Team True oder Team Sellout?
Und welches Team steht jetzt eigentlich genau für welchen Standpunkt?
Egal, wenn eine Band auf Platz 1 in die deutschen Charts einsteigt, dann hat man sich als Fan derbe fanatisch zu positionieren und Grabenkämpfe auszutragen. Basta!
Ich persönlich mag das neue Album der Blues Pills und finde, dass die Band diesen Erfolg verdient. Und dass sie sich dafür vom immer kommerzverdächtigen Label Nuclear Blast Records hat verbiegen lassen, halte ich für ausgemachten Schwachsinn. Aber darauf komme ich später zurück...
Und welches Team steht jetzt eigentlich genau für welchen Standpunkt?
Egal, wenn eine Band auf Platz 1 in die deutschen Charts einsteigt, dann hat man sich als Fan derbe fanatisch zu positionieren und Grabenkämpfe auszutragen. Basta!
Ich persönlich mag das neue Album der Blues Pills und finde, dass die Band diesen Erfolg verdient. Und dass sie sich dafür vom immer kommerzverdächtigen Label Nuclear Blast Records hat verbiegen lassen, halte ich für ausgemachten Schwachsinn. Aber darauf komme ich später zurück...
BLUES PILLS - Lady In Gold (CD+DVD) (2016)
Zunächst einmal gilt es, sich zu entscheiden, welche der vielen Versionen des Albums man sich überhaupt zulegen möchte. Wenn es eine Sache gibt, die mir an Nuclear Blast tatsächlich mächtig auf den Zeiger geht, dann dass Vinyl-Neuveröffentlichungen von Zugpferden grundsätzlich in allen Farben des Regenbogens erscheinen, von denen eine weniger mit dem restlichen Artwork zu tun hat als die nächste. Von daher hat sich das Label hier sicherlich über das knallbunte Cover gefreut, welches in diesem Fall wirklich jede noch so absurde Farbvariante tatsächlich irgendwie rechtfertigt.
Allerdings hat das Album ja auch einen Titel. Und dieser ließ für mich eigentlich nur die Version in gold übrig. Oder wegen des runden Motivs die Picture Disc, welche in einer preislich sogar noch fairen Box mit CD, DVD, Plattenbürste und anderen Bonuszeug enthalten ist. Dummerweise traue ich Picture Discs klanglich nicht. Wäre in der Box eine goldene LP und das Cover als Slipmat, dann hätte ich wohl zugeschlagen.
Allerdings hat das Album ja auch einen Titel. Und dieser ließ für mich eigentlich nur die Version in gold übrig. Oder wegen des runden Motivs die Picture Disc, welche in einer preislich sogar noch fairen Box mit CD, DVD, Plattenbürste und anderen Bonuszeug enthalten ist. Dummerweise traue ich Picture Discs klanglich nicht. Wäre in der Box eine goldene LP und das Cover als Slipmat, dann hätte ich wohl zugeschlagen.
Die goldene Platte alleine habe ich dann aber auch versetzt, zumal sich NB ja nach wie vor inklusiven Digitalversionen verweigert und ich ab und zu auch mal ein Album auf Silberscheibe für Fahrten im Firmenwagen brauche. Also wurde es die CD mit Bonus-DVD.
Auf der DVD sind wieder einmal die Blues Pills live mit ihrem Prä-"Lady In Gold"-Repertoire zu sehen. Das speziell für die "live in Berlin"-Aufzeichnung gegebene Konzert gehört sicherlich zum bisher am besten abgefilmten Material, welches es von der Gruppe gibt. Schon deshalb kann sich dieses Extra sehen lassen. Und hören ja sowieso!
Nun aber zum neuen Studiowerk:
Don't judge an album by its singles!
Bei Veröffentlichung des Titelsongs war ich ja zunächst auch eher skeptisch. Denn wie ich neulich schon im Review zur RockHard-Beigabe "Golden Treasures" schrieb, ist das mit Honky-Tonk-Klavier eingeleitete Lied zwar ein Ohrwurm, ich war mir aber nicht sicher, ob ein guter oder ein böser. Nur solche Lieder und das Album wäre nichts für mich.
