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2019-01-20

KLANG DER BEFREIUNG: Gesamtreview von Film, Musik und Buch zu LAIBACH und Nordkorea



eine kombinierte Rezension von:

LAIBACH - The Sound Of Music (gold vinyl LP) (2018)

LAIBACH - The Sound Of Music (CD bookpack) (2018)

LIBERATION DAY - A Documentary Musical (Supreme Leader edition / Blu Ray + CD) (2018)

LIBERATION DAYS - Laibach and North Korea (Buch) (2018)



Wie beginne ich diesen Text am besten?

Laibach, Nordkorea, Hollywood-Österreich. Diese drei Zutaten alleine zeigen einem schon, dass man es hier mit einem Netz voller unendlich dicker Zwiebeln zu tun hat. Von jeder einzelnen lassen sich dabei unendliche Schichten schälen, ohne je ans Ziel zu kommen. So viele Ebenen, Meta-Ebenen, Bedeutungen und Bedeutungshoheiten. Wo soll man da nur ansetzen?

Alle hier besprochenen Medien leiten mit einem Zitat Kim Jong Ils zur Kunst der Adaption in der Oper ein - und stellen diesem z.T. ein Stück aus der Sprüchekiste der Slowenen entgegen. Dies hier also zu übernehmen wäre zu billig.

Immer für ein zitierfertiges Statement gut ist natürlich alternativ das im Zusammenhang mit Laibach unvermeidliche Philosphiemonster Slavoj Žižek. Sei es seine Auseinandersetzung mit dem Quellmaterial "The Sound Of Music" in der Welt (Josef Fritzl als Nachahmer der fiktiven perfekten österreichischen Familie mit Paralellen zum nordkoreanischen Regime) oder auch in früheren Arbeiten wie dem Film "The Pervert's Guide To Ideology", Wortmaterial ist reichlich vorhanden.
Sein wichtigster Punkt allerdings mag die einfache herauseilende Erkenntnis sein, dass die Rezipienten von Laibachs Auftritt in Pjöngjang nicht erwarten sollten, von Laibach etwas neues über Nordkorea zu erfahren. Vielmehr würden sie etwas über sich selbst und ihre Erwartungen lernen können.

Das korrespondiert natürlich zu hundert Prozent mit der vielleicht einzigen gesicherten Erkenntnis über Laibach, mit der einen auch komplexe Bücher wie Alexei Monroes "Laibach und NSK" hinterlassen: Laibach sind nicht hier, um uns Antworten zu geben, sondern um in uns neue Fragen aufzuwerfen.


Mein favorisiertes Zitat allerdings stammt aus den sicherlich nicht von ungefähr an Laibachs 1983 formulierten "10 Items Of The Covenant" erinnerndem Zehn-Punkte-Manifest "To Be In It But Not Of It" zum in "Liberation Day" praktizierten Hypertheater von Filmregisseur Morten Traavik:
"9. Hypertheatre is just as self-questioning as it is questioning."


Oder ich zitiere mich selbst.

Schließlich habe ich ja vor drei Jahren bereits unter dem Vorwand einer Rezension eines digitalen Livealbums reichlich von meinem Senf zur Sache gegeben.
Und wo gehobelt wird... An einigen Stellen habe ich mich in Bestätigung von Slavoj Žižeks These zu sehr von meinem vorgefertigten Bild Nordkoreas leiten lassen. Da stellt man sich das Publikum schon militärlastiger, die Staatspräsenz strenger vor usw.
Zu achtzig bis neunzig Prozent meines damaligen Textes kann ich allerdings noch stehen, was angesichts des Sujets gar nicht übel ist. Von daher muss ich mir hier ja nicht selbst in die Parade pissen.


Meine erste Idee, wie ich dieses Review beginnen könnte, habe ich indes verworfen, weil ich mich aus Bequemlichkeitsgründen entschlossen habe, auf deutsch zu schreiben, auch wenn meine englischsprachigen Laibach-Artikel eigentlich immer ganz gut Besucher hierher ziehen (was ich durchaus nett finde, und das obwohl ich hier keine Form von Werbung geschaltet habe, an der ich verdienen könnte).

