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2011-01-03

Tonträger 2010, Teil 7 : Album des Jahres (JANELLE MONÁE)

Stimmen unterhalten sich, ein leises akustisches Durcheinander, denn das Orchester stimmt die Instrumente ... Das Publikum begrüßt den Dirigenten ... Und los geht sie, die Overtüre zu meinem persönlichen Lieblingsalbum 2010.

Nach meinen bisherigen Erwähnungen der Künstlerin in diesem Blog dürfte es nicht allzu überraschend sein, um welches Werk es sich handelt:

JANELLE MONÁE - The ArchAndroid (2010)

Erst einmal sei gesagt, dass ich mich eigentlich sehr schwer tue, Musik in Rangfolgen zu packen. Wenn mich jedoch eine CD dermaßen dazu bringt, den Rest meiner Sammlung zu vernachlässigen, wie es Janelle Monáes Debütalbum "The ArchAndroid" in den letzten Wochen und Monaten getan hat, wird zumindest die Wahl des persönlichen Lieblingsalbum des Jahres zu einer leichten Übung.

Eine ganz andere Sache ist es allerdings, auch nur einigermaßen knackig auf den Punkt zu bringen, was denn genau die enorme Faszination ausmacht, die mich hier immer wieder auf Play drücken und für fast 70 Minuten in Verzückung geraten lässt.

Die Magie entsteht durch viele verschiedene, kleine und große Teile, die zusammengesetzt sehr viel mehr als ihre bloße Summe ergeben - und ein erstaunlich homogenes Ganzes.

Auf rein musikalischer Ebene sind diese Einzelteile achtzehn - oftmals direkt ineinanderfließende - Tracks, von denen fast jeder für (mindestens) eine andere stilistische Facette steht, der sich auch die Sängerin stets wie ein Chamäleon anpasst. Eingerahmt und zusammengehalten wird alles durch klassische Overtüren und einen ganz dick aufgetragenen, orchestralen Song als Finale. 

Ein größerer, noch über dieses Album hinausgehender Rahmen ist das retrofuturistische Konzept um die "Erz-Androidin" Cindi Mayweather, eine mythische Erlösergestalt in der von Fritz Lang inspirierten Welt Metropolis im Jahre 2719 und ihre "Genmutter" Janelle Monáe (ja, genau die!), welche aus der Zukunft zu uns zurückgeschickt wurde, um uns die Augen zu öffnen und gegen eine mit der Zeit rumpfuschende Geheimgesellschaft anzutanzen... ja, das klingt schnell ziemlich wirr und reichlich überambitioniert, wird allerdings auch mit einer gehörigen Portion Ironie (unbedingt Booklet lesen!) gebrochen.

Die Story wird dabei nach meinem Empfinden auf dem Album weniger direkt erzählt, wie es bei vielen Rock-Opern der Fall ist, sondern findet vielmehr in einem imaginären Film statt, zu dem das Album sozusagen den Soundtrack darstellt. Die zeitreisende Künstlerin selbst spricht hier nicht umsonst von einem emotion picture.

Wie die vier Kreise auf dem Cover andeuten, besteht die gesamte Metropolis-Saga aus vier Teilen. Den ersten bildet die vorangegangene 5-Song-EP "Metropolis : The Chase Suite", Teil 2 und 3 befinden sich auf diesem Tonträger - und Teil 4 kommt erst noch!
Sollte sich Janelle Monáe beim Abschluss auch nur auf Augenhöhe der hiermit gelegten Messlatte bewegen, kann ich es gar nicht erwarten, das Gesamtwerk am Stück zu genießen!

