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2016-11-23

MONO, ALCEST und PG.LOST live im Uebel & Gefährlich, Hamburg (21.11.2016)


Mono
Warum müssen dieses Jahr eigentlich so viele geile Konzerte am Montag stattfinden? Egal, wenn eines der stärksten Tourpakte des Jahres nach Hamburg kommt, gibt es keine Entschuldigung!

Die letzten Kilometer vor Abfahrt Stellingen waren mal wieder das zähe Grauen, doch zum Glück hatte ich ein wenig Sicherheitszeitpolster einkalkuliert und mich eh schon darauf festgelegt, statt mühsamer Parkplatzsuche rund um den Hamburger Dom ein Parkhaus zu benutzen. Ansonsten hätte es vielleicht noch knapp werden können, mich rechtzeitig in den vierten Stock des Flakbunkers am Heiligengeistfeld zu schleppen.

Die erste der drei Bands des Abends begann ihr um die vierzig Minuten langes Set nämlich ca. vierzig Minuten vor offiziellem Veranstaltungsbeginn. Da mögen durchaus ein paar Fans enttäuscht worden sein. Und wo wir schon bei Veranstalterkritik sind:  Hey, Karsten Jahnke Konzertdirektion! Ich habe im Vorverkauf (ohne Versandkosten, da Ticket an der Kasse hinterlegt) satte 55 Cent gegenüber der Abendkasse gespart. Finde ich schon etwas mager.
Aber was soll's... Letztes Mal, als Mono im Hafenklang gastierten, hatte ich mich noch beschwert, für eine derart grandiose Band verboten wenig Eintritt zahlen zu müssen.
 

pg.lost

Doch nun auf die Bühne des Uebel & Gefährlich!

Pg.lost waren mir bisher vor allem durch eine Split-LP mit Wang Wen zumindest leicht bekannt. Also ich wusste schon, dass sie etwas taugen würden. Ich muss zugeben, dass es bei intrumentalem Postrock durchaus nicht immer leicht ist, unterschiedliche Künstler voneinander zu unterscheiden bzw. herauszustellen, was genau den individuellen Sound einer Gruppe ausmacht. Und so höre ich auch bei pg.lost viel bekanntes heraus: die Melodien von Maybeshewill, das soundtrackhafte der ersten Sinistro, die gelegentlichen synthetischen Ansätze von Cult Of Luna, die sludgigen Riffs von Jakob und vieles mehr.
Was zählt ist, dass pg.lost echt tolle Songs komponieren. Besonderes i-Tüpfelchen bei den Schweden ist der Gesang.
Ja, ich sagte, sie seien eine Instrumentalband. Aber per Effekt aus einer einzelnen Männerstimme gezauberte Alienchöre ohne Text zählen nicht!


Alcest

Wer ohne jede musikalische Vorkenntnis hier war, der hätte durchaus anzweifeln können, dass jetzt noch ein große Schippe nachgelegt werden würde.

Doch natürlich standen noch zwei gewaltige Baggerschaufeln bereit, die erste davon in Form der Franzosen Alcest. Die Pioniere des mit verträumten Shoegaze getränkten Post Black Metals gefielen mir hier noch viel mehr als bei ihrem durchaus schon überzeugenden Auftritt auf dem Wacken Open Air.
Das lag natürlich zum einen am Sound und der atmosphärischen Überlegenheit eines Musikclubs über ein Eventzelt, hatte aber auch damit zu tun, dass es heute viel Material vom "Kodama"-Album zu hören gab.
Was Neige, Winterhalter und ihre beiden Tourmusiker hier an Stimmung verströmten und verprügelten, schüttelte einem direkt die Seele durch und wusste ohne Einschränkung zu verzücken und zu entrücken.
Gesanglich stimmten auch sowohl der Klargesang als auch das Schwarzmetallgeschrei.

Und da dies eine echte Co-Headlinertour ist (38 Tage ohne day off!), fiel das Set dementsprechend erfreulich lang aus.

Setlist:
  • Kodama
  • Je suis d'ailleurs
  • Écailles de lune - Part 1
  • Autre temps
  • Oiseaux de proie
  • Souvenirs d'un autre monde
  • Eclosion
  • Percées de lumière
  • Délivrance  

Mono

Mono sind einfach ein Macht. Und das stellten sie wieder höchst eindrucksvoll unter Beweis.

Bei welcher anderen Band wissen gigantische Gefühle und erdbebenartige Lautstärke schon so episch zu eskalieren? Für das was die Japaner vom Stapel lassen, gibt es keine angemessenen Worte, vor allem wenn es dann noch in so einer perfekten Setlist mit den Schwerpunkten "Requiem For Hell" und "Hymn To The Immortal Wind" präsentiert wird.

Die größten Herausforderungen für mich waren zum einen, bei Takaakira Gotos finalem Lärmexzess in "Pure As Snow" ein paar Bilder zu knipsen, obwohl ich doch eigentlich meine Ohren vorm Zerfrästwerden schützen musste, sowie bei "Dream Odyssey", dem einzigen Stück mit Bassistin Tamaki am Klavier, nicht hemmungslos loszuflennen.

Kolossal und kathartisch. Mono bleiben im Genre des instrumentalem Post Rocks / Post Metals für mich unerreicht.

Setlist:
  • Ashes In The Snow
  • Death In Rebirth
  • Dream Odyssey
  • Pure As Snow (Trails Of The Winter Storm)
  • Recoil, Ignite
  • Requiem For Hell 

Fazit: Wie bei dem Line-Up erwartet einer der besten Konzertabende des Jahres. Fantastisch!

Nur der Merchandisingstand war enttäuschend. Also enttäuschend in dem Sinne, dass da viel zu viele Alben lagen, die ich gerne mitgenommen hätte. Echt brutal, sich da für eine kleine Auswahl zu entscheiden.



pg.lost:












Alcest:













Mono:























2016-11-20

ANNA VON HAUSSWOLFF - Källan (Betatype)

With most styles of modern era music it's hard to pin down when exactly it all started. But at least you can guesstimate their origins pretty close.

Not so much with drone. I won't go as far as to say that drone started when some Neanderthal hunter heard a mammoth fart for the first time or something like that. Well, maybe when he and his buddies killed the mammoth and carved horns from its tusks. Which I don't know if they even did at the time, so that's all slippery terrain, I guess.

But the first time drone occured in a form which can live up to today's listeners expectations might very well have been when the first pipe organs (or better the first ones with mentionable deep pipes) were tested. Whenever that was. Probably over a millenium ago.

Even though the pipe organ is still rolling strong I find it surprising how few musicians use it on tour, at home or in the studio. People are probaly just too lazy to set up those few thousand pipes before playing a tune.

Swedish singer/songwriter/musician Anna von Hausswolff also settles for a smaller solution on stage (as witnessed in Hamburg this October), but at least on her last two albums she was all about the real deal.

And so she does again on this recent limited and hand-numbered vinyl EP, which was recorded during the making of "The Miraculous":



ANNA VON HAUSSWOLFF - Källan (Betatype) (12" EP) (2016)

Boy, I almost didn't buy this record, because I accidently selected Danish instead of Swedish Kronors when I converted its price to Euro and deemed it too expensive. Luckily I had second thoughts when Anna announced that there were only fourty copies left, and then I discovered my mistake.

But to the music: In case you're at least medium clever you might have guessed correctly from my introduction that this record is heavily about drone and about organ.

"Källan" is a slightly over twenty minutes long organ piece in two parts, which has indeed been released before as a solo artist piece on "Källan (Prototype)".

This time the 9000 pipes mighty organ still dominates the composition, but Anna von Hausswolff also brings in her full band. On the first half you can miss this though, because the emphasis totally lies on the massive roaring and majestic grandeur of the organ, building up and building up, at first only underlined by synths, before those are also supported by more and more guitar patterns, concluding side A in a powerful dronetastic crescendo.

But that was only the warm-up for the second half, where the piece is at first set back to a more primal state and evolves to something bigger again. Now it fully becomes a band arrangement with some dark Earth-like guitars, before finally a stomping drum beat transforms "Källan" into an ultra-slow motion modern gothic headbanger. But this only lasts for a brief time (in doom perception). In the end everything escalates in a dissonant cacaphony of everything that there is and the world is left in black emptiness.

Anna von Hausswolff live in Hamburg
All in all this is a more than solid record for conoisseurs of organ-driven drone, so if you already loved Sunn O)))'s "Domkirke" you should probably go to a week ago and pre-order this!

The packaging is simple but beautiful, the vinyl labelling pure white, which can confuse you for a moment when you're trying to know which side is which.

It may not be obvious with all this deliberate simplicity, but besides the sheer fact of recording the big organ itself "Källan (Betatype)" allows itself one enormous luxury:

There you have Anna von Hausswolff, whose voice is capable of summoning angels to pinch unicorns, causing them to shit rainbows on which leprachauns slide to the earth to give out free cookies sparkling in gold dust to every one of us... but nah, you don't use your Kate Bush magic, simply because the music is already good enough without vocals.

Bold, but I really can't argue against that.


Great EP!


Highlights: Källan Part Two, Källan Part One


2016-11-19

WANG WEN - Sweet Home, Go!

Im Fernen Osten wird wieder einmal monumental transzendiert. Das neue Album der Chinesen Wang Wen ist - etwas später als ursprünglich erwartet - endlich da!



WANG WEN - Sweet Home, Go! (beer in clear / black in transparent blue 2LP) (2016)

Übersehen wir zunächst einmal gnädig die etwas seltsamen Songtitel. Englisch und Mandarin sind halt sehr unterschiedlicher Sprachen, bei denen es in der Übersetzung gerne holpert.

Stattdessen genießen wir lieber das großartige Artwork, bei dem jede der vier Albumseiten ein eigenes Cover hat, welches man durch die entsprechende Platzierung der Innenhüllen in der vorne offenen Außenhülle wechseln kann. Das verlangt zwar nach ein bisschen Vorsicht, wäre aber dennoch auch eine gute Idee für das ähnliche Konzept des Cult Of Luna / Julie Christmas-Albums "Mariner" gewesen.

Ein schöner Luxus ist das großformatige Booklet, in dem sich acht der zwölf Seiten voll und ganz der minimalistischen Copy&Paste-Coverkunst widmen. Sehr eigenwillig und gelungen ist das alles. Da muss man auch wieder einmal Pelagic Records dafür loben, solche positiv bekloppten Konzepte möglich zu machen.




Mit dem letzten Studioalbum "Eight Horses" hatten Wang Wen 2014 einen Kracher hingelegt, den ich guten Gewissens zur absoluten Créme de la Créme des Postrock/Post Metal-Genres zählen würde. Wie schließt man daran jetzt an?

Und welchen Einfluss hat das vor ein paar Monaten herausgebrachte Soundtrack-Projekt "In Course Of The Miraculous", bei dem sich die Band erfolgreich im experimentellen Live Ambient versucht hat?

"Sweet Home, Go!" findet seinen Platz irgendwo zwischen diesen beiden Polen.

