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2024-09-13

PROPHECY FEST 2024 in der Balver Höhle • Teil 1/2: Freitag, 6. September • mit ARTHUR BROWN, EÏS, FORTÍÐ, GERM, IN THE WOODS…, PERCHTA, SOLSTICE, THIEF, TRIPTYKON und VALBORG

Ich muss und kann nicht jede Ausgabe mitnehmen, aber alle Jubeljahre ist das Prophecy Fest in der Balver Höhle durchaus ein lohnendes Ziel für mich.
Dieses Jahr war mal wieder Grund zum Jubeln angesagt. Klar, es spielten ja auch Dool, was bisher meine Grundvoraussetzung zu sein scheint, damit ich für zwei Sommernächte - und Junge, was war es nachts noch warm! - meinen Allerwertesten durch halb Deutschland ins urige Steinzeitambiente dieser speziellen Location im Sauerland bewege.
(Da die Niederländer aber auch ansonsten sehr fleißig touren, waren sie natürlich nicht alleine, sondern nur in Kombination mit weiteren Leckerbissen mein Anreiz zum Ticketkauf.)

Donnerstags sitzen die früher Angereisten in Balve zwar auch schon draußen am Fuß des Höhlenfelsens und machen Picknick zu leiseren Tönen, aber das ist mir persönlich keinen zusätzlichen Urlaubstag und längeren Hotelaufenthalt wert.

Und so fuhr ich Freitag morgens los mit dem Ziel, lässig zwanzig Minuten von Balve entfernt einzuchecken und dann pünktlich zu Beginn der ersten Liveband um 15:00 Uhr auf der Matte zu stehen. Von mir aus war das auch kein Problem. Doch leider dauerte das Anstehen zur Abholung von Bändchen und Festivalprogramm (wie immer stilvoll im CD-Artbook-Format mit zwei zwei Tonträgern, auf dem alle Künstler des Wochenendes vertreten sind) länger als erwartet, so dass die Festivitäten schon voll im Gange waren, als ich ins Naturgewölbe eintrat. 






Prophecy-Klischee-Check: Band mit Hackbrett (oder gehämmertem Dulcimer, wie der Angelsachse sagt). Und das schon so früh!

Doch ernsthaft: Die österreichische Folk/Black Metal-Gruppe Perchta um die grandios versatile und sowohl in sauberen als auch kreischenden und gurgelnden Tönen eindrucksvoll ausdrucksstarke Sängerin Frau Percht war ein äußerst überzeugender, im Grunde schon fast zu guter Opener.
Eine ruhigere Beschwörungspassage zündete in dieser Phase, in der das Publikum sich erst noch akklimatisierte, noch nicht zu hundert Prozent, doch im Großen und Ganzen war der Auftritt, der auch in seinem heidnisch feministischem Geist ein bisschen etwas von einer schwarz brutalen Minivariante von Heilung hatte, ein großartiges Schauspiel lebensbejahenden Furors.


Nach Perchta ging es sofort nach vorne an die kleine Bühne an der anderen Seite der Höhle. Diese zweite Bühne hatte letztes Jahr in meiner Abwesenheit ihren Einstand gehabt - und war auf ziemlich viel Kritik gestoßen, da dort zwischen jedem Hauptbühnenact gespielt wurde und die Soundchecks und Shows beider Bühnen sich ständig gegenseitig störten.
Diesmal war das Nebenbühnenprogramm deshalb auf nur drei Shows pro Tag reduziert worden. Einige Hauptbühnenpausen wurden also hier nur für Umbau und Soundcheck genutzt, so dass die ganze Idee ohne Stress funktionierte. Der Platz vor der Bühne - und im Bereich, wo der Sound angemessen wummste - war hier natürlich etwas exklusiver, aber bei welchem Festival ist dies nicht so? Ich empand diese Erweiterung jedenfalls als starke Bereicherung der Veranstaltung.

