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2016-01-31

Tarantino auf 70mm : THE HATEFUL EIGHT Roadshow


Gestern war ich im Kino.

Diese Aussage allein ist ja schon eine kleine Sensation, was vor allem damit zu tun hat, dass man hier in der norddeutschen Provinz meistens weit fahren muss, um Filme im Originalton sehen zu können. Und so sehr Cineast bin ich dann einfach nicht.

Aber für eine spezielle Aufführung des achten Films von Quentin Tarantino kann man auch mal den Arsch hochbekommen. Zumal das Savoy-Kino in Hamburg in diesem Fall noch sehr nahe war, denn die "The Hateful Eight" Roadshow ist im deutschsprachigen Raum sonst nur in Berlin, Essen, Karlsruhe und Wien zu sehen.

Tarantinos Werke sind ja immer auch Reflektionen über die Geschichte des Kinos und der Liebe des Regisseurs zu dessen verschiedenen Genres, Phasen und Präsentationsformen.
Sein erster Versuch, eine Kinotradition als komplettes Erlebnis wiederaufleben zu lassen, das zusammen mit Robert Rodriguez aufgezogene B-Movie-Doppelpack "Grindhouse", war allerdings ein Flop, da viele Besucher gar nicht verstanden hatten, dass ihr Ticket für zwei komplette Filme (plus Fake-Trailer dazwischen) galt und den Saal schon viel zu früh wieder verließen.

Das aus den 50er bis 60er Jahren stammende Konzept der Roadshow ist zum Glück idiotensicherer und bedeutet im Grunde nur, dass in exklusiven Vorstellungen eine längere Version des Films mit musikalischer Ouvertüre und Pause gezeigt wird und es dazu evtl. noch Souvenirs gibt.

Und dann ist da in diesem Fall natürlich noch das zentrale Merkmal, wegen dem nur so wenige Kinos in der Lage sind, "The Hateful Eight" in seiner Idealform zu zeigen, nämlich das seit fünfzig Jahren nicht mehr verwendete 70mm-Filmformat.

Das am Eingang des Saals verteilte, etwa schallplattensinglegroße Begleitheft sagt dazu folgendes:


Da die meisten Kinos erst kostspielige Umbaumaßnahmen durchführen mussten (auch das Savoy hat im fünfstelligen Bereich investiert), wird diese Präsentation des Filmes tatsächlich wohl kaum jemandem nennenswerten Gewinn einbringen, sondern muss vor allem als Prestige-Projekt traditionsbewusster Filmtheater gelten.

Und lohnt es sich für den Zuschauer?
Klare Antwort: auf jeden Fall!

Egal, ob es weite verschneite Berglandschaften sind, oder die Close-Ups und raumumfassenden Totalen des Kammerspieles, in welches "The Hateful Eight" bald mündet - niemals war Tarantino so umfassend, räumlich und episch in seinen Bildkompositionen.

Es sollen vor allem die ganz langen, für die Handlung nicht zwingend nötigen Kameraeinstellungen, in denen das Format ohne Eile ausgekostet wird, sein, die im regulären Release kürzer geschnitten wurden. In diesem originalen Cut kann man sich daran allerdings gar nicht satt sehen.

Von mir aus könnten ruhig noch mehr Regisseure diese beeindruckende Technik wieder aufgreifen. In meinen Augen ist das wesentlich interessanter, ästhetischer und wirkungsvoller als jede 3D-Spielerei.



Zur Handlung des Streifens selbst halte ich mich mal bedeckt. Mich hat es schon genervt, dass neulich ein SPON-Schreiber schon in den ersten Sätzen seiner Filmkritik derbe spoilern musste.

In der Besetzung finden sich viele aus früheren Tarantino-Filmen bekannte Gesichter wie Tim Roth, Michael Madsen und Kurt Russell, und wollte man "The Hateful Eight" in seiner Filmographie einordnen, so ist unübersehbar, dass er an einige Ideen von "Django Unchained" direkt anknüpft. Doch trotz des visuell nun ungleich größeren Rahmens und dem mächtigen (erstmal komplett originalen) Ennio Morricone-Scores fühle ich mich aufgrund des teils theaterhaften Set-Ups doch am ehesten an sein Debüt "Reservoir Dogs" erinnert.

Natürlich gibt es auch ohne Kofferaum-Shot oder nackte Damenfüße einige weitere bekannte - optische wie erzählerische - Motive aus Tarantinos Universum.
So ist die Identität des "Niggers" in Amerika schon genauso lange eine Komponente seiner Arbeit wie die Kooperation mit Samuel L. Jackson. Ebenso dürfte es keinen Zweifel geben, welche Zigarettenmarke hier geraucht wird. In einem Jackson-Dialog kann man sich problemlos "burger" statt "stew" denken. Auch die Annahme, dass ein testosterongeladenes, angespanntes Westernszenario bei Tarantino ohne zumindest eine Spur überhöhten Gewaltexzess auskommt, ist eher unrealistisch.
Und eine ganz entscheidende Schlüsselszene des Films variiert effektvoll ein Ereignis aus "Inglouriuos Basterds".

Wo ich den Film insgesamt qualitativ einordnen soll, ganz ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Die Handlung ist die meiste Zeit über dialoglastig und lässt mehr als ein Ende offen, um das Tarantino sich bewusst nicht kümmern möchte, da er lieber (und zu Recht) die Form zelebriert. Und deren Wirkung hat sich in dieser Roadshow ja größtmöglichst entfaltet.

Zur finalen Beurteilung braucht es dann wohl erst die reduziertere Heimkinoerfahrung.
Wenn man denn überhaupt so eine Beurteilung braucht.
Denn ob man wie ich "Jackie Brown" favorisiert, oder "Kill Bill" oder "Pulp Fiction" - Für die restlichen Filme gilt doch trotzdem immer:

Es ist ein Tarantino! --> Geil!

Basta.


Also HamburgerBerlinerKarlsruherEssenerWiener - falls es noch Plätze gibt, schaut euch das Ding an!




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