Es war eine Erklärung bezüglich des Bekanntheitsgrades der Rodgers & Hammerstein-Musical-Verfilmung, insbesondere für US-amerikanische Leser und hätte sich in etwas so gelesen:


"The Sound Of Music" is one of those cultural phenomena like Seinfeld, Friends, baseball or The Wizard Of Oz: The world outside of America may have heard of its existence, because it's referenced so often - and be it in stupid YouTube ranking videos -, but in truth most of us have neither ever seen it nor do we care to do so.
So if you think you can find common ground with someone from Austria or Germany by bringing up "The Sound Of Music", I'm sorry, but you're not in Kansas anymore. Unless you're talking to a jazz buff, where the tune "My Favorite Things" has become an ever circulating classic in its own right, your opposite most likely will have no clue what the hell you are talking about. Just as he or she will have no clue why I just mentioned Kansas.

There are however parts of the world who share your connection to the musical. One of them - of all countries - is North Korea, where schools use it in english classes.


Laibach behaupten übrigens (und damit sind wir wieder bei der eingangs erwähnten slowenischen Sprüchekiste), dass es Laibach ohne "The Sound Of Music" nicht geben würde, da sie schon als Kinder davon geträumt haben, Teil der Von-Trapp-Familie zu sein, Uniformen zu tragen und das Bett mit Maria zu teilen.
Zumal die Slowenen an sich historisch bedingt jetzt nicht die innigste Liebe zum (in diesem Fall pseudo-)österreichischen Einfluss pflegen, sei die Frage, wie die Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit von Laibach-Zitaten zu bewerten ist, hier einfach mal mal offen im Raum stehengelassen.




Laibach live, Januar 2016
Es ist keine so lange Entstehunggeschichte wie "Laibach Revisited", doch Laibachs "The Sound Of Music" hat eine Weile gebraucht. Ein paar der Stücke, die es letztendlich auf das Album geschafft haben, wurden seit dem Spätsommer 2015 live gespielt. Ich trage gerade ein drei Jahre altes "The Sound Of Music"-Tour-T-Shirt. Mein ähnlich altes "Liberation Day"-Shirt hing nämlich noch zum Trocknen am Ständer.

Da die Band aber u.a. mit Orchestershows, "Also Sprach Zarathustra" und der Arbeit am Soundtrack zum bald endlich erscheinenden zweiten Teil von "Iron Sky" zu tun hatte, war die Wartezeit realistisch betrachtet gar nicht allzu lang. Dazu sollte die Veröffentlichung sicherlich einigermaßen mit der BluRay-Version von "Liberation Day" zusammenfallen.
Der Film hatte schon 2016 Premiere, ging dann jedoch vor der Heimkinofreigabe eine ganze Weile auf internationalen Filmfestivals herum.




Ich hatte als erstes das Buch zum Film in der Hand. Es ist ein knapp zweihunderseitiger, großformatiger Einband, dessen Rückseite übrigens verrät, dass jemand für das Frontcover, welches eine Kopie des BluRay-Covers ohne Jacke ist, tatsächlich freiwillig gelitten hat. Der Anstecker wurde dem Model nämlich nicht per Photoshop an die Brust geheftet... autsch.





"Liberation Days" beginnt ähnlich wie der Film mit einer visuellen Geschichtszusammenfassung. Wo der Film ein collagenartiges Musikvideo aus vielzähligen Quellen präsentiert, stellt das Buch - thematisch etwas komprimierter - zunächst einmal auf vielen vollen Seiten und Doppelseiten unkommentierte historische Bilder rund um nordkoreanische Propaganda, Ost und West, Laibach und "The Sound Of Music" einander gegenüber. Dadurch wird auch hier sehr effektiv eine Grundstimmung etabliert, ein Startpunkt, an dem man die Reise beginnt.

