Sometimes German, sometimes English. • The title of this blog used to change from time to time. • Interested in me reviewing your music? Please read this! • I'm also a writer for VeilOfSound.com. • Please like and follow Audiovisual Ohlsen Overkill on Facebook!

2019-12-05

YAZZ AHMED - Polyhymnia

Nachdem sie dieses Jahr zunächst mit dem Track "A Shoal Of Souls" ihre Schaffensphase um das sensationelle 2017er Album "La Saboteuse" abgeschlossen hatte, folgt nun das nächste Werk von Yazz Ahmed, welches allerdings bereits 2015 anlässlich eines Konzerts zum Weltfrauentag initiiert und in mehreren Stufen von 2016 bis 2019 aufgenommen wurde.


YAZZ AHMED - Polyhymnia (CD) (2019)

Polyhymnia ist die altgriechische Muse der Hymnendichtung, und dieses nach ihr benannte Album ist ein Konzeptwerk, dessen sechs Kompositionen Tribute an inspirierende weibliche Gestalten aus der Geschichte oder Gegenwart sind.

Es ist immer ein Risiko, als Künstler die Beweggründe hinter (überwiegend) instrumentaler Musik zu erklären, da dies durchaus ernüchternde bis kopfschüttelnde Auswirkungen auf den Rezipienten haben kann. Doch wenn man hier die überaus redseligen liner notes zum Lebenslauf jener Frauen und den Inspirationen sowohl der Komponistin als auch der wieder sehr prominent ins Gesamtbild eingebundenen Cover-Illustratorin Sophie Bass liest, wird die ohnehin schon grandiose Musik tatsächlich noch viel besser. Wenn dies kein Indiz dafür ist, dass es sich bei Yazz Ahmed um eine ausgezeichnete musikalische Storytellerin handelt, dann ist der Papst evangelisch.

So folgt jedes Stück dem Lebenslauf, den Errungenschaften und Kämpfen der jeweiligen Muse, was sich als jeweils deutlich in der Wahl der musikalischen Stilmittel ausdrückt und durchaus auch extrem nerdige Übungen beinhaltet, wie z.B. die metrische und melodische Fundierung des Stücks "2 8 5 7" über die schwarze Bürgerrechtsikone Rosa Parks auf eben jener Nummer des Busses, in dem sie auf dem "weißen" Sitz platzgenommen hat.

Demnach ist es auch kein Wunder, dass der Opener den stärksten arabischen Einschlag hat, geht es in "Lahan Al-Mansour" doch um die erste saudi-arabische Filmregisseurin. "Ruby Bridges" hingegen beginnt mit sehr viel klassischeren Jazz in New-Orleans-Tradition.

Alle Stücke haben gemeinsam, dass sie in maximalistischem Stil mit großer Besetzung aufgenommen wurden. Das ist noch nicht so überlebensgroß aufgeblasen wie bei Kamasi Washington, dafür allerdings gerade in der rhythmischen Ausführung im Schnitt noch eine ganze Ecke abgefahrener. Das Klangbild ist immer noch eine Fusion aus verschiedensten Jazzspielarten mit Motiven aus der Ästhetik von Rock und Elektronik und eben jener deutlichen nahöstlichen Note, welche die britisch-bahrainische Trompeten- und Flügelhornspielerin in ihre Stücke hineinträgt.

War das letzte Album neben ihrem eigenen (teils auf extra für mikrotonale Performance angefertigten Instrumenten dargebrachte) Spiel noch sehr von Bassklarinette und Vibraphon geprägt, so nehmen auf "Polyhymnia" Saxophon, Klavier und E-Gitarre eine größere Rolle ein.

Gesang kommt nur vor in Form von in der Gruppe gesprochenen Spoken Words auf "One Girl Among Many". Der Text besteht aus Zitaten der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai. Ganz in der Tradition anderer prominenter musikalischer Vorbilder basiert das komplette Stück auf dem eigenwilligen Sprachrhythmus der Pakistanerin.

"Deeds Not Words" interpretiert den Protestsong der als Suffragettes bekannten viktorianischen Frauenrechtlerinnen neu und mischt ihn mit Ahmeds arabischen Rhythmen und Skalen.

"Barbara" wiederum springt einen sofort im Geiste des Jazzrocks von Paraphernalia mit hellem, polyrhythmusverrücktem Wirrwarr an, widmet sich das Stück doch einer der großen Bandleader-Pionierinnen im Jazz, der Saxophonistin Barbara Thompson, die ich persönlich trotz ihres langen Kampfes gegen Parkinson dreifach live mit Colosseum erleben durfte.


Und über allem steht als gute Nachricht für alle, die lieber mit dem Bauch als mit Kopf hören: Auch wenn man dies alles nicht weiß und einfach nur den Tracks lauscht, ist die Musik einfach von atemberaubender Spitzenklasse. Beim ersten Durchlauf habe den Mund gar nicht mehr geschlossen bekommen. Was Yazz Ahmed anpackt, das darf man ohne Scheiß jetzt schon neben Jazz-Fusion-Giganten wie Herbie Hancock oder dem elektrischen Miles Davis einsortieren.






Ich finde an diesem Meisterwerk nur einen Mangel, der die CD-Ausgabe betrifft:

Das sieht zwar alles toll aus, aber man merkt eindeutig, dass das Booklet einfach nur von der LP-Version übernommen und geschrumpft wurde. Das bedeutet, die Schrift ist winzig klein und z.T. extrem anstrengend zu lesen. Nicht schön, meine Augen derart zu quälen, während meine Ohren doch so verwöhnt werden. Mit dieser Diskrepanz komme ich nicht klar.







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen