Geradezu unverschämt gutes Sommewetter, welches so richtig Laune auf ein Open Air so spät in der Saison macht. Zum Beispiel in Osterrönfeld mit Bees Made Honey In The Vein Tree, Oakfarm... aber halt - ich habe ja schon ein Ticket für anderswo!
Eine ähnliche Einleitung werde ich in den nächsten Wochen noch einige Male schreiben können, denn die bekloppte Herbstsaison, in der jeder Konzertbesuch bedeutet, sich gegen eine andere Show zu entscheiden, hat wieder begonnen. Immerhin kann ich auf den ersten dieser Clashs ohne Reue zurückblicken. Nachdem mehrere vorherige Gelegenheiten, die legendären Cirith Ungol live zu sehen, an mit vorübergezogen waren, führte an dieser allerletzen Chance einfach kein Weg vorbei.
Den Rahmen dafür stellte das Festival zum zehnjährigen Geburtstag des Deaf Forever Magazins. Die letzte Feier mit Satan, Sulphur Aeon und anderen war schon nicht übel gewesen und diesmal sah das Line-Up auch abseits des Headliners sogar noch etwas stärker aus.
Den Anfang machten schon sehr früh um siebzehn Uhr die Süddeutschen Kerrigan. Ich bin ja offen gesagt seit den meisten der zehn Jahre, die es das Deaf Forever gibt, kein Leser mehr. Einer von mehreren Gründen dafür ist schlicht, dass die Überschneidungen mit meinem Musikgeschmack zwar unbestreitbar vorhanden, aber letztendlich doch nicht groß genug sind. Dass mit dem heutigen Opener eine mega-rückwärtsgewandte New(?) Wave of British Heavy Metal-Band von den Lesern zum Newcomer des Jahres gewählt worden ist, kann man durchaus als Indiz für diese unterschiedlichen Interessen betrachten.
Damit will ich aber gar nicht über Kerrigan meckern, die - genau wie das Deaf Forever in der Bedienung seiner Klientel - ihr Ding durchaus ganz ordentlich machten. Rückwärtsgewandt zwar ohne Frage, aber immerhin im flotten Heavy- bis Speed-Metal-Galopp. Wenn man die Klischees zwischen V-Gitarre und spitzem Falsett schon bedient, dann wenigstens mit Kompetenz und Überzeugung. Und beides stand mit diesem Quartett zweifellos auf der Bühne.
Auf Dauer wäre mir dieser Sound, dem ich live ja auch gar nicht mehr so häufig begegne, zwar eine Nummer zu zahm, doch der Meute gefiel's und als Aufwärmer für diesen Abend fand ich den Auftritt auch voll in Ordnung.
Die zweite Band fand ich dann allerdings schon deutlich besser. Ich war mir vor der Show gar nicht ganz sicher, ob ich
Ultha schon einmal gesehen hatte. In solchen Fällen recherchiere ich dann schon einmal ganz gerne in meinem eigenen Blog. (Ja, ich weiß, die Darstellung ist auf
Smartphone scheiße - man muss z.B. auf die Webversion umstellen, wenn man die Suche benutzen möchte.)
Es stellte sich dann heraus, dass ich sie eventuell gesehen
hätte, wenn das
Hafenklang in seiner definitiv nicht hellsten Stunde sie hundertfünzig Kilometer vor Hamburg ausgeladen hätte... Ach, wen der Quatsch noch interessiert: In meinen Bericht vom
Droneburg Festival 2017
habe ich ihn ausführlich kommentiert.
Zurück zum hier und jetzt:
Wir spielen fünf Stücke, das dauert fünfzig Minuten. Nein, halbstündige Supportslots gibt es an diesem Abend nicht. Zum Glück! Denn der mit langem Post-Rock-Atem blastende und stampfende, epochale Black Metal dieses Vierers braucht auch Raum, um sich konsequent zu entfalten und sich komplett um das Publikum zu legen. Kein Zweifel: von allen Bands des Tages waren
Ultha am weitesten von traditionellen Strophe-Refain-Schemata entfernt und setzten stattdessen viel mehr auf eine dicke Kelle nur mit schärfster Klinge teilbarer Atmosphäre. Großartig!
Die nächste Umbaupause war ein bisschen länger, da zwischendurch noch die komplette Mannschaft des Geburtstagskinds auf die Bühne geholt wurde und als Geschenk eine von Fans gedruckte inoffizielle Sonderausgabe des Deaf Forever in die Hand gedrückt bekam. Da ich es allerdings verpennt habe, mir eines der fünfhundert gedruckten Exemplare mitzunehmen, gehe ich jetzt am besten gleich weiter im Text zur nächsten Band der im exzellenten stilistischen Wechsel gestalteten Running Order:
Über acht Jahre sind sie zwar mittlerweile auch schon frisch, doch meine persönlichen Erinnerungen an die Schweden
RAM aus dem
Panocticum in Itzehoe waren fast schon
zu gut. Klar, die
Markthalle ist ein toller großer Laden, aber
die schweißgetränkte Mini-Metalbar-Ekstase von damals zu toppen war zumindest in meiner subjektiven Wahrnehmung überhaupt gar kein irgendwie realistisches Thema.
Sicher nicht ganz so magisch, aber ähnlich geil war dieser Auftritt dann aber schon. Ok, ich nehme mal an, diese Gruppe liefert immer ab. Die Erfahrung aus zwei
RAM-Tonträgern sagt mir zwar, dass dieser Metal zum Battlefaust hochrecken, bis der Arm gen Valhalla auffährt, nichts ist, was in meiner Plattenrotation eine bedeutende Rolle spielt, doch auf der Bühne ziehen diese Typen das Ding mit soviel Herz und Arsch in der Hose durch, dass es einfach nur Laune macht.
Und der suchmaschinenfeindliche Bandname ist als kollektiver Schlachtruf immer noch unübertroffen. Das erinnerte mich auch diesmal wieder an die Orks vor Minas Tirith, als sie im dritten
Herr der Ringe-Film ihren Rammbock auf die Stadttore loslassen: "Grond! Grond Grond!"
Asphyx sind eine von vielen großen Metal-Bands, deren Sound ich aus den frühen Neunzigern zwar kenne, von denen ich damals auch ein oder zwei Alben als Kassettenkopie hatte, die ich aber niemals weiter auf Tonträger verfolgt habe - und von denen ich auch unter keinen Umständen unter Eid beschwören könnte, ob ich sie damals mal live auf einem Festival gesehen habe oder nicht.
Ist aber auch scheißegal, denn die niederländischen Old-School-Death Metal-Veteranen (mit gelegentlicher Doombremse) der Generation Bolt Thrower / Benediction verlangen live null Songkenntnis, um einen derbe umzuwuchten. Nur Frontmann Martin van Drunens Ansagen zu folgen war manchmal schon eine Herausforderung, denn für einen Nicht-Muttersprachler schnackt der Mann ein ganz schön eiliges Deutsch. Egal, war sympathisch.
Und musikalisch war diese Traditionstodesbleiwalze ohnehin ein Urgesteinsabriss vom Feinsten.
So gut und richtig es auch ist
Asphyx als Veteranen zu bezeichnen, so sehr habe ich mich vorhin bemüht, mich noch mit Superlativen bezüglich oldschooligem Kult zurückzuhalten. Der Grund ist klar:
Cirith Ungol, 1971(!) gegründet, ewige Underground-Helden des Heavy Metal, deren kauziger und bösartiger Stil diverse Subgenres in Proto-Form vorwegnahm, beispielsweise sowohl als Inspiration als auch Stifter des Gitarrensounds von
Celtic Frost. Außerdem eine Band, die nach einem Vierteljahrhundert kompletter Abstinenz mit einem sensationellen, sich nicht nur auf ihre Klassiker reduzierenden Comeback brillierte.
Aus gesundheitlichen Gründen wurde vor knapp einem Jahr nun aber das endgültige Ende der Liveaktivitäten für Ende 2024 angekündigt. Mein Glück, dass die Band um das nach wie vor unverkennbare, schrille Organ von Sänger
Tim Baker zum Abschied tatsächlich auch in Norddeutschland vorbeischaute.
Das furious abgefeierte Set hatte zwar einen Schwerpunkt auf dem 1984er Album "King of the Dead", denn klar, ohne Klassiker wie den Titelsong oder "Black Machine" wäre diese Show schwer vorstellbar gewesen, doch daneben wurden tatsächlich auch alle anderen Album, vor und nach der Reunion berücksichtigt. "Frost and Fire", "Join the Legion", "Forever Black"... alles dabei. Im Grunde hat mir persönlich hier als witziger feuerroter Faden und Vergleich zum Original
auf dem Prophecy Fest neulich eigentlich nur das
Arthur Brown-Cover "Fire" gefehlt.
Soundtechnisch war der Auftritt leider nicht das Highlight des Abends, da die drei Gruppen davor fetter aus den Boxen gedrückt gekommen waren und der Gesang - zumindest wenn man weit vorne stand - sehr weit in den Hintergrund gemischt erschien. Das tat der besonderen Stimmung allerdings keinen Abbruch.
Ansonsten gibt es ähnlich wie bei Angel Witch oder Satan im Grunde gar keine brauchbaren Referenzen, die man zur Einordnung einer Cirith Ungol-Show heranziehen kann. Dafür war dies viel zu sehr das Original, die Ursuppe. Die isst man wie sie ist, und das ist auch gut so. Klar, das schmeckt ein wenig nach Schwefel, "Blood & Iron", aber hey - für Fastfood lässt sich immer noch auf dem Heimweg anhalten.
(Und Junge, nachdem ich seit dem Mittagessen nur einen Müsliriegel gegessen hatte, war das auch tatsächlich mal nötig.)
Ich bin echt froh, dass ich diesen Legenden nun doch einmal huldigen durfte. Und für den ganze langen Abend gilt: Super Sause! So ein beeindruckendes Gratulantenaufgebot bekommt nicht jedes Geburtstagskind zusammen.
Vielen Dank, liebes Deaf Forever!