Die rockigeren Stücke "Little Boy Preacher" und "Elements And Things" stimmten mich dann allerdings zuversichtlicher, und das gar nicht mal, weil sie dem gewohnten Sound näher kommen, sondern sie klar machten, dass einerseits das stilistische Spektrum auf "Lady In Gold" erfreulich breit sein würde, dass anderseits aber auch ein paar neue, wohl das gesamte Album durchziehende Mittel benutzt wurden, die mir sehr gut gefielen:
Zum einen sind jede Menge Orgel und Mellotron zu hören, die seit diesem Sommer auch - im Wechsel mit einer zweiten Gitarre - live dabei sind. Es ist also wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis man sich offiziell zum Quintett vergrößert.
Zum anderen sind da die authentisch aus der großen Motown-Zeit gepflückten Soul-Chöre.
Für einige aus dem Metal kommende Fans ist dieses Element wohl schwierig, da sie einen Bezug zu "ihrer" Musik brauchen und jenseits davon musikhistorisch eher desinteressiert sind. Bisher ließen sich die Blues Pills ja wie so viele Retrorock-Gruppen als Proto-Metal einordnen, also Musik, die sich irgendwann dann auch zu Metal weiterentwickelt hat. Das können diese Chöre natürlich nicht bieten.
Noch "schlimmer" wurde es dann mit dem letzten vor dem Album enthüllten Stück "I Felt A Change", einer ganz ohne Gitarre, Bass und Schlagzeug auskommenden Soul-Ballade, welche die Sängerin vollkommen in den Fokus stellt und für entsetzte Aufschreie der Marke "Adele wäre stolz!" (ja, warum denn auch nicht?) und den Verdacht von Ausverkauf und Pop-Anbiederung sorgte.
Nun ist es aber ziemlich billig, einfach abwertend als Pop abzuwatschen, was man wegen musikalischer Scheuklappen nicht einordnen kann. Zumal Elin Larsson ja schon immer klar gesagt hat, dass ihr wichtigsten Gesangsvorbild Aretha Franklin ist. Und nun hört man dies eben noch deutlicher.
Außerdem sollte sich jeder, der das Stück für einen Liebes-Schmalzsong hält, den sehr persönlichen Text noch einmal genau durchlesen! Nein, das Thema, um welches es hier sehr wahrscheinlich geht, gehört niemals zu der Sorte, zu der irgendeine Plattenfirma eine Band aus Profitgier zwingen würde.
Überhaupt ist ja die komplette Vorstellung, dass Nuclear Blast die Band "verdorben" hat, ausgemachter Blödsinn.
Alle Trademarks, welche die Gruppe bisher auszeichneten, liegen nach wie vor im Trend. Die Blues Pills haben sich live dermaßen den Arsch abgespielt und Staub aufgewirbelt, dass an einen kommerziellen Flop niemals zu glauben gewesen wäre, selbst wenn die Gruppe ihr Debüt komplett kopiert hätte. D.h. für das Label wäre es überhaupt kein Problem, wenn man sich eins zu eins am bewährten Klang festgeklammert hätte.
Aber es gibt anscheinend tatsächlich Leute, die an ein konspiratives Meeting glauben, in denen der Nuclear Blast-Chef der Band zugeredet hat, unbedingt noch mehr schwarze Soulmusik der 60er und 70er Jahre in ihren Sound zu integrieren, weil der typische NB-Kunde ja sooo ein Riesenfan von Otis Redding und dessen Erben ist. Aber sicher!
Nein, diese Idee hatten Bassist Zack Anderson und seine Mitstreiter schon selbst. Und es war eine ausgesprochen gute Idee!
Denn diese Verheiratung des energischen Blues Pills-Rocks mit ebenso glaubhaft annektierten Soul- und Gospeltraditionen sind es, die den besonderen Charakter von "Lady In Gold" ausmacht und die Sammlung von zehn ansonsten sehr unterschiedlichen Songs zusammenhält.