Es ist deutlich zu spüren, dass die siebenköpfige Band bewusst in eine andere Richtung drängt als auf "Eight Horses", welches ja ein ziemlich wildes Album mit mehr als einem Querverweis zu Prog und Black Metal war. Insbesondere die sparsam eingesetzten, aber dafür umso wirkungsvolleren Brüllgesänge, die in sehr ähnlicher Form jüngst von Alcest auf "Kodama" wiederentdeckt wurden, stachen darauf hervor.

Und nun gibt es auf sechs der sieben Tracks gar keinen Gesang zu hören. Und auch "Reset" zählt in diesem Sinne nicht wirklich zu klassischem Bandgesang, da es sich um ein chorales A Capella-Outro handelt, welches auf der Schallplatte übrigens in eine schön fiese Endlosrille mündet, der ich beim ersten Hören bestimmt über fünf Minuten lang gelauscht habe. Sowas kann der beiligende Download natürlich nicht.

Musikalisch gönnen sich Wang Wen mehr Zeit und Raum. Die Tracks sind länger, oft langsamer und setzen noch mehr auf stufenweise epische Entwicklung als zuvor.
Insbesondere der Anfang des Openers "Netherworld Water" oder der ebenfalls viertelstündige Titeltrack scheinen fast unmittelbar von den Sessions zu "In Course Of The Miraculous" abgeleitet zu sein.

In den meisten Tracks ist dieser mehr atmosphärisch als technisch orientierte Ambienteinfluss zu spüren, trifft aber mitunter auf ein konterkarierend sehr modern produziertes, dominantes Schlagzeug.

Von der Stimmung her kann ich einige Stücke auf "Sweet Home, Go!" sogar in Bezug zu den Schleichjazzern Bohren und der Club of Gore setzen, insbesondere wenn die Trompete majestätisch melancholisch über den Dingen schwebt. Allerdings ist die Musik von Wang Wen natürlich bei weitem nicht so "ereignislos". Nach wie vor passiert hier stilistisch und klanglich schon durch gewohnt vielfältigen Instrumenteneinsatz sehr viel.
Vom Earth-Blues über Goblin Rebirth-Grusel bis zu brutalem Doom-Gestampfe, von Tribal-Elementen bis zu orchestralen Arrangements zeigt sich das Septett höchst einfallsreich.

Was zurückgefahren wurde sind diese schnell gespielten hohen Post-Rock-Leadgitarren, für die es eigentlich mal einen konkrete Bezeichnung geben sollte, und die vor allem Markenzeichen von Wang Wens japanischen Brüdern im Geiste Mono sind. Stattdessen tendiert die Gitarrenarbeit eher zu sanfteren Explosions In The Sky oder Maybeshewill.

Doch ganz ohne Mono-Referenz kann ich bei den Chinesen nicht auskommen.
Vergleicht man "Sweet Home, Go!" mit Monos aktuellem Werk "Requiem For Hell", dann bleibt es insgesamt dabei, das die Japaner die auf noch ursprünglichere Gefühle wirkende, monumentaler eskalierendere und auf ihrem höchst Riff- und Krachlevel auch lautere Band mit den gigantischeren Ohrwürmern sind.

Wang Wen hingegen bleiben für mich die feinfühligeren und klanglich noch breiter aufgestellten Songwriter. Letztendlich tun sich die Gruppen tatsächlich nicht viel. Und das sollen sie ja auch nicht, es ist schließlich Post Rock und kein Deathmatch.

Ich empfehle wärmstens, sich beide Alben zu besorgen und sie direkt nacheinander zu hören (erst Wang Wen). Das gibt einen überirdischen Spannungsbogen zum Niederknien!


奇妙 qímiào!





Highlights: Children' Palace, Red Wall And Black Wall, Heart Of Ocean



ARCHIVE - The False Foundation

Dass Archive es einem nicht immer leicht machen, ist ja nichts Neues. Dem einen oder anderen Album der Briten muss man schon etwas konzentriertere Aufmerksamkeit schenken und es sich erarbeiten, ehe es richtig zündet.

Beim neuen Werk stecke ich nun schon länger als gewohnt in dieser Arbeit. Und ich habe leider nicht das Gefühl, noch wesentlich weiter kommen zu können.
Das Ende des Prozesses, an dem ich normalerweise den Zugang gefunden habe und begeistert ein Füllhorn voller Lob ausschütte, muss diesmal demnach ausfallen.
 



ARCHIVE - The False Foundation (2LP) (2016)

Beginnen wir gleich mit dem vielleicht offensichtlichsten Mangel an "The False Foundation": Das Album ist sehr unvorteilhaft eingerahmt. Und damit meine ich jetzt nicht das Cover oder Layout, denn das ist absolut im grünen Bereich.

Nein, es geht um Track 1 und Track 10. Der Opener "Blue Faces" ist eine zu sehr in die Länge gezogene Pianoballade, die es gleich am Anfang einen Anflug von Langeweile heraufbeschwört, um dann songwriterisch wenig geschickt in ziemlich uninspirierten Noise überzugehen.

"The Weight Of The World" ist als Finale zugleich der hymnischste Song des Albums. Dummerweise erinnert die Melodie dieser Hymne nur viel zu sehr an "Amazing Grace". Und ach, das nervt einfach.

Somit sind der erste und letzte Eindruck also von eher schwächeren Songs geprägt, was schon einmal unglücklich ist. Dazwischen gibt es zum Glück auch stärkere Stücke. Doch wirklich viele Kompositionen, die dem Repertoire von Archive ernsthaft etwas hinzufügen, höre ich leider nicht.

Das Hauptproblem des Albums ist wohl sein Konzept, bzw. dessen inkonsequente Durchsetzung.
Das Kollektiv hat sich auf "The False Foundation" nämlich deutlich verschlankt. So sind auf den meisten Stücken nur vier Instrumentalisten zu hören, und den Gesang teilen sich über die gesamte Spielzeit einzig die beiden männlichen Sänger Pollard Berrier und Dave Pen. Also überhaupt kein Mucks von Holly Martin, Maria Q. und erst recht nicht Rapper Rosko John, der ja schon seit Jahren pausiert, was ich nach wie vor sehr schade finde.

Die Idee dahinter war sicherlich Inspiration durch Reduktion. Das klappt leider nur in Ansätzen.


Archive live 2015
So hatte das Video zu "Driving In Nails" mir Hoffnung auf eine gewisse Affinität zu Kraftwerk gemacht. Zusammen mit der geschrumpften Besetzung hätte man auch den Schatz an Klangvokabeln stutzen müssen, so wie es z.B. Depeche Mode auf "Sounds Of The Universe" getan haben.

Würde sich das gesamte Album z.B. näher an den Elektroklängen von "Driving In Nails", "The Pull Out" oder dem treibenden Titelsong, bei dem man fast glauben könnte, er sei von Karl Bartos mitgeschrieben worden, orientieren, dann wäre es auch sehr viel stimmiger.
Denn wenn man schon betont reduziert auftritt, dann aber doch wieder in alle möglichen verschiedenen Richtungen drängt, wirkt das Konzept einfach nicht kohärent umgesetzt.

Was hingegen verwirklicht wurde - falls es denn Absicht war -, ist die Fragmenthaftigkeit des Ganzen. Irgendwie wirkt hier nichts ganz zu Ende gedacht, abgesehen vom rundum gelungenen Titeltrack hat kein Stück ein wirklich zufriedenstellendes Finale.

Selbst die stärksten Songs kommen nicht ohne aber aus. Das feinsinnige "A Thousand Thoughts" ist  einerseits vielleicht der emotionale Höhepunkt. Anderseits klingt das Ding dabei aber derart von Radiohead abgepaust, dass Thom Yorke in den Credits genannt werden müsste. Ein bisschen emanzipierter hätte man das schon arrangieren dürfen.

"Splinters" ist ein weiteres Highlight und hat durchaus etwas von einem ordentlichen Depeche Mode-Stück, bei dem GahanFletcherGore allerdings den Refrain vergessen haben. Trotzdem kann die Nummer einiges und steigert sich sehr schön. Nur ganz am Schluss fehlt wieder der letzte Kick.

Die restlichen Lieder haben alle die eine oder andere gute Idee, aber von der Stimmung und Dichte von "Restriction", geschweige denn "Axiom" oder gar dem Meisterwerk "Controlling Crowds" sind sie alle weit entfernt.


So bleibt "The False Foundation" nichts Halbes und nichts Ganzes.

Näher am "Ganzen" ist das Album im Vergleich zwischen digital und analog ganz klar in der Vinylversion. Hier kann nämlich der tolle dynamische Mix seine Stärken voll ausspielen und sogar manche Schwäche der Arrangements ausbügeln.
Und man muss natürlich bedenken, dass meine Kritik auf dem Normalniveau von Archive basiert, d.h. in Bezug zur restlichen Außenwelt findet hier immer noch zumindest gute Musik statt.


Doch angesichts dessen, was man sonst von der Gruppe kennt, ist "The False Foundation" leider zu wenig.



Mal sehen. Vielleicht funktioniert das Zeug ja live besser. Dienstag ist Konzert in Hamburg.

Highlights: The False Foundation, A Thousand Thoughts, Splinters



2016-11-17

KING DUDE - Sex

Yep.

"Sex"

Bei neunundneunzig Prozent aller Bands und Solokünstler müsste man sich angesichts des Albumtitels wohl zumindest Sorgen machen.

Aber zum Glück haben wir es hier ja weder mit Hair Metal noch mit Right Said Fred oder Andrea Berg zu tun, sondern mit dem King. Der hat auch schon Alben über "Love" und "Fear" gemacht und wiegt uns mit seiner düsteren Coolness schon vor dem ersten Ton in Sicherheit, dass uns zumindest kein Cringefest bevorsteht.




KING DUDE - Sex (splatter LP) (2016)

"I wanna put myself between both of your legs
and have you kiss my lips to taste what I taste"

Ich habe jetzt sorgfältig gesucht, doch eine isoliert betrachtet größere Annäherung an klassische "Every inch of my love"-Led Zep-Lyrik habe ich in King Dudes elf Songs über Sex nicht finden können.

Nein, was Herr T.J. Cowgill hier besingt, ist selbst in seinen hellsten Momenten immer mindestens unterschwellig dunkel und dringt von dort aus ins Reich des Bösen und sogar des richtig Abgründigen vor. 
Vulgär, geschmacklos, übertrieben explizit... wir er dabei allerdings nicht. Dafür ist er einfach ein zu begabter Poet. Und wenn es mal scheinbar ein bisschen flacher oder plakativer wird - "Sex Dungeon (U.S.A.)" anyone? -, dann liegt es immer im Rahmen seines reichlich vorhandenen schwarzen Humors.

