Kommenden Freitag gastiert die kreative Prog-Männerfreundschaft Nr. 1, sprich Neal Morse und Mike Portnoy, mal wieder in der hamburger Markthalle.
Zeit, sich anzuhören, was für ein Album sie im Gepäck haben!
Zeit, sich anzuhören, was für ein Album sie im Gepäck haben!
THE NEAL MORSE BAND - The Grand Experiment (LP+2CD) (2015)
Sowohl die Betonung der Band als auch der Albumtitel verraten es bereits: Dies ist kein reguläres Soloalbum des Sängers und Multi-Instrumentalisten. Einen radikalen Bruch mit Gewohntem stellt "The Grand Experiment" allerdings nicht dar. Das verrät schon ein Blick auf die Playlist, die formal denen von Spock Beards "V" oder Transatlantics "Kaleidoscope" ähnelt: ein Longtrack vorne, dann drei kürzere Stücke (inklusive einer Ballade) und zum Abschluss ein über 26minütiger Epos.
Auch dass dem Album eine Bonus-CD mit weiteren Studiosongs, einer Coverversion und Liveaufnahmen älterer Stücke beiliegt, ist beim hardest working man in prog nichts, was irgendwen überraschen dürfte.
Der einzige - aber entscheidende - Unterschied zu den vorigen Progrock-Albem von Neal Morse (also nicht den Singer/Songwriter und Worship-Alben, die der Mann ja auch noch ständig raushaut), ist dass er diesmal kein Material vorbereitet hatte, sondern alles von Null an komplett gleichberechtigt mit der Band komponiert wurde.
Die Band besteht aus fünf Sechsteln der Besetzung der "Momentum"-Tour, also neben der Rhythmussektion aus Mike Portnoy und Basser Randy George aus Bill Hubauer an Keyboards und allerhand anderem Gedöns und dem zurecht viel mit John Petrucci verglichenem Gitarren-Wunderkind Eric Gilette. Sogar Portnoy sagt das.
Und wie wirkt sich die größere Beteiligung der Musiker (laut Morse soll Bill Hubauer wahrscheinlich größere Songwritinganteile als er selbst haben) nun aus?
Vor allem in Frische!
Denn auch wenn im grundsätzlichen Aufbau nichts passiert, dass man von Neal Morse nicht erwarten würde, so hat doch jeder Song reichlich Momente, die den speziellen Charakter dieses Albums ausmachen.
Da sind z.B. die super souveränen, dominanten Grummel- und Slapakzente, die der Bass setzt, und auch alle anderen Instrumente spielen sich immer wieder offensichtlich von Morse' hier eben nicht gegebenen Masterplan frei.
Und betrachtet man nur das Drumming, so sollte "The Grand Experiment" sich auch in der Discographie Mike Portnoys sehr weit oben wiederfinden. Der Ausnahmedrummer findet hier ein sehr gutes Gleichgewicht aus Songdienlichkeit, bewährten Trademarks und überraschenden Details. Vor allem spürt man hier ähnlich wie beim Debüt der Winery Dogs einfach, dass der Mann Bock auf Mucke hat.
Ganz offensichtlich prägend sind natürlich die Passagen, in denen Hubauer und Gilette den Leadgesang übernehmen und sich dabei beide als echt große Vokalisten erweisen. Dass auch Mike Portnoy seine Backing- und Harmoniegesangsmomente hat, war da schon eher zu erwarten. Und dass er das mittlerweile sehr souverän macht, ist ja inzwischen auch bekannt.
Der größte (wiederkehrende) Gesangsmoment des Albums ist vielleicht die perfekt ineinander fließende Harmonie im Refrain der Ballade "Waterfall". Überhaupt, was für ein großer Song! In dieser Richtung vielleicht der größte Wurf seit "We All Need Some Light".
Zu den anderen Songs:
Der Opener "The Call" beginnt sofort mit sehr viel später wieder aufgegriffenem A Capella-Gesang und bewegt sich in den folgenden zehn Minuten vorwiegend im Reich des harten Progressive Rock mit hymnischem Gesang.
Der Titelsong ist dann ziemlich straighter Rock mit typischem Morse-Stampfriff und - ebenfalls typisch - sehr positiv aufbauender Stimmung. Ebenso wie das nach dem schon erwähnten "Waterfall" folgende, noch kompaktere, gesanglich zwischen fröhlich und sphärisch wechselnde "Agenda" wäre mir das Stück für sich alleine etwas zu einfach. Oder anders gesagt: ein komplettes Album in dieser Richtung würde ich mir nicht kaufen wollen. Im Zusammenhang funktionieren die Lieder aber gut.
