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2016-04-10

OCEANS OF SLUMBER - Winter

My Dying Bride hatten ihr aktuelles Album ja neulich in Hamburg nicht auf Vinyl dabei. Da ihre Supportband aber alles andere als von schlechten Eltern war, fiel es mir ziemlich leicht, meine Einkaufspläne am Merchandisingtisch umzustellen.


OCEANS OF SLUMBER - Winter (2LP) (2016)

Noch dazu macht das Album der Texaner ja auch optisch mit seinem Cover von Costin Chioreanu gut was her. Auf der Innenseite das Gatefolds befinden sich alle Songtexte. Die Musik findet auf drei Schallplatten-Seiten Platz, Seite D besteht aus einem Edging des Bandsymbols, in dem die Buchstaben OoS im Stil des Bandlogos untergebracht sind.

Neben dieser regulären Doppel-LP ist das Album auch als limitierte, goldene Touredition und natürlich auf CD zu haben.



Oceans Of Slumber brachten 2013 ihr eigenproduziertes Debüt "Aetherial" raus, doch "Winter" ist nach der Erweiterung der Band um Sängerin Cammie Gilbert, welche letztes Jahr mit einer halb aus Coversongs bestehenden EP eingeführt wurde, sicherlich das Album, welches bei den meisten Fans als eigentlicher Startschuss der Gruppe hängenbleiben wird.

Was auf diesem Album musikalisch alles passiert, ist schwer zu beschreiben, ohne ständig irreführende Fährten zu legen. Denn die meisten Vergleiche, die mir in den Sinn kommen, halten nur für wenige Augenblicke und gehen dann wieder in etwas vollkommen anderes über. Nehmen wir zum Beispiel den Song "Devout", der in fünf Minuten einen großen Teil der stilistischen Palette der Band auffährt: Während der ersten Takte muss ich an die Prog-Doomer Confessor denken, dann kommt ein Harmoniegesang, der auch auf Janelle Monaes "ArchAndroid" gepasst hätte, gefolgt von Nocturnus-Gitarrengeschredde, zu dem kräftig geknüppelt wird, was sich dann noch weiter in einen schwebenden Black-Metal-Blastbeat-Teil steigert... und zu dem Zeitpunkt ist ja erst ein Drittel des Songs um.

Oceans Of Slumber spielen einen Progressive Metal, der zu allen Seiten ähnlich offen klingt wie bei Haken, Leprous oder auch - Überrschung! - The Ocean, und doch etwas ganz anderes ist. Und innerhalb von "Winter" passieren auch in jedem Stück neue Dinge.

Zunächst einmal wird im achtminütigen Titeltrack der Rahmen gesteckt. Er beginnt als balladeske Nummer, in dem der soulig-bluesige Gesang Gilberts im Vordergrund steht. Das wild wuselnde Schlagzeug sorgt jedoch von Beginn an für Spannung, welche schließlich in Shouts, Grunts, Kreischen, Death Metal und rasendem Black Metal eskaliert. Zum Ende hin ergänzen sich die verschiedenen Gesangsstimmen zu einem ritualistischen Arrangement, wie es ähnlich auf dem Debüt von Karyn Crisis' Gospel Of The Witches vielfach zu hören ist. Allerdings bleibt die Leadsängerin hier anders als Karyn Crisis immer bei ihrer "richtigen" Gesangsstimme und überlässt die groben Stimmbrutalitäten ihren Kollegen.

Als zweites folgt der Song "Devout", den ich ja vorhin schon anführte.

Danach geht es unerwartet entspannt ausgerechnet mit "Nights In White Satin" von The Moody Blues weiter.  Ok, es artet also nicht alles in Geblaste aus, denkt man sich, ehe der proggige Instrumentalteil des Songs plötzlich doch wieder als  schwarzmetallisch explodierendes Allerhöchstgeschwindigkeitsgeprügel interpretiert wird. Der Rezensent des Deaf Forever-Magazins fühlt sich hier unangenehm an peinliche Coverversionen von *örgs* Crematory erinnert, ich hingegen sage: Nö, gekonnt ist gekonnt! Es ist einfach geil und auch stilistisch gar nicht so abwegig, wie man denken sollte.

Überhaupt erstaunt es, wie leicht zugänglich und trotz aller Extreme songdienlich diese Band zu Werke geht. Neben dem hervorragenden Leadgesang und den Gitarren ist es vor allem das sensationelle, rastlose wie eigenwillige Drumming  von Dobber Beverly, welches dafür sorgt, das Oceans Of Slumber immer als sie selbst erkennbar bleiben.

