- - - KLASSIKER - REVIEW - - -
Erinnert ihr euch noch an den ranzigen Politcore von KRƎNZ ? Oder an die Liebesmusik von Waginal Krezze? Nein?
Ok, beide Gruppe haben es auch nur auf wenige für sich selbst spontan aufgenommene und vermutlich allesamt verschollene Kassetten und keine bzw. wenige regionale (und zur Hälfte vorzeitig abgebrochene) Liveshows gebracht.
Oder um es anders zu sagen: Wir alle haben doch unsere Schrottcore/Grindpunk-Leichen im Keller, nicht wahr?
Natürlich gab es auch immer Bands, welche diese "Lass uns heute mal so dreißig Knüppel-Lieder aufnehmen"-Chose immerhin so weit professionalisiert hatten, dass sie ihren Quatsch auf Singles und EPs veröffentlichten.
Die Briten Sore Throat gehörten in den späten Achtzigern dazu. Der Kern ihres Schaffens waren Knüppler und Stumpfstampfer zwischen 5 und 50 Sekunden. Auf der Compilation "And We Don't Care" mussten deswegen auch mehrere Stücke zusammengefasst werden, da auf eine CD ja nur 99 Tracks passen.
Dazu gab es hier und da mal ein wichtiges politisches Sample, eine grottige Black Sabbath-Persiflage ("Iron Lung") und total undergroundiges Gedisse von kommerziellern Ausverläufern wie Napalm Death oder D.R.I. ("Dead Rich Individuals"). *hüstel*
Ab und zu rutschte auch eine gute Riff-Idee raus, zu der man tatsächlich zwei bis drei Minuten eskalieren durfte, doch insgesamt wäre das Schaffen von Sore Throat musikhistorisch höchstens eine krakelige Randnotiz auf einem versifften Bierdeckel wert.
Gäbe es da nicht "Inde$troy" von 1989.
Ein unvergessliches soziokulturelles Schlüsselerlebnis bleibt für mich untrennbar mit diesem Album verbunden: Mein Bruder feiert seinen drölfzigsten Geburtstag, Freunde bringen Freunde mit und man hat zum ersten Mal mit diversen kleenen Dorfpankern zu tun, die damals zwischen Haaler Au und Zivilisation zu Hause sind. Es wird zwar mehr getrunken als getanzt, doch der Tanz der Saison heißt natürlich Pogo. Pogo zu allem, auch wenn es mit Musik auch im entferntesten Sinne nichts mehr zu tun hat. So wie der letzte Bonustrack von "Inde$troy", welcher nur aus wahnsinnigem Gekreische und dem Rötteln einer Kettensäge besteht. Aaaarrgh aaahhhrrrgg ahahaaarrrgh. Pogo zu "Chainsaw Death" - was für ein Bild!
Diese Tanznummer war eigentlich nur ein Hintergrundsample aus dem eigentlichen Album und ebenso wie 52 weitere Bonustracks nur auf der CD-Version zu finden, welche mich damals wochenlang bei Zapp Records (oder hieß der doch Laden anders?) in Itzehoe mit seinem verheißungsvoll böseapokalyptischkapitalismusfeindlichen Cover angelacht hatte, ehe ich es endlich mit nach Hause nahm...
Da alle Lieder insgesamt auf nur zwölf CD-Tracks verteilt waren, habe ich mir irgendwann die Mühe gemacht, die genauen Spielzeiten aller Stücke aufzuschreiben. Natürlich mit Fehlern, und nicht auf irgendeinem Stück Papier, sondern selbstverständlich direkt auf der weißen Rückseite des CD-Booklets.
Doof. Denn nun ratet mal, auf welche CD eines Tages - ganz Punk - eine weiße Ratte pinkeln musste?
Die Schrift suppte durch und ruinierte das Cover. Und vielleicht war dies auch einer der Gründe, warum des gesamte Album bei mir mit der Zeit ein wenig in Vergessenheit geriet. Schließlich will man nur ungern jedes mal an seine eigene Doofheit erinnert werden, wenn man eine bestimmte CD in die Hand nimmt.
2007 wurde das rare "Inde$troy"-Album als LP neu aufgelegt, leicht erkennbar am blaustichigen statt schwarzweißem Cover, was mich zuerst verwundert hat, jedoch das sehr gelungene Artwork auf der Innenseite des Gatefolds besser zur Geltung bringt.