Auch der weitere Aufbau des Buches zeigt naturgemäß Parallelen zum Film und dokumentiert diesen natürlich auch teilweise in Bild und Schrift. Es fungiert zudem als Quellensammlung zur Vertiefung des Gesehenen. So wird nicht nur wie im Film der mediale Aufschrei dokumentiert, der nach der Konzertankündigung durch die weltweite Presse ging, sondern auch die daraus resultierende, qualvoll anstrengende Email-Korrespondenz von Morten Traavik mit seinem nordkoreanischen Ansprechpartner. Auch die vom Regisseur an die komplette Laibach-Reisegruppe ausgehändigten Verhaltensregeln für Reisende in Pjöngjang sind sehr interessant.

Dazu gibt es Nachbetrachtungen in Interviews mit diversen Zuschauern und Beteiligten des Geschehens.

Wer nur an am reinen Textinhalt interessiert ist, der könnte natürlich bemängeln, dass man sich einen ziemlich großen Teil des Buches auch alternativ bei den angegebenen Quellen im Internet zusammenlesen könnte.

Aber ein Browser ist nunmal kein Druckwerk - und "Liberation Days" ist ein exzellent gestaltetes Druckerzeugnis, wofür nicht zuletzt der mit Laibach nach Nordkorea gereiste französische Grafikdesigner Valnoir zu loben ist, dessen Mock-Ups der spezifischen, bunten Heile-Welt-Ikonographie dem kompletten Nordkorea/Laibach-Gesamtkunstwerk einen bemerkenswerten Touch verleitet, der auch die "The Sound Of Music"-Tonträger zu visuellen Highlights in der umfangreichen Laibach-Diskographie macht.




Kommen wir nun zum Film zum Buch zum Film:




"Ein dokumentarisches Musical" nennt sich "Liberation Day" im Untertitel. Das ist gemessen am tatsächlichen Musikanteil, der wahrscheinlich noch geringer ist in Lars von Triers "Dancer In The Dark" natürlich ein bisschen irreführend. Störend ist es allerdings nicht. Schließlich ist dies keine Tourdokumentation wie Iron Maidens "Flight 666", bei der es hauptsächlich darum geht, wie großartig die Band und das Arenapublikum in Stadt A, B, C, D, usw. sind, sondern es geht vor allem um den Vorlauf und die hürdenreiche Vorbereitung einer einzigen, sehr speziellen Show.

Außerdem vielleicht überraschend: Laibach sind nicht Hauptprotagonist in ihrem eigenen Film.

Ein IMDB-Rezensent, der damit offenbar nicht klarkommt, drückt es folgendermaßen aus:
"This is a great documentary on how awesome the director Morten Traavik is, occassionally Laibach and their groundbreaking show in North Korea are mentioned."

Der Kritiker hat damit aber durchaus Recht, denn tatsächlich der Norweger, neben dem Letten Ugis Olte Co-Regisseur des Films, auch ganz schamlos dessen Hauptdarsteller. Und fungiert außerdem als Tourmanager und künstlerischer Direktor von Laibachs Nordkorea-Trip.
Warum lassen die Slowenen das mit sich machen? Ganz einfach: Anders als mit Traavik, der seit Jahren quasi als Monopolist mit dem nordkoreanischen Komitee für kulturelle Beziehungen zusammenarbeit, als zentrale Bezugsperson für alle Beteiligten wäre das komplette Unterfangen schlicht nicht möglich gewesen.

"Liberation Day" ist ein Kammerspiel, welches immer direkt an den Beteiligten klebt: die Band, die Crew, der ständige Dialog zwischen dem Regisseur und ihren Aufpasser, in dem man schnell merkt, dass Traavik sich durch seine persönliche Bekanntschaft oft durchsetzen kann, wo ein Nordkorea-Anfänger sicherlich aus Angst vor Konsequenzen kuschen würde. Sei es der Streit darum, ob Milan Fras bei einer öffentlichen Fotosession seine irritierende Kappe aufbehalten kann oder sei es das übertrieben arrogante Auftauchen eines ihm bis dahin unbekannten Offiziellen: nur weil die Nordkoreaner alle Hebel in der Hand haben, lässt er sich keinen Bullshit bieten.