Obwohl alle Stücke auch in ihrer Länge singletauglich sind, ist dies eindeutig ein Album-Album, also ein Werk, welches größer ist als die Summe seiner Teile. Das liegt an der perfekten Anordnung der Songs, welche dem Ding eine sehr kurzweilige Spannungskurve verleiht. Jedes Lied kommt zu seiner Zeit genau richtig.
Allein der Verlauf vom vierten Track "I Felt A Change" über die allmähliche Steigerung in "Gone So Long" bis "Bad Talkers", das die beinahe komplett entfesselte zweite Hälfte des Albums einläutet, ist einfach gold wert.
Dass die Gitarre manchmal eine etwas weniger prominente Rolle einnimmt, da der Gesangsanteil der Stücke gestiegen ist und sie sich Räume mit den Tasteninstrumenten teilen muss, ist eine Begleiterscheinung, die ich gut verkraften kann.
Live bleiben uns die längeren Freakouts der früheren Songs schließlich erhalten. Und auch die neuen Stücke bieten durchaus Ansatzpunkte für Jams, die Dorian Sorriaux gewiss nicht dauerhaft ungenutzt lassen wird. Dass zudem alles, was er auf dem Album zeigt, wieder von ganz großem Ausnahmetalent zeugt, muss ich eigentlich nicht mehr erwähnen.
Die Blues Pills sind dem Hype und der damit einhergehenden gigantischen Erwartungshaltung insgesamt erfreulich gelassen begegnet. "Lady In Gold" ist niemals verkrampft oder überambitioniert, sondern einfach ein kleines (etwa vierzig Minuten) aber sehr feines Album voller frischer Ideen und hervorragendem Futter für die nächsten Livesets geworden.
Und was anderes wollte doch niemand, oder?
Auf der DVD sind wieder einmal die Blues Pills live mit ihrem Prä-"Lady In Gold"-Repertoire zu sehen. Das speziell für die "live in Berlin"-Aufzeichnung gegebene Konzert gehört sicherlich zum bisher am besten abgefilmten Material, welches es von der Gruppe gibt. Schon deshalb kann sich dieses Extra sehen lassen. Und hören ja sowieso!
Nun aber zum neuen Studiowerk:
Don't judge an album by its singles!
Bei Veröffentlichung des Titelsongs war ich ja zunächst auch eher skeptisch. Denn wie ich neulich schon im Review zur RockHard-Beigabe "Golden Treasures" schrieb, ist das mit Honky-Tonk-Klavier eingeleitete Lied zwar ein Ohrwurm, ich war mir aber nicht sicher, ob ein guter oder ein böser. Nur solche Lieder und das Album wäre nichts für mich.
Die rockigeren Stücke "Little Boy Preacher" und "Elements And Things" stimmten mich dann allerdings zuversichtlicher, und das gar nicht mal, weil sie dem gewohnten Sound näher kommen, sondern sie klar machten, dass einerseits das stilistische Spektrum auf "Lady In Gold" erfreulich breit sein würde, dass anderseits aber auch ein paar neue, wohl das gesamte Album durchziehende Mittel benutzt wurden, die mir sehr gut gefielen:
Zum einen sind jede Menge Orgel und Mellotron zu hören, die seit diesem Sommer auch - im Wechsel mit einer zweiten Gitarre - live dabei sind. Es ist also wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis man sich offiziell zum Quintett vergrößert.
Blues Pills live in Kiel |
Für einige aus dem Metal kommende Fans ist dieses Element wohl schwierig, da sie einen Bezug zu "ihrer" Musik brauchen und jenseits davon musikhistorisch eher desinteressiert sind. Bisher ließen sich die Blues Pills ja wie so viele Retrorock-Gruppen als Proto-Metal einordnen, also Musik, die sich irgendwann dann auch zu Metal weiterentwickelt hat. Das können diese Chöre natürlich nicht bieten.
Noch "schlimmer" wurde es dann mit dem letzten vor dem Album enthüllten Stück "I Felt A Change", einer ganz ohne Gitarre, Bass und Schlagzeug auskommenden Soul-Ballade, welche die Sängerin vollkommen in den Fokus stellt und für entsetzte Aufschreie der Marke "Adele wäre stolz!" (ja, warum denn auch nicht?) und den Verdacht von Ausverkauf und Pop-Anbiederung sorgte.