Diesen Schatz habe ich mir neulich zugelegt und ein großartiges Werk wiederentdeckt, welches auch nach fünfundzwanzig Jahren nichts von seiner ursprünglichen Faszination eingebüßt hat.
Tatsächlich finde ich es heute, wo ich es musikalisch besser einordnen kann, sogar noch genialer...
SAW THROAT - Inde$troy (Vinyl) (1989/2007)
Aber was ist denn nun das besondere an "Inde$troy"? Nur die andere Schreibweise des Bandnamens kann es doch nicht sein.
Die Entstehung des Albums, so erzählen es die von Sänger Rich Walker verfassten, beiliegenden liner notes, basierte auf seiner spontanen Idee, den üblichen Schuh einmal ins Gegenteil zu verkehren und eine von Swans, Melvins und St. Vitus inspirierte Doom/Sludge-Scheibe aus nur einem einzigen Song aufzunehmen. Der Albumtitel war bereits aus seiner Plattensammlung von einer so benannten Thrashband geklaut und das Thema sollte die massenhafte globale Umweltzerstörung sein.
Und zum Glück fand sich in Manic Ears Records ein Geldgeber, welcher der wie immer gänzlich unvorbereiteten Band unfassbare drei Wochen im Studio ermöglichte. Und da diese Zeit nicht am Stück, sondern in drei Blöcken gebucht war, klappte das Ganze sogar irgendwie. In der ersten Woche wurden so Drogen konsumiert und nebenbei Schlagzeug- und Percussionspuren aufgenommen.
Nach ein paar Tagen, um sich darauf Gitarrenriffs auszudenken wurden dann die Saiteninstrumente eingespielt und im dritten Block folgten Effekte, Samples, Keyboards und der Gesang, für den Walker erst am Abend vor den Aufnahmen die kompletten Texte geschrieben hatte.
Yep, das klingt nicht gerade nach der Entstehung eines brillianten Konzeptalbums für die Ewigkeit.
Ist es aber!
Dabei wurde im Grunde noch nicht einmal die grobe Grundidee komplett umgesetzt, denn wirklich ein Track ist "Inde$troy" eigentlich nicht. Es sind vielmehr acht Kapitel, die einfach irgendwie anfangen und aufhören, aber noch nicht einmal durch den Versuch von flüssigen Übergängen miteineinander verbunden sind. Immerhin ist allerdings der letzte Teil ein Reprise des ersten; und stimmungsmäßig liegt in den kompletten vierzig Minuten auch alles auf einer Linie.
Teil 1 beginnt als soundtrackartiges Intro, stilistisch am ehesten als Drone zu bezeichnen. Da ist dieses einsame, durch postapokalyptisches Ödland tippelnde Ein-Finger-Keyboard, bei dem man sich kurz fragt, ob das eventuell auch ein gut dressierter Hund hätte einspielen können, im nächsten Moment jedoch selbst einwendet, dass es genau so doch genau richtig ist.
Und das ist nur die erste Ahnung einer Erkenntnis, die dieses Album mit sich bringt...
Doch zurück zur Musik: Der Track wird später noch zu einem verdammt abgründigen Brocken Brutaldoom mit unglaublich aggressiven Vocals. Und dafür, dass die Band hier für sich absolutes Neuland betritt ist das Ding noch sehr eigenständig und einprägsam.
Und das gilt für alle Teile von "Inde$troy". Fast jeder Part besteht im Grunde nur aus ein, zwei Grundideen, die zum Teil alles andere als perfekt umgesetzt werden, aber einfach super einprägsam sind. Nicht, dass es gar keine gekonnt eingespielten Passagen gibt, doch teilweise spielt eben auch ein gewisser Dilletantismus mit, der sogar so weit geht, dass der Sänger zwei Gitarrenriffs komponiert und einspielt, was die beiden ersten Versuche seines Lebens sind, rudimentär Gitarre zu spielen. Und man kommt nicht einmal zwingend darauf, welche Riffs dies sind!
Manche Teile werden von industrial-mäßigen Percussions dominiert, andere von deathmetalpunkigen Riffs. Und darüber immer dieser vollkommen angepisste gutturale Brüllgesang.
