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2010-12-22

Tonträger 2010, Teil 1 : Vom Grab ins Licht (AUTOPSY, CYNIC)

Ich habe hier ja sehr lange kein Album-Review mehr verfasst, da dachte ich mir, ich reiche jetzt zur Zeit der Jahresrückblicke zumindest mal ein paar Worte zu den neuen Scheiben, die ich mir 2010 gegönnt habe, nach.

Gestern hatte ich noch überlegt, das ganze als Top 10 zu präsentieren, aber erstens bekomme ich die zehn dieses Jahr erschienenen Alben nicht ganz zusammen, zweitens könnte ich mich hinter Platz 1, den ich ja schonmal nebenbei erwähnte, partout nicht für eine Rangfolge entscheiden. Dafür sind die Sachen einfach zu unterschiedlich. Außerdem habe ich mir insgesamt etwas mehr Musik zugelegt, als ich wirklich schon kennenlernen konnte, will sagen: in ein paar durchaus geile Sachen habe ich mich noch gar nicht genug reingehört, um sie in irgendeinem Ranking unterbringen zu können.

Ich fange also jetzt einfach mal alphabetisch und damit auch mit den beiden kürzesten CDs an...


AUTOPSY - The Tomb Within (2010)

Bürgerwehren dieser Welt, patroilliert die Friedhöfe und schaut euch genau an, wer rein- und wer rauskommt! Denn die Legende ist zurück!

Räudig, stinkend, widerlich, aber doch glibberig frisch wie eh und je kriechen Autopsy mit dieser EP nach 15 Jahren aus ihrer Gruft, als wäre der Sargdeckel niemals geschlossen worden.

Schlagzeuger und Sänger Chris Reifert poltert, gurgelt, grunzt und keift einem direkt in die Fresse, dass man das Gefühl hat, beim Schädelschütteln seinen Sabber im Raum zu verteilen.

Alles an dieser Scheibe hört sich grob und dreckig an, viel zu dynamisch, organisch und anstrengend für die meisten modernen Metalkonsumenten wahrscheinlich, doch eben genauso wie Death Metal der brutalen Sorte eigentlich klingen sollte!
Wobei ich die letzte Aussage natürlich noch ein bisschen einschränken muss: Wer spielerisch nichts drauf hat, der kann sich nämlich eine solche, alle möglichen Schwächen gnadenlos aufdeckende Produktion wie "The Tomb Within" eben nicht leisten.
Autopsy hingegen sind instrumental über jeden Zweifel erhaben. Insbesondere das Leadgitarrenduo Eric Cutler / Danny Coralles war schon immer eines meiner liebsten im Genre, die King/Hannemann des Todesbleis sozusagen.

Nichtsdestotrotz werden Autopsy auch innerhalb der Death-Metalszene sicherlich immer ein eitriges Randgruppenekzem bleiben, dafür ziehen sie einfach zu überzeugt und kompromisslos ihr Ding durch. Zwischen lieben und hassen gibt's wahrscheinlich für den Hörer nicht viele Optionen.

Mir macht diese EP so viel Spaß, dass ich sie gerne ein paar Mal hintereinander durchlaufen lasse. Allein die Antizipation der total kranken letzten zwanzig Sekunden ist es wert.

Wenn Autopsy auf ihrem nächsten Longplayer dieses Niveau auch nur halten, dann dürfte ein Meisterwerk zu erwarten sein, dass sich nicht hinter dem Klassiker "Mental Funeral" verstecken muss.

Üüüüääärrghhh!

Erwähnte ich eigentlich schonmal irgendwo, dass Autopsy unbedingt aufs Wacken Open Air gehören? ;)

Anspieltipps: egal, einfach ganz laut aufdrehen und los geht's!




CYNIC - Re-Traced (2010)

Wenn man die Cover der jüngsten Veröffentlichungen von Autopsy und Cynic miteinander vergleicht, könnte man glatt auf die Idee kommen, dass es sich hier um die schwarze und weiße Seite einer Medaille handelt.

Tatsächlich gibt es ja neben der Ähnlichkeit des Artworks und der Tonträgerlänge von jeweils fünf Titeln ja auch musikalische Paralellen, nämlich die Death-Metal-Wurzeln und eine gewisse Jazz-und-Siebziger-Jahre-Affinität beider Bands. Ja was, wer kuckt hier ungläubig? Ok, von diesen Gemeinsamkeiten ausgehend könnten zwei Gruppen nicht unterschiedlicher klingen als es "The Tomb Within" und die EP von Cynic tun.

