Vorweggenommenes Fazit: das Wacken Open Air war geil, mit Sicherheit eines der besten aller Zeiten!
Schade nur, dass ich diesmal ohne die charmante Begleitung der letzten beiden Jahre auskommen musste. Aber vielleicht ja nächstes Mal wieder? ;)
Als einzigen organisatorischen Mangel muss ich neben den paar unvermeidbaren doofen Bandüberschneidungen ankreiden, dass die Definitionshoheit darüber, was eine "normale" Kamera ist, bei Ordnern liegt, die davon z.T. so wenig Ahnung haben wie ich meinerseits vom wirkungsvollen Einsatz muskelaufbauender Präparate.
Einerseits bin ich natürlich immer wieder dankbar, wenn mir jemand erklärt, dass meine niedrigpreisige Allerwelts-Consumer-Spiegelreflex Profiausrüstung ist - ich als Amateur weiß davon nämlich nichts ;) -, anderseits bezahle ich ungern hundertdreißig Euro Eintritt, nur um mit schlecht gebrieften Securitynasen debattieren zu müssen oder sogar am Einlass abgewiesen zu werden, so dass ich ewig zu einem alternativen Eingang laufen muss. Und dass dann auch noch am Samstag, nachdem man drei Tage dort unterwegs ist.
Also liebe Verantwortlichen - wenn ihr wirklich solche Angst habt, dass jemand unakkreditiert zu gute Fotos schießt, dann macht doch erstens die Fotogräben noch zwanzig Meter breiter und hängt die Bühnen außerdem mit Vorhängen zu, auf denen große Fotoverbotsschilder drauf sind! Gute Fotos macht nämlich in der Regel nicht die Kamera, sondern der Typ dahinter, und auch mit einem iPhone kann aus der ersten Reihe sicherlich mal ein glücklicher Schuss gelingen.
Davon, das ich in den Vorjahren einige meiner beliebtesten Wackenfotos mit antiken Falt- und Boxkameras gemacht habe, fange ich am besten gar nicht an... ;)
So, genug gemotzt.
Meine bisher fertig aufbereiteten Bilder sind übrigens
HIER zu sehen.
Bei einigen Bands wie z.B. Iron Maiden oder Slayer
habe ich allerdings gar nicht erst versucht, zu fotografieren, weil das Bühnengeschehen für meine Profikamera zu weit entfernt, die Bühne zu dunkel bzw. das direkte Umfeld zu gefährlich war oder ich einfach gerade keinen Bock hatte. ;)
Ich war von Mittwoch bis Samstag in Wacken, habe allerdings wieder zu Hause gepennt und dementsprechend wenig vom Campingplatz gesehen. Ebenfalls nicht statt fand bei mir die
W.E.T.-Stage (nur Mittwoch ein paar Minuten reingekuckt), der Biergarten (kein Mambo Kurt für mich dieses Jahr) und das Bullhead City Wrestling Zelt, in dem u.a. Ölcatchen und Wet-T-Shirt-Wettbewerbe stattfanden, damit gewisse
Spiegel-Online-Schreiber auch etwas zu berichten hatten.
Ich pendelte hauptsächlich zwischen den drei Open-Air-Bühnen des Hauptgeländes und dem
Wackinger Village hin und her.
Mittwoch:
Fußball und Highland Games gekuckt.
Musik fast nur von einer mir namentlich nicht bekannten Spielmannstruppe aus dem Wackingerdorf.
Dann recht früh nach Hause, da kein zwingendes Programm anstand und ich keinen Bock auf Regen hatte. Am
Movie Field kuckte ich mich dann aber doch noch eine Weile an
Anvil! The Story Of Anvil fest, eh ich zum Schluss kam, dass ich den ja auch jederzeit trocken zu Hause auf DVD kucken kann, wenn ich möchte.
Den heftigsten Schauer allerdings hatte es schon nachmittags gegeben, als ich eine Stunde lang für mein Armbändchen und die
Full Metal Bag inklusive Plastikregenjacke anstand. ;)
Donnerstag:
Wetter von nun an warm - aber nicht zu heiß - und regenfrei.
Zum Aufwärmen erstmal eine lustige Gauklershow angesehen.
Musikalisch wurde es wahrlich eine Night to Remember:
Alice Cooper besser und mit mehr mir bekannten Songs als erwartet, hat mich gut unterhalten. Die Show ist natürlich Kasperkram, aber ehrlich - welche Metalshow, bei der Kostüme und Requisiten zum Einsatz kommen ist das nicht? Macht ja auch nichts, so lange es unterhält. :)
Mötley Crüe habe ich im Gespräch ja nur so am Rande mitbekommen und die sind auch wirklich nicht mein Ding. Nur der Drummer kam mir bekannt vor - hat der mal in irgendeinem Film mitgespielt? ;) Irgendwie lustig aber auch der Sänger, weil die Stimme überhaupt nicht zum Typen passt. Wirkt total, als wäre der die ganze Zeit hochgeschlumpfpitcht worden.