Musikalisch lässt sich hier jeder einzelne Song mindestens leicht unterschiedlich einsortieren. Es ist also genau wie auf "Songs Of Flesh & Blood" eine breite Mischung aus americana-lastigem Neofolk, dreckigem bis erhabenem Gothic Rock/Metal und allerhand anderem Zeug, welches zwischen diese beiden Deckel passt.
Nach dem Auftritt in Wacken für mich nicht überraschend geizen King Dude und seine Demon Brothers auf "Sex" auch nicht mit räudigen Punk- und Post Punk-Einflüssen und deuten hier und da mit Fantasie auch mal eine Prise New Wave an.

Da kann dann schon einmal ein im Vergleich zum Rest etwas abfallender Track wie "Swedish Boys" herauskommen, doch im gesamten Zusammenhang ergänzen sich alle Stücke hervorragend. Und Kracher wie das an Type O Negative erinnernde "Who Taught You How To Love", "Prisoners" (Sisters Of Mercy) oder die abschließende Ballade "Shine Your Light" begeistern mich dafür umso mehr.

"Our Love Will Carry On" ist schon von der Split-Single mit bekannt und taugt immer noch, obwohl das Lied hier sogar eher noch zum Mittelfeld gehört.

Der Noise-Blues "I Wanna Die At 69" wiederum ist King Dude at his best. Und böserlässigercooler als mit dem Instrumental "Conflict & Climax" und der Nacht-Ode "The Leather One" könnte die B-Seite gar nicht beginnen.

Kurzum: Der König hat wieder absolut abgeliefert. Ich will mich nicht festlegen, ob "Sex" besser geworden ist als sein Vorgängeralbum, dafür sind sie mir tatsächlich zu verschieden. Ich würde aber schon sagen, dass das neue Werk ein bisschen kohärenter ist und instrumental etwas mehr nach einem "Band"-Album klingt.




Optisch stimmt auch alles:



Im Gatefold sind alle Texte abgedruckt, und ein beideitig bedrucktes Poster - hier im sechsfachen LP-Format gehört bei Ván Records ja anscheinend schon fast zum guten Ton.


Also: Wer Bock auf Liebe, Horror, Sehnsucht, Verbrechen, Tod, Religion und Autorücksitzakrobatik hat - oder einfach nur Lust auf eine saucoole charismatische LP -, der tut sich mit dieser Scheibe einen großen Gefallen!


 


Highlights: Who Taught You How To Love, Prisoners, The Leather One, I Wanna Die At 69, Shine Your Light


2016-11-12

THANK YOU SCIENTIST - Audiotree Live

Für alle, die von Thank You Scientist und ihrem Album "Stranger Heads Prevail" nicht genug bekommen können, oder auch für jene, die vielleicht zunächst einen Appetizer brauchen, gibt es auch noch eine digitale EP, auf der die Band vier Songs in einer Radiosession spielt.



THANK YOU SCIENTIST - Audiotree Live (mp3) (2016)

Da ich das  Album ja gerade besprochen habe, will ich mir ein langes Review an dieser Stelle sparen.
Außerdem gibt es die Session ohnehin unten im Video zu sehen. In der Beschreibung sind auch die Einkaufslinks zu finden. Ich empfehle davon jederzeit Bandcamp, da die Künstler dort soweit ich weiß am meisten vom Kuchen abbekommen.

Es gibt drei Stücke der aktuellen Platte zu hören, nicht einmal meine bevorzugte Auswahl, aber super sind die Stücke ja eh alle. Und natürlich liefern Thank You Scientist den progtastischen Scheiß auch live ab. Sauber!

Der letzte Track "In The Company Of Worms" stammt vom Debütalbum "Maps Of Non-Existent Places" und zeigt ganz klar, dass die Amis auch 2012 schon die eine oder andere gute Idee hatten.




Highlights: A Wolf In Cheap Clothing, In The Company Of Worms


THANK YOU SCIENTIST - Stranger Heads Prevail

Eines der schönsten Erlebnisse beim Entdecken neuer Musik ist doch, wenn dir ein Album einen Wunsch erfüllt, von dem Du gar nicht wusstest, dass Du ihn hattest.

Ähnlich wundervoll ist es allerdings, wenn dir der Wunsch zwar durchaus bewusst war, Du aber nicht geahnt hast, wie groß die Freude über seine Erfüllung tatsächlich sein würde.

Zu jener Kategorie gehört das folgende Album.



THANK YOU SCIENTIST - Stranger Heads Prevail (green clear 2LP) (2016)

Nun ist es ja nichts neues, dass ich ein Freund progressiver Musik und stimmig umgesetzter, wilder Stilmixe bin. Dieses Jahr haben mich in diesem Bereich besonders Seven Impale, Oceans Of Slumber und Haken begeistern können.

Auch die New Jerseyaner Thank You Scientist agieren spielerisch im schwindelnd hohen Niveau dieses Zirkels und teilen seine kompromisslose Abenteuerlust. Ihr Sound unterscheidet sich jedoch deutlich von allen drei genannten Gruppen.

Schon die siebenköpfige Besetzung, welche einen Geiger und eine Bläsersektion aus Trompete und Tenorsaxophon beinhaltet, verrät, dass hier kein alltäglicher Progmetal zu erwarten ist. Und wenn man selbst neben seinem regulären Instrumentarium u.a. noch mit bundloser Gitarre, Sitar, Theremin und Säge am Start ist, dann ist es nur konsequent, sich dazu auch noch reichlich Gastmusiker und Backgroundsänger ins Studio einzuladen.

Sind Thank You Scientist also noch viel verkopfter, unvorhersehbarer, advantgardistischer, wissenschaftlicher unterwegs, wie es der Bandname und das großartige Coverartwork suggerieren?
Nein, ganz im Gegenteil. Die Musik ist sehr zugänglich. Auch wenn ja schon meine oben aufgeführten aktuellen Genrelieblinge nicht gerade mit Ohrwürmern geizen, dürfte über die gesamte Spielzeit wohl höchstens das neue Werk der Neal Morse Band, welches gerade in diesem Moment noch ungehört neben mir auf dem Schreibtisch liegt, den Popappeal von "Stranger Heads Prevail" schlagen können.

