Impulse! hat mal wieder im erweiterten Archiv gewühlt und ein geradezu mythisches Jazzkonzert restauriert, auf dessen Veröffentlichung Fans schon Jahre länger gewartet haben als meine Existenz überhaupt geplant war.
ALICE COLTRANE - The Carnegie Hall Concert (2CD) (2024)
Und die obige Einleitung enthält genau genommen auch schon einen Fehler, denn die Originalaufnahme sowie ihre einzige 1-zu-1-Kopie für die Coltrane-Familie sind beide unbekannt verschollen. Diese Doppel-Cd (auch auf Vinyl erhältlich) basiert also auf dem Referenz-Mix von Prodzent Ed Michel, also einem Stereo-Mix auf Tape, der noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpfte und in erster Linie als Demo diente, um Anzugträger zur Veröffentlichung der Musik zu animieren.
Jene Plattenfirmensesselfurzer waren damals unverständlicherweise allerdings nicht an der Witwe Alice Coltrane als eigenständiger Künstlerin außerhalb des Schattens John Coltranes interessiert, so dass diese Aufnahmen der Öffentlichkeit lange verwehrt blieben. Vor einigen Jahren schaffte es aus diesem Konzert immerhin ihre spektakuläre halbstündige Version von Johns "Africa" auf mehrere inoffizielle Veröffentlichungen (von denen eine beim obigen Foto als Hintergrund dient).
Nun endlich auch die anderen Stücke des Abends hören zu können ist ein unerwarteter Segen!
Dabei ist die Aufnahme, ähnlich wie das letztes Jahr erschienene Album von John Coltrane und Eric Dolphy technisch alles andere als perfekt, wie auch im mit ausführlichen Liner Notes versehenen Booklet detailliert aufgeführt wird. So waren zunächst einmal gar nicht genügend Mikrofone vor Ort vorhanden, so dass zwei Instrumente nur über die anderen Mikros mitzuhören sind, dazu sind die Bläser ab und zu off-mic unterwegs. Und zu guter schlechter letzt stand natürlich nur noch der (immerhin quadrofonischer) Stereomix statt der Originalspuren zur Verfügung. Dank modernster Studiotechnik lassen sich solche Quellen heutzutage aber wesentlich besser aufbereiten als noch vor zehn oder gar zwanzig Jahren. "Africa" hört sich hier auch schon hörbar besser an als auf meiner älteren LP. Ein deutlicher Unterschied liegt in den jetzt viel besser vernehmbaren Percussions. Wer mehr wert auf audiophile Perfektion als auf die Musik an sich legt, der hat hier aber nach wie vor von Anfang an verloren.
Und die Musik... ist nahezu unbeschreiblich. So naserümpfend skeptisch mich persönlich der Gurukult der Sechziger/Siebziger auch macht - Alice Coltrane haben die Lehren Satchidanadas damals sowohl über den Tod ihres Mannes geholfen, als auch zu einem kreativen Höhenflug inspiriert, in dem einige der strahlendsten Juwelen des Spiritual Jazz entstanden sind.
Dass gerade dieses Konzert, mit dem sie sich für lange Zeit aus dem Rampenlicht verabschiedete, zu jener Runde gehören sollte, war nicht abzusehen, zumal ihr angesichts des gemischten, teilweise jazzfremden Publikums auf dem kleinen Festival direkt vor dem Auftritt geraten wurde, nur zwanzig Minuten zu spielen. Eine Idee, die sich nach der begeisterten Reaktion auf "Journey In Satchidananda" als Quatsch herausstellte. Tatsächlich blieb sie dann für nur vier Stücke satte achtzig Minuten lang auf der Bühne.
Alice spielte mit einem fantastisch besetzten Doppelquartett: zwei Drummer, zwei Bassisten (darunter Jimmy Garrison) und die Saxophonlegenden Pharoah Sanders und Archie Shepp.
Die erste Hälfte der Show zeigt ihre von indischer Spiritualität geprägte Seite. In "Journey" und "Shiva-Loka" spielt sie Harfe und verstärkt ihre Band um die beiden Amateurmusiker aus ihrer Guru-Gemeinde Tulsi und Kumar Kramer, deren subkontinentaler Drone auf Tamboura und Harmonium zwar Opfer des erwähnten Mikrofonmangels wurde, hier aber immer noch subtil spürbar bleibt.
Für Johns Kompositionen "Africa" und "Leo" (zu jenem Zeitpunkt noch unveröffentlicht) wechselt sie dann aufs Klavier, welches ihr lautere und wildere Crescendos ermöglicht.
Beide Stücke machen zusammen fünzig Minuten des Albums aus und bieten allen Musikern Raum für Entfaltung, sowohl in Form von Solos/Duetten (die Bässe in "Africa") als auch als Teil des wie himmlisch berauscht spielenden Ensembles, welches in dieser Kostellation so niemals zuvor zusammengekommen war.