Nun ist es aber ziemlich billig, einfach abwertend als Pop abzuwatschen, was man wegen musikalischer Scheuklappen nicht einordnen kann. Zumal Elin Larsson ja schon immer klar gesagt hat, dass ihr wichtigsten Gesangsvorbild Aretha Franklin ist. Und nun hört man dies eben noch deutlicher.
Außerdem sollte sich jeder, der das Stück für einen Liebes-Schmalzsong hält, den sehr persönlichen Text noch einmal genau durchlesen! Nein, das Thema, um welches es hier sehr wahrscheinlich geht, gehört niemals zu der Sorte, zu der irgendeine Plattenfirma eine Band aus Profitgier zwingen würde.
Überhaupt ist ja die komplette Vorstellung, dass Nuclear Blast die Band "verdorben" hat, ausgemachter Blödsinn.
Alle Trademarks, welche die Gruppe bisher auszeichneten, liegen nach wie vor im Trend. Die Blues Pills haben sich live dermaßen den Arsch abgespielt und Staub aufgewirbelt, dass an einen kommerziellen Flop niemals zu glauben gewesen wäre, selbst wenn die Gruppe ihr Debüt komplett kopiert hätte. D.h. für das Label wäre es überhaupt kein Problem, wenn man sich eins zu eins am bewährten Klang festgeklammert hätte.
Aber es gibt anscheinend tatsächlich Leute, die an ein konspiratives Meeting glauben, in denen der Nuclear Blast-Chef der Band zugeredet hat, unbedingt noch mehr schwarze Soulmusik der 60er und 70er Jahre in ihren Sound zu integrieren, weil der typische NB-Kunde ja sooo ein Riesenfan von Otis Redding und dessen Erben ist. Aber sicher!
Nein, diese Idee hatten Bassist Zack Anderson und seine Mitstreiter schon selbst. Und es war eine ausgesprochen gute Idee!
Denn diese Verheiratung des energischen Blues Pills-Rocks mit ebenso glaubhaft annektierten Soul- und Gospeltraditionen sind es, die den besonderen Charakter von "Lady In Gold" ausmacht und die Sammlung von zehn ansonsten sehr unterschiedlichen Songs zusammenhält.
Obwohl alle Stücke auch in ihrer Länge singletauglich sind, ist dies eindeutig ein Album-Album, also ein Werk, welches größer ist als die Summe seiner Teile. Das liegt an der perfekten Anordnung der Songs, welche dem Ding eine sehr kurzweilige Spannungskurve verleiht. Jedes Lied kommt zu seiner Zeit genau richtig.
Allein der Verlauf vom vierten Track "I Felt A Change" über die allmähliche Steigerung in "Gone So Long" bis "Bad Talkers", das die beinahe komplett entfesselte zweite Hälfte des Albums einläutet, ist einfach gold wert.
Dass die Gitarre manchmal eine etwas weniger prominente Rolle einnimmt, da der Gesangsanteil der Stücke gestiegen ist und sie sich Räume mit den Tasteninstrumenten teilen muss, ist eine Begleiterscheinung, die ich gut verkraften kann.
Live bleiben uns die längeren Freakouts der früheren Songs schließlich erhalten. Und auch die neuen Stücke bieten durchaus Ansatzpunkte für Jams, die Dorian Sorriaux gewiss nicht dauerhaft ungenutzt lassen wird. Dass zudem alles, was er auf dem Album zeigt, wieder von ganz großem Ausnahmetalent zeugt, muss ich eigentlich nicht mehr erwähnen.
Die Blues Pills sind dem Hype und der damit einhergehenden gigantischen Erwartungshaltung insgesamt erfreulich gelassen begegnet. "Lady In Gold" ist niemals verkrampft oder überambitioniert, sondern einfach ein kleines (etwa vierzig Minuten) aber sehr feines Album voller frischer Ideen und hervorragendem Futter für die nächsten Livesets geworden.
Und was anderes wollte doch niemand, oder?
Highlights: Bad Talkers, Won't Go Back, I Felt A Change, Burned Out, Elements And Things
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