Tatsächlich glaube ich, dass Thank You Scientist hier ein Album eingespielt haben, welches sogar noch viel eher in der Lage ist, auch Hörer außerhalb des Progmetal- bzw. Progrockspektrums zu interessieren.
Warum? Zum einen klingt die Band, obwohl sie durchaus sehr abwechslungsreiche Songs schreibt, nie von einen Track zum nächsten zu radikal unterschiedlich, sondern ist immer sofort zu erkennen.
Zum anderen strahlt ihr Stilmix einfach eine unglaublich ansteckende Positivität aus, die - so glaube ich zumindest - es jedem Freund eines der hier sehr gleichwertig verarbeiteten Musikgenres ermöglichen sollte, sich auch jenen Elementen gegenüber aufzuschließen, die aus von ihm vielleicht sonst nicht favorisierten Musikstilen stammen.

Ja, und welche sind das denn nun?

Zunächst einmal haben wir ganz klar die neue Progmetalschule, die derzeit wohl von Haken angeführt wird. Es ist also durchaus einiges an modernem Riffgeknote, von Dream Theater inspirierter Rhythmik und vor allem auch Petruccismen im Gitarrenspiel zu finden.
Die melodische und harmonische Sensibilität führt natürlich weiter zurück zu Queen und ganz deutlich im leicht augenzwinkernden, musicalhaften Prolog und Epilog, die das Album einrahmen, zu den allheiligen Beatles.

Sänger Salvatore Sarrano ist allerdings gar kein Metal- und auch nur am Rande ein Rocksänger. In Songs wie "Need More Input" hat seine Stimme ganz klar Ähnlichkeit mit Cedric Bixler-Zavala von The Mars Volta, insgesamt ist er allerdings weniger exzentrisch und näher am Soul, was dann durchaus an den frühen Michael Jackson (Post-Jackson Five) erinnern kann, wie z.B. in "Mr. Invisible", dem zentralen Hit des Albums, welchen ich mir ganz hervorragend auch von Janelle Monáe gesungen vorstellen könnte. Tatsächlich atmen Thank You Scientist hier einen ganz ähnlichen verbindenden Geist wie die Electric Lady.

Dieser ganz spezifische Rock/Black Music-Crossover ist nebenbei auch die Verbindung, auf die ich am meisten gewartet hatte; dass mal jemand die Musik jener Künstlerin, die im Grunde ja Prog-Albem mit den Mitteln schwarzer Popmusik macht, mit tatsächlichem Prog verbindet. Und Junge, das gelingt hier!

Dafür sorgen neben dem Gesang vor allem die ununterbrochen sehr präsenten Bläser. Die können im Zusammenspiel mit Violine und Gitarre zwar auch mal cineastisch, sehnsüchtig oder wie in "Psychopomp" orientalisch, bringen aber vor allem jede Menge fetzigen Funk ins Spiel.

Progrock, Metal, Soul, Pop, Funk... Was fehlt noch?
Natürlich noch eine sehr gesunde Portion Jazz Fusion, die vor allem im herrlichen Instrumental "Rube Goldberg Variations" kulminiert.

Das alles klingt in der Beschreibung vielleicht abenteuerlich - und ist es auch - aber es ist in jedem Moment stimmig und glaubwürdig. Vor allem aber ist die spielfreudige Energie von "Stranger Heads Prevail" einfach absolut ansteckend und süchtig machend.
Ein tadelloses Doppelalbum einer sensationell guten Band, deren Popularität auf jeden Fall noch reichlich Luft nach oben hat.


Die Aufmachung des Tonträgers ist ebenfalls klasse, allerdings hätte man die eine komplett frei gelassene Seite des Gatefolds auch gerne noch für Songtexte nutzen können.
Mir gefällt es sehr gut, doch Schwarzes-Vinyl-Puristen müssen vermutlich noch die nächste Pressung abwarten oder sich halt mit der CD begnügen, denn bisher gibt es die Schallplatten nur in diesem schicken Grün:



Zum Schluss bleibt mir nur, eine allerhöchstamtlichrichterliche Empfehlung auszusprechen, sowie der Schlusssatz, den bei dieser Band ganz bestimmt noch niemand gebracht hat:

Thank you, Thank You Scientist!


Highlights: Mr. Invisible, Rube Goldberg Variations, Caverns, Blue Automatic


2016-11-09

Nine Eleven 2016

Wow, I am really late with this.

But it happened and I feel it has to be addressed!

So hereby I declare
 
that this ninth day of November 2016

shall be etched in my memory

as the day

when I spun my first John Coltrane record.

And what can I say? I really should have done it twentyfive years ago already!




...

And that other thing...

that huge orange dump the US just shat on the world...

I could fill endless columns with my disgust and anger
and with my fear
that the next german election will in no way have a better outcome.

 Village idiots seem to fuck the whole world right now.
And in the long term,
with climate change
and the shortage of natural recources
the whole global fuckery will never get better.

But I'm just tired now.

This blog normally isn't the place where I write about politics anyway.
But of course this is not just about "politics".
It's about much more basic principles of being civilised.
There are things that are just out of any sane discussion.


