Sometimes German, sometimes English. • The title of this blog used to change from time to time. • Interested in me reviewing your music? Please read this! • I'm also a writer for VeilOfSound.com. • Please like and follow Audiovisual Ohlsen Overkill on Facebook!

2014-11-19

DAVID BOWIE - Sue (Or In A Season Of Crime)

Bald ist Weihnachten, also lässt die Musikindustrie ihre Dinosaurier von der Leine.
Alte Alben neu verpackt und neue Alben mit altem Inhalt, Boxen, Bücher, Best Ofs noch und nöcher...

AC/DC sind AC/DC sind AC/DC sind AC/DC sind *gähn* ... Wo war ich gerade?

Pink Floyd lassen den Cargohosencomputermann über den Kitschhimmel steuern - dummerweise ist er mit dem Fahrstuhl inkl. entsprechender Beschallung dorthin gekommen.

Queen haben dieses Jahr zwar mit "Live At The Rainbow '74" ihr bestes Livealbum aller Zeiten rausgebracht, reanimieren für die Gabentisch-Invasion jedoch lieber Freddie Mercury und Michael Jackson für ein Duett, welches aus gutem Grund nicht zu deren Lebzeiten veröffentlicht worden ist.

Und was tut David Bowie, der letztes Jahr so überraschend aus dem Nichts Wiedergekehrte?

Mit "The Next Day" hatte er (bzw. seine Plattenfirma) sich ja diesem elenden Trend angeschlossen, eine früh im Jahr erschienene Platte gen Jahresende noch einmal in einer erweiterten Version herauszubringen. (vergleiche Lana Del Ray "Born To Die" -> "Born To Die - The Paradise Edition")

Und nun bringt er eine karriereumspannende Best Of raus, natürlich mit dem obligatorischen einen neuen Lied als Köder... aber halt!

Dieses Lied bekommt man ja auch ohne den restlichen Rattenschwanz.

Und ist es weihnachtsgerecht eine Ballade? Berlint es? Oder rockt es eher?

Wie? Bowie macht jetzt Jazz?

Ach, das ist dann bestimmt eine festtagstaugliche Nummer, so in Richtung Kaufhaus-Big-Band-Swing mit den bewährten Evergreens der letzten siebzig Jahre - Mr. Bowiejangles sozusagen... Oder etwa nicht?




DAVID BOWIE - Sue (Or In A Season Of Crime) (10" Vinyl) (2014)

Die Maxi-Single "Sue (Or In A Season Of Crime)" gibt es nicht auf CD, sondern ausschließlich als Download - und vor allem als 10-Zoll-Schallplatte. Diese verzichtet - woran sich Pink Floyd vielleicht auch besser ein Beispiel genommen hätten - gänzlich auf ein Cover, sondern steckt einfach ganz retro in einer Papierhülle des Parlophone-Labels. Immerhin haben es aber die Songtexte noch auf die Rückseite geschafft. Das Vinyl selbst ist klassisch, schlicht und schön.

Ich wünschte mir allerdings zumindest für den Versand noch ein wenig mehr Schutz, musste ich doch wieder einmal eine brandneue Hülle mit Tesafilm verarzten, weil sich die Scheibe seitlich durchgefressen hat.


Die Rille mit der Musik hat zum Glück keinen Schaden genommen.

Es ist tatsächlich Jazz, eine Tatsache, bei der manche Fans offensichtlich schon reflexartig das Kruzifix zücken. Und ich dachte immer, David Bowie hat Narrenfreiheit und darf machen, was er will...

Seit mir irgendwann einmal bewusst geworden ist, dass Bowie in bestimmten Stimmlagen durchaus eine Schnittmenge mit Chris Farlowe besitzt, könnte ich mir viele Stücke der Jazz/Blues/Rock-Fusionisten von Colosseum durchaus mit Bowie am Mikro vorstellen. Tatsächlich hat mich erst neulich auf ihrem aktuellen Album der Song "Next New Day" sehr stark an Bowie erinnert.
Und nun haut der Meister selbst hier seinerseits einen über sieben Minuten langen Brocken raus, der locker aus den Reihen von Colosseum stammen könnte.

"Sue" ist sehr düsterer Jazz, zugleich schwermütig und aufbrausend.
Zu treibendem Bass und solierendem Saxophon kreist das rastlose Schlagzeug wild um sich selbst und jagt den Song doch voran, so wie es - stilistisch weit entfernt und doch im Grunde artverwandt - im Prinzip auch ein elektronischer Breakbeat tun könnte.
Darüber türmen sich soundtrackartige dunkle Orchesterarrangements auf und fallen in sich zusammen. Ja, der ganze Song stürzt zwischenzeitlich in kontrolliertes Chaos ab.
Und Bowie singt langsam und klagend dazu. Große Kunst fernab der Radiokonventionen. Alles richtig gemacht!

Auf der B-Seite gibt es zwar auch noch einen vierminütigen Radio-Edit, aber echte Das-Beste-aus-den-80ern-90ern-und-von-heute-Formatkost ist das Ding so zum Glück auch noch nicht.
Wozu auch? Warum sollte sich ausgerechnet Bowie noch darum kümmern, ob seine Stücke auch zur Überbrückung von Stau- und Blitzermeldungen geeignet sind?


Der zweite Song "'Tis A Pity She Was A Whore" funktioniert ähnlich wie "Sue". Auch hier ist Bowies Organ der croonende Ruhepol über einer Musik, die viele chaotische Wellen schlägt.
Der Sound ist allerdings ein ganz anderer. Zu einem offensiven, prima mit Queens "Don't Lose Your Head" mashbaren Beat spielen flächige Keyboards und in Tempo und Intensität ständig variiernde Loops. Könnte man ebensogut auf einem Album von Archive finden.
Nicht der Grund, sich die Platte zu kaufen, aber für mich auch kein Argument dagegen.


Fazit: David Bowie ist nach wie vor experimentierfreudig, relevant und einfach einer der ganz Großen seiner Generation. 'Tis a pity, dass es nicht ein ganzes neues Album mit mehr davon gibt.

Aber nächstes Jahr ist ja wieder Weihnachten.


Anspieltipp: ach, alles, ist ja schließlich nur eine Single

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen