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2021-09-14

PROPHECY FEST in der Balver Höhle 2021 • TAG 1: Freitag, 10. September (mit ARTHUR BROWN, DORDEDUH performing NEGURĂ BUNGET u.a.)

 - Enter the Cave of Hellfire! -


30. Oktober 2019, Pre-Opening-Night des Überjazz Festivals in Hamburg. Das war mein letztes nicht-virtuelles Musikfestival. Aber da ich ja bereits vor einer Woche meine neunzehnmonatige Konzertpause mit Camel Driver und Pfund beendet habe, glaube ich, dass ich dieses Review trotz leichter Einrostungerscheinungen schon irgendwie auf die Reihe bekommen werde.

Für den nach all dieser Pandemiepause noch nicht mit meinem Geschreibsel vertrauten Leser an dieser Stelle gleich der Hinweis, warum die meisten Fotos in meinen Berichten so "komisch" aussehen: Es handelt sich um Bilder aus der Digital Harinezumi 3.0, einer in Kennerkreisen für ihre spezielle eigenwillig trashige Anmutung geschätze, japanische Spielzeugknipse, die sich inzwischen zu einer erstaunlich wertvollen digitalen Antiquität entwickelt hat.

Zur optischen Eingewöhnung reisen wir einfach mal schnell von Schleswig-Holstein durch einen den Tag zur Nacht machenden Wolkenbruch zum Hotel im Auenland Sauerland, und von dort gleich weiter zur Steinzeithöhle in Balve:


Wenn ich ganz ehrlich bin, dann hätte ich diese Fahrt für das diesjährige Billing unter normalen Umständen wohl nicht auf mich genommen. Doch ich war ja nicht nur ziemlich ausgehungert, sondern musste ja auch irgendwann mal - möglichst vor dem nächsten Roadburn Festival - ein bisschen üben, wie ich mehrtägige Veranstaltungen plus lange Autofahrten mit geänderten gesundheitlichen Voraussetzungen für mich organisieren kann. (Zum Glück ging das ziemlich reibungslos.)

Anderseits wäre ohne Covid-19, bei voller Planungsfreiheit mit allen internationalen Bands, wohl auch das Programm sicherlich stärker gewesen. Das Label hat in Übersee schließlich u.a. Kayo Dot und Coven im Stall.
Ein Teil von mir hatte natürlich auch unter aktuellen Umständen schon stark gehofft, dass die Anfang des Jahres gesignten Magma (ja, die französischen Zeuhl-Legenden Magma!) evtl. ihre Aufwartung machen könnten. So gesehen blieben Prophecy Productions, die hier dieses Jahr ihren fünfundzwanzigjährigen Geburtstag feierten, unabhängig von der tatsächlich gebotenen Qualität ganz klar unter ihren potentiellen Möglichkeiten.

Statt eines Programmheftes hatte es ja schon bei meinem letzten Prophecy Fest (2017; also das vorletzte, da das Festival seitdem alle zwei Jahre stattfindet) ein Artbook mit zwei Sampler-CDs zur Begrüßung gegeben, Dieses Jahr war das Format jenes Buchs noch größer und es enthielt sogar 4 CDs. Die Geschichte und Diskographie des Labels habe ich ehrlich gesagt bisher nur oberflächlich überflogen. Es reichte allerdings, um über meinen Bruder die seit Ewigkeiten komplett verschüttete Erinnerung an meine erste Begegnung mit Prophecy Productions vor drölfzig Jahren zumindest teilweise freizubuddeln.
Es ist ja auch nicht so, dass ein für beide Seiten peinlicher Gästebuchkonflikt aus der prä-sozialmedialen Zeit (aber einer aus dem Prophecy-Lager hatte mit extrem dreister Tonstudio-Werbung angefangen! Nana nananah!) irgendeinen brauchbaren Erinnerungswert hätte. Aber jetzt ist der Bullshit nun mal in meinem Kopf und muss da wieder raus, haha.

Prophecy Fest - Goodies + Merch-Einkäufe

Außerdem gab es diesmal auch einen Festivalbecher, den man vor Ort gar nicht brauchte, da die Getränke sowieso in Pfanddosen ausgegeben wurden. Ich vermute mal, dass das noch zu den Corona-Maßnahmen gehörte, von denen insgesamt erstaunlich wenig zu merken war, bzw. deren deutlichste Folgen sogar ausgesprochen positiv waren.