So let me just say this:

No matter if you just randomly stumbled here
or if you're here for some music review or photographic stuff;
No matter if you are an American who had the right to vote
or not (more likely since is a german blog);

No matter how crooked you think Hillary Clinton is;


If you really think there is any reasonable excuse
or justification
for having elected
Rapey McRapeface,
a mysogynistic racist,
endorsed by the K fucking K fucking K,
who wants to bang his own daughter:


Just leave this site and don't ever return.


I'm as tired of you stupid fucks
as I'm tired of Pegida and AfD Nazis.

I'm tired of having a thousand reasons to be ashamed
to be male,
to be white,
to be german,
to share this planet with millions of racist idiots
every fucking day.




So, das musste mal raus, sonst kotze ich mich hier noch ein.

2016-11-05

ALCEST - Kodama

Das französische Duo Alcest (faktisch mit langjährigem Livebassisten eigentlich ein Trio) hat zwar Pionierarbeit im Genremix aus Shoegaze und Black Metal geleistet, doch ich habe bis vor ein paar Monaten noch keinen Schimmer von seiner Existenz gehabt. Erst in der Vorbereitung auf das Wacken Open Air wurde die Band zu einem Pflichttermin auf meiner Running Order.

Und nun sitze ich hier mit ihrem höchst ansteckenden neuen Album "Kodama" und erfreue mich trotz intensiver Dauerrotation ungebrochen an jeder Minute jedes Durchlaufs.



ALCEST - Kodama (2CD book) (2016)

Was es für mich ein bisschen schwierig macht, über "Kodama" zu schreiben, dass es hier die Karten so offen auf dem Tisch liegen, dass ich kaum etwas zu ergänzen habe.

Ich habe mich aus den diversen von Prophecy angebotenen Formaten - und das sind einige - diesmal gegen Vinyl für das Buch inklusive zwei CDs entschieden, da diese Variante die deutlich erschwinglichste ist, welche auch den Bonustrack "Notre Sang Et Nos Pensées" enthält.
Im Buch finden sich neben Songtexten (inklusive englischer Übersetzung) und Illustrationen zu jedem Stück auch recht ausführliche Liner Notes zu den Liedern, sowie zu Konzept, Entstehung und Produktion des Albums. Und das meiste, was ich über "Kodama" sagen könnte, würde sich für mich irgendwie aus dem Buch abgeschrieben vorkommen.

Und musikalisch muss man, so toll das alles auch ist, nicht wirklich viel sagen.
Das liegt zum einen - und das ist wohl der ernsthafteste Kritikpunkt - daran, dass das Album mit knapp über vierzig Minuten nicht besonders lang ist. Von daher ist es natürlich auch Quatsch, den sechsminütigen Extratrack auf eine eigene CD auszulagern. Das ist Verschwendung und wurde ganz klar gemacht, um das Produkt besser aussehen zu lassen.

Immerhin sieht das Produkt mit seinen manga-inspirierten Zeichnungen und schwarzweißen Fotos aber auch wirklich sehr ansprechend aus.


Der japanische Einfluss ist natürlich alles andere als subtil und betrifft auch das inhaltliche Konzept und teilweise die Musik. So enthält der Opener / Titelsong, der genau wie der dreampoppigste Track "Untouched" in lautmalerischer Fantasiesprache gesungen wird (die restlichen Stücke sind französisch) ein paar soundtrackartige Passagen, zu denen ich auf angelsächsisch sagen würde: Alcest are trying to out-nippon Mono.

Ein bisschen japanisches Flair kann man sich auch später noch in die folgenden Tracks denken. Allerdings sind die meisten so interpretierbaren Stellen tatsächlich einfach breitwandiger atmosphärischer Post Metal von kulturübergreifender Schönheit.

Und Alcest können diese Schönheit in einem Maß variieren, dass die niemals die Gefahr von Langeweile besteht. Und dann ist da natürlich noch der Black Metal-Anteil!
So verträumt und sphärisch entrückt Gesang und Musik in einem Moment klingen, so sehr reißt es einen von den Füßen, wenn im zweiten Song "Exlosion" plötzlich erstmals das volle schwarzmetallische Inferno entfesselt wird. Unglaublich, was für ein Höllenorgan dieser vorhin noch so fragil und introvertiert erscheinende Neige da auf einmal entwickelt.

Und der brutale und düstere Metalanteil bleibt - abgesehen vom bereits erwähnten, ältesten und am meisten am sanften Vorgängeralbum "Shelter" orientierten "Untouched" - auch die restlichen Tracks über sehr präsent, egal ob er einem direkt in die Fresse blastet oder direkt mit sehnsüchtig schwebendem Wohlklang durchsetzt ist.

Nach nur sechs Stücken, von denen der letzte "Onyx" kein Song, sondern eine experimentelle - und durchaus gelungene - Ambient-Studiospielerei ist, fällt leider auch schon der Vorhang der regulären Spielzeit.

Die Bonus-Zugabe kommt da sehr gelegen. Gewissermaßen schließt sich hier der Kreis, da das gesamte Instrumental sehr nach Mono klingt. Und mit den japanischen Großmeistern cineastisch bombastischer Postrock-Dynamik sind Alcest ja auch aktuell auf großer europäischer Co-Headlinertour. Verdient, denn "Kodama" und das neue Mono-Werk "Requiem For Hell" bewegen sich alles in allem schon ziemlich auf Augenhöhe. Passt also.

Ein wunderbares Album.


Highlights: Kodama, Oiseaux De Proie, Notre Sang Et Nos Pensées

KHEMMIS - Hunted

Yeah! Es ist wieder Zeit für Barbarenfantasy!

