Nee Ohlsen, das Ding musst Du jetzt einfach mal schreiben! Denn die Erfahrung zeigt, dass es nichts bringt, neue Alben von Toby Driver ewig auf ein Review warten zu lassen; erhellender als das, was mir jetzt gerade durch den Kopf geht, wird es ohnehin nicht werden.
Oder anders ausgedrückt: Egal, welche Form die Musik auch annimmt - sie bleibt stets so singulär, dass man ihr mit Worten kaum habhaft werden kann.
Kayo Dots neues Album bildet da keine Ausnahme, sondern vielmehr ein besonders paradoxes Beispiel, da es viel mehr nostalgische Einflüsse als sonst aufnimmt und dem Rezensenten doch nie den Gefallen tun, wie eine direkte Hommage an auch nur einen davon zu klingen.
KAYO DOT - Moss Grew On The Swords And Plowshares Alike (CD) (2021)
Die Nostalgie beginnt schon damit, dass ein Kayo Dot-Werk eigentlich gar nicht geplant war. Stattdessen hatte mit Toby Driver, Jason Byron und Greg Massi die Besetzung der Vorgängerband Maudlin Of The Well eigentlich im Sinn gehabt, zum fünfundzwanzigsten Jubiläum einige Reunionskonzerte zu spielen. Wir alle wissen, warum daraus nichts wurde.
Und so spielte man als alternative Feierlichkeit sozusagen ein neues Album ein, nur eben unter dem Banner von Kayo Dot, für das Besetzungswechsel ja ohnehin an der Tagesordnung sind.
Und so ist "Moss Grew On The Swords And Plowshares Alike" mit seiner Metalheaviness, dem großen Anteil extremen Gesangs und den allegorischen Fantasytexten Byrons klar eine Reminszenz an die ältere Gruppe bzw. die Anfänge von Kayo Dot.
Wer Toby Driver auf sozialen Medien folgt, der weiß zudem, dass er in den letzten Jahren, spätestens seit seinem Job als Tourmusiker von Myrkur im Vorprogramm von Epica vermehrt seine Begeisterung für "europäischen Metal", der so in den Staaten nie wirklich Fuß gefasst hat, teilt. Und von der Musik, die wohl in seine Definition des Begriffs passt, deutet sich auf diesem Album vieles an.
So kommt die Band z.B. hier dem Pink Floyd Gothic von Tiamat nahe (an anderer Stelle aber ebenso deren noch metal-orientierterer "Clouds"-Phase), dort der Stimmexzentrik von King Diamond.
Viele Gesangsmelodien und die stets präsenten Keyboardsounds spielen mit der Idee von europäischem Kitsch, gehen diesem durch die tiefe Einbettung in die abstrakte Advantgarde Kayo Dots dann aber letztendlich doch geschickt aus dem Weg. Das Epische, was sowohl Power Metal als auch symphonischer Black Metal stets so gerne wollen, und auch die düstere Melancholie, an deren überzeugender Umsetzung Gothic Rock so viel häufiger scheitert als ihm lieb ist - Kayo Dot scheinen sie keinerlei Mühe zu bereiten. Und dass, obwohl sie in einem so myriadenfach kaleidoskopierten und immer wieder um die Ecke gedachten Umfeld bestehen müssen.
Eines zumindest macht die Band mir diesmal einfach: So breit gefächert und unkonventionell "Moss Grew On The Swords And Plowshares Alike" auch aufgestellt sein mag, es ist noch deutlich mehr als sein Vorgänger "Blasphemy" stets als Metal - welcher Form auch immer - klassifizierbar.
Es ist ein Metal, der bisweilen durchaus überraschend catchy ist, aber auch wie z.B. in "The Necklace" wie das Zusammentreffen einer dissonanten Advantgarde-Black-Metal-Gruppe mit Ambient- und Jazzmusikern klingen kann, bei dem das Monitorsystem kaputt ist und niemand den anderen hört. Was aber trotzdem absolut großartig klingt!
Dass der finale, majestätisch schwarzböse Longtrack "Epipsychidion" in einen ausgiebigen Dröhnrausch mündet, wirkt in der aktuellen Musiklandschaft zwischen Sunn O))) als etabliertem Kulturgut und den Eskapaden von Labels wie I, Voidhanger Records, Sentient Ruin Laboratories und natürlich auch Kayo Dots Heimat Prophecy Records schon beinahe wie der konservativste Move des gesamten Albums.
Und so bleibt vieles in der Theorie diffus und widersinnig, kommt in der Praxis aber zu einem Gesamtwerk zusammen, welches sich herausnimmt, trotz aller gewollten Sperrigkeit und der Unmöglichkeit, es in irgendeiner Ecke außer dem Genre Toby Driver festzunageln, doch viel viel zugänglicher und packender zu sein, als es eigentlich sein dürfte.
Brilliant!
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