Wie bei so vielen guten Künstlern in den letzten Jahren war es die Ankündigung eines Roadburn-Lineups, welches die Band, deren Name wie der skandinavische Teil meines Frühstücks klingt, erstmals auf meinen Radar gerückt hat.
Lichterloh gezündet haben Årabrot allerdings nicht auf Anhieb, weshalb ich sie damals auch nicht live gesehen habe. Der zweite Anlauf mit ihrer Unplugged-Performance im Rahmen des Chaos Theory Livestreams hat mein Interesse an der Gruppe mit dem komischen Hut später deutlich stärker entfacht.
Und als schließlich die Promo für das neue Album im Elektrobriefkasten landete, brauchte es nur wenige Songs, ehe klar war, dass ich mir das Ding zusammen mit Monos neuem Livealbum bestellen würde.
Für ihre Touren und Alben umgeben die beiden sich mit wechselnden Kollaborateuren, und allein ein Blick darauf, wer auf "Norwegian Gothic" musikalisch mitwirkt, verspricht hier einiges: Motorpsycho-Drummer Tomas Järmyr, Zu-Bassist Massimo Pupillo, Cellistin Jo Quail, Jaga Jazzist-Multiinstrumentalist Lars Horntveth und Anders Møller von Ulver sind schon für hochwertiges Handwerk stehende Hausnummern.
Nach Abzug einiger kurzer Zwischenspiele besteht "Norwegian Gothic" aus zwölf Song, die jeder auf seine Weise dieses Versprechen voll einlösen. Gothic ist dabei wohl eher Haltung als Genre, lässt sich punktuell aber durchaus auch als Stilbeschreibung anwenden, wenn sich Årabrot zwischen Postpunk, Noise Rock und Spuren von Folk bewegen. Insgesamt verhält es sich mit der Band aber ähnlich wie bei Motorpsycho so, dass der stilistische Bogen so weit gespannt wird, dass einem am Ende tatsächlich einfach nur übergreifend Rock als aus allem destillierte Definition einfällt.
Rock, der alleine durch die Rhythmussektion enorm heavy daherkommt und noch dazu ständig von einer Düsternis umwoben ist, die an Killing Joke, die ideale Fitness von Danzig, vor allem durch Nernes' oft geradezu schneidenden und beißenden Gesang an die Intensität Michael Giras und dessen Swans erinnert.
Und dass "Norwegian Gothic" dabei von unentrinnbaren, hartnäckigen Ohrwürmern geradezu überbevölkert ist, löst diese Dunkelheit keinesfalls auf, sondern steigert nur ihre Vehemenz.
Gefühlt könnten noch ein oder zwei Tracks mehr den Leadgesang von Karin Park gebrauchen, doch vielleicht ist das Verhältnis auch gerade richtig, um ihr orchestrales "Hallucinational" als Gegenpol zur groovenden und stampfenden Teufelsmusik besonders glänzen zu lassen.
Die zahlreichen überraschenden Details, die dieses Album bereithält, will ich hier gar nicht erst zu spoilern versuchen, doch wer das eine oder andere Review von mir gelesen hat, der weiß, dass ich das Finale "The Moon Is Dead" unmöglich unerwähnt lassen kann. Hier brechen Årabrot nämlich aus ihrer sonst eher kompakten Songlänge aus und lassen Streicher und Jazzsaxophon um eine eopchal dröhnende Swans-Ballade eskalieren. Großartig!
Um das Urteil geht hier kein Weg vorbei: "Norwegian Gothic" ist ein gnadenlos mitreißendes, dabei aber nie seinen künstlerischen Anspruch verratendes Rockalbum, ein gewaltiges kreatives Statement. Meisterwerk nennt man so etwas, glaube ich.
Definitiv das ultimative Indoktrinierungsmaterial für diese Kirche!
Das kommt nicht von ungefähr, da es sich hier eigentlich nicht um einen Appetizer auf das kommende Album handelt, sondern um bisher unveröffentlichte Stücke aus den Sessions zu Vorgängerwerk "Who Do You Love". Zum Personal gehörten hier u.a. Andrew Liles (Current 93) und Insekt Ark-Chefin Dana Schechter.
Kurz und heftig. Für sich sicher nicht so ein Pflichtkauf wie das kommende Album, doch durchaus auch schon sehr gutes Zeug.
Da Pelagic Records EP und Album im Bündel auf mehrfarbigem "Feel It On"-Vinyl anbietet, habe ich auch hier zugeschlagen. Hoffe dann mal, dass die Welt bis dahin doch noch einigermaßen heile bleibt und bin gespannt, wie es sich anfühlt.
[EDIT 17. Juli 2021 - Da ich anscheinend ein altes Bankkonto gespeichert hatte, wurde meine Bestellung ein biiiiischen später als erwartet bearbeitet. Aber heute habe ich die Tonträger endlichendlichendlich bekommen. Und sie sehen sensationell aus!]
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