Es sind vor allem die kleinen Details, welche die Vorbereitungen auf Laibachs Konzert in der Summe so anstrengend machen: die Fünfziger-Jahre-Technik der riesigen Veranstaltungshalle inklusive lächerlicher Stromversorgung, die ständige Umstellererei der Mischpulteinstellungen, der zu südkoreanische Akzent, der Mina Špiler zwingt, eine wochenlang gelernte Passage neu zu lernen. Der auf Anfrage eines Mikrofonständers gebrachte antike Keyboardständer. Die nackten Statuen und westlichen Filmausschnitte, die aus den Videoprojektionen entfernt werden müssen.

Und natürlich auch die Zensur an der Musik selbst. Wobei diese letztendlich gar nicht so dramatisch wie erwartet ausfällt. Ich weiß nicht mehr, aus welcher Quelle ich in meinem Text von 2015 die Zahl von achtzehn geplanten Tracks für das Konzert hatte. Der Audiokommentar des Films klärt darüber auf, dass das für Laibach-Verhältnisse sehr übersichtliche Programm - der Opener "The Whistleblowers" wird am Ende sogar wiederholt, um zumindest auf eine Dreiviertelstunde zu kommen - niemals wesentlich länger geplant gewesen sei. Letztendlich sind nur drei koreanische Songs komplett gestrichen worden, und dies in erster Linie, weil es einfach komisch ausgesehen hätte, wenn die Zensoren gar nichts wegzensiert hätten.

Letztendlich ist dies keine Dokumentation über eine ideologische Schlacht. Dafür lässt das nordkoreanische System Laibach auch niemals den Raum. Und dafür war die Band für Kim Jong Un, der - wie die Doku auch anschneidet - zu der Zeit mit ganz anderen Dingen beschäftigt war, auch realistisch gesehen viel zu undedeutend. Vielmehr zeigt "Liberation Day" ganz normale Menschen, welche unter den Regeln des Regimes leben und handeln, bei ihrer Arbeit. Es ist also in erster Linie ein im Zusammengang mit dem mythischen Monolithen Laibach überraschend menschlicher Film geworden.

Außer dem Restpotential des noch genehmigten Songmaterials finden sich in der Dokumentation eigentlich nur zwei große subversive Momente - und der erfolgreichere davon geht von Koreanern aus:

Die Willkommensrede von Herrn Ryu, welche so ziemlich alle gängigen Anti-Laibach-Klischees aufzählt und ihnen durch die Blume zu verstehen gibt, dass sie eben nicht willkommen sind, verstört in seiner Absurdität zunächst sowohl alle Anwesenden als auch den Zuschauer des Films, ist letztendlich aber nichts anderes als ein mit extrem guten Pokerface vorgetragener Comedy-Rant.

Ganz anders verläuft das unvernünftige Rebellentum ausgerechnet von Laibachs man behind the curtain Ivan Novak, der sich einfach mal ohne den obligatorischen Touristenaufpasser zu einem Spaziergang vom Hotel aufmacht und dadurch die Abfahrt zum Reisegruppenprogramm verzögert. Das Resultat: die komplette Gruppe ist sauer auf ihn, weil er das komplette Unternehmen gefährdet hat, alle verpassen die Gelegenheit, sich Feiern und Feuerwerk zum Liberation Day anzuschauen, was für viele ein Once-in-a-lifetime-Event gewesen wäre - und da er keine Kamera o.ä. dabei hatte existiert von seinem Ausflug auch keinerlei verwertbares Material.
Letztendlich war der einzige Erfolg der Aktion wahrscheinlich, dass sie dem Film die potentiell stärksten nordkoreanischen Propagandabilder geraubt hat. Nein, das war mal nichts.


Der Film als Ganzes kann im Gegensatz dazu einiges. Natürlich geht es um Nordkorea, um Laibach, um Kultur und Politik. Es geht aber auch um Kommunikation, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. Zum Teil folgt er im Grunde auch einfach der Tradition desillusionierender Musikdokumentationen wie "Anvil: The Story Of Anvil". Denn der zähe, mehrtägige Prozess für Aufbau, Soundcheck und Proben, an dessen Ende letzlich ein lächerlich kurzes Konzert steht, trägt durchaus viele Züge von Vorgängen, die jeder Musiker irgendwie schon einmal erlebt hat - allerdings in bester Spinal Tap-Tap-Manier aufgedreht auf elf - und vielleicht sogar darüber hinaus.


