirklich um eine mögliche Sprengung der Spitzenpositionen. Oder mir ist das Ding in einigen Wochen über und ich fasse es nur noch zur jährlichen Materialverfallskontrolle an. Was weiß ich denn?
Diese
Carlos SATANAS-Jazzfusion des Bösen ist doch mit normalen zerebral zu Verfügung stehenden Mitteln nicht zu händeln. Aber ich glaube, ich finde dieses Ungetüm auch übernächstes Neujahr noch fucktastisch.
Mir brennt nur von den Titeln etwa der Bregen. Wie gut, dass es
Copy & Paste gibt.