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2024-09-15

PROPHECY FEST 2024 in der Balver Höhle • Teil 2/2: Samstag, 7. September • mit ALCEST & NICOLAS HORVATH, ARÐ, AUSTERE, BLAZING ETERNITY, DOOL, DYMNA LOTVA, EMPYRIUM, FEN, HEXVESSEL, PARADISE LOST und THIEF


Zum ersten Teil dieses Festivalberichts geht's hier lang:




Touristisch war dies bisher sicherlich mein schwächstes Prophecy-Wochenende. Ich hatte zwei Filmkameras dabei und nach dem Frühstück stand der halbe Vormittag zum Umherstreifen zur Verfügung. Das ist nicht besonders viel. Dennoch hätte es sich vermutlich gelohnt, zumindest mit dem Auto bis zum nächsten Wandererparkplatz zu fahren, denn das direkte Umfeld des Dorfs in dem ich nächtigte, stellte sich vor allem als anstrengend und unspektakulär, inklusive enttäuschender Sackgassen dar. Eine handvoll ordentlicher Bilder habe ich wahrscheinlich geschossen, aber auf dem Weg nach Balve hatte ich das Gefühl, dass jeder andere Ort hier mir mehr Motive geboten hätte. Naja, vielleicht war ich auch einfach nur zu uninspiriert.

Das einzige digitale Bild, welches ich jetzt bereits zur Hand habe, ist ein Smartphone-Schnappschuss, der einigermaßen ausdrückt, wie willkommen ich mir hier als Fußgänger am Straßenrand vorkam:





Eine sklavisch pünktliche Ankunft an der Balver Höhle war heute vom Programm her eigentlich nicht nötig, doch uneigentlich drohte der Tagesparkplatz sich schnell kritisch zu füllen und ich wollte schon gerne einen kurzen Weg zum Veranstaltungsort haben - und sei es nur für den Fall, dass mir z.B. plötzlich auffällt, dass ich in der Höhle immer noch meine Sonnenbrille aus dem Auto trage... ähem. Ja, das ist passiert.

Auf jeden Fall war ich dann doch bereits vor Ort, als die unvermeidbare Gruppe spielte, um die sich das Label Prophecy Productions gegründet hatte. Und wer meinen Rant von vor drei Jahren gelesen hat, der kann sich das ebenerdige Niveau meiner Erwartungshaltung vorstellen...







Überraschung! Ich trat an der bereits spielenden Band vorbei in die Höhle ein und stellte rasch fest, dass die heutige Inkarnation von Empyrium ja gar nicht komplett Scheiße war. (Ja, ich weiß... Mir kommt dieser Tonfall ja auch komisch vor, zumal ich Negativität und Verrisse hier eigentlich zu vermeiden versuche. Aber Leute, es ist nun einmal wie es ist: Diese Gruppe scheint einfach Zeit ihrer Existenz ein Paradebeispiel für eine  klaffenden Abgrund zwischen ambitioniertem Konzept und schlaftablettiger Umnsetzung zu sein.)

Doch wie gesagt war es diesmal gar nicht so schlimm. Es trat ein semi-uneingestöpseltes Besteck mit Akustikgitarre, Streichern und Klavier auf, und der Ton variierte irgendwo zwischen Barock, Neoklassik, Neofolk und Ahnungen von Metal. Kann man wohl auch Düsterkitsch nennen, aber es war zumindest gefällig genug, um mich nicht unmittelbar in die Flucht zu schlagen.

Ein paar eher unnötige Passagen, gepaart mit einem Mangel an wirklich Erinnernswertem ließen die Idee, dass mich Empyrium hier möglichwerweise tatsächlich überzeugen könnten jedoch schnell verpuffen. Es zog sich dann leider doch klebrig mittelmäßig in die Länge - und als am Ende die frenetische Abfeierei einsetzte, kam ich mir zugegebenermaßen ein bisschen vor, als hätte ich den falschen Film gesehen. War das einfach Respekt für die verflochtene Label- und Bandgechichte oder fandet ihr das echt so geil? Immerhin kugelte ich mir beim innerlichen Schulterzucken nichts aus.








