Ich habe mal die bisherigen 2012er CDs, die ich hier noch verfleischwursten möchte, auf dem Schreibtisch aufeinandergestapelt. Der Turm Quader ist momentan ca. 13 cm hoch. Die Standard-CD-Hülle aus Kunststoff, die es bei Neuerscheinungen ja kaum noch gibt (in dieser Auswahl kommt sie nur ein einziges Mal vor), ist einen Zentimeter hoch. Aber das nur am Rande. Mit der folgenden Triple-Rezension trage ich auf jeden Fall gleich dreieinhalb Zentimeter von oben ab.
DIE ÄRZTE - ZeiDverschwÄndung (2012)
DIE ÄRZTE - auch (2012)
DIE ÄRZTE - m + f (2012)
Neben der Gemeinsamkeit, dass die erste Single "ZeiDverschwÄndung" ist und das Album "auch", kann man sich bei allen drei aktuellen Veröffentlichungen nach wie vor fest darauf verlassen, dass Die Ärzte stets beide Arten von Musik spielen: Country und Western.
Stilistisch machen BelaFarinRod wie immer was sie wollen, und sie können es auch. Und die u.a. daraus resultierende Diskussion alte Leier ist auch immer noch dieselbe wie damals, als wir noch auf Westerland mit Schopenhauer das uns gegebene Nasenbrot aßen: Ist das noch Punkrock?
Passenderweise ist der Opener des Albums genau nach dieser Frage benannt.
Wie gewohnt hat Farin Urlaub den höchsten Songwriting/Leadgesang-Anteil, doch auch von Rod sind diesmal relativ viele (und starke) Songs vertreten. Insbesondere seine The Who-Hommage "Quadrophenia" stellt ein Highlight dar, das eigentlich auf den Longplayer gehört hätte und für das es sich auf jeden Fall lohnt, sich "ZeiDverschwÄndung" (Alter, jedes Mal vertippe ich mich bei dem scheiß Titel!) zuzulegen, welche zudem auch mit "Mutig" eines von Farins besten Stücken dieses Jahrgangs enthält.
"m + f" (die CD die etwas anders heißt als ihr Titelsong, der wiederum anders heißt, als er von den meisten Leuten genannt wird - wir kennen das von "Ein Schwein namens Männer") ist mit zwei eher mittelmäßigen bzw. zu kurzen zusätzlichen Tracks im Vergleich zur Vorab-Single ziemlich verzichtbar. Ich persönlich habe sie mir hauptsächlich besorgt, weil sie sich im Regal so gut neben den anderen beiden macht. Was Layout und Bandfotos angeht sind alle drei Scheiben herrlich gestaltet. Das Gesellschaftsspiel-Konzept des Albums macht es das normale Herausnehmen der Disc zwar unnötig kompliziert, doch das ist wohl der Preis, den man für diesen genialen Hüllenschwachsinn zahlen muss.
Mit einer Altersempfehlung von 6 bis 66 Jahren ist "auch" übrigens nicht ganz rentnerfrei. Kleinkinder sind wegen der verschluckbaren Teile (Kronkorken als Spielsteine!) ausgeschlossen. Hören lässt sich das Album mit 0 bis 3 Personen, wer gerne in größerer Runde Spaß hat, sollte sich also besser nach einer neuen besten Band der Welt umsehen.
Von Bela B. vermisse ich seine z.T. absurd flachwitzige Bananen-Höchstform. Klar, Die Ärzte fackeln über ein gesamtes Album - als irgendwann doch allmählich älter werdende Berufs-Infantile - keine Zotenfeuerwerke wie auf "Planet Punk" mehr ab, aber zumindest das Niveau vom seinerseits viel stärkeren "Geräusch" hätte ich mir schon gewünscht. Hauptsächlich dafür gibt es Abzüge in der (Bela-)B-Note.
Insgesamt sind "auch" und "ZeiDverschwÄndung" jedoch super DÄ-Qualitätsware, der man im Zweifelsfall blind bzw. taub vertrauen sollte.
Einen Track auf "auch" gibt es, der besondere Erwähnung verdient: "Cpt. Metal" kämpft sich mit bluttriefender Gitarrenaxt durch Metal-Hymnen-Klischees, und Farin darf ein zweimal so richtig den Gitarrenhelden machen, dass es für jeden Metaller, der sich selbst nicht zu ernst nimmt, eine reine Freude ist. Absolutes Highlight: der Metallica-Zwischenteil ("Jetzt sieh Dir an, wie sie um ihr Leben betteln / Käpt'n Metal hatten sie nicht auf dem Zettel").
Was ich abschließend als großes Lob sagen kann, da ich mit dieser Rezension ja nicht mehr ganz tagesaktuell bin: Fast alle Stücke werden mit der Zeit beim Hören sogar noch etwas besser. Und das ist bei den langen Pausen zwischen den letzten Ärzte-Alben doch eine sehr gute Nachricht!
Anspieltipps: Cpt. Metal, Quadrophenia, Mutig, Fiasko, Sohn der Leere, TCR, Freundschaft ist Kunst, M&F
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