Kurz gesagt: Diese Versionen sind einfach irrsinnig gut und taugen als absolute Paradebeispiele, falls Bedarf bestehen sollte, den Begriff Spiritual Jazz zu erklären und man es zunächst instrumental halten - und somit zunächst auf Pharoah Sanders' "Karma" verzichten - möchte. Legendärer geht's kaum!
Ein fantastisches Album, welches ich mir zugegebermaßen vor allem deswegen "nur" auf CD geholt habe, damit das bereits in meiner Sammlung vorhandene "Africa"-Vinyl nicht ganz obselet wird.
Jene Plattenfirmensesselfurzer waren damals unverständlicherweise allerdings nicht an der Witwe Alice Coltrane als eigenständiger Künstlerin außerhalb des Schattens John Coltranes interessiert, so dass diese Aufnahmen der Öffentlichkeit lange verwehrt blieben. Vor einigen Jahren schaffte es aus diesem Konzert immerhin ihre spektakuläre halbstündige Version von Johns "Africa" auf mehrere inoffizielle Veröffentlichungen (von denen eine beim obigen Foto als Hintergrund dient).
Nun endlich auch die anderen Stücke des Abends hören zu können ist ein unerwarteter Segen!
Dabei ist die Aufnahme, ähnlich wie das letztes Jahr erschienene Album von John Coltrane und Eric Dolphy technisch alles andere als perfekt, wie auch im mit ausführlichen Liner Notes versehenen Booklet detailliert aufgeführt wird. So waren zunächst einmal gar nicht genügend Mikrofone vor Ort vorhanden, so dass zwei Instrumente nur über die anderen Mikros mitzuhören sind, dazu sind die Bläser ab und zu off-mic unterwegs. Und zu guter schlechter letzt stand natürlich nur noch der (immerhin quadrofonischer) Stereomix statt der Originalspuren zur Verfügung. Dank modernster Studiotechnik lassen sich solche Quellen heutzutage aber wesentlich besser aufbereiten als noch vor zehn oder gar zwanzig Jahren. "Africa" hört sich hier auch schon hörbar besser an als auf meiner älteren LP. Ein deutlicher Unterschied liegt in den jetzt viel besser vernehmbaren Percussions. Wer mehr wert auf audiophile Perfektion als auf die Musik an sich legt, der hat hier aber nach wie vor von Anfang an verloren.
Und die Musik... ist nahezu unbeschreiblich. So naserümpfend skeptisch mich persönlich der Gurukult der Sechziger/Siebziger auch macht - Alice Coltrane haben die Lehren Satchidanadas damals sowohl über den Tod ihres Mannes geholfen, als auch zu einem kreativen Höhenflug inspiriert, in dem einige der strahlendsten Juwelen des Spiritual Jazz entstanden sind.
Dass gerade dieses Konzert, mit dem sie sich für lange Zeit aus dem Rampenlicht verabschiedete, zu jener Runde gehören sollte, war nicht abzusehen, zumal ihr angesichts des gemischten, teilweise jazzfremden Publikums auf dem kleinen Festival direkt vor dem Auftritt geraten wurde, nur zwanzig Minuten zu spielen. Eine Idee, die sich nach der begeisterten Reaktion auf "Journey In Satchidananda" als Quatsch herausstellte. Tatsächlich blieb sie dann für nur vier Stücke satte achtzig Minuten lang auf der Bühne.
Alice spielte mit einem fantastisch besetzten Doppelquartett: zwei Drummer, zwei Bassisten (darunter Jimmy Garrison) und die Saxophonlegenden Pharoah Sanders und Archie Shepp.
Die erste Hälfte der Show zeigt ihre von indischer Spiritualität geprägte Seite. In "Journey" und "Shiva-Loka" spielt sie Harfe und verstärkt ihre Band um die beiden Amateurmusiker aus ihrer Guru-Gemeinde Tulsi und Kumar Kramer, deren subkontinentaler Drone auf Tamboura und Harmonium zwar Opfer des erwähnten Mikrofonmangels wurde, hier aber immer noch subtil spürbar bleibt.
Für Johns Kompositionen "Africa" und "Leo" (zu jenem Zeitpunkt noch unveröffentlicht) wechselt sie dann aufs Klavier, welches ihr lautere und wildere Crescendos ermöglicht.
Beide Stücke machen zusammen fünzig Minuten des Albums aus und bieten allen Musikern Raum für Entfaltung, sowohl in Form von Solos/Duetten (die Bässe in "Africa") als auch als Teil des wie himmlisch berauscht spielenden Ensembles, welches in dieser Kostellation so niemals zuvor zusammengekommen war.
Kurz gesagt: Diese Versionen sind einfach irrsinnig gut und taugen als absolute Paradebeispiele, falls Bedarf bestehen sollte, den Begriff Spiritual Jazz zu erklären und man es zunächst instrumental halten - und somit zunächst auf Pharoah Sanders' "Karma" verzichten - möchte. Legendärer geht's kaum!
Ein fantastisches Album, welches ich mir zugegebermaßen vor allem deswegen "nur" auf CD geholt habe, damit das bereits in meiner Sammlung vorhandene "Africa"-Vinyl nicht ganz obselet wird.
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