Ich gehe ja sehr selten ins Kino, aber wie ich vor einem Monat hier berichtete, wollte ich mir die nur in vier deutschen Lichtspielhäusern angebotene Möglichkeit, Quentin Tarantinos "The Hateful Eight" in längerer "Roadshow"-Version auf 72 mm zu sehen, nicht entgehen lassen.
Dass ich begeistert war, lag natürlich nicht nur an der formatbedingt beeindruckenden visuellen Komponente, sondern wie immer bei Tarantino auch zu einem großen Teil am Soundtrack. Und so war mir auch schon im Kino klar, dass sich die Musik neben "Pulp Fiction", "Jackie Brown", "Kill Bill" und "Django Unchained" in die Sammlung einreihen sollte.
ENNIO MORRICONE / VARIOUS ARTISTS - The Hateful Eight (Soundtrack) (2LP) (2016)
Zunächst einmal muss ich voranstellen, dass es sich hier um die schon an der Schreibweise "The H8ful Eight" erkennbare, europäische Decca-Pressung handelt, welche ein anderes (wie ich finde schöneres) Cover als die US-Version von Third Man Records hat, allerdings angeblich auch eine deutlich schlechtere Pressqualität. Dies hat sich leider bestätigt, gerade in ruhigen Passagen wird die Doppel-LP teilweise zu einem schlimmen Knack-und Knisterfest. Trotzdem habe ich mir das Ding nicht auf CD gekauft, denn der Preis war bei einem bekannten Onlinehändler, der einem die mp3-Version als Backup mitliefert, gerade um zehn Euro auf digitales Niveau abgestürzt.
Von daher bereue ich den Kauf auch nicht. Zumindest optisch ist das Gatefold mit bedruckten Innenhüllen auch sehr ansprechend. Schade ist nur, dass ich keinen würdigen Wandplatz für das schöne Kutschen-Panorama habe; ein Schicksal, welches es sich bereits mit einer Menge anderer LP-Poster teilt.
Konzeptionell stellt "The Hateful Eight" einen Bruch in Tarantinos Soundtrack-Diskographie dar. Bisher hatte er sich stets bei bereits bestehender Musik bedient und so vielen Schätzen aus seiner Plattensammlung zu neuer Blüte und ewigem cineastischen Ruhm verholfen.
Nur selten wurde ein einzelnes Stück direkt für einen Film geschrieben. Doch die letzten Werke, für die er sich mehrmals u.a. bei gebrauchten Stücken von Soundtrack-Legende Ennie Morricone bediente, welcher ihm schließlich für "Django Unchained" sogar ein eigenes Thema komponierte, deuteten die Möglichkeit eines komplett individuellen Scores bereits an.
Und so war es diesmal tatsächlich soweit!
Werbesprüche wie "Morricones erster Western-Soundtrack seit drölfunddrölfzig Jahren!" sind allerdings eine Mogelpackung. Denn der Score für "The Hateful Eight" hat mit den Klassikern des Spaghetti-Westerns wenig zu tun und entpuppt sich mit seiner düsteren, drinnen klaustrophobisch lauernden und draußen stürmisch aufbrausenden Stimmung tatsächlich vielmehr als lupenreine Horrorfilmuntermalung.
Dabei konzentriert er sich analog zu den wenigen Schauplätzen und Figuren des Films auch auf Variationen sehr weniger Themen, zu denen wohl kein Horror-Klassiker-Regisseur der Marke Dario Argento jemals nein gesagt hätte. Wer also bei Tarantino vollkommen darauf eingeschossen ist, im Soundtrack einen wilden Ritt durch alle Stufen der Coolness in unterschiedlichsten Genres zu erleben, der wird hier natürlich nicht bedient, bekommt dafür jedoch eine bisher so noch nie bei Tarantino erlebte Tiefe und Intensität.
Auf ein paar nicht von Morricone geschriebene Stücke konnte der Regisseur allerdings auch dieses Mal nicht verzichten, so dass der orchestralen Opulenz kurze Einschübe minimalistischer Folk- und Rockmusik gegenüberstehen, beigesteuert u.a. von The White Stripes und Roy Orbinson.
Einer meiner Lieblingssongs, "Jim Jones At Botany Bay", wird im Film live am Set von Jennifer Jason-Leigh (als Daisy Domergue) gesungen und hat seinen Weg genau in dieser Version, also inklusive Filmdialog und -geräuschkulisse direkt auf den Soundtrack geschafft.
Soweit ich mich erinnere, entspricht die Reihenfolge sowohl der Morricone- als auch der anderen Tracks der Chronologie des Films, mit zwei Ausnahmen: Die nur der 72mm-Vorstellung vorangestellte Ouvertüre folgt hier erst nach dem Titelthema, und die finale Szene des Films ist einmal inklusive Dialog und einmal in rein musikalischer Form vertreten. Da es sich um weniger als zwei Minuten handelt, fühlt sich das auch nicht künstlich gestreckt an.