Danach blieb es ruhig und wurde dabei noch reduzierter, mit einer einmaligen Alcest-Performance, bei der der instrumentale Teil statt von der Blackgaze-Band von Pianist Nicolas Horvath übernommen wurde.

Das war anfangs schon spannend und resultierte während der Strophen und Refrains auch in ein paar wunderbar himmlich-ätherische Eindrücke, hätte allerdings besser funktioniert, wenn man doch noch ein, zwei Instrumente mehr ins Spiel gebracht hätte - oder zumindest die Arrangements teilweise drastisch gekürzt. Denn so virtuos das Klavier hier auch bedient wurde; um minutenlang in dieser Form für sich zu stehen ist das Material der Franzosen einfach nicht gemacht. Und das sage ich als jemand, der gerade sein frisch vom Merch gepflücktes "Kodama"-T-Shirt trägt.

Vielleicht war die Platzierung als zweite Unplugged-Show hintereinander auch ungünstig. Unterm Strich gefiel mir der Auftritt zwar, doch ich war trotzdem froh, als es im unmittelbaren Anschluss von der Nebenbühne aus endlich richtig rumpelte...









Die Einweihung der kleinen Bühne wurde auch am Samstag wieder von dem Westküsten-Amis Thief übernommen. Inwiefern sich der zweite Auftritt nun im Detail vom ersten unterschied, ist ohne Notizen oder Aufnahmen eine Woche später für mich ehrlich geagt nicht mehr sicher nachzuvollziehen, da die Dinge mit Abstand doch leicht zu verschwimmen neigen.

Der düster groovenden Sound des Trios zwischen Industrial, Trip Hop, Noise Rock und vielen weiteren Einflüssen hat mich aber auch in der Wiederholung wieder abgeholt. Ganz bis zum Ende bleiben konnte ich diesmal allerdings nicht, denn die vordere Reihe der Hauptbühne lockte mit einem der wichtigsten Auftritte der diesjährigen Ausgabe...









Dymna Lotvas "Зямля Пад Чорнымі Крыламі: Кроў (The Land Under The Black Wings: Blood)" ist eines der wichtigsten Alben des vergangenen Jahres. Die in ihrer Muttersprache singende, erst aus ihrer Heimat Weißrussland und dann aus der überfallenen Ukraine geflohene, nun in Polen lebende Band, könnte in ihrer Anti-Kriegs-Botschaft kaum eindringlicher sein. Folgerichtig war ich sehr gespannt, wie der u.a. mit Folk und Doom angereicherte Post Black Metal live funktionieren würde.

Die Antwort war, dass die Show mit ihrer von Herzen kommenden Symbolik, Theatralik und Emotionalität mich umblies wie eine einzelne Ähre im Sturm. Und so sehr auch alle Mitglieder der Gruppe höchstes Lob verdient haben - im Auge dieses Sturms stand die als blutende Heilige auf die Bretter getretene Sängerin Nokt Aeon, deren Stimmvielfalt im unmittelbaren Kontext des Festivals natürlich Parallelen zum Spektrum der Frontfrau von Perchta am Vortag aufwies. Und was auf dem Tonträger schon beeindruckt, erwies sich in der verzweifelten, trauernden, zornig vernichtenden Livedarbietung als manchmal geradezu halsabschnürend atemberaubend.

Schade war nur, dass vom männlichen Harmoniegesang im Mix leider kaum etwas zu hören war. Dennoch waren Dymna Lotva für mich zu diesem Zeitpunkt noch vor Arthur Brown und Triptykon an Vortag die Gewinner des Festivals. Und auch dass sich (Spoiler!) später noch ein Auftritt vor sie schieben sollte, mindert nichts an der Feststellung, dass diese extrem relevante Band fantastisch abgeliefert hat und zweifellos einen größeren Bekanntheitsgrad verdient.









Naturgemäß hat alles für mich neue, was direkt nach einer Show wie der von Dymna Lotva kommt, es nicht leicht, meine Aufmerksamkeit zu halten und in Erinnerung zu bleiben. Zumal es mit dem hier ein wenig mehr in Richtung Alcest deutenden Post Black Metal der Engländer Fen ja auch in einem generell nicht allzu entfernt verwandten Sound weiterging.