Ich bin ihr auf jeden Fall jetzt schon dankbar, dass sie so konsequent den kommerziell gesehen sicherlich anstrengenden Weg dieses übergreifenden Konzepts und der nicht zwangsweise an Radiotauglichkeit orientierten Songstrukturen geht.
Ebenso kompromisslos ist sie ja mit ihrem androgynen Auftreten in klassischer schwarz-weißer Garderobe, wo andere Sängerinnen ihres Alters (Mitte 20) sich mit jedem Video und/oder Fernsehauftritt noch textilfreier und anzüglicher "neu erfinden" müssen, um Fans und Medien bei der Stange zu halten.

Denn es ist ja nicht so, dass sie keine Wahl gehabt hätte. Die Beziehungen zu bekannten Größen wie Outkast und P. Diddy usw. sind da, für Coca Cola hat sie auch schon gesungen, und mit ihrem Aussehen, Gesangs- und Tanztalent hätte sie auch eine Heerschar prominenter Produzenten versammeln können, die aus ihr dann wahlweise z.B. einen Beyoncé-Knowles-Klon, die neue Lauryn Hill, den weiblichen Usher oder sogar die schwarze Pink gebastelt hätten. In der Aufzählung fehlt noch eine Rapperin, das wäre auch kein Problem.

Zum Glück macht Janelle Monáe ihr eigenes Ding.

Und woraus setzt sich das nun zusammen? - Funk, Soul, Alternative, Musical, Hip Hop, Klassik, Rock, traditionelles und modernes... Letztendlich verschmelzen unzählige Einflüsse ganz einfach zu unterhaltsamen, anspruchsvollem Pop. Oder besser gesagt: Pop, so wie er sein sollte.
Pop mit Vision, bei dem gute Ideen nicht nur verschämt angedeutet, sondern durchgezogen werden, bei dem es kein Whitney-Houston-Gedenk-Geknödel um des Whitney-Houston-Gedenk-Geknödels wegen gibt. Pop, der den Mut hat, vielleicht auch mal ein paar überforderte Hörer am Wegesrand stehen zu lassen.

Pop, der verbindet.

Live kann man gut beobachten, wie heterogen sich ihr Publikum, das "The ArchAndroid" ja immerhin kurzzeitig auf Platz 12 der deutschen Charts gehievt hat, zusammensetzt. Ich persönlich bin da gewiss nicht der einzige, der mit einem Großteil der Musikgenres, die sie vermischt, normalerweise eher wenig in Berührung kommt. Der Schlüssel ist einfach, dass der Stilmix mit einer so leichten Selbstverständlichkeit zelebriert wird, dass es einem als Hörer ebenfalls ganz natürlich vorkommt.

Auch ich höre ja gewisse Songs diverser begabter Supersternchen wie Christina Aguilera, Alicia Keys und sogar der unsäglich gehypten Rihanna durchaus gerne, würde mir von denen aber niemals eine ganze Platte kaufen, weil's darauf letztendlich zu achtzig Prozent doch nur auf den anspruchslosesten gemeinsamen Konsumenten optimierten Konsenspop zu hören gibt. Miss Monáe optimiert eben fürs andere Ende der Musikhörerschaft.


Und dazu ist die Platte natürlich extrem groß und detailreich produziert, so dass es auch immer wieder neue Feinheiten zu entdecken gibt. Allein im Bassbereich darf der Nachfolger gerne noch eine Spur klarer klingen. *HaarausderSuppefisch*


Zum Schluss nun noch ein bisschen Assoziations-Namedropping ohne Anspruch auf auch nur annähernde Vollständigkeit: Prince, David Bowie, James Brown, Michael Jackson (zu "Off The Wall"-Zeiten), Jimi Hendrix, Simon & Garfunkel, Walt Disney.

Und wer sich jetzt immer noch nicht vorstellen kann, womit er/sie es hier zu tun hat, der muss das Ding eben einfach auf gut Glück kaufen. Vertraut meinem guten Geschmack! ;)



Anspieltipps: Dance Or Die, Cold War, Come Alive (The War Of Roses), Mushrooms & Roses, BabopbyeYa

1 Kommentar:

  1. Genau so ist es, ich höre diese Platte von früh bis spät.

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