Klammern wir Willy Millowitsch, Elvis Presley und die Sesamstraße an dieser Stelle einfach mal aus.
Vor knapp zwei Monaten, Am 8. Januar feierten sie vor allem im Weltraum Geburtstag:
Stephen Hawking, David Bowie - und natürlich die legendären Voivod!
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VOIVOD : Away, Chewy, Blacky, Snake |
Tatsächlich wurden
Voivod stolze 30 Jahre alt, was angesichts der wechselvollen Geschichte dieser Band ja schon als kleines Wunder gelten darf. Auf der einen Seite stand immer der durch ihren einzigartigen Sound schon früh erspielte weltweite Kultstatus, auf der anderen nicht nur die personelle Zerfaserung, nachdem sich in den Neunzigern gleich zwei Gründungsmitglieder (vorübergehend) aus der Gruppe verabschiedeten, sondern vor allem zwei schwere Schicksalsschläge: der schwere Tourbusunfall auf dem Weg zum
Wacken Open Air 1998, der für den damaligen Frontmann
Eric Forrest in ein neunmonatiges Koma mündete und natürlich der Tod von
Denis "Piggy" D'Amour, der im August 2005 dem Darmkrebs erlag.
Angesichts dieses menschlichen Verlustes, aber auch wegen der essentiellen Rolle seines einzigartigen Gitarrenstiles für den Sound von
Voivod, hätte demnächst wohl kaum jemand bezweifelt, dass das Ende der Band gekommen war.
Es ging aber auf sehr unkonventionelle Weise weiter, denn
Piggy hatte ihnen auf seinem Homerecording-Laptop Material für zwei weitere Studioalben ("Katorz" und "Infini") hinterlassen.
Und so gab ab 2008 tatsächlich sogar zwei verschiedene Versionen von
Voivod, welche parallel
existierten
(und wenn man die Bebilderung von
Voivod-Artikeln im Internet betrachtet, für eine bis heute andauernde Verwirrung
sorgten): Im Studio vollendeten
Michel "Away" Langevin und
Denis "Snake" Belanger zusammen mit Ex-
Metallica-Bassist
Jason Newsted die beiden posthumen
Piggy-Alben.
Das zunächst nur für ein paar Festivals angedachte Live-Lineup jedoch bestand neben dem Original-Schlagzeuger und -sänger aus dem nun ebenfalls zur Band zurückgekehrten
Jean-Yves "Blacky" Theriault und dem durch
Piggy zum Gitarrespielen inspirierten
Dan "Chewy" Mongrain, der die unmögliche Aufgabe, in die Fußstapfen seines Idols zu treten, seitdem mit Bravour meistert.
Es sind dann ja doch zum Glück doch ein paar Konzerte geworden, so habe ich persönlich
Voivod seit 2010 in
Wacken,
Zürich,
zweimal in Tilburg und zuletzt
in Hamburg erleben dürfen.
Im April 2011 hörte ich mit "Kaleidos" den ersten neu komponierten Song der Band, und seitdem war meine Vorfreude auf dieses Album ungebrochen. Und - soviel sei verraten - ich wurde nicht enttäuscht!
VOIVOD - Target Earth (Ltd. Edition Box Set) (2012)
Das selbstverständlich wie immer von Away gestaltete Cover des Albums (bzw. in meinem Fall der auf tausend Exemplare limitierten Box) sieht nicht nur geiler aus als 99 Prozent der üblichen Metal-Cover, sondern verrät auch schon ganz subtil etwas über den musikalischen Inhalt. Man beachte die Farben und vergleiche sie mit allen Voivod-Covern der Vergangenheit! Sämtliche dominierenden Farben wurden hier nämlich aufgegriffen, ganz so wie es auch musikalisch Anklänge an alle noch so verschiedenen Phasen der Bandgeschichte zu hören gibt.
Dies geschieht allerdings keinesfalls in krampfhaft konstruierter Form, sondern ist vielmehr logische Konsequenz dessen, was
Voivod in den letzten Jahren auf und abseits der Bühne getrieben haben. Zunächst einmal ist natürlich die Rückkehr
Blackys und seines unverwechselbaren "Blower Bass"-Sounds entscheidend. Seine letzten Studioaktivitäten mit der Band waren ja die Prog/Thrash-Meisterwerke "Dimension Hatröss", "Nothingface" und das damals umstrittene und heute umso beliebtere Spacerockalbum "Angel Rat".
Sein Mit-Saitenhexer
Chewy hat sich auch sehr intensiv mit der Spätachtziger-Phase auseinandergesetzt, indem er Gitarrenbücher zu "Killing Technology" und "Dimension Hatröss" veröffentlicht hat. Und "Hatröss" wurde 2012 ja schließlich auch komplett live aufgeführt...