Iron Maiden entfesselten das Publikum nicht so sehr wie vor zwei Jahren, da diesmal kein Klassikerset, sondern schwerpunktmäßig Stücke der letzten vier Alben gespielt wurde. Dennoch ist Maiden natürlich Maiden, daran gibt's nichts zu rütteln. Und die Stücke sind ja auch alle klasse. Schade nur, dass die Songs, die ich am liebsten gehört hätte, nämlich "Brighter Than A Thousand Suns" und "For The Greater Good Of God" nicht zum Zuge kamen.
Gojira wären noch ein sehr guter Grund gewesen, mal die W.E.T. Stage zu besuchen. Nur die liefen ja parallel zu Maiden - also nicht. Eindeutig der größte Klops in der Running Order.
Freitag:
Ein Wackentag mit historischer Highlightdichte am späten Abend. Und anstrengend - ich war von ca. 13:00 bis 03:00 Uhr dort, davon die allerwenigste Zeit
nicht auf den Beinen. Ganz erholt habe ich mich davon glaube ich immer noch nicht.
Bands:
Orphaned Land aus Israel kannte ich vorher nur vom kurzen Reinhören. Gefiel mir gut. Der Sänger behauptet, nicht Jesus zu sein. Tatsächlich lief er nicht über Wasser und es gab weder Freibrot noch -wein.
Lange lange hat's gedauert, so viele Jahre und Schicksalsschläge innerhalb der Band... Zu erklären, wie sehr ich mich auf mein drittes
Voivod-Konzert nach 1993 und 1997 gefreut habe, würde hier den Rahmen sprengen. Hätte sonst nur der allerletzte Dreck in Wacken gespielt, ich wäre trotzdem wegen Voivod gekommen.
Und wie sehr die Band sich freute, war ihnen den ganzen Gig über hundertprozentig anzusehen und zu hören. Hammer! Wer das verpasst hat, ist doof. Basta.
Also liebe Herren Away, Snake, Dan, Blacky (oder im Studio meinetwegen auch Jasonic) - unbedingt neues Material aufnehmen! (wäre das erste ohne Piggy -
R.I.P. - an der Gitarre) Und live sowieso weitermachen!
Fröhlich weiter ging's mit
The Boss Hoss. Die Cowboys sorgten wie schon letztes Jahr für riesige Partystimmung und waren sich dabei der Ironie auf der "True Metal Stage" spielen zu dürfen durchaus bewusst.
Danach gab's für mich ein bisschen Pause, futtern, ein paar Songs
Arch Enemy, Futtern und Feuershow, nebenbei
Grave Digger...
... und dann von Viertel nach elf bis drei Uhr morgens drei Hauptacts komplett hintereinander:
SLAAAAAAAYYYEEEER!!!!
Was soll ich noch mehr sagen? Slayer sind einfach die Macht! Schön, dass die "Seasons In The Abyss" gut vertreten war in der Setlist. Ja Mensch, was soll man noch groß sagen...
SLAAAAAAAYYYEEEER eben.
Danach kamen dann
Anvil.
Ich habe ja ziemlich viele Ideen, worüber ich mal bloggen könnte, die ich dann doch nicht umsetze. Eine davon wäre ein Doppelreview des Iron-Maiden-Films "Flight 666" und der schon weiter oben erwähnten exzellenten Doku "Anvil! The Story Of Anvil" gewesen, zwei Filme, die gegensätzlicher kaum sein könnten: auf der einen Seite die Metalmillionäre, die im eigenen Jet, gesteuert vom Sänger persönlich von Megakonzert zu Megakonzert fliegen, auf der anderen Seite die Kanadier, welche in den frühen Achtzigern auf dem Weg zum ganz großen Metal-Ruhm waren, dann aber irgendwie auf der Strecke blieben und ihrem Traum, irgendwie an diese Rockstar-Zeiten anzuknüpfen auch unter widrigsten Bedingungen jahrzehntelang nicht aufgeben.