Und nach diesen ersten drei Songs weiß man natürlich ohnehin wo der Hase läuft, so dass man sich nicht davon einlullen lässt, dass "Lullaby" zunächst ganz ohne Metal a capella beginnt. Während der zweiten Strophe des nach Tori Amos klingenden Liedes wird Cammie Gilbert dann auch schon vom Bass begleitet, ehe...  ehe die erste Albumseite nach nur zwei Minuten ganz entspannt ausklingt. Huch.

Oceans Of Slumber live in Hamburg

Auf Seite B wird bald klar, dass man doch noch längst nicht alles über die Band weiß. Und dass die Tracklist des Albums eindeutig für das Schallplattenformat optimiert wurde.

Die drei Songs und zwei Instrumentals dieser Seite schalten ganz klar in einen ruhigeren Gang - kein Geknüppel, kein Gebrüll - und fühlen sich, obwohl es souveräne Stücke sind, doch wie eine zusammenhängende Suite an.

"Laid To Rest" ist ein kurzes Intro im Stil modernen Intrumentalpostrocks, Explosions In The Sky bzw. Mono extraleicht könnte man auch sagen.
"Suffer The Last Bridge" rattert zwar ordentlich mit der Doublebassdrum, ist insgesamt allerdings ein sehr straighter Midtempohardrocker. Der Song an sich ist durchaus gut, ein Album nur mit solchen Songs wären allerdings ein vollkommen anderes als "Winter" es ist. Nur das Radio würde dann vermutlich sehr laut wegen Airplay anklopfen.

Im "Good Life" bereitet uns die die Indianerflöte sehr stimmungsvoll auf die atmosphärischen folgenden Tracks vor.
"Sunlight" und "Turpentine" sind beides Lieder, die auch von einem ruhigen Album von The Mars Volta stammen könnten, was nicht nur an ihren Harmonien zwischen Leadgitarren und Oooohooohoo-Gesängen liegt. Das erste Stück hat dabei noch leichte Doom- und Postrock-Vibes, während "Turpentine" die bluesigen Americana-Wurzeln der Band offenlegt, ehe es sich sanft zur Ruhe jazzt.

Eine sehr starke Seite - und komplett anders als das erste Drittel des Albums!


Auf Seite C schließt sich der Kreis. Sie beginnt ohne Vorgeplänkel ganz unvermittelt mit "Apologue", das sich bald zum finsterfiesesten Albumtrack mit den deathmetallischsten Deathmetalpassagen mausert. Ein feierliches Riff- und Dreschfest - und natürlich noch einiges mehr als nur das.

Kurz entspannen mit "How Tall The Trees", ehe es mit "... This Road" ins Epische Finale geht.
In der ersten Minute klingt Cammie Gilbert hier vom Klavier begleitet tatsächlich wie Amy Lee von Evanescence. Pop wird die Nummer allerdings nicht, sondern düsterer Prog, in dem ich etwas Psychotic Waltz, aber auch Steven Wilson zur "Raven That Refused To Sing"-Zeit vernehmen kann. Sehr groß!

"Grace" ist der dreiminütige Epilog des Albums, eine reine Klavierkomposition, eingespielt vom Schlagzeuger, wie man anhand einiger sehr flitzefingeriger Stellen schon fast ahnen könnte. Nicht einfach nur ein kleiner Nachkeks, sondern tatsächlich ein auch für sich stehend funktionierendes Stück.


Überhaupt gilt: Sämtliche dreizehn Tracks, auch jene, die im Grunde nur Zwischenspiele sind, könnten auch für sich alleine bestehen. Und doch gewinnen sie alle noch durch die Einbettung in das Album als Ganzes.

Oceans Of Slumber spielen auf "Winter" ihre heterogene und doch nachvollziehbare, ganz eigene Version von Progressive Metal und legen in diesem Bereich für alle kommenden Veröffentlichungen des Jahres eine gewaltige Messlatte vor.

Die Produktion ist auch 1a, da kann ich absolut nicht meckern.

Klar, bald kommt die neue Haken, welche schon einen weiten Anlauf nimmt. Gut möglich, dass den Briten der Sprung über die Texaner gelingt. Meine Hand würde ich dafür aber nicht ins Feuer legen.







Anspieltipps: Devout, Apologue, Sunlight, Winter

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