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2024-10-15

CORECASS live im Hafenklang, Hamburg (13. Oktober 2024) / CORECASS - Tar


Mensch, was bin ich trotz immer wieder interessantem Programm lange nicht mehr im Hafenklang gewesen!
Letztes Jahr Ende November war es, es spielten Jo Quail und... oh... Corecass. Das ist ja praktisch! Da kann ich meinen kleinen Bericht ja einfach copypasten.

Ach nee, schade, geht nicht. Diesmal wurde ja nicht unten im großen Raum gespielt, sondern oben im Roten Salon. Und wenn das schon nicht übereinstimmt...
Dabei war die Präsentation am Sonntag durchaus ähnlich, als Elinor Lüdde in Gänze das neue Album ihres Projekts vorstellte, welches man auf dieser Release-Show auch schon vorab am Merch abgreifen konnte.

Und damit unterbreche ich diesen Konzertbericht auch schon für ein kleines Review im Review:



CORECASS - Tar (Gold Spot Blue Splattered Ultra Clear vinyl LP) (2024)

Schon auf der 2020er EP "V o i d", die ich mir auf dem letzten Konzert mitgenommen hatte, war dieses Eine-Damen-Projekt schwer eindeutig zu klassifizieren. Und auf dem neuen Album macht die Multiinstrumentalistin und Sängerin mir diese Übung nicht einfacher, da die Trajektorie ähnlich ist, allerdings diesmal noch etwas gereifter und stilistisch umfangreicher daherkommt.

Aber zum Glück verlangt ja niemand eine eindeutige Zuordnung, also darf, um die (auch bei mir) beliebte billige Ausflucht "Experimental" zu vermeiden, fröhlich aufgezählt werden:
Vom Fluss und den dominantesten Klängen her lässt sich die Basis von Corecass' Sound in Neoklassik und Dark Ambient verorten. Viel Klavier, Orgel, Harfe, Streicher (bzw. streicherartige Synthesizer), der Gesang, wenn er stattfindet oft wie eine mystische Textur in einem weiten sakralen Raum.

Anna von Hausswolff, Kali Malone und Jóhann Jóhannsson kamen mir dazu schon vor einem Jahr in den Sinn und finden sich auch auf "TAR" wieder. Naheliegend ist auch der Vergleich zu den letzten Veröffentlichungen von - Überraschung - Jo Quail. Nicht nur kompositorisch verbergen sich in diesen überwiegend aktives Zuhören einfordernden Stücken nämlich ebenso metal-entlehnte Elemente. Nein, manchmal wird dies auch ganz offen mit Drums und Gitarren offenbar, in "Disrupt" sogar mit passendem Gebrüll von Ercüment Casalar. Und gerade dieser Einsatz von Gastgesang kam mir sofort sehr vertraut vor.

Während instrumental bis auf die Trompete alles komplett von Elinor Lüdde eingespielt wurde, gibt es gesanglich noch ein paar Fremdgesänge mehr. So hören wir auf "Sørunej" ihr Schwester Barbara. Kollaborativ am weitesten geht jedoch "Glijd Me", auf dem reichlich spoken words und fiesem Geschrei Colin H. van Eeckhout von Amenra nicht nur einfach seine Stimme leiht, sondern auch den Songtext beigesteuert hat.

Das Konzept des Albums kann ich hier nach so kurzer Zeit natürlich nicht entschlüsseln, aber ich spüre ganz diffus umschrieben durchaus einen Faden, der sich durch dieses dunkelschöne Contemporary Gothic-Werk zieht. Ein atmosphärisch dichtes Album für die Weltflucht zur späten Abendstunde, während nur sanftes warmes Kerzenflackern durch die geschlossenen Lider an die Augen dringt.

Wenn man die LP schon vor offiziellem Erscheinen von der Quelle schöpfen kann, dann nimmt man sich natürlich tendentiell schon gerne die limitierteste Version mit, was in diesem Fall blaue und goldene Farbklekserei auf dem transparenten Vinyl bedeutet und auch einigermaßen passt. Also warum nicht? Noch schicker finde ich allerdings das restliche Layout inklusive festem Textblatt und sehr stimmiger Coverfotografie.     

Diese schöne Platte mitzunehmen war - neben dem sehr viel günstigeren Eintritt - auf jeden Fall auch ein Argument gewesen, mich an diesem Sonntag immer noch sehr schweren Herzens für den Auftritt von Corecass und gegen Lili Refrain, die im Bahnhof Pauli als Supportact auftrat, zu entscheiden. Im Moment sind diese Konzertclashs aber auch ständig brutal... Aber hey, ich bin nun ja schon wieder im Konzertreview-Modus, also bitte zum Weiterlesen etwas nach unten scrollen!





Wie wurde "TAR" nun live umgesetzt?

Also, im Prinzip, wie ich eingangs schon sagte, ähnlich wie beim Auftritt voriges Jahr.
Elinor konnte natürlich nicht alles live darbieten, also konzentrierte sie sich neben dem Gesang auf die Klavier-, Orgel- und Harfenparts und hatte als entscheidenden Unterschied wieder einen Bassisten/Gitarristen (bediente auch weitere Elektronik und Pedale) dabei, wodurch sich das Gewicht dieser Elemente schon deutlich in rock-peripherere Richtung verschob.

Was dann noch fehlte wurde in Sampleform nachgereicht, auch die gelegentlichen Schlagzeugeinsätze. Das war jetzt nicht so explosiv, wie ein halbes Dutzend echter Musiker dafür abzustellen, funktierte hier im Kontext aber durchaus gut. Die Narration von van Eeckhout wurde, wenn ich mich recht erinnere auch gesampelt, die restlichen Gastgesänge inklusive beinahe schwarzmetallischem, aggressiveren Geschrei übernahm die Künstlerin aber sehr kompentent und wirkungsvoll selbst.

Corecass ist wie die meisten vergleichbaren Multitasking-Projekte kein Livespektakel, bei dem neben der Musik viel passiert. Das kann, will und muss es ja auch nicht sein. Trotzdem wäre es sicherlich interessant und könnte die traumhafte Wirkung noch weiter steigern, wenn die ohnehin sehr filmscore-taugliche Musik noch durch passende Projektionen unterstützt würde.

Doch auch so war es eine wunderbar entrückende Albumpremiere. Und ich konnte kaum fassen, wie früh es danach noch war! Beginn neunzehn Uhr ist schon Frühschoppen, wenn es keinen Supportact gibt.

Aber gar nicht doof für mich, denn schon am nächsten Abend stand gestern ja schon die nächste Fahrt nach Hamburg an. Der Browsertab, in dem Du dies liest, kann also gerne weiter geöffnet bleiben. Und ich tippe gleich weiter... also bis dann!







2024-10-12

BLOOD INCANTATION - Absolute Elsewhere

One hour of deeply relaxing headphones fodder. Warm analogue synthwaves beautifully washing through your (sub)consciousness, only for a while - when the "Flight" takes off - aided by an Electronic Berlin school Beat or an acoustic guitar and soft deep drum echoing your pulse in the "Rain". An esoteric journey to the homeworld of Space Jesus through way of the Seventies and early Eighties.

Haters rejoice! Death Metal traitors Blood Incantation have done it again and released their second full-on Ambient album after "Timewave Zero"! So there's no need for you to stop spreading your sour gatekeeping vitriol! Phew.

The album is called "All Gates Open" and is the original soundtrack to a documentary of the same name. It cannot be purchased on its own, but only as the first of three bonus discs in the Deluxe Artbook edition of the album this review is actually about: "Absolute Elsewhere".

And sorry, that one has loads of Death Metal in it, but also that other untrue stuff too, so good luck figuring out how to love/hate this in a well-balanced manner!


BLOOD INCANTATION - Absolute Elsewhere (3CD + Blu Ray artbook) (2024)

Ok, as it seems most Blood Incantation fans old and new seem to actually absolutely love this new album, many even already crowning it album of the year, which is a little too much for me personally, but I can totally get behind why people feel that way.

But first let's take a look at what comes with this version!
Of course Century Media has also released several vinyl variants and a standard CD, but the prospect of three bonus discs was just too tempting for me, even if it made it one of my priciest album purchases of the year - at least if I don't think of postage and taxes I've paid on some other stuff.

I've already mentioned the first bonus CD, which features four tracks of pure Tangerine Dream-inspired Ambient music and more than doubles the total amount of music here. It's not as essential as the main dish, but still a good and welcome display of Blood Incantation's fully Ambient side.

Almost twenty minutes on top of that come with the third disc, which contains last year's "Luminscent Bridge" , which had only been released as a 12" Maxi Single so far. Probably even less essential, at least if you already have it, but it makes sense to feature the half Death Metal, half Ambient release in this package too, especially once you know that its recording before beginning the development of "Absolute Elsewhere" and its video shoot after the album recordings kind of bookended this whole project.  

Ambient Blood Incantation live at Roadburn
Last but certainly not least comes a Blu Ray, which contains the already mentioned making-of documentary, in which we can observe the band from Colorado enjoying Berlin and working in the Hansa Studios. If you're not completely obsessing over the artist you'd normally watch a thing like this once, but since this one is quite interesting and also pretty well done, I can see myself watching it again a second time one day.
The main feature of the Blu Ray however are alternative mixes of the album. But I'll come back to those later... 

All four discs are housed in the almost record-format artbook, which contains over fifty pages of illustrations, photographs, credits, lyrics, but above all a lot of liner notes, providing many background informations and little stories, which compliment and expand on the documentary. From the recording process to the inspiration for the album title and the paradox that 70's cult sci-fi illustrator Steve R. Dodd cannot be reached via any device connected to the internet, there are many nice little nuggets in here. Gear-nerdy as this band is they even included lists of all the equipment available at the studios plus the shitload of vintage synths and other stuff they rented.

I could have lived with the cover artwork using the the full size available, but I guess they wanted to visually distinguish it from the vinyl version, and after all it's still a beautiful item.    



So what can I say about the actual forty-four minutes of "Absolute Elsewhere", which hasn't already been said by others in the well-deserved hype exploding around this album? Not much, I guess.

Two twenty-plus minutes longtracks, "The Stargate" and "The Message", each divided into three tablets. Classical Floridian Technical Death Metal, Dschörmänn Ambient, Pink Floyd and Eloy Seventies celebrations, Voivod worship, but also the odd "Painkiller" era Judas Priest riff and spectacularly majestic guitar solos... and so much more... all seamlessly - not to say randomly - morphing into each other.

And since this is undoubtly one of those albums, where all the stars alligned, where all the different experiences and experimentations of the past came together and all the surrounding factors played perfectly in the artists' favour, nothing here sounds like a gimmick or luxury addition. It's all equally important part of a tapestry that conveys a sense of timeless cosmic holism, of structured chaos with a spiritual meaning.

And when Blood Incantation alone cannot yet reach perfection, they are substantially aided by Hällas keyboardist Nicklas Malmqvist and Thorsten Quaeschning, member of none other than their Kraut idols Tangerine Dream themselves. Additionally there are also some darker accents with a couple of vocal contributions from Malte Gerricke (Necros Christos).

Death Metal Blood Incantation live at Roadburn
All this comes together as a fantastic sounding whole. Is it as completely unheard of as the narrowed view of some Metal print magazines want to make you believe? I bet that - given the necessary skills and equipment - Nocturnus would have loved to play eighty percent of this stuff already in the early Nineties. Monolithic Death Metal compositions flowing from movement to movement while including other musical influences aren't an absolute novelty too; just think of the most recent releases by Haunter or Fleshvessel! A band like Qrixkuor, who even beat Blood Incantation's sheer scope several times, very likely just doesn't have the means and/or will for a production budget comparable to what was invested here.

And that's not me diminishing Blood Incantation's effort at all. But one must recognize that this a band made of musical Tarantino's. Everything they have always done is full of reflection, citation, homage to what has come before them. The huge accomplishment of this album is how they constantly bring forth multiple of their very varied influences back to back or even at once without ever becoming incoherent.

Even though the kind of less songwriting-driven, more kaleidoscopic structure works fine, this strength is also the only little weakness of "Absolute Elsewhere" for me. Or at least this is the reason, why the album despite its greatness plus the extra material of this particular version ptobably won't land at the very top of my favorites of 2024. Which is of course no shame anyway. But there are several releases full Metal, half Metal, not Metal at all which simply offer not only fantastic and catchy parts, but also more tangible "hits". 

But who knows, maybe that's just one card Blood Incanation has saved to play for the future. And if there's no doubt about one thing, it is that these guys do "the future" really good.

Their music video game is pretty awesome, too. So if you really haven't heard anything from "Absolute Elsewhere" yet, I strongly recommend to start on YouTube with "The Stargate":
 


*cough*

And now I almost published this review without coming back to the mixes on the Blu Ray! Damn.

Since neither my audio setup nor my ears are made of professional audiophile equipment I cannot really go into deep detail or comparisons between the Dolby Atmos and the 5.1 DTS-HD Master Audio surround mix of the album. I guess which one of those works slightly better really comes down to personal preference on your stuff.
Both mixes definitely sound big and spatial without making too much flashy use of the surround possibilities. So just like the completely Ambient "Timewave Zero" this is effective and my favorite way to enjoy the album, yet still rather subtle, even a bit more so this time. 

At long last there's also a 24 / 48 Stereo mix. So, is this just the regular album mix or different? Sorry, I don't know and honestly, don't care... if I put in this disc I want the surround thingy. I guess it doesn't hurt anyone that it's there though.

And now I'm done here. Really. Promised. Go listen to Blood Incantation now!








LOTUS - Synthbuljong

Simple undeniable truths: Water is wet. The sun sets in the west. The internet makes us all stupid. And if El Paraiso Records goes Free Jazz it's always worth giving it an ear.


LOTUS - Synthbuljong (eco mix random coloured vinyl LP) (2024)

I must admit that on first sight the cover and title of this mini album led me to rather expect Electronic Ambient/Krautrock material, maybe something in the vein of Videodrones.

On the back cover however we find liner notes as most common on classic Jazz records, telling us the not too exciting story of four Norwegian musicians coming together to see what happens. It's such a standard narration that I even understood most of it before I let Google translate it from Norwegian to German. But who cares about a lack of dramatic twists and turns and action in real life, when the music itself definitely is very exciting.

Lotus play a vibrant kind of Electric Free Jazz Fusion with a percussive energy resembling that of Santana's legendary live recording "Lotus". The opener/title track "Synthbuljong" sounds as if the drummer had five arms, and if you've ever seen Olaf Olsen live (for example with his trio Fra Det Onde), you know that's actually the case. At least if I remember it correctly.
In this quartet he teams up with saxophonist Signe Emmeluth, guitar player Karl Bjorå (WIZRD) and bassist Chris Holm.

No matter if the band keeps things rather quiet ("Ballade") or rides through a long dynamic journey of all intensities (the B-side "Synthgitar"), the synergy of the rhythm section and the creative back and forth between the often Psychedelic guitar and the bright Spiritual melodies and quick staccatos of the saxophone make this record a captivating experience at any given moment.

The natural production perfectly supports the music, just as much as the vinyl colour compliments the artwork. Even though I can only speak for my personal copy, since it comes in random colours on recycled material. So they really don't all have this ideal green tone? Such a good match.

Looks good, sounds great... Anyone who's at least a bit Jazz-savvy and enjoys experimental improvised instrumentals without strictly walled genre borders, should give this little gem a chance! 







KANAAN & ÆVESTADEN - Langt, Langt Vekk

Ok, Hände in die Höhe! Wer hat's kommen gesehen? Nee, ich meine nicht ein neues Kanaan-Album, das kann man ja jährlich erwarten. Und mit dem Debüt von Full Earth hatten wir ja sagor schon eine erweiterte Variation davon.

Nein, ich meine, dass das norwegische Psychedelic/Stoner/Jazz-Rock-Trio gestern noch ein zweites kooperatives Album rausgebracht hat, auf der Neuinterpretationen skandinavischer Traditionals zusammen mit folk-inspiriertem Eigenmaterial zu hören sind.