Um den Eingangsbereich zu vergrößern, lag die Bühne nämlich nun nicht mehr mit dem Rücken zum Höhlenausgang, so dass man an ihr vorbeigehen musste, sondern weiter hinten. Zwar musste der Boden des Publikumsbereiches recht aufwendig erhöht und auf eine Ebene gebracht werden, doch der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt und sollte zukünftig hoffentlich wieder betrieben werden. Denn es sah nicht nur von allen Seiten besser aus, sondern klang auch von allen Seiten besser. Dazu war auch die Luft viel frischer, man fühlte sich vor der Bühne nun tatsächlich fast wie auf einem regengeschützten Sommer-Open Air.

der Höhleneingang 

Da die Veranstaltung unter amtlich dokumentierten 3G-Regeln (geimpft, genesen, frisch getestet) stattfand, die Zuschauerzahl aber sogar noch unterhalb der aktuell erlaubten Menge bei maximal 999 lag, entfielen Masken- und Abstandsregeln für die Besucher. Es wurde am Eingang zeitweise im Schnellverfahren auf Krankheitssymptome getestet, doch insgesamt waren die Umstände beinahe so vorpandemisch normal, dass ich mich tatsächlich erst eine Weile daran gewöhnen musste.


Man musste sich also nicht um allzu viel kümmern, was auch das Motto meiner bei anderen Festivals ja durchaus gerne übertrieben akribischen Vorbereitung war. Wenn es eh nur eine Bühne gibt, dann muss man sich keinen detaillierten Plan ausarbeiten. Ich ging also erfrischend unwissend an dieses Wochenende heran.
Nur in die ersten, ab zwölf Uhr mittags spielenden Bands hatte ich schon reingehört, um mich zu vergewissern, dass ich während meiner Anreise nichts wesentliches verpassen würde.

Zum Glück gab es tatsächlich nur mittelprächtigen Neofolk und anderes für mich ebenso nebensächliches Zeug. Und dass einige Höllenabschnitte auf der Autobahn dann doch noch zu weiterer Verspätung als erwartet sorgten und verhinderten, dass ich rechtzeitig zu den 2017 schon einmal gesehenen Sun Of The Sleepless am Ort des Geschehens eintraf, fand ich auch nicht weiter tragisch.

(Die bereits donnerstags draußen stattfindende Aufwärmparty war für mich eh nie ein Thema.)




Hekate

Prophecy ist stilistisch ja mittlerweile nicht mehr leicht zu fassen, doch es gibt so ein paar Merkmale, die sich viele Gruppen auf dem Label teilen. Eine nicht so gute Angewohnheit sind deutschsprachige Texte, bei denen man immer aus Angst vor Cringe-Poesie reflexartig alle Kenntnisse der eigenen Muttersprache ausblendet. Nett hingegen ist, dass komplett unabhängig vom Genre immer gerne zusätzlich Trommeln und andere Perkussionsinstrumente für Sänger, Gitarristen oder wer sonst gerade Zeit und Lust hat, auf die Bühne gepackt werden.

Auf die einerseits mystisch organischen, aber dann doch auch elektronisch unterkühlten Neofolker Hekate traf gleich beides zu. Unterm Strich war die Band aber zum Warmwerden ganz ordentlich. Außer diesem generellen Eindruck ist allerdings auch nichts konkretes nachhaltig hängengeblieben. 





Dordeduh performing Negură Bunget

Beeindruckender wurde es nun mit den Rumänen Dordeduh, die mir seit ihrer Wacken-Show 2014 ein Begriff sind. Heute gab es allerdings - zum wahrscheinlich letzten mal - ein exklusives Programm aus Material ihrer Vorgängergruppe, der symphonisch-folkloristischen Black Metaller Negură Bunget.
Gerade wenn bei einigen Stücken (vgl. Prophecy-Trademarks weiter oben) noch zusätzliche Trommeln und hängendes Holzbrett zum Einsatz kamen, war es für mich zwar ohne Songkenntnis nicht mehr eindeutig von dem zu differenzieren, was die Band heute macht, aber super bleibt super. Heftig, aber auch sehr kreative und eigenständige Bedienung. Ein Auftritt, der auf jeden Fall gefühlt zu schnell zu Ende ging.






