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2025-09-30

Ideologische Orgelei mit HAMPUS LINDWALL, KALI MALONE und LUCY RAILTON


Freunde der Randgruppenkunst und exzellenten Experimentalmusik, dieses Rezensionstrio ist für euch! Drei aktuelle Alben von Sunn O)))-Gitarrist Stephen O'Malleys streng kuratiertem Nischenlabel Ideologic Organ, alle digital, oder ansprechend verpackt auf CD (wie in meiner Sammlung) oder als LP zu haben. Maximal effektiver Minimalismus in unterschiedlichen Spielarten.

Wir beginnen mit dem konzeptionell - insbesondere in Bezug auf den Labelnamen - wohl reinsten Werk:




KALI MALONE - The Sacrificial Code (CD) (2019/2025)

Remastered und mit einem zusätzlichen Track versehen auf insgesamt über fünfundsiebzig Minuten Spielzeit verlängert, dröhnt Kali Malones 2019er Album "The Sacrificial Code" nun in neuem Glanz.

Das Cover verrät den Inhalt: nur Malone alleine auf der Pfeifenorgel. Außer einer einminütigen Unterbrechung durch Kirchenglocken nach einer knappen Stunde keine anderen Klänge oder Mitmusiker. Nur die Zeit außer Kraft setzendes, majestätisch introvertiertes Orgelspiel, bei dem ein Schlussakkord schon einmal anderthalb Minuten gehalten werden kann.

Die absolute Gegenthese also zur Aufmerksamkeitsspanne der Generation Social Media. Ungefilterte musikalische Schönheit verpackt in konsequent minimalistischen, in präsizer Detailverliebtheit auf jede kleinste Resonanz und Textur fokussierten Kompositionen, die sich über den Hörer legen wie eine überweltlich meditative Macht aus einer fremdvertrauten Dimension des erhabenen Stillstands.

Schlicht und anspruchsvoll entzieht diese Musik sich trockener Erklärbarkeit. Der Intellekt des Hörers darf sich entspannen, während der Code direkt in der Seele wirkt. Und so kann auch ich mich nur der kontemporären Kritik anschließen, die "The Sacrificial Code" schon vor sechs Jahren zum Meisterstück gekürt hat. Unvergleichlich.







LUCY RAILTON - Blue Veil (CD) (2025)

Ok, ganz unvergleichlich vielleicht nicht. Denn im Grunde macht das Debüt-Soloalbum der Cellistin Lucy Railton, welche vor zwei Jahren auch an Kali Malones mammutösen 3-CD-Epos "Does Spring Hide Its Joy" mitgewirkt hatte, etwas ganz ähnliches wie "The Sacrificial Code", nur eben basierend auf ihrem respektiven Instrument.

In sieben Phasen werden auch hier ohne jede Hast die Mikrostimmungen und (dis)harmonischen Schwingungen erkundet. Nicht formale Strukturen bestimmen den Fluss der Musik, sondern die physische Präsenz des Cellos selbst, sein Puls und Atem.

Neben "befriedigend" und "zufriedenstellend" existiert eine tiefere, viszeralere Bedeutung des englischen Begriffs "satisfying", die beispielsweise in satisfying videos idealerweise getriggert wird. Für dieses Phänomen gibt es meines Wissens nach keine wirklich adequate deutsche Übersetzung. Es ist jener Impuls, der auch in Railtons Cellospiel wirkt. Man muss sich "Blue Veil" nur in Ruhe hingeben.

Mit einem kompakteren Format von vierzig Minuten fällt dies bei geringerer Erfahrung mit Deep-Listening-Musik vermutlich etwas leichter und enthebt einen weniger aus der Zeitwahrnehmung der Außenwelt als Malones Herausforderungen, für die man sich ja mitunter Platz im Kalender freischaufeln muss.







HAMPUS LINDWALL - Brace For Impact (CD) (2025)

Der Sunn O))-Drone Metal-Crunch ist unverkennbar. Der Opener und Titeltrack von Organist Hampus Lindwalls Album "Brace For Impact" überfällt den Hörer sogleich mit einem dramatischen Gastspiel Stephen O'Malleys, über sich in einer akustischen Illusionsspirale scheinbar endlos nach oben ziehen Kirchnorgelklängen.

Der Rest des Albums gehört dann Lindwall allein. Ebenso wie Kali Malone und Lucy Railton entzieht sich sein Spiel komplett der bequemen rhythmischen und melodischen Erfassbarkeit. Und zu Beginn übt auch er sich in chronometrisch eingefrorener Langsamkeit.

Noch im Laufe des zweiten Stücks "Swerve" emanzipiert er sich jedoch deutlich von den Labelgenossinnen. Er erkundet ein ganz anderes Klangspektrum der Orgel als Kali Malone, sucht nach fiesen, gruseligen, kraftvollen Stimmen, die auch durch Effekteinsatz manipuliert sein dürfen. Und vor allem gibt er sich auch schnelleren Tempi und scheinbar chaotischerer Ausdrucksweise hin.

"Brace For Impact" scheint mal gespenstisch wirbelnder Livesoundtrack zu einem Horror-Stummfilm zu sein, mal die in unvorhersehbar wildem, oft geradezu brutalem Stakkatowahn freidrehende Eskalation eines tollwütigen Phantoms der Oper.
Eine geistige Kernverschmelzung der avantgardistischen Randbereiche von kontemporärer Klassik und Jazz mit einem Resultat, das man sowohl als konstruierte Kopfmusik, jedoch noch leichter als konsequenten Orgelpunk verstehen kann. A special flavour of Hirnfick, made in St.-Antonius-Kirche Düsseldorf.






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