Wird "Liberation Day" die empörten Schreihälse zum Verstummen bringen, die Laibach pro-diktatorische Propaganda vorwerfen? Vermutlich nicht, dafür portraitiert der Film die Nordkoreaner dann doch zu wenig als willenlose Rädchen im totalitären Getriebe.
Man könnte auch sagen, dass Morten Traavik zu diplomatisch ist, da er sein Projekt nicht gefährden möchte. Wenn er z.B. von einer anderen Kultur der Entscheidungsfindung spricht, dann sollte einem als Zuschauer natürlich klar sein, dass die auf jedes kleine Problem folgenden, quälend langen Gruppenprozesse letztendlich darin begründet sind, dass niemand alleine verantwortlich sein - und damit im worst case auch möglicherweise vom System bestraft werden - möchte.


Auf jeden Fall sollten sich alle, die ausgerechnet die Pjöngjang-Reise zu glühenden Laibach-Gegnern gemacht hat, mal lieber genau anschauen, was der orange US-Babydent demnächst wieder beim Gipfeltreffen mit seinem nordkoreanischen Idol vom Stapel lassen wird.

Nein, eine Gruppe westlicher (komisch, früher waren sie noch Barbaren aus dem Osten) Künstler, die vor einem hauptsächlich aus Musikern und Musikschülern bestehenden Publikum ein Konzert spielt, könnte - selbst wenn sie unbedingt wollte - keinen vergleichbaren Schaden anrichten.





"Liberation Day" ist in zwei Versionen erhältlich: Es gibt die Party Member Edition und die Supreme Leader Edition.

Letztere kommt zusammen mit dem "The Sound Of Music"-Album auf CD, enthält außer den Songtiteln aber keine weiteren Credits dazu. Außerdem ist die komplette Aufzeichnung des Pjöngjang-Konzerts durch das nordkoreanische Staatsfernsehen zu sehen.
Wie der Film an sich hat sie vor allem dokumentarischen Wert. Selbstverständlich sind die spezielle Atmosphäre und die exklusiven Arrangements für den Diehard-Fan interessant, allerdings kann man als solcher auch unmöglich daran vorbeihören, wie weit unter den gewohnten Produktionsstandards der Sound der Laibach-Musik hier bleibt. Es musste eben viel innerhalb der gegebenen Umstände improvisiert werden. Ob dies schon unter absichtliche Sabotage fällt, darüber lässt sich nur wild spekulieren. Auf jeden Fall, sage ich mal, dass das Ding im Rockpalast anders präsentiert worden wäre.

Beide Editionen enthalten den Film selbst, eine Audiokommentarspur der beiden Regisseure, die Musikvideos von "The Sound Of Music" und "The Whistleblowers" (die erste Zusammenarbeit der Band mit Morten Traavik), sowie einige weitere kurze Bonus-Trailer und Featurettes, die sich allesamt allerdings auf den offiziellen Internetkanälen von Film und Gruppe anschauen lassen.

Das wichtigste Extra beider Versionen ist das komplette Konzert (inklusive Erföffnungsrede von Peter Mlakar) von Laibach auf dem Steirischen Herbst in Wien im September 2018. Auf jenem spielte die Gruppe alle zehn Stücke von "The Sound Of Music", wobei jedem Song aber noch eine kammermusikalische Interpretation vorangestellt wurde.
Neben den dafür notwenigen Streichern fuhr die Band  auch alle Gesangsstimmen des Albums auf. Neben Milan Fras, der Schwedin Marina Mårtensson und dem schon in Korea anwesenden Boris Benko steht für einige Stücke also auch ein Kinderchor auf der Bühne!

Der Rhythmus der Performance ist durch die vielen Overtüren etwas ungewohnt. Trotzdem ist es ein tolles einmaliges Konzert, welches im Gegensatz zur Pjöngjang-Show auch mit einem richtig fetten, überzeugenden Klang punkten kann.


Was?