Nein, dies ist kein Review zum jüngst erstmals auf Vinyl erschienenen letzten Cirith Ungol-Album "Paradise Lost". Ich habe hier schon genügend Musik abzufrühstücken, ohne auch noch jedes Re-Release zu berücksichtigen, daher würdige ich die Kings of Kauzigkeit mal nur mit diesem dezent reingeschummelten Shoutout.

Hier und jetzt liegt das zweite Album von Khemmis aus Denver, Colorado auf dem Teller, deren fantastisches Debüt vom letzten Jahr ich gefühlt ja gerade erst vorgestern besprochen habe.

Kann das Doom-Quartett sich noch steigern? - [Spoiler!] Ja, es kann!




KHEMMIS - Hunted (LP) (2016)

Zunächst einmal muss wie schon beim Vorgänger das Coverartwork von Sam Turner gelobt werden. Es gibt im Metal ja unzählige Schwerter/Drachen/Titten-Cover und die allermeisten gehen mir ziemlich nahe am Arsch vorbei, doch was diese Scheibe ziert, das ist schon sehr amtlich. Auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so kultig wie letztes Mal, doch betrachtet man auch die Rückseite, finden sich auch die Protagonisten der "Absolution"-Hülle wieder.

Ein Gatefold ist dies zwar nicht, doch das komplette Panorama kann man sich auf dem Rücken des 7-zoll-formatigen Booklets mit illustrierten Songtexten anschauen.
Dazu noch der innen schwarze Karton und das silbern eingelasse Logo machen "Hunted" optisch und haptisch schon zu einem Highlight.

Farbige Varianten der Platte gibt es auch, doch die waren mir wegen der Import-Versandkosten diesmal etwas zu teuer. Aber schwarz ist ja auch schön.




Ebenso wie die äußere Gestaltung knüpft auch die Musik an den Vorgänger an.

Wieder verbinden Khemmis den klassischen Candlemass-Epos mit der tonnenschweren sludgeverzerrten Wucht conanschen Höhlenmenschendooms. Dazwischen gibt es immer wieder Verweise auf weitere Doom-Spielarten, Epic-Metal-Einflüsse und aus der mächtigen Riffsuppe shuffelnde Thin Lizzy-Grooves. Und der absolute Kicker - sowie eine der beiden auffälligsten Stärken der Band - sind erneut die Iron fucking Maiden-Twin-Leadgitarren, die einfach mal alles können.

Das andere herausragende Alleinstellungsmerkmal ist Phil Pendergasts gleichzeitig verzweifelter wie bombastischer, aber niemals zu dick aufgetragener Klargesang, der sich hier im Vergleich zu "Absolution" noch hörbar steigern konnte und spätestens jetzt wohl zu den größten Stimmen des Genres gezählt werden muss.
Er teilt sich das Gesangsaufkommen zwar nach wie vor mit dem Brüllen und Grunzen Ben Hutchersons, allerdings ist sein Anteil sehr viel größer, bzw. der Einsatz von Hutchersons aggressiver Stimmer deutlich gezielter und songdienlicher.

Beim ersten Hören wirkt "Hunted" stilistisch etwas weniger breit gestreut als "Absolution", doch dies liegt vor allem daran, dass Khemmis ihre größten Stärken verdichtet und ihr Songwriting verbessert haben. So gibt es durchaus noch Passagen, die Türen zu anderen Genres aufstoßen, doch sie sind nun eben noch tiefer als ohnehin schon vorher in einen stimmigen Kontext eingebettet.

Besonders herauszuheben wären da z.B. der Absturz in bell witch-artigen Funeral Doom mit kehligstem Gegurgel in der Mitte von "Candlelight", der Motörhead Tribut zollende, ungewöhnlich schnelle Einstieg in "Three Gates" und vor allem das fabelhafte Finale des über dreizehnminütigen abschließenden Titelsongs, welches zunächst erneut an Trauergeschleiche der Marke Skepticism denken lässt, sich dann aber zu himmlisch hymnischer Postrock-Größe hinaufschwingt.

Überhaupt ist gerade die B-Seite gigantisch und emotional überwältigend. Betrachtet man den Erzählfluss des Albums als Ganzes ist dies ganz klar mit dem Yob-Meisterwerk "Clearing The Path To Ascend" vergleichbar.



"Hunted" ist ohne wenn und aber ein hundertprozentig gelungenes Album. Jeder der fünf Songs hat das Zeug zum Klassiker. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich es ganz oben platzieren oder noch "For This We Fought The Battle Of Ages" von Subrosa vorziehen würde, doch dass Khemmis hier eines der größten Doom-Monumente des Jahres geschaffen habe, dürfte kaum jemand, der dem Genre zugetan ist, ernsthaft leugnen.

Doomster müssen hier auf jeden Fall reinhören, sonst setzt es unbefristetes Metal-Verbot!


Und zuletzt, für alle, die vielleicht noch die Stirn runzeln, weil sie nicht so sehr auf Dungeons&Dragons-Lyrik stehen, sei zur Beruhigung noch gesagt, dass es entgegen dem Versprechen des Artworks in den Texten gar nicht so sehr um Fantasythemen geht, sondern vielmehr um einen Blick nach innen. Die poetisch psychoanalytische Aufarbeitung von Alptraumbildern, ziemlich düsteres, auswegloses Zeug. Doom eben.

Und jetzt kauft das Ding endlich, damit sich die Band möglichst bald leisten kann, nach Europa zu kommen!


Highlights: Hunted, Candlelight



2016-11-03

#HdD - Macabracadabra!

Hach damals...


als ich im August 2005 mal auf einem kleinen kuhlen Undergroundfestival die mächtigen Macabre knipsen durfte.