Und auch die Samples spielen eine dominante Rolle, wenn minutenlang Hubschrauber kreisen oder - wie weiter oben bereits erwähnt - einen ganzen Abschnitt lang ein irrer Schreihals mit Kettensäge die Musik begleitet.
Um ein geniales Konzeptalbum aufnehmen zu können, so ist man normalerweise geneigt zu glauben, bedarf es langer konzeptioneller Vorarbeit und auch einer gewissen musikalischen Virtuosität.
Die Erkenntnis, welche "Inde$troy" mit sich bringt, ist, dass diese Annahme schlicht falsch ist.
"Inde$troy" ist ein gewaltiger Brocken, der eine postnukleare Betonwüstenwelt mit gerodeten Wäldern und vergifteten Ozeanen, voller Smog und Krankheit für Mensch und Tier und gnadenloser Herrschaft des Kapitalismus zeichnet.
Und diese düstere Zeichnung ist musikalisch so treffend umgesetzt, dass ihr keine vermeindlichen Fehler und Schludrigkeiten etwas anhaben können. Nein, ganz im Gegenteil: alles was hier passiert, passt einfach wie die Faust aufs Auge.
Das geht auch für den sehr großräumigen Sound, der viele andere Alben sicher verdorben hätte, hier jedoch gar nicht anders vorstellbar scheint.
"Inde$troy" ist für mich persönlicher ein Klassiker des groben Krachs und wäre, wenn ich wie jüngst das eclipsed-Magazin eine Top irgendwas der besten Konzeptalben aller Zeiten anlegen würde, ganz gewiss sehr weit oben mit dabei.
Denn "Inde$troy" ist, was es eigentlich niemals sein dürfte, nämlich ein perfektes Album, welches hervorragend gealtert ist und seit 1989 nichts von seiner Relevanz eingebüßt hat.
Ich liebe jede fucking Sekunde von dieser Scheiße!
Dazu kommt noch, dass das Artwork wirklich großartig ist, insbesondere das Giftbrühe kotzende Schiff hat es mir angetan. Da ist man fast geneigt, sich ein persönliches T-Shirt zu bootleggen.
Seltsame facts am Rande:
Der Text zu einem Teil von "Indestroy" fehlt im Gatefold. Dafür steht dort jedoch ein anderer, der auf dem Album gar nicht vorkommt.
Außerdem ist in der LP-Neuauflage eine Myspace-Adresse enthalten. Mywhat? Yep, es überdauern nicht alle Dinge so lange wie ein Kultalbum.
Die Entstehung des Albums, so erzählen es die von Sänger Rich Walker verfassten, beiliegenden liner notes, basierte auf seiner spontanen Idee, den üblichen Schuh einmal ins Gegenteil zu verkehren und eine von Swans, Melvins und St. Vitus inspirierte Doom/Sludge-Scheibe aus nur einem einzigen Song aufzunehmen. Der Albumtitel war bereits aus seiner Plattensammlung von einer so benannten Thrashband geklaut und das Thema sollte die massenhafte globale Umweltzerstörung sein.
Und zum Glück fand sich in Manic Ears Records ein Geldgeber, welcher der wie immer gänzlich unvorbereiteten Band unfassbare drei Wochen im Studio ermöglichte. Und da diese Zeit nicht am Stück, sondern in drei Blöcken gebucht war, klappte das Ganze sogar irgendwie. In der ersten Woche wurden so Drogen konsumiert und nebenbei Schlagzeug- und Percussionspuren aufgenommen.
Nach ein paar Tagen, um sich darauf Gitarrenriffs auszudenken wurden dann die Saiteninstrumente eingespielt und im dritten Block folgten Effekte, Samples, Keyboards und der Gesang, für den Walker erst am Abend vor den Aufnahmen die kompletten Texte geschrieben hatte.
Yep, das klingt nicht gerade nach der Entstehung eines brillianten Konzeptalbums für die Ewigkeit.
Ist es aber!
Dabei wurde im Grunde noch nicht einmal die grobe Grundidee komplett umgesetzt, denn wirklich ein Track ist "Inde$troy" eigentlich nicht. Es sind vielmehr acht Kapitel, die einfach irgendwie anfangen und aufhören, aber noch nicht einmal durch den Versuch von flüssigen Übergängen miteineinander verbunden sind. Immerhin ist allerdings der letzte Teil ein Reprise des ersten; und stimmungsmäßig liegt in den kompletten vierzig Minuten auch alles auf einer Linie.