Es war - zumindest das weiß ich noch - auf jeden Fall ganz ordentliches Zeug, auch wenn ich persönlich mich gerade nicht so sehr darauf einlassen konnte. Von daher wäre alles, was ich mehr über den Auftritt schreiben könnte mindestens an der Grenze zur freien Erfindung.









Ein bisschen bunter hätte das Programm jetzt schon werden können. Austere waren noch eine Gruppe, die man schlecht ohne die Vokabeln Post und Black kategorisieren kann. Es war allerdings etwas mehr Midtempo angesagt. Ansonsten kann ich hier nicht so tun, als wäre wesentlich mehr hängengeblieben. Die Band füllte so ein bisschen die Rolle von In The Woods... am Vortag aus.

Apropos Freitag: Austere sind außerdem die eigentliche Hauptband vom Schlagzeuger von Germ. Deren Auftritt hatte mir allerdings besser gefallen. Aber vielleicht bin ich auch komplett unfair, da ich gerade müde und hungrig war und dementsprechend überhaupt nur einen kleinen Teil der Show in der Höhle verbrachte. 









Als ich von meiner Abendbrotpause zurückkehrte spielten Arð und brachten mit ihrer "Monastic Doom Metal" getauften Funeral-Doom-Variante dringend notwendige stilistische Abwechslung ins Fest.

Mit sechsköpfiger Besetzung aus Bass, Drums, Keyboard und satten drei Gitarristen erzeugten die Engländer ein epochal überweltliches Klangbild: Heavy, melodisch, getragen, mit dem Alleinstellungsmerkmal des stets mehrstimmig harmonischen Gesangs im Stile mittelalterlicher Mönche. Ganz klar ein überraschendes Highlight für mich.









Danach ging es nach langer Pause auf der kleinen Bühne weiter. Es spielte eine weitere Doomgruppe. Die nach zwanzigjähriger Abstinenz zurückgekehrten Dänen Blazing Eternity bezogen sich allerdings mehr auf den noch stark vom Death Metal beeinflussten Gothic Doom der frühen Neunziger. Es war also ein bisschen wie die Frühphase der heutigen Headliner Paradise Lost.

Auch wenn mir die einzelnen Stücke alle ein bisschen zu ähnlich zueinander klangen, gefielen mir die Energie und der Sound, insbesondere die majestätischen Doppelleadgitarren.









Auf der Hauptbühne folgte nun eine Show, der ich leicht skeptisch entgegen sah. Hexvessel hatten schließlich im April schon das Roadburn Festival mit einer Gesamtaufführung ihres unerwartet schwarzmetallischen aktuellen Albums "Polar Veil" eröffnet und gemischte Gefühle bei mir hinterlassen. Mies war es bestimmt nicht gewesen, doch alle vorigen Inkarnationen der Finnen, insbesondere der Prophecy Fest-Auftritt 2017, hatten mir doch deutlich besser gefallen.

Hier in der Höhle funktionierte das Material aber tatsächlich sehr viel besser. Pagan Folk Black Metal-Hexvessel sind zwar nach wie vor nicht meine allerliebste Form der Band, doch zu Meckern gab es anderseits auch nichts. Nein, dass war ein sehr guter Auftritt, der sich viel besser als gedacht ins Festival einfügte.





Blazing Eternity
spielten danach am anderen Ende des Felsens noch eine zweite Show, die ich auch gerne gesehen hätte. Doch leider musste dies ausfallen, da die Sicherung eines Platzes in der ersten Reihe, in dessen Schlagweite ich mich schon während Hexvessel vorgearbeitet hatte, nun oberste Priorität besaß.






Auch Dool hatten ihr neuestes Album "The Shape Of Fluidity" bereits in auf dem Roadburn Festival komplett vorgestellt. Da die Niederländer aber mit anderen Künstlern clashten und ich bereits wusste, dass ich sie hier und heute wiedersehen würde, hatte ich jener Premiere schweren Herzens nicht beigewohnt.

