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2025-10-10

HEDVIG MOLLESTAD TRIO und MARY OCHER live im Roten Salon des hafenklang, Hamburg (08. Oktober 2025)


Vor ein paar Monaten hätte ich beinahe aus Versehen Tickets für zwei Konzerte am selben Tag gekauft und merkte erst im Bestellvorgang, dass ich mich nicht zwischen Hafenklang und MS Stubnitz aufteilen kann, auch wenn beide nah bzw. in der hamburger Elbe liegen.

Ich hatte beide Bands vorher schon zwei Mal live gesehen, das Hedvig Mollestad Trio allerdings noch nie in Hamburg. Und die drei Norweger(innen) sind natürlich auch einfach so sensationelle Vertreter ihres Genres, dass auch der großartige experimentelle Drone Doom von Divide & Dissolve für mich an diesem Abend leider nicht gegenan stinken konnte.

Am Hafenklang wartete die Meute zunächst am falschen Eingang, da das Konzert von unten in den besser zur Publikumsmenge passenden Roten Salon darüber verlegt worden war.

Ebenfalls (allerdings zeitlich) verlegt wurde die eigentlich für einen anderen Tag geplante Show von Solokünstlerin Mary Ocher, die somit hier als ein überraschendes Kontrastprogramm auffahrender Opener fungierte. 





MARY OCHER
Puh, wie lässt sich diese eigentümlich, die Balance zwischen unterhaltsamer Musik und experimenteller politischer Kunst durchaus phasenweise  strapazierende und auch vor bewusst hervorgerufener peinlicher Stille nicht zurückschreckende Dame am besten beschreiben?

Die in Moskau geborene und in Tel Aviv aufgewachsene ("eine lustige Kombination heutzutage") Künstlerin, die eigentlich lieber mit ihrer Band aus zwei Perkussionisten spielt, kann man im Grunde als minimalistische Wundertüte bezeichnen, bei der man nie weiß, was als nächstes kommt: ein elektronisches Stück mit exzentrischem Gesang, anderen Mundgeräuschen und Blockflöte? Ein alternativ-punkiger Gitarrensong? Ein Berliner Schule-Elektrokraut-Instrumental? Eine Klavierballade inklusive Edit Piaf -Reinkarnation? Eine Videopräsentation mit für Anfänger vielleicht etwas zu ambitionierten Karaoke-Elementen?

Auf jeden Fall war es spannend und eigenwillig, wozu auch der kurze fragmentarische Charakter vieler Tracks beitrug. Irgendwie schräg, aber auch gut und eindringlich. Musikalisch kann ich dem Ganzen in seiner vollen Studiopracht, wie ich sie jetzt gerade auf Bandcamp höre, allerdings schon noch ein paar Ecken mehr abgewinnnen.








HEDVIG MOLLESTAD TRIO
Hedvig (Gitarre), Ellen (E- und Kontrabass) und Ivar (Schlagzeug) begannen ganz sachte, mit kleinen Geräuschen, Ambient-Atmosphäre, auf Becken schabenden Drumsticks und Geklöter. Als auch die meisten Sabbler im vollen Saal verstanden hatten, dass es ruhig zuzuhören galt, explodierte die Band dann aber viel lauter als erwartet in voller Stoner-Rock-Wucht. Bäm!

Leider habe ich mir nicht gemerkt, wann genau dies eigentlich geschah, d.h. ich kann nicht genau sagen, wie lang die Show exakt dauerte, aber es waren sicherlich gute neunzig Minuten bestgelaunte explosiv dynamische Spielfreude, die das mit einigen norwegischen Pilgern durchsetzte Publikum erwarteten und verdient in frenetische Begeisterung versetzten.

Dieser fließend von einem ins andere gleitende Mix aus Jazz, Fusion, Prog, himmelhoch fliegenden Soli und heavy groovenden und immer wieder zu rhythmischen Überraschungen aufgelegten Metalriffs... und alles was sonst noch in den grenzenlos, so typisch norwegischen Sound des Trios einfließt... er ist einfach einmalig.

Die Setlist bediente sich aus einem Dutzend Jahren der Hedvig Mollestad Trio-Diskographie, gönnte sich aber auch als geschlossenen Block das komplette aktuelle Album "Bees In The Bonnet"; und zwar trotz der bei den Fans unbeliebten scherzhaften Ansage sie wegzulassen inklusive der Ballade (="Lamament").
Egal wie laut, leise, schnell oder langsam - umwerfend war hier alles. Ziemlich unmöglich, Highlights herauszupicken, auch wenn ich mich schon besonders über den Ohrwurm "All Flights Cancelled" von "Ding Dong. You're Dead." gefreut habe.
 
Wenn so viel Virtuosität (man könnte z.B. leicht der gesamten Show über staunend den Fingern der Basssistin folgen) und quietschlebendige Bandchemie zusammentreffen und auf eine empfängliche Menschenmenge treffen, kann die Nacht eigentlich nicht ohne ein gewisses Maß an Eskalation enden. Und so spielten die beiden Damen der Band dann auch beinahe den gesamten letzten Song inmitten des Publikums, wo Hedvig sich sogar so wohl fühlte, dass sie sich zwischenzeitlich hinlegte. Alles natürlich bei gleichbleibender musikalischer Wildheit.

Danach hätte die Gruppe leicht den Laden dichtmachen können, ohne dass sich jemand beschwert hätte. Stattdessen schnappte die Bandleaderin sich zur Zugabe aber lieber ausnahmsweise ein Gesangsmikro und man feuerte ein  furioses Cover von Led Zeppelins "Rock and Roll" ab. Das musste dann auch so als abschließendes Statement stehenbleiben.

Was für ein Abend! Jede Zelle meines Körpers ist immer noch glücklich vor restloser Begeisterung.







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