KRISTEENYOUNG - The Orphans (2006)
Eigentlich halte ich das Konzept von Rockmusik als Instrument der Rebellion und des Aufbegehrens ja generell für ziemlich ausgelutscht, einfach weil jene, gegen die rebelliert werden soll (meistens ist es ja die Elterngeneration) das Spiel schon selbst aus der eigenen Jugendzeit kennen. Naja, was ich sagen möchte ist, dass es in der Regel schon mehr braucht als ein paar provokante Textzeilen, um mich zu beeindrucken.
Die Dame mit dem Namen Kristeen Young, songwritende, singende und tastenspielende Hälfte des Duos Kristeenyoung (Ob ich zu Hause wohl mal vorschlagen sollte, meine Band in Stephanohlsen umzubennen? *g*) hat in der Tat einiges mehr auf dem Kasten.
Aber erst einmal ist da schon die beeindruckende Trotzigkeit und Vehemenz, mit der sie eben doch rebelliert und dabei scheinbar vor niemandem inkl. ihren Fans und Idolen halt macht.
Schon im Opener "Kill The Father" macht sie klar, wo die Reise langgeht, stößt Prince, Led Zeppelin, David Bowie, Blondie, die Beatles... alle ihre Vorbilder von der Bühne: "We'll take it from here now."
In "Under A Landlocked Moon" kokettiert sie mit den Klischees, die mit ihrer Herkunft aus St. Louis im Bible Belt der Vereinigten Staaten verbunden sind. (Und wenn ich da jetzt geirrt habe, trifft die Zeile "But you don't know exactly where it's placed, right?" wohl auch auf mich zu.)
Klar, es steht in Wikipedia und jeder Rezensent bezieht sich darauf: Miss Young ist halb Deutsche, halb Apache, wurde jedoch als Kind zur Adoption freigegeben und wuchs in einem fundamentalistisch christlichem Haushalt auf, gegen den sie sehr oft und heftig - na klar - rebellierte. Kann man diese Tatsache nicht auch einfach außen vor lassen? Kaum, denn wie der Albumtitel "Die Waisenkinder" schon verrät, hat sie mit diesem Kapitel ihres Lebens mitnichten abgeschlossen.
Ganz deutlich wird dies auch im wohl intensivsten Song des Albums, "Life's not short, it's sooo long". Wer ein bisschen Lebenserfahrung hat wird angesichts des Titels zunächst denken: Quatsch, das Leben ist verdammt kurz. Wenn man dann aber Zeilen wie "Waiting to turn 18 [...] waiting to be cut free [...] where is my childhood dream? Life's not short; it's so long." vernimmt, sieht man schnell ein, dass es gerade bei vermeintlich allgemeingültigen Sprichwörtern immer mehr als bloß eine Wahrheit gibt.
Das humorvollste Aufbegehren findet sich am Ende des Albums mit dem bewusst leicht überlangen "Before", in dem nichts anderes besungen wird als das Lied selbst: Bevor der Drummer sagen kann, dass es schwul ist, ist es mein Baby. Bevor der Produzent Teile herausnehmen kann, spiel ich es den ganzen Tag. Du solltest Dich glücklich schätzen, es überhaupt hören zu dürfen. Nicht eine Note ist falsch. Nein, keine...
Und zum Abschluss, bevor man etwas einwenden kann, fängt sie an, wie ein kleines beleidigtes Mädchen die Ohren zuzuhalten und wild herumzujaulen. Herrlich!
Und zum Abschluss, bevor man etwas einwenden kann, fängt sie an, wie ein kleines beleidigtes Mädchen die Ohren zuzuhalten und wild herumzujaulen. Herrlich!
Funktionieren tut dies alles natürlich nur, weil auch die Musik absolut überzeugend ist. Selten hört man mehr als Stimme und Klavier von Frau Young und das zunächst grob wirkende, aber sehr effektiv auf den Punkt gespielte Schlagzeug ihres Partners Jeff White.
Apropos White: der rohe, direkte Sound des Duos lässt durchaus Vergleiche mit den White Stripes zu, auch wenn's stilistisch natürlich eine andere Baustelle ist.
Dennoch: Wer glaubt, weil hier Klavier gespielt wird, gibt es nur weichgespülte Balladen zu hören, der irrt gewaltig. Auch so ein Tasteninstrument kann schon sehr brutal zu Werke gehen. Kein Zweifel, was Kristeenyoung bieten ist alles andere als leichte Radiokost, sondern Musik die ganz klar rockt, emotional mitreißt, aber zuweilen auch verstört. Ganz großes Ohrenkino also!
Meine persönlichen Anspieltipps sind neben den schon erwähnten "Before", "Kill The Father" und dem ganz grandiosen, den Kauf alleine schon rechtfertigenden "Life's not short, it's soo lng" auch das rhythmisch sehr interessant arrangierte "9" und der ergreifende Beinahe-Lovesong "(But It's All Just) Imagined". Ach, eigentlich ist das Album wirklich rundum zu empfehlen. Ich bin zutiefst beeindruckt und habe die Scheibe seit Wochen in Dauerrotation.
Morgen kommt allerdings vielleicht die Ablösung. Denn da erwarte ich das neue Werk "Music For Strippers, Hookers And The Odd On-Looker" in meiner Post. :)
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