Teil 1 beginnt als soundtrackartiges Intro, stilistisch am ehesten als Drone zu bezeichnen. Da ist dieses einsame, durch postapokalyptisches Ödland tippelnde Ein-Finger-Keyboard, bei dem man sich kurz fragt, ob das eventuell auch ein gut dressierter Hund hätte einspielen können, im nächsten Moment jedoch selbst einwendet, dass es genau so doch genau richtig ist.
Und das ist nur die erste Ahnung einer Erkenntnis, die dieses Album mit sich bringt...
Doch zurück zur Musik: Der Track wird später noch zu einem verdammt abgründigen Brocken Brutaldoom mit unglaublich aggressiven Vocals. Und dafür, dass die Band hier für sich absolutes Neuland betritt ist das Ding noch sehr eigenständig und einprägsam.
Und das gilt für alle Teile von "Inde$troy". Fast jeder Part besteht im Grunde nur aus ein, zwei Grundideen, die zum Teil alles andere als perfekt umgesetzt werden, aber einfach super einprägsam sind. Nicht, dass es gar keine gekonnt eingespielten Passagen gibt, doch teilweise spielt eben auch ein gewisser Dilletantismus mit, der sogar so weit geht, dass der Sänger zwei Gitarrenriffs komponiert und einspielt, was die beiden ersten Versuche seines Lebens sind, rudimentär Gitarre zu spielen. Und man kommt nicht einmal zwingend darauf, welche Riffs dies sind!
Manche Teile werden von industrial-mäßigen Percussions dominiert, andere von deathmetalpunkigen Riffs. Und darüber immer dieser vollkommen angepisste gutturale Brüllgesang.
Und auch die Samples spielen eine dominante Rolle, wenn minutenlang Hubschrauber kreisen oder - wie weiter oben bereits erwähnt - einen ganzen Abschnitt lang ein irrer Schreihals mit Kettensäge die Musik begleitet.
Um ein geniales Konzeptalbum aufnehmen zu können, so ist man normalerweise geneigt zu glauben, bedarf es langer konzeptioneller Vorarbeit und auch einer gewissen musikalischen Virtuosität.
Die Erkenntnis, welche "Inde$troy" mit sich bringt, ist, dass diese Annahme schlicht falsch ist.
"Inde$troy" ist ein gewaltiger Brocken, der eine postnukleare Betonwüstenwelt mit gerodeten Wäldern und vergifteten Ozeanen, voller Smog und Krankheit für Mensch und Tier und gnadenloser Herrschaft des Kapitalismus zeichnet.
Und diese düstere Zeichnung ist musikalisch so treffend umgesetzt, dass ihr keine vermeindlichen Fehler und Schludrigkeiten etwas anhaben können. Nein, ganz im Gegenteil: alles was hier passiert, passt einfach wie die Faust aufs Auge.
Das geht auch für den sehr großräumigen Sound, der viele andere Alben sicher verdorben hätte, hier jedoch gar nicht anders vorstellbar scheint.
"Inde$troy" ist für mich persönlicher ein Klassiker des groben Krachs und wäre, wenn ich wie jüngst das eclipsed-Magazin eine Top irgendwas der besten Konzeptalben aller Zeiten anlegen würde, ganz gewiss sehr weit oben mit dabei.
Denn "Inde$troy" ist, was es eigentlich niemals sein dürfte, nämlich ein perfektes Album, welches hervorragend gealtert ist und seit 1989 nichts von seiner Relevanz eingebüßt hat.
Ich liebe jede fucking Sekunde von dieser Scheiße!
Dazu kommt noch, dass das Artwork wirklich großartig ist, insbesondere das Giftbrühe kotzende Schiff hat es mir angetan. Da ist man fast geneigt, sich ein persönliches T-Shirt zu bootleggen.
Seltsame facts am Rande:
Der Text zu einem Teil von "Indestroy" fehlt im Gatefold. Dafür steht dort jedoch ein anderer, der auf dem Album gar nicht vorkommt.
Außerdem ist in der LP-Neuauflage eine Myspace-Adresse enthalten. Mywhat? Yep, es überdauern nicht alle Dinge so lange wie ein Kultalbum.
Anspieltipps: Indestroy
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