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2024-11-06

LAIBACH - Strange Fruit

"A strange and bitter crop..."

Laibach knew exactly why they released this digital EP on the day before the election in the Divided States of America.


LAIBACH - Strange Fruit (download) (2024)

It doesn't flatter mankind at all that one of the most critically acclaimed and culturally significant songs of the last century is about racist lynchmob killings. And even when Billie Holiday or Nina Simone sang it, its meaning went beyond the direct initial meaning to a bitter universal truth about the human condition.

Today "Strange Fruit" sounds cold, minimal and bleak. The heavy expressional grand piano of Sašo Vollmaier, ominous Ambient noises and the sonorously snarling voice of Milan Fras define Laibach's version. There is no redundant meat, this is Laibach reduced to their bare bones. Every note is effective, meaningful, draws you in. You cannot flee from the hopelessness of this vision. 

"Racism is a virus that mutates, taking on different forms as it adapts to a changing environment. Its mutation is made harder to observe by it being deeply embedded, not only in our traditions and institutions, but also in our unconscious lives" explain Laibach themselves, continuing that their interpretation "is aimed at this new context of eternal but ever-changing and adpative racism."

Ultimately this "Strange Fruit" is a soundtrack to the failure of humanity. To the hatred, pain and destruction it brings. To the anti-social dystopia we are spiraling into faster and faster every day. To the crippling disappoinment in our terribly stupid race, which is eating me up from inside today.

I knew this rendition of the song was powerful since I experienced it live in Hanover two weeks ago. But I couldn't have anticipated how much I would need this work of art right now for my emotional balance and staying sane in the face of global decline of societal dignity.

So of course I'm gladly taking it thrice on this EP, in two alternate studio version and one live recording, even if all three tracks sound very close to each other. After all this is peak Laibach at their most theatrical and real, combined with the quiet elegance of modern Einstürzende Neubauten.






2024-11-05

NARABARA und HYPNODRONE ENSEMBLE live auf der MS Stubnitz, Hamburg (03. November 2024)


Und ewig lockt das Motorboot! Sonntag gind es für mich wieder einmal an Bord der neben den Elbbrücken anliegenden MS Stubnitz, Es lockten Drone-Gitarren-Meister aus Kanada - und es überraschte eine Gruppe aus China, auf die ich gar nicht vorbereitet gewesen war.





HYPNODRONE ENSEMBLE
Eins, zwei, drei Schlagzeuge, rechts, links und hinten auf der Bühne. Das war ja schon vom Aufbau her eine Ansage. Und es zeigte, dass man immer pünktlich zu Konzerten kommen sollte, z.B. falls die Gruppe, die man als Headliner erwartet hatte, doch schon als erstes dran ist.

Mit den Bandleadern Eric Quach aka thisquietarmy und Aidan Baker (den ich hier neulich erst mit Nadja gesehen hatte) standen die Zeichen beim Hypnodrone Ensemble natürlich auf Drone und Ambient. Dazu der hypnotische Drive von drei Drummern und ein unkonventionell auf dem Kopf, mit der höchsten Saite oben gespielter Bass.

Klar, die Krönung wäre gewesen, wenn wie auf dem formidablen Livealbum "The Problem Is The Sender - Do Not Temper With The Receiver" Wundersängerin Otay:onii mit von der Partie gewesen wäre. Doch auch in seiner natürlichen instrumentalen Form war es ein besonderer Trip, in diese Improvisationen zwischen Post-, Noise- und Kraut-Rock einzutauchen. Alleine das rhythmische Surround-Sound-Erlebnis, direkt vor der Bühne von Drums galore beschallt zu werden! Dazu die sich eh großzügog im Schiffsbauch verteilenden Bassfrequenzen und es geht klanglich eigentlich gar nicht mehr besser. Fantastisch!

Das einzige, was mich ein wenig störte, war dass ich gerne noch gute zwanzig Minuten mehr davon vetragen hätte. Aber anderseits ist es ja auch gut aufzuhören, solange das Publikum noch Hunger auf mehr hat.








NARABARA

Die Chinesen NaraBara waren danach in vielerlei Hinsicht das Gegenteil: Statt drei Drummern nur ein Schlagzeuger, der aber groovte wie drei. Statt aus im Prinzip minimalistischen Versatzstücken aufgetürmter Freiform super komplexe Kompositionen, die zwischen Jazz Fusion, mongolischer Folklore und unzähligen weiteren Einflüssen zwischen Trip Hop, Disco, R'n'B und auch der einen oder anderen psychedelischen Note eine unwiderstehliche Party zwischen urbaner Moderne und nomadischer Tradition entfachten.

Für den mongolischen Anteil war vor allem Sänger Yider verantwortlich, der nicht nur Pferdekopfgeige, Spießlaute und Flöte spielte, sondern auch immer mal zwischen seine normale Stimme etwas Kehlkopfgesang einwarf.
Und all dies mischte sich kongenial mit dem unglaublichen tighten Zusammenspiel der restlichen Gruppe, die noch Keyboards, Gitarre und dem unverschämt funkigen Bass des neuesten Bandmitglieds Fred Grenade vom Inselstaat Mauritius mit einschloss.

Dass NaraBara auf ihrer ersten Europatour nicht nur das Publikum auf dem Elbkutter total geflasht haben, zeigte sich nach der Show am Merchtisch, wo sich herausstellte, dass ihr aktuelles Album "Hamt Zamin Hümüs" leider schon ausverkauft war. Absolut heißer Nu Jazz-Shyce! 









2024-11-02

SEPULTURA, JINJER, OBITUARY und JESUS PIECE live in der Inselpark Arena, Hamburg (01. November 2024)


40 Jahre Sepultura - und tschüß! Dass die Abschiedstour der Brasilianer auch einen geräumigen Laden wie die Inselpark Arena ausverkaufen würde, überrascht natürlich nicht, denn zu diesem Ereignis stehen natürlich auch Gestalten, die weder die größten Fürsprecher von Musikveranstaltungen in Mehrzwecksportstätten, noch die obsessivsten Fans der Band oder einer ihrer drei mitgebrachten Supportacts sind, auf der Matte. So wie ich.

Aber dass wir uns nicht falsch verstehen: Auch wenn ich die Diskographien von Sepultura und Obituary nach den frühen Neunzigern nur sehr peripher verfolgt habe, waren beide Bands damals sehr prägend (Sepulturas "Arise"-Tour war sogar mein erstes nicht-lokales, richtiges Konzert in Hamburg). Und vor allem überzeugten auch alle späteren Begegnungen mit den Gruppen auf dem Wacken Open Air.

Von daher war meine Vorfreude trotz Arenaformats groß. Eine richtig große Metalshow ist ja in einigen Aspekten auch richtig geil. Im Gegensatz zu den von mir deutlich bevorzugten kleineren Clubs z.B. sehr lästig, aber vermutlich schon aus statistischen Gründen kaum vermeidbar ist, dass man halt einen viel größeren Teil seiner Aufmerksamkeit darauf verwendet, stets nebenbei einen Vier-Meter-Radius um sich herum nach unberechenbaren Idioten im Publikum zu scannen. Sich last minute nach vorne drängelnde Besserfans, zappelnde Crowdsurfer, von Anfang an besoffene Halbtote in der ersten Reihe - und überhaupt das Drama im Kampf um jene Plätze, inklusive einer ähm... Dame, die ihrem Nachbarn damit drohte, den Securities zu erzählen, von ihm begrapscht worden zu sein, einfach weil er durch die Bewegung der Massen in ihre Richtung gedrückt worden war. Aber sonst geht's noch? Da bedanken sich sicherlich auch alle Opfer echter Übergriffigkeit.

Solche Nebenschauplätze um einen herum, nerven natürlich. Zum Ausgleich gab es dafür aber selbst weit vorne einen mächtigen Sound inklusive hörbarem Gesang. Das ist ja auch etwas wert. Und natürlich eine Menge Stimmung, schon bei den Vorbands...





JESUS PIECE

Von den amerikanischen Metalcore-Band Jesus Piece hatte ich vorher noch nie bewusst gehört, und außer dass sie in ihrem Genre sehr stabil und stimmig unterwegs sind, kann ich mich auch nach dieser Show nicht großartig zu ihnen äußern.

Gerade wenn neben dem Chefbrüller auch noch einer der Gitarristen herumschrie, hatte es schon feine Momente, aber insgesamt war das doch ein bisschen viel Chuggachugga und Breakdowns. Das war schon alles gut gemacht und passte auch ins Billing, zumal dieser Aggro-Groove-Kram einen großen Teil seiner Existenz schließlich Sepultura zu verdanken hat. Aber meine Musik war das einfach nicht.








OBITUARY

Jetzt schon die Death Metal-Giganten Obituary? Ein bisschen komisch kam es mir ja schon vor, solche Old-School-Titanen zur immer noch recht frühen Stunde auf die Bretter kommen zu sehen. Anderseits ist die örtliche Uhrzeit auch Banane, wenn man sich eh auf Zeitreise begibt.

Nicht nur bot die Band als AC/DC ihres Genres nicht exakt was man erwartete - und das mit fettestem Wumms und einer Spielfreude, als sei es 1991 -, nein, auch modisch setzte die Band ein Ausrufezeichen, indem sie die Anerkennung der Existenz der letzten drei Jahrzehnte komplett verweigerte. Mag ich ja immer, wenn man auch die gute alte Death Metal-Tradition der Nichtunterscheidbarkeit von Straßen- und Bühnenklamotten hochhält. Nö, John Tardy ist einfach immer noch komplett derselbe, stinknormale  langhaarige Typ in Cameo-Cargos, nur halt drölfzig Jahre älter als in der Urzeit des Florida-Todesbleis.

Aber nochmal ernsthaft: Wie geil sind Obituary live? Die Messlatte für den Rest des Abends hing jetzt schon sehr hoch.








JINJER

Ich hatte Bock auf Jinjer. Oder zumindest wollte ich Bock auf Jinjer haben. Dass die Ukrainer auf dem Billing dieser Tour stehen, hat meiner Ticketkaufentscheidung jedenfalls nicht geschadet, zumal ich auf den Festivals, wo sie üblicherweise auftreten, eher nicht anzutreffen bin (mein letztes Wacken ist nun bald acht Jahre her). Und sehen wollte ich die Genrehüpfer gerne einmal.

Leider war die Erfahrung etwas ernüchternd. Klar, die drei Musiker können spielen ohne Ende - Respekt auch für das unorthodox aufgebaute Schlagzeug -, und Sängerin Tatiana ist zweifellos eine charismatische Erscheinung. Und wenn sie mal richtig gnadenlos den Knüppel zücken, dann machen Jinjer auch wirklich Spaß.
Neunzig Prozent der Musik allerdings ist einfach super random. Jeder Part könnte hier eigentlich zu jedem Song gehören. Was ja nicht per se schlecht ist, wenn hinten immer noch etwas spannendes rauskommt. Aber die einzelnen Versatzstücke sind dafür einfach trotz aller spielerischen Finesse zu belanglos, wodurch ich mich nach der Hälfte der Show schon etwas zu langweilen begann.
Und dasselbe gilt für den Gesang, dessen Präsentation bei dier Band zweiffellos große Priorität hat. Die Frau kann singen, belten, growlen, keine Frage. Anders als manche Fans zu glauben scheinen, hat sie zwar nichts davon erfunden, doch sie kann es. Allein was bringt es, wenn einem am Ende der Show nichts emotional gepackt oder als Aha-Moment hängenbleibt?

Natürlich kann ich nicht behaupten, dass Jinjer gestern eine miese Vorstellung brachten. Aber von der Band, von der immerhin "Pisces" stammt, hatte ich mehr erwartet. Mit entfesseltem Songwriting-Mojo könnten die doch eigentlich alles. Schade um das ungenutzte Potenzial.

Und um noch einmal über Fans zu motzen: Wer wirft Künstlerinnen bitte CDs an den Kopf? Manche Leute sind doch nicht mehr ganz frisch im Oberstübchen. 








SEPULTURA

Und nun Derrick Green, Andreas Kisser, Paulo Jr. und neuer Rekrutmann Greyson Nekrutman auf großer Jubiläums/Abschiedssause!

Wo soll ich anfangen? Vielleicht bei der Bühne, denn nachdem sie nach den vorigen Gruppe jedesmal etwas freier wurde, herrschte nun plötzlich ganz viel Platz. Hinten gab es einen großem Raiser für Drumkit und weitere Plätze, falls es Bass und Gitarre vorne mal zu heiß wurde. Und vor allem waren zusätzlich zur regulären Lightshow noch eine Menge Videowände installiert, so dass das Set visuell in einer ganz enderen Liga spielte.

Und was für ein Set Sepultura im Gepäck hatten! Klar, wären "Beneath The Remains" und "Arise" in dieser Rückschau ähnlich stark vertreten gewesen wie "Roots" oder "Chaos A.D.", dann wäre es vermutlich schon zu komplett irrsinnig perfekt gewesen. Aber die Jungs haben sich für diese finale Tour natürlich Gedanken gemacht - und wissen ja auch, welche Bandphase von den Cavalera-Brüdern eifrig abgefrühstückt wird.

Die Sequenz der Stücke, die Abwechslung von Groove-Stampfern mit Thrash-Klassikern wie "Troops of Doom", "Escape to the Void" oder "Dead Embryonic Cells" war schon sehr kurzweilig gemacht. Und es gab auch an den richtigen Stellen ein bisschen Luft mit Intros und Akustikgitarre, um dem Publikum zumindest mal einen Ansatz von Durchatmen zu erlauben. Denn Junge, es ging wild ab!

Ohne direkten Kontakt zur Absperrung waren die Wahrung von Gleichgewicht und generell Autonomie über die eigene Bewegung nur noch bedingt in meinen eigenen Händen (und Füßen... und Beinen... etc.).  Doch, der Abend hat mich ganz schön gerädert. Bis zum späten Nachmittag hatte ich mir heute am Folgetag ja noch fest genommen ein kleines Festival mit vier Bands bei Itzehoe zu besuchen, aber nee, ich bin leider zu durch. Und für morgen steckt ja auch schon das nächste Konzertticket in der Tasche.

Aber ich will nicht jammern, denn ein bisschen temporäre Quälerei war dieser Abriss wert!

Als u.a. noch nach reichlich Gasttrommlerbesuch für "Kaiowas", dem abschließenden Doppelschlag aus "Inner Self" und "Arise" und der tatsächlich überraschend kurzen Zugabe aus einem in "Ratamahatta" und - was sonst? - "Roots Bloody Roots" mündenden Drumsolo die Saallichter angingen, hätte ich jedenfalls kaum zufriedener sein können.

Ich hatte eine souveräne Show mit einem gesunden Maß an Nostalgie erwartet. Entsprechend meiner persönlichen alten, aber seit Ewigkeiten nicht mehr gepflegten Bindung halt. Was ich bekam, war weitaus mehr als das. Ganz klar eine der größten Shows des Jahres!

Obrigado pela música, Sepultura!