Ich persönlich war nach der ersten Single von Kanaan und Ævestaden zumindest überrascht - und zunächst auch skeptisch. Mittlerweile kann ich mich aber kaum noch entsinnen, warum überhaupt. Ich glaube, es kam einfach nur so unerwartet.


KANAAN & ÆVESTADEN - Langt, Langt Vekk (sunburst vinyl LP) (2024)

Ævestaden sind ein schwedisch-norwegisches Trio aus Multiinstrumentalist(inn)en und darauf spezialisiert, u.a. mit Akustikgitarren, Fiedeln, Lyren, Maultrommel, aber auch Synthesizern traditionelle Motive aufzugreifen und in zeitlosen, oft verträumt entrückten Interpretationen  ins Hier und Jetzt zu transportieren. Dream Folk nennen sie selbst ihren Sound.

Das fusionierte Kanestaden-Sextett fügt diesem Ansatz noch Drums, Percussions, E-Gitarre, Mellotron und zusätzliche Backgroundsänger hinzu. Das führt im Resultat einerseits zu mit tollen Harmoniegesängen auf traditionellen Instrumenten vorgetragenen Folksongs, die durch die rockmusikalischen Elemente mal sanft augmentiert, mal kraftvoll vorangetrieben werden, anderseits aber auch zu langen kanaan-typischen Psych Rock-Jams, denen Ævestaden mit ihren Saiten und Stimmbändern eine zusätzliche spezielle Note verleihen.

Die neun allesamt sehr unterschiedlichen Stücke des Albums sind dabei so verteilt, dass es sich im Schnitt immer ausufernder anfühlt, selbst wenn zwischendurch mal etwas minimalistischer agiert wird wie in der Ballade "Farvel" oder dem ursprünglich im Jahre 1630 verwurzelten Choral "Hva har min Jesus gjort for meg" ("Herzliebster Jesu, was hastu verbrochen"), der hier vermutlich in erster Linie wegen seines direkten Bezugs auf "Kanaan" seinen Platz gefunden hat und von der Band im Grunde gut als Live-Intro verwendet werden könnte.

Zwei Faktoren, die maßgeblich zum Gelingen der Symbiose beider Gruppen beitragen sind zum einen die natürliche, ohne überflüssige Kinkerlitzchen die Performance an sich in den Vordergrund stellende Produktion und - hiermit natürlich auch verwoben - der Verzicht auf zuckersüßen Kitsch.
Gerade wenn es darum geht, Folk und Rock (insbesondere Metal) zu verbinden, aber auch in der popkulturellen Repräsentation angeblich nordeuropäischer Historie geht ja oft nichts mehr ohne künstlich aufgeblasenen Sound, übertriebenen Pathos, Verkleidungen, Rituale... was ich manchmal ganz schlimm finde, zugegebenermaßen in gut gemachten Fällen aber auch sehr mag.

Kanaan und Ævestaden allerdings gehen einen anderen Weg,. Das verrät einem schon die höchste Dichte an gemütlichen Norwegerpullovern, die ich je in einem Albumlayout erblickt habe.

Auch wenn diese Musik einen im Geiste oft weit hinaus in transzendente Sphären treiben kann oder das imaginäre Haupthaar in der inneren ersten Publikumsreihe schütteln lässt, bleibt doch immer irgendwie dieses Gefühl, direkt mit den Musikern an der heimelig knisternden Feuerstelle einer Blockhütte zu sitzen, während draußen im verschneiten Wald die Trolle und freilebenden Black-Metal-Pandas friedlich lauschend an den Baumstämmen lehnen.

Und selbst wenn einem hier und da natürlich ein paar unvermeidliche Namen der Trondheimer und Bergener Musikszene in den Sinn kommen (mit der Hälfte davon haben die sechs Musiker hier ja auch bereits in verschiedenen Formen zusammengearbeitet), bleibt am Ende doch ein Album, welches sehr selbstbewusst einen für sich allein stehenden und sich ruhenden Stil präsentiert - und das auf einem Niveau, welches ohne Hintergrundwissen eine langjährige gemeinsame Geschichte suggerieren würde.

Ja, die Parallelen zu Full Earth sind trotz des sehr unterschiedlichen Stils schon ziemlich zahlreich. Beide Projekte haben sich folgerichtig auch alle potentiell kommenden Nominierungen und Krönungen zum Album des Jahres in der kommenden Rankingsaison verdient.