Längen ergeben sich allerdings trotzdem. Denn neben den beiden erwähnten Szenen hat Tarantino natürlich wie immer noch weitere Samples aus dem Filmdialog zwischen den Musikstücken eingebaut, was mir grundsätzlich immer gefallen hat. Leider schießt er hier aber über das Ziel hinaus, denn es sind zum einen zu viele Szenen, zum anderen sind die Ausschnitte viel zu lang. Da wäre größere Konzentration auf das musikalisch Wesentliche dem Ganzen zuträglicher gewesen.
Doch davon abgesehen ist die Musikauswahl an sich gewohnt geschmacksicher. Und das Kernstück, Ennio Morricones Orchester-Score, ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben und wurde nicht nur aus einer zufälligen Champagnerlaune heraus jüngst mit dem Oscar prämiert. (Tatsächlich ist dies erstaunlicherweise - abgesehen von der Lebenswerkauszeichnung 2007 - sein erster. Und er ist mit 87 Jahren dazu noch der älteste Oscar-Gewinner aller Zeiten.)
Vielleicht trägt der Academy Award ja auch dazu bei, dass es bald noch eine weitere Pressung von "The hateful Eight" in ordentlicher Qualität gibt. Denn dass Decca dieses Meisterwerk derart unter seiner Würde präsentiert, ist durchaus ein mittlerer Skandal und eine Beleidung sowohl der Hörer als auch der beteiligten Künstler.
Werbesprüche wie "Morricones erster Western-Soundtrack seit drölfunddrölfzig Jahren!" sind allerdings eine Mogelpackung. Denn der Score für "The Hateful Eight" hat mit den Klassikern des Spaghetti-Westerns wenig zu tun und entpuppt sich mit seiner düsteren, drinnen klaustrophobisch lauernden und draußen stürmisch aufbrausenden Stimmung tatsächlich vielmehr als lupenreine Horrorfilmuntermalung.
Dabei konzentriert er sich analog zu den wenigen Schauplätzen und Figuren des Films auch auf Variationen sehr weniger Themen, zu denen wohl kein Horror-Klassiker-Regisseur der Marke Dario Argento jemals nein gesagt hätte. Wer also bei Tarantino vollkommen darauf eingeschossen ist, im Soundtrack einen wilden Ritt durch alle Stufen der Coolness in unterschiedlichsten Genres zu erleben, der wird hier natürlich nicht bedient, bekommt dafür jedoch eine bisher so noch nie bei Tarantino erlebte Tiefe und Intensität.
Auf ein paar nicht von Morricone geschriebene Stücke konnte der Regisseur allerdings auch dieses Mal nicht verzichten, so dass der orchestralen Opulenz kurze Einschübe minimalistischer Folk- und Rockmusik gegenüberstehen, beigesteuert u.a. von The White Stripes und Roy Orbinson.
Einer meiner Lieblingssongs, "Jim Jones At Botany Bay", wird im Film live am Set von Jennifer Jason-Leigh (als Daisy Domergue) gesungen und hat seinen Weg genau in dieser Version, also inklusive Filmdialog und -geräuschkulisse direkt auf den Soundtrack geschafft.
Soweit ich mich erinnere, entspricht die Reihenfolge sowohl der Morricone- als auch der anderen Tracks der Chronologie des Films, mit zwei Ausnahmen: Die nur der 72mm-Vorstellung vorangestellte Ouvertüre folgt hier erst nach dem Titelthema, und die finale Szene des Films ist einmal inklusive Dialog und einmal in rein musikalischer Form vertreten. Da es sich um weniger als zwei Minuten handelt, fühlt sich das auch nicht künstlich gestreckt an.
Längen ergeben sich allerdings trotzdem. Denn neben den beiden erwähnten Szenen hat Tarantino natürlich wie immer noch weitere Samples aus dem Filmdialog zwischen den Musikstücken eingebaut, was mir grundsätzlich immer gefallen hat. Leider schießt er hier aber über das Ziel hinaus, denn es sind zum einen zu viele Szenen, zum anderen sind die Ausschnitte viel zu lang. Da wäre größere Konzentration auf das musikalisch Wesentliche dem Ganzen zuträglicher gewesen.
Doch davon abgesehen ist die Musikauswahl an sich gewohnt geschmacksicher. Und das Kernstück, Ennio Morricones Orchester-Score, ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben und wurde nicht nur aus einer zufälligen Champagnerlaune heraus jüngst mit dem Oscar prämiert. (Tatsächlich ist dies erstaunlicherweise - abgesehen von der Lebenswerkauszeichnung 2007 - sein erster. Und er ist mit 87 Jahren dazu noch der älteste Oscar-Gewinner aller Zeiten.)
Vielleicht trägt der Academy Award ja auch dazu bei, dass es bald noch eine weitere Pressung von "The hateful Eight" in ordentlicher Qualität gibt. Denn dass Decca dieses Meisterwerk derart unter seiner Würde präsentiert, ist durchaus ein mittlerer Skandal und eine Beleidung sowohl der Hörer als auch der beteiligten Künstler.
Anspieltipps: Neve - Versione Integrale, L'Inferno Bianco, L'Ultima Diligenza Di Red Rock, Jim Jones At Botany Bay (Jennifer Jason Leigh), Apple Blossom (The White Stripes)
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