Dornenreich

Huch, da hätte ich im ersten Entwurf doch glatt eine Band vergessen! Naja, wer sich an meinen Bericht vom zweiten Festivaltag 2017 erinnert, der weiß, dass ich eher so nicht der Fan von Dornenreich bin, schon weil es sich hier um die schlimmsten Vertreter und vermutlich auch Begründer der bereits erwähnten Prophecy-Tradition der teutonischen Schlimmpoesie handelt.

Mein Plan war also, der Höhle komplett fernzubleiben und im Auto eine längere Entspannungspause einzulegen. Doch da meine Blutzuckerpolizei mir irgendwann anriet, bald mal einen Happen Kohlenhydrate zu mir zu nehmen, bewegte ich meinen Hintern dann doch früher als erwartet zum Currywurstwagen und bekam wieder ein bisschen Dornenreich mit. Zu meiner Überraschung trat erneut die akustische Duoversion der Gruppe auf, was sich damals schon als zumindest während der Gesangspausen eigentlich ganz passabel anhörbar entpuppt hatte. Ich musste also zumindest nicht mit dem heißen Teller in der Hand panisch fliehen.







Arthur Brown

79 Jahre ist Arthur Brown bereits jung, und ich hätte vor einem Jahr vermutlich nicht einmal gewusst, dass der Mann immer noch die Bühnen dieser Welt unsicher macht. Aber hey, als Fan des Sun Ra Arkestra weiß man ja, dass da durchaus noch fünfzehn weitere Jahre drin sein könnten. Der "God of Hellfire" teilt sich mit den Free Jazz-Legenden auf jeden Fall eine Vorliebe für crazy bunte Glitzerfummel. Tatsächlich verschwand der kleiderständerschlanke Mann zwischen jedem Song zum Kostümwechsel, während seine Band in mal chaotischen, mal atmosphärischen oder exzessiv abrockenden Interludes die Muskeln spielen ließ.
Klingt für jemanden, der nicht dabei gewesen ist, evtl. ein bisschen doof, war aber in Wirklichkeit komplett großartig. Die drei Musiker (Drums, Monsterbass und wechselweise Gitarre und Orgel) hexten einen fetten mit Blues und Psychedelik getränkten Proto-Hardrock, der die perfekte Grundlage für die Performance des Meisters bot.

Ich will nicht so tun, als ob ich Brown-Experte sei. Klar, jeder kennt den Refrain von "Fire", doch das Ding wurde selbstbewusst schon früh, ich glaube an dritter Stelle der Setlist, verbraten, und alles andere war für mich im Grunde Neuland. Machte aber gar nichts, denn dass sich hier rechtmäßige Klassiker noch und nöcher aneinanderreihten, war auch so unschwer zu überhören.
Und vor allem: Was für ein fantastischer Sänger ist der Typ noch immer? Im Grunde eine volle Bluesröhre, die mich stark an Chris Farlowe erinnert, inklusive aller Achterbahnfahrten in spitze Falsetts und tiefere Lagen - aber doch noch eine ganze Ecke verrückter.

Ein irrer Auftritt, welches ein Publikum mitriss, das zu großen Teilen sicherlich aus Novizen seines Materials wie mir bestand. Für meinen Geschmack ganz klar und zweifelsfrei das Tageshighlight. 





Primordial

Ein abschließender Höhepunkt für viele Fans waren danach offensichtlich auch die schwer abräumenden Primordial.
Dieser Metal, der aus so vielen Subgenres so nahtlos zusammengefügt wurde, dass man relativ schnell die Kategorisierung sein lässt und das Kind einfach Metal nennt, ist gut gemacht und mir grundsätzlich sympathisch. Auf Tonträger bräuchte ich das aber kaum. Vielleicht war meine Aufnahmefähigkeit für heute aber auch aufgebraucht oder das Niveau durch Arthur Brown zu hoch geschraubt? Wer weiß... Da der Tag definitiv lang gewesen war, habe ich mich nach ein paar Stücken verabschiedet und auf den Rückweg ins Hotel gemacht.

Kurz vorm Schlafengehen schaute ich dort erstmals in den Livestream des komplett übertragenen Festivals rein, der sich als ziemlich gut gemacht herausstellte. Primordial hauten da allerdings auch gerade in den Sack.



Teil 2 dieses Festivalberichts gibt es hier:





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