Ein so überzeugendes Werk wie "Langt, Langt Vekk" hat eine würdige Aufmachung verdient, und tatsächlich gehört die LP zu den haptisch und visuell am schönsten gestalteten Veröffentlichungen, die mir dieses Jahr ins Haus gekommen sind. Insbesondere der schlichte, aber schöne Farbverlauf der limitierten halbtransparenten Sunburst-Variante könnte nicht edler und passender sein.

Als letztes Sahnhäubchen fehlt hier eigentlich nur - wie leider so oft - ein beiliegender Downloadcode, denn wer hier nicht direkt an der Quelle bzw. am Fjord sitzt, der muss inklusive Versand ohnehin schon relativ stattlich in den physischen Tonträger (schwarzes Vinyl und CD sind noch erhältlich) investieren.
Für Bestellungen über Bandcamp gilt dies natürlich nicht; das Label Jansen Records ("Say Ja. to great Norwegian music") darf hier aber gerne für die Zukunft Besserung geloben. Ja?








2024-10-11

Cryptic Cypréa feat Svema, expired 07/1970


Hey, here's a film photography post for once! Just the most cryptic frames from a Svema Foto 65 black & white film, expired in July 1970. Pictures shot in May 2024 (I guess) in my Cypréa 2-way-cam on 35 mm pseudo-panorama format - as if that mattered in this case, haha.

There are also discrenable pictures on the film, but I didn't want to bother you with those, at least for now.






2024-10-10

EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN live im Capitol, Hannover (09. Oktober 2024)


Ich hatte nie eine große Sammlung von ihnen. Trotzdem waren ein paar ihrer Achtziger- und Neunziger-Alben schon sehr prägend für mich. Irgendwie verlor ich Blixa Bargeld und Co. dann aber aus den Ohren. Da war diese Phase, wo die Band die Hälfte ihrer Veröffentlichungen für ihren Fanclub produziert hat - und dann kamen einige respektable Alben, von denen ich zwar hier und da einen Song gehört und auch geschätzt habe, die aber letztendlich alle immer nur auf Wunschlisten und Merkzetteln für später landeten. Ein Schicksal, welches sie mit mit vielen anderen Künstlern teilen, weil es einfach zu viel gute Musik da draußen gibt.

Trotzdem habe ich mich schon etwas erschrocken, dass mein letzter erwähnenswert aktiver Kontakt mit der Musik von Einstürzende Neubauten schon so viele Jahr(zehnt)e her ist, dass sie hier im Blog zwar hin und wieder als Referenz auftauchen, aber erst hier und heute ihr eigenes #stichwort erhalten.

Live gesehen habe ich sie auch in den Neunzigern nie, und für die letzten beiden Elbphilharmonie-Auftritte in Hamburg hatte ich keine Tickets bekommen, da ich den blitzschnellen Ausverkauf schlicht während der Arbeit verpasst hatte.
Und da die Herren ja - genau wie ihr Publikum (Altersdurchschnitt noch höher als letzte Woche bei den Blues Pills) - nicht jünger werden, führte für mich kein Weg daran vorbei, jetzt als Ausweichmöglichkeit die längere Anfahrt nach Hannover auf mich zu nehmen. In der Stadt mit dem Motto "Schön ist das nicht" bin ich auch Ewigkeiten nicht gewesen.
Laibach: "Volk"-Tour 2006. Dachte ich zumindest zunächst, weil ich das langatmige "The Astonishing"-Dream Theater-Konzert 2016 vorübergehend verdrängt hatte. Eigentlich wäre diesem Rhythmus gemäß also erst wieder 2026 ein Besuch fällig gewesen.

Egal, als Skeptiker in Bezug auf den Hauptsaal der Elphi hatte ich nebenbei auch kein Problem damit, die Gruppe hier auf einer "richtigen" Bühne zu sehen.