Ach, Du fragst dich, was mit Mina Špiler geschehen ist? Ich habe schon Versuche gelesen, aus ihrer Abwesenheit bei diesem Konzert - ebenso wie auf dem Album! - eine Story hineinzugeheimsen, doch keine Sorge: Die Dame ist ganz einfach Mutter geworden und deshalb aktuell in Babypause.

Statt nach einem Klon mit ähnlichem Akzent etc. zu suchen (also wahrscheinlich einer gedowngradteten Mina), haben sich Laibach dankenswerterweise für eine Vertretung entschieden, die eine hörbar andere Note einbringt. Marina Mårtenssons musicalnäherer, hellerer Ton passt natürlich auch gut zum gegenwärtigen Sujet.

Und damit sind wir dann auch schon mitten im "The Sound Of Music"-Album.







Zunächst einmal muss man nach all dem Geschwafel bis hierher wohl die Frage stellen, ob dieses Musikalbum auch für sich alleine, ohne Zusammenhang mit "Liberation Day" oder dem originalen Filmmusical, betrachten werden und bestehen kann. Und ehrlicherweise kann ich die Frage nicht mit hundertprozentiger Sicherheit beantworten, da ich in jener Perspektive ja nicht drinstecke.

Die schiere Qualität lässt mich allerdings stark vermuten, dass die Frage bejahbar ist.


Das Album enthält neun Stücke des Musicals in mal sanften, mal bombastischen, stets jedoch sehr gesangslastigen und durchaus poppig anmutenden Arrangements. Das Stück "Maria" wurde dabei zu "Korea" umgedichtet ("How do you solve a problem like Korea?"), und als Abschluss der LP folgt noch das sowohl in Nord- als auch in Südkorea beliebte und als inoffizielle Nationalhymne geltende Traditional "Arirang".

Bei "Nationalhymne" denkt der Laibach-Fan natürlich sofort an das überragende "Volk"-Album von 2006. Die erneute Kooperation von Laibach mit dem Duo Silence auf "The Sound Of Music" ist offensichtlich. Die Produktion, die Kombination von Boris Benkos unverkennbar phrasierender, opernhaft theatralischer Stimme mit Milans Tiefsprechgesang, sogar der Einbau kleiner Klangschnipselscherze wie der Kuckucksuhr in "So Long, Farewell"; das alles schließt sehr an die Tradition von "Volk" an.

Auch die Art und Weise, in der der Inhalt offengelegt wird, ist ähnlich.
Wo die Nationalhymnen vor Blut, Krieg und Pathos strotzten, da liegt nämlich auch "The Sound Of Music" ein Weltbild zugrunde, welches einen bisweilen schaudernd zusammenzucken lässt.

Ich wollte mir zur Recherche ja tatsächlich den kompletten Julie-Andrews-Film anschauen, doch leider hat sich herausgestellt, dass der frei und unverseucht anscheinend kaum im Internet verfügbar ist. Doch auch wenn man sich nur die Ausschnitte zu einzelnen Stücken heraussucht, schüttelt es einen mitunter, was für ein Subtext da in Wort und Bild transportiert wurde.
Insbesondere in "Sixteen Going On Seventeen" konfrontieren Laibach einen dann auch gnadenlos mit der dem Stück innewohnenden Creepiness, und das passenderweise auch zu einem Zeitpunkt, an dem das Album mit dem Doppel aus "My Favorite Things" und "The Lonely Goatherd" (ja, ist auch schon ein bisschen creepy) schon fast zu sehr in Albernheit gekippt ist.

Eine gewisse grotesk parodistische, kaugummihafte Süße muss man dem teilweise wirklich schlimmen Ausgangsmaterial natürlich auch lassen. Im Grunde muss man staunen, mit wie wenig Ironie Laibach hier auskommen.

Abgesehen vielleicht von "My Favorite Things", welches durch John Coltrane und dessen Erben bereits ein überlegenes, unsterbliches Zweitleben erfahren hat, bleiben Laibach mit den Musicalstücken auch der guten Tradition ihrer "new originals" treu, dass man beim Hören der eigentlichen Originale den Eindruck hat, dass irgendetwas fehlt. Ist die eingängige Melodieführung von Laibach erst einmal im Kopf, kann kaum jemand dagegen anstinken.

