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2021-11-06

ANNE BAKKER / RENÉ AQUARIUS / RUTGER ZUYDERVELT - Hallucine

Na, wer erinnert sich noch daran, als RTL zur Erfüllung der Kulturprogrammquote Alexander Kluges Sendung "10 vor 11" im wochentäglichen Nachtprogramm verfeuerte? Bzw. an Sat 1 mit den von derselben Firma produzierten Pendant "News & Stories"?
In beiden erlebte man auch immer mal wieder erstaunliche musikalische Momente, wie z.B. John Zorns Erinnerung an die "Kristallnacht" oder die Verwendung von Godfleshs "Perfect Skin Dub".

Die beim belgischen Label Consouling Sounds erschienene CD "Hallucine" wäre genau Kluges Ding gewesen, um historische Bilder im Dreck spielender Kinder zwischen osteuropäischen, nach einem Militärputsch zerstörten Industrieruinen zu untermalen, welche zusätzlich mit Zitaten antiker Philosophen unterlegt würden, welche sich auf die Atombombenabwürfe über Japan und den Erhalt der alpinen Fauna Österreichs in Verbindung bringen lassen, was wiederum durch Zeitzeugen nachstellende Theaterschauspieler  in Interviewsegmenten weiter verkompliziert würde.

ANNE BAKKER / RENÉ AQUARIUS / RUTGER ZUYDERVELT - Hallucine (CD) (2021)

Der eigentliche Witz an diesem höchst evokativen Minialbum, welches aus einem einzigen Dreiunddreißig-Minuten-Track besteht, ist die Profanität seiner Entstehung.
Experimentalmusiker und Produzent Rutger Zuydervelt aka Machinefabriek hatte nämlich sowohl mit Cellistin Anne Bakker als auch Hans-Dampf-in-allen-Dead Neanderthal-Gassen René Aquarius bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet und hatte von beiden Material für separate zukünftige Kollaborationen auf dem Tisch liegen.
Beim Herumspielen merkte er allerdings, dass Aquarius' Becken- und Feldaufnahmen und Bakkers Geigen, Violas, Mundharmonicas und Stimmaufnahmen zusammen - und mit seinem eigenen Elektrogedräue bestäubt - noch mehr Sinn als getrennt ergaben.

Doch keine Sorge, dieses Hintergrundwissen entzaubert "Hallucine" keineswegs, sondern macht es im Grunde nur noch bemerkenswerter, wie profund, kohärent und sorgsam geplant diese Collage aus Sehnsucht, Entfremdung, Natur, Industrie, Ferne und existenzieller Abgründigkeit klingt.

Packende, faszinierende Experimentalmusik!




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