Nachdem man diese Band ja in jenem vielleicht großartigsten aller Rock'n'Roll-Film in ihren absurdesten und bittersten Momenten erlebt und mitgelitten hatte und ich auf dem aktuellen Album "This Is Thirteen" feststellen musste, dass die Musik auf Platte tatsächlich nur bedingt funktioniert und Lips auch kein wirklich großartiger Sänger ist, war es schon sehr befriedigend zu sehen, wie Anvil auf der Hauptbühne von Wacken - mit fetterer Lightshow als Slayer - die Zeit ihres Lebens hatten und rockten wie Sau! Lips machte Faxen, schrie Ansagen in sein Gitarrenpickup und packte den legendären Gitarrensolo-Dildo wieder raus, Robb Reiner spielte eines der wenigen wirklich guten Drumsoli in der Geschichte des Festivals. Metal on Metal! Um es mit Nigel Tufnel zu sagen: Dieser Auftritt ging bis 11!
"Sehr gutes Ding - ein dritter Teil 2011 muss aber nicht mehr sein. ;)"
Das sagte ich vor zwei Jahren zum "Cantus Buranus" von
Corvus Corax. Nunja, der dritte Teil kam ja jetzt sogar schon ein Jahr früher als von mir prognostiziert. Und was interessiert mich eigentlich mein Gefasel von vorgestern?
Am Rezept (tausend Leute auf der Bühne, mittelalterliche Instrumente + Orchester + Chor + ab und zu Opernsängerin, Bombast, Bombast und nochmal Bombast) hat man nichts geändert. Ein bisschen düsterer war's vielleicht noch. Und einfach schwer beeindruckend.
Eine Stunde später zu Hause war ich gerädert wie vielleicht noch nie nach Wacken - war aber dennoch schon voller Vorfreude auf den...
Samstag:
Deutlich weniger "Pflichttermine" im Programm, also hatte ich es auch nicht ganz so eilig loszufahren.
Dennoch war ich um 15:45 Uhr pünktlich zu
Overkill vor Ort. Auch so eine Band, die mich im Studio nicht richtig überzeugt, aber live regelmäßig alle Zweifel wegbläst.
Nach einigen Songs ging ich nach vorne, um von der Seite durch den Graben zurückkehrende Crowdsurfer zu knipsen, was sich ja schon letztes Jahr als ganz unterhaltsamer Zeitvertreib erwiesen hatte.
Das war's auch diesmal wieder - bis zu dem Moment, in dem ich Zeuge der laut
Polizeibericht einzigen wirklich schweren Verletzung in Wacken wurde, als ein Fan ausrutschte, mit dem Hinterkopf gegen eine Strebe der Absperrung knallte und regungslos liegenblieb. Ziemlich übel anzuschauen... zum Glück hat er das überlebt.
(Mehr von mir dazu und zum Thema Crowdsurfing
hier auf flickr.)
Dadurch, dass ich deswegen etwas früher wieder nach hinten ging, traf ich mal wieder meinen Bruder, den ich zuletzt kurz nach Voivod gesehen hatte, wo er genau wie ich in der ersten Reihe gestanden hatte, der mir stolz erzählte, wie er kurz darauf noch Blacky und Away von Voivod auf dem Gelände getroffen und sich ein Autogramm erstalkt hatte. ;)
Kurz nach dieser Erzählung geschah dann der oben erwähnte Einlasszwischenfall mit der zu professionellen Kamera. Schon faszinierend, wie schnell man in Wacken mitten im Gespräch auseinandergerissen werden kann...
Wieder auf dem Gelände gab ich mir ein wenig gepflegten Präzisionsgrindcore von
Lock Up und direkt im Anschluss auf der Wackinger Stage das irishfolkige Kontrastprogramm mit
The Keltics.
Das Finale bildeten für mich schließlich die beiden letzten Bands auf der Party Stage, nämlich die Doom-Götter
Candlemass und die komplett ihr Klassikeralbum "Wildhoney" zelebrierenden
Tiamat. Zwei fantastische Auftritte und ein relativ ruhiger, atmosphärischer Abschluss für ein Metalfestival.
Im ersten Regen nach einem staubtrockenen Tag verließ ich um halb zwei glücklich das 21. Wacken Open Air.
Für eine beste Band kann und will ich mich diesmal gar nicht entscheiden, da war ja gleich eine Handvoll Gruppen, die dieses Prädikat verdient hätten.
Wie ich schon eingangs sagte: mit Sicherheit eines der besten W:O:As aller Zeiten! :)
Bandwünsche für nächstes Jahr:
- die nach wie vor überfälligen Dream Theater
- die frisch reunierten Autopsy!
- die Celtic Frost-Nachfolger Tryptikon
- und Cynic können auch gerne dem Club der Bands, die alle zwei, drei Jahre kommen beitreten
- Jesu oder alternativ auch ein weiteres Livereunionskonzert von Godflesh, aber lieber Jesu ;)