Ein Grund für die poppige Ohrwurmigkeit ist, dass ganz anders als beim direkten Vorgängeralbum "Also Sprach Zarathustra" bei Laibach wohl noch nie so viel Gesang war. Milan, Boris, Marina, Kinderchöre, in "Do-Re-Mi" gar noch eine Vocoderstimme... Die Slowenen hauen hier stimmlich verdammt auf den Putz.

Ein Song fällt übrigens durch Abwesenheit auf. "We Will Go To Mount Paektu" von der Moranbong Band ist in Nordkorea sozusagen Staatspop und ein ähnlich omnipräsentes wie nervtötendes Stück wie "Everything Is Awesome" im Lego Movie.
In Pjöngjang bereits vom Set gestrichen, hat es ebenso nicht zum Eingang auf das Album gereicht. Inhaltlich haben Laibach es allerding in "Arirang" hinübergeschummelt. Und auch "Climb Ev'ry Mountain" deckt den offenbar quer durch alle Kulturen gehenden Bergmythos bereits perfekt ab.


Ob "The Sound Of Music" zu einem großen Klassiker innerhalb der Diskographie wachsen kann, ist schwer zu sagen. Dass es sich in fast allen Belangen auf "Volk"-Niveau bewegt, spricht an sich dafür.
Ich weiß nur nicht, ob mir das über-kitschige Thema nicht vielleicht doch eines Tages über sein könnte.

Für den Moment jedoch finde ich "The Sound Of Music" nach wie vor zunehmend großartig.


Optisch macht das goldene Vinyl und die Gestaltung von dessen Hülle eine Menge her. Allein dieses Cover mit Milan Fras in propagandistischer Gluckenpose, umringt vom aufmerksamen Nachwuchs, ist die Anschaffung der Schallplatte schon wert.





Die LP kommt inklusive Downloadcode. Und die digitale Version ergänzt das Album noch um zwei nicht von Laibach selbst performte Bonustracks, welche auch auf der CD-Version enthalten sind.

"The Sound Of Gayageum" ist ein in "Liberation Day" von nordkoreanischen Musikschülern vor den europäischen Gästen aufgeführtes kurzes, aber actionreiches Stück, welches mit einem bizarren Stilmix aus Folklore, Elektro und K-Pop überrascht und dabei wie auch mancher "The Sound Of Music"-Song viel mehr ins Ohr geht, als man anfangs eigentlich möchte.

Und ganz zum Schluss gibt es dann noch die komplett aus dem Film übernommene "Welcome Speech". "Laibach is a terrible rock group..." 



Die CD-Version wollte ich eigentlich ja gar nicht haben. Die war mit der Supreme Leader Edition des Films ja schon abgedeckt. Aber der alte Onlineshop von Mute Records hat sich vertan und mir das Ding versehentlich geschickt.
Und nachdem der Versand eh schon viele Wochen gedauert hatte, waren sie dann auch so kulant, mir neben der Kostenerstattung auch den Silberling zu lassen.

Und auch wenn die goldene Beschriftung auf der Seite schon etwas ablättert, ist es ein gerade für CD-Standards sehr hübsches Teil, welches zudem auch noch großteils für diese Version exklusive Artworks von Valnoir für alle Tracks beinhaltet.







Kann ich so etwas wie ein alles zusammenfassendes Fazit geben?

Nein, dafür öffnet dieses Paket einfach zu viele verschiedene Türen in alle möglichen thematischen Richtungen. Wie sagte man doch immer so schön auf einer spießigen Fotografieplattform, bei der ich früher mal Mitglied gewesen bin: "Regt zum Nachdenken an."

Aber eine Kaufempfehlung kann ich und muss ich - jaja, wie immer - aussprechen. Das Album in mindestens einer der angebotenen Formen ist für Fans Pflichtkauf, die Dokumentation sollte  auch für ein größeres Publikum darüber hinaus interessant sein.

Alles andere ist vielleicht Luxus, stellt aber eine lohnenwerte Ergänzung dar.



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