Nebenbei haben
Voivod aber auch die Songs von "Negatron" und "Phobos" geübt und teilweise live gespielt. Für drei Viertel der Band waren diese ja quasi Coversongs, zumal von der Trio-Besetzung der neunziger Jahre nur
Away übrig geblieben ist.
Einige Live-Klassiker der Frühphase waren ja sowieso nie ganz weg, und so kam gewissermaßen die komplette Bandgeschichte mit ins Studio.
Gleich beim Opener und Titeltrack hat man das Gefühl,
Snake (auf dem ganzen Album mit der für mich besten Gesangsperformance seit "The Outer Limits") würde im Duett mit dem manisch schreienden
Eric Forrest singen.
Musikalisch hält sich der Track ebenso wie zum Beispiel "Mechanical Mind" hingegen eher an das wilde Kombinieren unzähliger Parts im Stile von "Dimension Hatröss", während "Kaleidos" - noch irrwitziger, aber dafür auch noch lockerer aus dem Ärmel geschüttelt - schon eher in der "Nothingface"/"Angel Rat"-Phase zu verorten ist.
Primitiver geht es im erstmals französischsprachigen Thrasher "Corps Etranger" und dem für
Voivod-Verhältnisse sehr gradliniegen "Kluskap O'Kom" (inkl. Shouting-Refrain) zu. Das eingängigste Stück ist jedoch der am Ende doch noch überraschend fiese Grooverocker "Resistance", welcher kaum an die Achtziger, sondern vielmehr an die 2000er Jahre der Band erinnert.
Bei all den Referenzen ist "Target Earth" aber auch über die gesamte Laufzeit ein für sich stehendes Werk, welches sich keineswegs in nostalgischer Zeitreise genügt, sondern vor allem nach vorne schaut. Dafür sorgt nicht zuletzt
Chewy, der sich erfreulicherweise nicht damit begnügt,
Piggys Stil zu imitieren, sondern auch viele neue Nuancen in den
Voivod-Sound hineinträgt. Technisch kann dem sowohl im technischen Death Metal, als auch Jazz und Pop geschulten Gitarrenlehrer, der neuerdings nebenbei auch noch als Coach für eine
Michael Jackson-Show arbeitet, ohnehin niemand etwas vormachen.
Die Songs sind allesamt so großartig, dass ich unter "Anspieltipps" eigentlich das komplette Album nennen müsste. Oder um es anders auszudrücken und das Fazit vorwegzunehmen:
2013 wird für den Metal ein ganz hartes Jahr, denn
Voivod haben mit "Target Earth" bereits im Januar das Metal-Album des Jahres rausgebracht. Mehr wird da nicht nicht kommen, das geht einfach nicht!
Einen einzigen Kritikpunkt gibt es allerdings schon. Der letzte, äußerst vielversprechend beginnende Song "Defiance" wird nämlich nach anderthalb Minuten plötzlich ausgeblendet!
Das Ganze ist natürlich eine fiese Hommage an
Venoms Rumpel-Klassiker "Black Metal", an dessen Ende es ebenfalls schon eine Vorschau auf das Nachfolgewerk "At War With Satan" gab.
Als Ausgleich zu diesem gemeinen Teaser enthält die Digipack-Version der CD dann aber noch zwei Live-Bonustracks vom
Roadburn Festival 2012, nämlich den Titelsong und das
Die Kreuzen-Cover "Man In The Trees" mit Gastsänger
Dan Kubinski.
Die Box enthält zudem noch die den Gesamtpreis schon rechtfertigende, zuvor nur als LP von
Roadburn Records erhältliche Liveaufnahme vom
Roadburn 2011, deren Tracklisting natürlich viele Übereinstimmungen mit
"Warriors Of Ice" zeigt.
Mit "Experiment" und dem besonderen Highlight den zu der Zeit erstmals von
Snake gesungenen "Phobos"-Track "Forlorn" gibt es aber auch ein paar Abweichungen. Auf jeden Fall für sich schon ein lohnender Silberling!
Ansonsten gibt die Box noch diverse Aufkleber, Postkarten, ein Poster und einen Gürtel, der für meinem Körperumfang zwar schon nicht mehr wirklich gemacht ist, für besondere Anlässe aber schon taugt und von daher ein sinnvolleres Extra ist als das Einheitsgrößen-T-Shirt in der "
Unplugged II"-Box der
Fantastischen Vier. ;)
Sagte ich schon, dass der Rest der Metal-Welt für dieses Jahr einpacken kann?
"Target Earth" =
das Pflichtalbum 2013. So weit möchte ich mich jetzt schon festlegen.
Anspieltipps: Kaleidos, Target Earth, Resistance, Mechanical Mind