Das ließ mich dann auch verkraften, dass der aufwendigere Covid-Zeiten-Aufbau aus 2021 mit dem offeneren Höhleneingang und sehr viel open-air-artigerer Atmosphäre leider doch eine einmalige Episode geblieben ist.
In der zweiten hinteren Nische der Höhle, außer Sicht der wieder am Eingang plazierten Hauptbühne war wieder das Merch-Areal, welches diesmal sehr entspannt funktionierte, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich an der Kasse tatsächlich auch immer exakt den ausgezeichneten Preis bezahlt habe. Dazu noch eine Ecke für Autogrammsessions und gegenüber eine Bar. Die exklusiven Sitzplätze für Aufpreis zahlende "Bessergäste" störten zum Glück nicht. Bei genauerer Erinnerung an die örtlichen Gegebenheiten hätte ich vermutlich auch gar keine Befürchtungen im Vorfeld gehabt...

Das war das Setup - draußen vorm Eingang natürlich noch mehr Essen, Trinken und sanitäre Einrichtungen, alles von mir als Aus-dem-Auto-Versorger kaum genutzt - und nun ohne weitere Abschweifungen weiter im Text:

 






Geil! Den bass- und groovemächtigen Sound von Thief hatte ich in diesem Umfeld mal gar nicht erwartet. Elektronisch trip-hoppend, atmosphärisch, aber auch noisy, finster und industrial-metallisch mit einer unglaublich tighten Rhythmussektion - und dabei auf ihre eigene coole Weise auch theatralisch. Ja, dieses Trio bot schon ein feines fettes dystopisches Paket und wurde dafür verdient abgefeiert. Der Gag mit dem vom Computer gesprochenen Ansagen wirkt zwar immer noch, wurde vor zehn Jahren während der Spectre-Tour von Laibach aber durchaus noch witziger auf die Spitze getrieben.

Für mich war auf jeden Fall sonnenklar, dass ich mir auch Thiefs zweiten Auftritt am nächsten Tag ansehen würde.









Bei einem zum großen Teil mit Künstlern aus dem eigenen Stall besetzten Labelfestival gibt es ja immer bereits bekannte Gesichter zu sehen. Das ist mal gar nicht so schön, mal allerhöchst willkommen - oder im Fall meines zweiten Eïs-Bades nach 2021 irgendwo auf der Skala dazwischen. Aber schon mit deutlicher Tendenz zu letzterem.

Nach wie vor betteln die deutschen Schwarzmetaller zwar nicht um Einlass in meine Plattensammlung, bieten aber anderseits als Liveband keine Angriffsfläche für Gemecker. War schon ein frostig fetter Black Metal-Blizzard, dem ich mich bei Gelegenheit immer wieder uassetzen würde.









Komischer Trick: Beim ersten Song eine Viererbesetzung vortäuschen, doch dann verkrümelt sich die Sängerin ins Publikum und ließ den Mikroständer in der Mitte der Bühne vergebens auf eine Rückkehr warten. Nicht dass der aggressiv-verzweifelte Post Black Metal / Post Punk / Post Rock der australischen Gruppe mit dem Namen, über dessen Bedeutung ich nicht weiter sinnieren möchte, mir nicht gefallen hätte. Aber mehr Damengesang wäre schon nett gewesen - zumal das Geschreie des Drummers, der sich anscheind in den Offbeats reichlich und schmerzhaft auf seine Finger prügelte zwar heftig, aber auf Dauer auch etwas anstrengend war.

Germ waren im Songwriting überraschend geradeaus und catchy, auf eine vertraute, aber doch als eigen im Gedächtnis bleibende Weise. Gutes Zeug. Live allerdings zugegebenermaßen auch etwas besser als auf Konserve, wie ich gerade beim Nachhören feststelle.









Nach zwei guten Shows war es nun aber wieder Zeit für noch eine dicke Schippe fettes Brett obendrauf! Und wenn es die auf der kleinen Bühne mit Valborg nicht gegeben hat, dann war ich in Wirklichkeit nur auf einer Karnickelzüchtermesse und habe diese ganze zweitägige Höhlenepisode nur geträumt.

