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2013-03-16

DAVID BOWIE - The Next Day

Bäm! Plötzlich war da ohne jene Vorwarnung - wie aus dem Nichts - ein Lebenszeichen!

Ganz großer Feueralarm im Feuilleton. Die Buchstabensuppe wurde intravenös injiziert, die Archive vorbereiteter Nachrufe geplündert und sich hemmungslos in Ekstase geschwafelt. Keine Frage, zu diesem popkulturellen Paukenschlag galt es nun, sich auf jede erdenkliche Weise intellektuell zu positionieren, Brücken zwischen dem hier und damals zu schlagen, das Gesamtkunstwerk, seine Bedeutung für Mode und Zeitgeist neu zu bewerten und natürlich, die brennende Frage nach seiner aktuellen Relevanz zu stellen.

Was war geschehen?

In einer Zeit, in der jeder Stuhlgang Philipp Röslers von einem Spiegel-Liveticker begleitet wird, hat der große David Bowie, von dem man seltsamerweise zuletzt hörte, als er nicht bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in London auftrat, es tatsächlich geschafft, über viele Monate klammheimlich ein komplettes neues Album einzuspielen!

Am neulich schon von mir erwähnten 8. Januar, seinem Geburtstag, tauchte dann plötzlich das Video zu "Where Are We Now?" auf, ein sehr schwermütiger Song, in dem er die Stätte einer seiner kreativsten Phasen besingt, das Dorf Reher, in dem auch ich zu Hause bin. Auf deutsch erinnert er an die zwei nicht mehr vorhandenen Kneipen, den A&O- und den Bona-Markt, sowie die alte Bushaltestelle gegenüber der neuen Sparkasse. Kein Wunder, dass die hiesige Hörer- und Schreiberschaft kollektiv ausrasten musste, bis auf einige, die angesichts der melancholischen Schwermut etwas besorgt waren, dass es dem neuen Bowie an Dampf mangeln könnte.

Dass er sich beim Cover zum Album um schon mehr als eine bloße Reminiszenz an die Reher-Tage handelte, machte den Verdacht wahrlich nicht kleiner... Der zweite bekannte Song "The Stars (Are Out Tonight)" kam dann aber ganz anders daher, so dass den meisten Bowie-Fans wohl klar wurde, dass man sich vom gesamten Spektrum auf "The Next Day" besser ein eigenes Bild machen sollte.

   

DAVID BOWIE - The Next Day (2013)

Es ist wirklich ein sehr abwechslungsreiches Album geworden, auf dem jeder der 17 Tracks seinen eigenen Charakter hat. Natürlich gibt es dabei weitere Anklänge an die Vergangenheit, sonst wäre das genial plumpe Cover ja auch ziemlich deplaziert. Gleichzeitig ist es trotz Elementen wie dem Achtziger-Saxophon in "Dirty Boys" und "Boss of Me" kompositorisch aber keine reine Ü40-Veranstaltung, sondern in guter Bowie-Tradition mit modernem Sound zeitlos gut.

Im Zentrum des instrumentalen Geschehens stehen dabei fast immer die Saiteninstrumente, deren Bedienung sich mehrere alte Weggefährten teilen. Was kann z.B. schon groß schiefgehen, wenn sich Bowies engster Kompositionspartner Tony Visconti, sowie Tony Levin und seine großartige Live-Bassistin und Backgroundsängerin Gail Ann Dorsey die tiefen Saiten teilen? Genau, nichts.

Und dann ist da natürlich der Meister selbst. Welche Rolle er in den Siebzigern in was für einem Kostüm gespielt hat, war für mich schon immer nur Randnotiz. Ich bin da eher der Musik-Purist, so dass ich mich an der Überinterpretation und Sezierung des Künstlers David Bowie nicht beteiligen möchte.
Was ich weiß ist, dass er selbstverständlich ein Charismat vor dem Musikgott ist, eine unfassbar einzigartige Stimme hat und seine Lieder oft mit einer ganz eigenen, teilweise ironisch anmutenden Distanz singt, die ich unglaublich faszinierend finde. Auf "The Next Day" enttäuscht er in keinem dieser Punkte. Und sein Jahrgang 1947 ist ihm dabei nur sehr selten anzuhören, und zwar nur genau dann, wenn er es bewusst darauf anlegt.

"The Next Day" ist von vorne bis hinten eine energiegeladene, spannende Angelegenheit ohne Füllmaterial, welche tatsächlich neben dem optisch zitierten Reher-Klassiker "Heroes" bestehen kann.
Das einzige Haar in der Suppe, welches ich mit Lupe finden kann ist die durchgehend radiofreundliche Songlänge. Gerade den ganz und gar radiounfreundlichen Prog-Irrwitz meines persönlichen Lieblings "If You Can See Me" hätte man doch noch sooo viel konsequenter auskosten können... Das war's dann aber auch schon.

Nachdem ich mich ja schon frühzeitig auf Voivods "Target Earth" als Metal-Album des Jahres 2013 festgelegt habe, wage ich ich hier einfach mal ähnliches und erkläre David Bowies "The Next Day" hiermit zum besten internationalen Top-1-Album des Jahres.

Bäm!

Anspieltipps: If You Can See Me, How Does The Grass Grow?, The Stars (Are Out Tonight), Heat, Love Is Lost, Where Are We Now?

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