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2025-08-16

ANCHOR AND BURDEN - Sunken Fleet / TONNEN VON HALL - Ein Abdruck vom Messer im Herzen


Eines dieser beiden Alben ist gerade erst vor einer Woche rein digital erschienen. Für das erste jedoch könnte ich kaum weiter innerhalb des Jahres zurückgehen, kam es doch bereits Ende Januar über Unsung Records heraus. Und doch ist es beinahe unvermeidbar, sie nun zusammen in ein Doppelreview zu packen...





TONNEN VON HALL - Ein Abdruck vom Messer im Herzen (CD) (2025)

Nein, dem Bandnamen zum Trotz fällt dieses Berliner Trio eigentlich nicht durch außerordentlich viel Reverb auf. Dann schon eher dadurch, dass gleich zwei Mitglieder diverse Custom-Modelle von Touch Guitars* spielen, bei denen als eine von vielen Eigenheiten alle acht Saiten von jeweils einem separaten Pickup uf einem eigenen Kanal abgenommen werden, wodurch man sie auch im Mix alle getrennt behandeln kann. Dadurch wiederum ergeben sich ungewohnte Möglichkeiten, ein einzelnes Instrument mit unterschiedlichen Sounds geradezu zu vervielfachen.

Was Markus Reuter und Alexander Paul Dowerk auf diesem Album zusammen mit Drummer Asaf Sirkis vom Stapel lassen, ist also ein verdammt fettes Brett, für das man gefühlt eigentlich deutlich mehr als drei Personen benötigen müsste.

Innerhalb von etwas über einer Stunde hauen Tonnen Von Hall auf "Ein Abdruck vom Messer im Herzen" satte einundzwanzig Instrumentaltracks raus. Oder auch zwanzig Instrumentals, denn in der "Zivilisationsfolie" gibt es tatsächlich ein paar super proggige A-Capella-Scat-Riffs - oder wie auch immer man diesen textfreien Gesang bezeichnen möchte - zu hören.

Klanglich geht es modern und heavy zu, mit Stilmitteln, die man auf diesem Niveau nicht mal eben in der Frühstückspause auf die Schnitte schmieren kann. King Crimson "Red" Prog trifft hier auf Post und Math Rock, Avantgarde Metal und jazzige Dissonanzen, die z.B. im Titelstück auch mal auf kayodotsche Weise in Horroratmosphäre kulminieren können.

Ja, es ist großenteils irgendwo schon ein angeberischer, ähnlich Panzerballett technik- und metrikbesessen verkopfter Hirnschmelzsound. Aber er funktioniert nun einmal einfach hervorragend. Und auch wenn man eigentlich denken sollte, dass man bei Musiker dieser Art die Songtitel im Grunde eigentlich würfeln können müsste, schaffen es Tonnen Von Hall tatsächlich, dass man - egal ob der Track nun "Stahlhalle", "Kraken", "Kaiserlicht", "Schacht", "Blutrille", "Endgegner" oder "Ätzung" heißt - doch immer ziemlich schnell, eine stimmige bildliche Assoziation im Kopf herzustellen.

Lieblinge hervorzuheben ist mir unmöglich, denn egal ob das düstere, mit über sechseinhalb Minuten deutlich über die Durchschnittslänge heraus zuckende "Donnermesser" oder kurze Interludes wie "Vorhalle" oder "Klingensaal" - skippen oder gar herausschneiden würde ich hier nichts. Alles steuert wertvolle Ideen zum Gesamteindruck bei.

Klar, mit einem kompakteren Vierzig-Minuten-Format wäre dieser Messerabdruck ein zerebral entspannteres Erlebnis. Aber das will man ja gar nicht. Denn diese den Hörer bis kurz vor die Schwelle zur Überforderung - aber nicht darüber hinaus - bringende konsequente Ausdauer bei gleichbleibender Wucht und Präzision ist eben auch, was die Gesamtwirkung dieses brillianten Albums mit ausmacht.   

*DISCLAIMER: Kein Instrumentenbauer hat dieses Review gesponsort. 








ANCHOR AND BURDEN - Sunken Fleet (download) (2025)

Anchor and Burden spielen laut Selbstauskunft kompromisslosen progressiven Avantgarde Doom-Jazz Post Metal. Und dass ein paar dieser Elemente auch deutlich bei Tonnen Von Hall vertreten sind, ist bei weitem nicht die einzige Parallele zwischen den beiden Bands. Nein, denn tatsächlich sind dies genau dieselben drei Typen - plus Bernhard Wöstheinrich an Keyboards und Elektronik.

Und so ist gerade in den proggigeren Licks oder am Sound der Gitarren auch klanglich schnell die enge Verwandschaft auszumachen. Die entscheidenden Unterschiede liegen jedoch in der langen Form (vier der fünf Stücke sprengen die Zehn-Minuten-Grenze), der vor allem durch die Synthies aufrechterhaltenen, betont nächtlich-atmosphärischen Darkjazz-Basis - und der extrem spezifischen und speziellen Kreuzung mit hypnotisch darüber zirkelndem Frickelwahnsinn und polyrhytmischer Dauereskalation.

Das Resultat klingt - auch wenn unentrinnbar in von John Zorn etablierter Avantgarde-Tradition stehend - wie ein erstaunlich eigenständiger Hybrid im Geiste von Jason Köhnen und Robert Fripp.

Eine verwirrend schöne labyrinthische Nachtfahrt über und unter den Wellen nebelverhangener, gespenstischer Gewässer.






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