Naheliegender ist es selbstverständlich, das Cover und die Musik von "Re-Traced" mit dem vorangegangenen Comeback-Album von Cynic, "Traced In Air" zu vergleichen, schließlich handelt es sich bei vier der fünf Songs um Neuinterpretationen von Stücken dieses Albums.

Dabei bleibt der Grundaufbau der Kompositionen im Grunde fast unangetastet, die stilistische Basis des Arrangements unterscheidet sich aber zum Teil erheblich, ohne sich jedoch in eine bekannte Schublade einordnen zu lassen. Irgend etwas in der Art von "experimenteller Neo-Folkpop mit elektronischem Einschlag" habe ich irgendwo gelesen. Hmm, könnte der Sache durchaus nahe kommen. Ruhiger, meditativer wirkt es auf jeden Fall.

Metal ist es definitiv nicht, dementsprechend sind auch keine Growls, sondern ausschließlich der cleane Gesang Paul Masvidals zu hören. Nach wie vor finden sich allerdings noch verzerrte Gitarren, diese jedoch auf wenige Passagen konzentriert, teilweise dort, wo man sie nicht zwingend erwarten würde. Die Kenntnis der Originale feit einen also nicht vor Überraschungen.
Sehr interessant in meinen Ohren zum Beispiel der Breakbeat im Finale von "King" (Original: "King Of Those Who Know").

Am einfachsten zu umschreiben ist "Integral", eine musikalisch fast nur auf akustische Gitarre reduzierte Fassung von "Integral Birth". Wäre die ganze EP in diesem Stil, könnte man problemlos von unplugged sprechen.

Ganz und gar plugged ist danach aber wieder "Wheels Within Wheels", der einzige komplett neue Song, eine melancholische, getragene Nummer, welche sich inklusive Chuck-Schuldiner-Gedächtnis-Doublebassattacke wieder mehr im normalerweise von Cynic gewohnten Kosmos umhertreibt, dabei aber vielleicht etwas artrockiger als "Traced In Air" daherkommt.

Die entscheidenden Fragen zur Gesamtbewertung dieser Veröffentlichung sind wohl:

Waren diese Neuinterpretationen wirklich nötig? - Antwort: Nein, hier haben sich die Künstler einen Luxus gegönnt.

Sind die neuen Versionen besser? - Nein, aber teilweise empfinde ich sie zumindest durchaus als gleichwertig. In jedem Fall stellen sie aber ein gelungenes Experiment dar, welches wieder einmal beweist, dass wirklich gute Songs unabhängig von der Art ihres Vortrags immer gute Songs bleiben. Ein Kritiker der New York Times hat Paul Masvidal nicht umsonst auf Augenhöhe mit seinen Vornamensvetter McCartney zu dessem kreativen Höhepunkt gestellt!

Sollte man diese EP besitzen? - Als Fan tut man's ja sowieso. Für den Neueinstieg in die Klangwelt von Cynic ist sie bis auf den letzten Track vermutlich etwas irreführend; anderseits für manchen Hörer ohne Metalhintergrund vielleicht auch sogar leichter.
Aber man weiß ja nicht, wo die musikalische Reise zukünftig hingeht...


Wie kürzlich bekannt wurde, markiert "Re-Traced" das Ende von der Cynic-Besetzung Masvidal / Sean Reinert / Tymon / Robin Ziehlhorst, die ich zum Glück eins, zwei, drei Mal live bewundern durfte und die mir auch ein Poster komplett signiert hat.
Der Split geschah einvernehmlich aufgrund der logistischen Schwierigkeiten, die entstehen, wenn eine Band halb in Kalifornien, halb in Holland zu Hause ist.

Als Fan erfüllt mich dies aber keinesfalls mit Sorge, ich vertraue da ganz auf das gute Händchen von Paul Masvidal und Sean Reinert bei der Auswahl ihrer künftigen Mitstreiter.
Vor allem aber freue ich mich, dass es nun höchstwahrscheinlich auch wieder eine Zukunft und ein neues Album von Tymon und Robins fabelhafter Instrumentalband Exivious geben wird!

In diesem Sinne bewerte ich den Split eigentlich sogar positiv. Wer weiß, vielleicht touren die beiden Gruppen ja eines fernen Tages zusammen, das wäre der absolute Knaller. *träum*

Anspieltipps: Integral, Wheels Within Wheels

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