Der Brüllbassist des deutschen Trios hatte mit seinem meterbreiten Aggro-Stankface schon etwas von einem bösen Farin-Urlaub Zwilling - und dieser Vergleich lässt sich durchaus auch auf die Musik ausweiten, die sich trotz ihrer simplen Einprügelstrukturen gar nicht so leicht klassifizieren lässt? Ist das nun Brötzmann-Worship, Crust Punk, Noise? Oder doch eher todesbleierner Industrial / Sludge Metal? Keine Ahnung, aber es geht in bester Eisenvater-Tradition gnadenlos direkt und ungefiltert in die Fresse!

Valborg waren für mich persönlich zweifellos die zentrale Neuentdeckung des Festivals. Diese präzise geprügelte deutschsprachige Beerdigungsmaschine macht einfach irre gute schlechte Laune. Hammer! 









Auf der Hauptbühne wurde es danach mal ungewohnt traditionall mit der reinen melodischen Doom / Heavy Metal-Schule von Solstice. Kein Auftritt, den ich super intensiv verfolgt hätte oder der mich verfluchen ließ, dass ich die Band in ihrer über dreißigjährigen Geschichte bisher nie beachtet hatte, aber durchaus mehr als nur hörbar. Sehr klassisch mit viel Saitenharmonie und großem Powerhouse-Leadgesang; der Siebziger-Headband-Look eines der Gitarristen war hier durchaus als programmatisch zu verstehen. Kann man so machen, vor allem mit der Erfahrung, welche die Engländer im Genre mitbringen.









Hmm... In The Woods... habe ich mir ehrlich gesagt nicht wirklich angeschautl, denn man muss ja auch mal etwas futtern. Da die Wege rund um die Höhle aber kurz sind, habe ich doch noch genügend mitbekommen, um zu wissen, dass das Post Black Metal-Ding der Norweger nichts für mich war. Viel ereignisloses Midtempo, wenig bemerkenswertes. Eigentlich genau das dröge Mittelmaß, welches man zwischendurch gebrauchen kann, um ohne schlechtes Gewissen eine Pause machen und Kraft tanken zu können.









Was mir bei der vorigen Band an Energie und Arschtritt gefehlt hatte, das hatten das Trio Fortíð sich beim Packen in Island zum Glück reichlich in die Koffer gequetscht. Deathened Black Metal mit reichlich Thrash und Heavy Metal-Einschlag. Starke Riffs, Leadgefrickel, kreisende Matten. Keine Raketenwissenschaft, aber ein gesundes Maß an Vulkanologie. Das machte reichlich Laune vor der kleinen Bühne.

Ganz bis zum Ende blieb ich hier nur nicht, da ich mir gerne einen Platz nahe an der Hauptbühne sichern wollte, die für den Rest des Abends ganz unterschiedlichen lebenden Legenden gehörte...









Déjà vu! Und diesmal eines der extrem erwünschten Sorte! Der letzte Prophecy-Auftritt von Arthur Brown war wegen Erkrankung seiner Musiker ins Wasser gefallen. Schade für die damaligen Besucher, aber Glück für mich, da ich den 82 Jahre jungen Sänger damit bei der Nachholshow zum zweiten Mal erleben durfte.

Wie viele Überchneidungen es in den Setlists der Shows gab, kann ich nicht sagen, da ich es leider trotz der Begeisterung für den letzten Auftritt bisher versäumt habe, in seine klassische Diskographie jenseits des neuzeitlichen Albums bei Prophecy Productions einzutauchen. Den bekannten Kostümen, die er zwischen jedem Song wechselt oder anpasst, nach kamen sie mir schon ziemlich ähnlich vor. Aber das war voll in in Ordnung. Der Mann spielt halt seinen in tausend Farben glitzernden Stiefel - und warum sollte er auch etwas anderes tun, wenn das Ding so perfekt sitzt?

Der Mann hat diese Art Rocktheater schon vor Alice Cooper erfunden und singt die psychedelisch progressiven Blues und Rockstücke immer noch in seinem unnachahmlichen, exzentrisch über Oktaven tänzelndem Stil wie ein junger God of Hellfire. Und seine Band, die neben den eigentlich Liedern ja auch viele Garderobenausflüge des Meisters zu überbrücken hat, erfüllte diese Aufgabe wieder mit Bravour.

Phänomenal!









Natürlich war es scherzhaft gemeint. Doch auf derselben Bühne "I'm too old for this shit." zu äußern, wo gerade Arthur Brown so überwältigend der Rente getrotzt hatte, war nicht Thomas Gabriel Fischers Spitzenleistung dieser Nacht, sondern eher was man heutzutage als Self-Own bezeichnet.

Aber wer ein musikhistorisches Gewicht wie der der Schweizer Urvater diverser Metalbewegungen mit sich trägt, der hat natürlich mindestens einen solchen Moment frei, ohne angezählt zu werden.
Triptykon live sind immer ein Ereignis - und zumindest aus meiner Erfahrung auch immer etwas anders. Mal konzentriert sich die Band auf ihr epochal tonnenschwer quälendes Death Doom-Programm, mal zollt man in verschiedenen Intensitäten den Vorgängergruppen Celtic Frost oder gar Hellhammer Tribut. Mal gibt man sich mit Gastsängerin gotischer und opernhafter - oder man öffnet das komplett avantgardistische Orchesterfass. Was sollte es diesmal sein?

Im Grunde war es ein ziemlich reguläres Standardprogramm der größten Brocken der beiden Triptykon-Studioalben plus der sich stilistisch perfekt in die herrlich zähe Masse einreihende Opener "Synagoga Satanae" vom letzten Celtic Frost-Album, als die Band eigentlich schon Celtykon war.

Ein traditionelles Cover, welches diesmal fehlte, war sicherlich "Procreation Of The Wicked". Stattdessen gab es auf Wunsch des Festivals mehrere Stücke von "Into The Pandemonium".
"Mexican Radio"? "I Won't Dance"? "Tristesse de la Lune"? "One In Their Pride"? Nein, so wild trieb man's natürlich nicht. Obwohl eine komplette Show dieses Albums in seiner ganzen damals geradezu absurden Breite für mich durchaus großen Reiz gehabt hätte!

Hier und heute musste es dann bei "Mesmerized", "Sorrows Of The Moon" (immerhin diese Version) und "Babylon Fell" bleiben. Das war schon nett, aber wenn ich ganz ehrlich bin war dieses Trio aus dem Albumzusammenhang gerissener Stücke im Vergleich zum triptykonschen Material doch eher zierlich. Gegen kolossale Sonnenverdunkler wie "Goetia", "Abyss Within My Soul" und natürlich das sich brilliant ewig ziehende "The Prolonging" kannst Du eben auch mit größtem Mittachtziger-Metalkult nur schwer anstinken. Und das spricht - so oft und gerne Meister Warrior auch in seinem eigenen musikalischen Erbe badet - doch enorm für die Qualität des Quartetts.

Nicht meine liebste Triptykon-Show, aber immer noch göttlich. Dieser Band mit ihrer ausgezeichneten Chemie beim düsteren Brodeln zuzuschauen ist immer eine sinsistre Freude. 



Wie gut, dass nun Feierabend war! Nicht nur, weil nach diesem Legendendoppelschlag einfach nichts mehr kommen kann, sondern auch, weil ich ja schon seit halb sechs Uhr morgens auf den Beinen war und es als Schleswig-Holsteiner überhaupt nicht gewohnt bin, nachts um halb zwei noch müde durch Serpentinen zu kurven.

Spoiler: Ich habe langsam aber sicher mein Hotelbett erreicht. Es gibt also demnächst einen zweiten Teil dieses Berichts!

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