Heute gab es zwar keinen vollständigen Durchlauf durch "Shape", allerdings mit fünf Albumtracks von insgesamt sieben Stücken auf der Setlist eine ziemlich große Annäherung. Von "Summerland", welches Dool hier 2021 noch in Gänze präsentiert hatten, war hingegen überraschenderweise nicht eine einzige Nummer vertreten. Dafür gab es zum Abschluss - genau wie bei der damaligen Show - das überzeugend angeeignete Killing Joke-Cover "Love Like ´Blood" und den absolut unverzichtbaren Debüt-Hit "Oweynagat" uf die Ohren.

Und hält das neue Material mit? Locker, mindestens. Ob der Opener "Venus In Flames", der Epochalstampfer "Hermagorgon" oder der mächtige Titelsong - alle Stücken zünden wie eh und je.
Und was soll ich sonst noch großartig über Dool live sagen? Egal in welchem Rahmen und mit welchem Programm - die Düsterrocker zählen Zeit ihres achtjährigen Bestehens zu den besten Rockbands, die Du dir auf diesem Planeten auf die Bühne holen kannst. Der Drive, die Rhythmussektion - auch mit neuem Drummer -, die Riffs, die fieberhaft besessene Energie, natürlich die saustarken Lieder als Basis für dies alles... Was kann man hier nicht lieben?

Und Alter, was war Raven von Dorst in allen Stimmlagen großartig aufgelegt! Und anders als bei Dymna Lotva existierten diesmal auch die anderen Gesangsmikros im Mix. Es stimmte also alles.

Fazit: Auf Dool kann man sich verlassen, kann man sich verlassen, kann man sich verlassen. Auch wenn es zum ewigen Déjà Vu wird: beste Show des Prophecy Fests!









Im Grunde war die Nacht für mich nun ja bereits vorüber und der Headliner nur noch Bonus. Aber immerhin bin ich seit meiner letzten Paradise Lost-Show vor neun Jahren vom Casual Fan, der nur die ersten beiden Alben besitzt und damals mit "Shades Of God" allmählich das Interesse verlor, eine Stufe aufgestiegen und habe mir auch das 2015 aktuelle Album "The Plague Within" besorgt.

Heute spielte dies allerdings kaum eine Rolle, da die todesmetallische Seite der Gothic-Doom-Ikonen in der Setlist kaum bis gar nicht nicht vertreten war. Das war vielleicht auch besser. Ich weiß nicht, ob es an der Technik lagt oder ob Nick Holmes einfach nicht den besten Tag hatte. Aber nach der großartigen Gesangsperformance bei Dool wirkte kam er mir reichlich farblos vor.

Insgesamt spürte man die ganze Show über, dass es hilfreich gewesen wäre, ein mit den Songs enger vertrauter Fan zu sein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Newcomergruppe mit diesem Auftritt ähnlich abgeräumt hätte. Da half auch nicht, dass mir das Bronski Beat-Cover "Smalltown Boy" zwar gefiel, aber vor allem daran erinnerte, dass es von Deprtessive Age eine wesentlich bessere Metalversion des Liedes gibt.

Alles in allem kein Auftritt, den man komplett verreißen sollte, doch den weiteren Doomgruppen des Tages waren die Briten auch mit legendärem Vorreiterstatus klar unterlegen. Gutes Mittelmaß. Immerhin ärgerte ich mich anders als 2021 zumindest nicht geradezu, noch bis zur letzten Band geblieben zu sein.





Was mich hingegen reichlich ärgerte, war nachts um zwei vor dem Gästeeingang meines Hotels zu stehen und trotz Schlüssels nicht reinzukommen, weil jemand von drinnen verschlossen hatte. Zum Glück hörte ein anderer Gast von drinnen mein Gerüttel und ließ mich herin. Trotzdem unangenehm.

Nicht schön waren auch die vielen Staus auf dem Rückweg am nächsten Tag. Fucking Ferienende. Aber immerhin führte die Vermeidung einer Autobahnvollsperrung mich morgens noch durch Altena, wo ich dann doch noch für zwanzig Minuten mein Auto abstellte, um ein wenig Knipstourist zu spielen.


Man weiß ja schließlich nicht, wann man das nächste Mal in der Gegend ist.

Dass das Prophecy Fest mich zum letzten Mal gesehen hat, bezweifle ich auf jeden Fall. Aber starke Argumente muss es schon aufbieten.