"Alive Again" bildet auf Schallplatte die komplette B-Seite. Was soll ich mich groß bemühen, das Ding zu beschreiben? Es ist der Über-Epos der Scheibe mit all den lustigen, mächtigen, beeindruckenden Instrumentalpassagen, den Upbeats und den emotionalen Momenten und dem obligatorischen großen Finale... dick aufgetischt und dabei in sich sehr stimmig!
Und dann kommt ja noch die Bonus-CD, auf der das Niveau keinen Millimeter absinkt. "New Jerusalem" und "Doomsday Destiny" hätten ohne Bedenken auch aufs reguläre Album gepasst.
Und das Richard Harris-Cover "MacArthur Park" ist einfach überragend.
Es folgen mit "The Creation" und "Reunion" noch Opener und Abschluss des "One"-Albums welches Neal Morse auf dem von ihm veranstalteten Morsefest erstmals komplett live gespielt hat.
Also zusammen noch einmal eine gute halbe Stunde epischer Prog vom feinsten.
Was bleibt noch zu sagen?
Es gibt sowohl auf dem Album, als auch den Livesongs neben der Band noch Gastmusiker zu hören, also Saxophon, Streicher und Chöre.
Und natürlich sind alle Texte sehr spirituell. Neal Morse ist zutiefst religiös und trägt dies auch in die Welt hinaus. Ich persönlich kann damit gut umgehen, da ich die Lyrics zum einen ähnlich wie bei Behemoth (um mal ein extremes Beispiel zu nennen) eher als zur Musik passende Geschichte für sich ohne weltanschauliche Wertung betrachte. Und zum anderen hält sich Morse mit biblischem Vokabular auch weitgehend zurück, so dass die Texte hier auch für Atheisten persönliche Bedeutung entfalten können.
Die Bonusdisc hat da schon ein paar explizitere Momente mit dem bösen guten G-Wort, gerade im Liveteil, aber das weiß man als Fan ja und da muss man dann eben durch.
Zum Schluss noch das Äußerliche:
Obwohl es nur eine LP ist, kommt diese im Gatefold-Cover mit allen Texten der fünf regulären Tracks. Das Cover ist an sich auch schick; allerdings sollten es sich Layouter bitte sparen in solche Bilder auf dem Backcover noch die posende Band hineinzupasten - und wenn, dann doch bitte im passenden Größenverhältnis! (Hey, ich haben einen negativen Kritikpunkt gefunden!)
Fazit:
Auch wenn die letzten Absätze davon unnötigerweise etwas ablenken mögen:
"The Grand Experiment" ist ein Erfolg auf ganzer Linie, ein fettes Ausrufezeichen des Genres und der beteiligten Musiker. Das Konzert am Freitag kann also kommen!
Auch dass dem Album eine Bonus-CD mit weiteren Studiosongs, einer Coverversion und Liveaufnahmen älterer Stücke beiliegt, ist beim hardest working man in prog nichts, was irgendwen überraschen dürfte.
Der einzige - aber entscheidende - Unterschied zu den vorigen Progrock-Albem von Neal Morse (also nicht den Singer/Songwriter und Worship-Alben, die der Mann ja auch noch ständig raushaut), ist dass er diesmal kein Material vorbereitet hatte, sondern alles von Null an komplett gleichberechtigt mit der Band komponiert wurde.
Die Band besteht aus fünf Sechsteln der Besetzung der "Momentum"-Tour, also neben der Rhythmussektion aus Mike Portnoy und Basser Randy George aus Bill Hubauer an Keyboards und allerhand anderem Gedöns und dem zurecht viel mit John Petrucci verglichenem Gitarren-Wunderkind Eric Gilette. Sogar Portnoy sagt das.
Und wie wirkt sich die größere Beteiligung der Musiker (laut Morse soll Bill Hubauer wahrscheinlich größere Songwritinganteile als er selbst haben) nun aus?
Vor allem in Frische!
Denn auch wenn im grundsätzlichen Aufbau nichts passiert, dass man von Neal Morse nicht erwarten würde, so hat doch jeder Song reichlich Momente, die den speziellen Charakter dieses Albums ausmachen.
Da sind z.B. die super souveränen, dominanten Grummel- und Slapakzente, die der Bass setzt, und auch alle anderen Instrumente spielen sich immer wieder offensichtlich von Morse' hier eben nicht gegebenen Masterplan frei.
Und betrachtet man nur das Drumming, so sollte "The Grand Experiment" sich auch in der Discographie Mike Portnoys sehr weit oben wiederfinden. Der Ausnahmedrummer findet hier ein sehr gutes Gleichgewicht aus Songdienlichkeit, bewährten Trademarks und überraschenden Details. Vor allem spürt man hier ähnlich wie beim Debüt der Winery Dogs einfach, dass der Mann Bock auf Mucke hat.
Ganz offensichtlich prägend sind natürlich die Passagen, in denen Hubauer und Gilette den Leadgesang übernehmen und sich dabei beide als echt große Vokalisten erweisen. Dass auch Mike Portnoy seine Backing- und Harmoniegesangsmomente hat, war da schon eher zu erwarten. Und dass er das mittlerweile sehr souverän macht, ist ja inzwischen auch bekannt.
Der größte (wiederkehrende) Gesangsmoment des Albums ist vielleicht die perfekt ineinander fließende Harmonie im Refrain der Ballade "Waterfall". Überhaupt, was für ein großer Song! In dieser Richtung vielleicht der größte Wurf seit "We All Need Some Light".
Zu den anderen Songs:
Der Opener "The Call" beginnt sofort mit sehr viel später wieder aufgegriffenem A Capella-Gesang und bewegt sich in den folgenden zehn Minuten vorwiegend im Reich des harten Progressive Rock mit hymnischem Gesang.
Der Titelsong ist dann ziemlich straighter Rock mit typischem Morse-Stampfriff und - ebenfalls typisch - sehr positiv aufbauender Stimmung. Ebenso wie das nach dem schon erwähnten "Waterfall" folgende, noch kompaktere, gesanglich zwischen fröhlich und sphärisch wechselnde "Agenda" wäre mir das Stück für sich alleine etwas zu einfach. Oder anders gesagt: ein komplettes Album in dieser Richtung würde ich mir nicht kaufen wollen. Im Zusammenhang funktionieren die Lieder aber gut.
"Alive Again" bildet auf Schallplatte die komplette B-Seite. Was soll ich mich groß bemühen, das Ding zu beschreiben? Es ist der Über-Epos der Scheibe mit all den lustigen, mächtigen, beeindruckenden Instrumentalpassagen, den Upbeats und den emotionalen Momenten und dem obligatorischen großen Finale... dick aufgetischt und dabei in sich sehr stimmig!
Und dann kommt ja noch die Bonus-CD, auf der das Niveau keinen Millimeter absinkt. "New Jerusalem" und "Doomsday Destiny" hätten ohne Bedenken auch aufs reguläre Album gepasst.
Und das Richard Harris-Cover "MacArthur Park" ist einfach überragend.
Es folgen mit "The Creation" und "Reunion" noch Opener und Abschluss des "One"-Albums welches Neal Morse auf dem von ihm veranstalteten Morsefest erstmals komplett live gespielt hat.
Also zusammen noch einmal eine gute halbe Stunde epischer Prog vom feinsten.
Was bleibt noch zu sagen?
Es gibt sowohl auf dem Album, als auch den Livesongs neben der Band noch Gastmusiker zu hören, also Saxophon, Streicher und Chöre.
Und natürlich sind alle Texte sehr spirituell. Neal Morse ist zutiefst religiös und trägt dies auch in die Welt hinaus. Ich persönlich kann damit gut umgehen, da ich die Lyrics zum einen ähnlich wie bei Behemoth (um mal ein extremes Beispiel zu nennen) eher als zur Musik passende Geschichte für sich ohne weltanschauliche Wertung betrachte. Und zum anderen hält sich Morse mit biblischem Vokabular auch weitgehend zurück, so dass die Texte hier auch für Atheisten persönliche Bedeutung entfalten können.
Die Bonusdisc hat da schon ein paar explizitere Momente mit dem bösen guten G-Wort, gerade im Liveteil, aber das weiß man als Fan ja und da muss man dann eben durch.
Zum Schluss noch das Äußerliche:
Obwohl es nur eine LP ist, kommt diese im Gatefold-Cover mit allen Texten der fünf regulären Tracks. Das Cover ist an sich auch schick; allerdings sollten es sich Layouter bitte sparen in solche Bilder auf dem Backcover noch die posende Band hineinzupasten - und wenn, dann doch bitte im passenden Größenverhältnis! (Hey, ich haben einen negativen Kritikpunkt gefunden!)
Fazit:
Auch wenn die letzten Absätze davon unnötigerweise etwas ablenken mögen:
"The Grand Experiment" ist ein Erfolg auf ganzer Linie, ein fettes Ausrufezeichen des Genres und der beteiligten Musiker. Das Konzert am Freitag kann also kommen!
Anspieltipps: Alive Again, Waterfall, The Call, MacArthur Park
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