Ein Blick auf eben jene Bühne im ehemaligen Filmtheater Capitol, und die Frage ob und warum es hier keinen Support-Act geben würde, erübrigte sich, bevor sie überhaupt im Geist formuliert werden konnte. Zu viel, zu spezielles Geklöter, welches einfach keinen Platz dafür lässt, dass ein anderer Künstler vorher noch dazwischen herumhühnert. Davon abgesehen ist die Auswahl möglicher, nicht am bloßen Legendenstatus des Headliners zerschellender Kanditaten für diese Aufgabe wohl auch ziemlich übersichtlich.

Nach langer, möglichst energiesparend verbrachter Wartezeit (ein Segen, dass ich dadurch später auf der verregneten nächtlichen Heimfahrt wieder super ausgeruht war), begannen Einstürzende Neubauten um Punkt acht ihre über zweistündige Show.

Auch wenn es mich auf meiner persönlichen einstürzenden Premiere natürlich nicht gestört hätte, eine Werkschau von "Halber Mensch" bis "Ende Neu" auf die Trommelfelle geschmettert zu bekommen, war mir schon vorher klar, dass die Neubauten natürlich nicht zur Garde der lebenen Oldie-Jukeboxen gehören, die sich auf die Kraft ihrer Greatest Hits verlassen.
Nein, die Setlist bestand zum deutlich überwiegenden Teil aus Material der letzten beiden Alben "Alles in Allem" und "Rampen". Es herrschte also eine Art experimenteller Alternative Chanson vor, oft in bis auf den Bass Alexander Hackes in eher ruhigen Tönen mit umso mehr Liebe fürs Detail.

Ich brauchte ein paar Stücke, um hineinzukommen, zumal auch die sehr sachlich helle Beleuchtung anfangs wenig Atmosphäre ausstrahlte. Doch das war eine Finte. Dadurch dass die Show optisch so unspektakulär begann, wirkten spätere Tricks wie der plötzliche Absturz in die rote Hölle ("not that red at all") bei "Sabrina" umso intensiver.

Und musikalisch? Wow! Der Witz ist ja, dass Einstürzende Neubauten, wenn man ihre spezielle Rolle als Industrial- und Avantgarde-Pioniere mal ausblendet, eigentlich bereits mit Blixa Bargelds sonorer Stimme, Hacke am Bass, Jochen Arbeit an der Gitarre und Felix Gebhardt am Keyboard, einen sehr prägnanten, funktionierenden Sound hätten.

Doch dann kommen natürlich auch noch die Perkussionisten N.U. Unruh und Rudolph Moser hinzu und alle jene selbstgebauten Instrumente und das zweckentfremdete, von allen sechs Musikern bearbeitete Geklöter - inklusive dem lange nicht mehr benutzen Klassiker Einkaufswagen.
Metallplatten, Röhren, Räder, Stahlfedern, Kunststofffässer und -kanister... alles zeigt hier sein wahres Talent abseits der Alltagsfunktion. Und die Roadies haben zwischen beinahe jedem Stück damit zu tun, die Logistik des Güterverkehrs dieser Musikmaschinen auf die und von der Bühne zu regeln. 

Allein das Equipment machte das Konzert schon interessant. Darüber hinaus war es aber auch abseits herausragender Höhepunkte wie dem epochalen Doppel der "Silence Is Sexy"-Stücke "Die Befindlichkeit des Landes" und "Sonnenbarke" oder dem Finale von "How Did I Die?" ("Lament") ein durchgehend fesselndes Erlebnis.

Große Kunst in humorvoller Präsentation. Das plötzliche Aufflackern der alten Krachchaoten, Blixas unmenschliche Zahnarztbohrerschreie (nach denen er jedes Mal gut abseits des Mikros abhusten musste; gesund ist das nicht), tiefe Schönheit, komplex arrangierte Rhythmen, immer wieder unerwartet erstaunliche Klänge aus merkwürdigsten Quellen - und immer wieder auch jene Momente reinsten Dadas, die das Ganze anarchistisch erdeten und zeigten: Im Herzen ist dieser ungemein einflussreiche deutsche Kulturexport irgendwie auch immer noch einfach ein Haufen bahliena Punks.

Dies war klar eine meiner liebsten Clubshows das Jahres und ich bin froh, dass ich diesen gewaltigen Namen endlich endlich endlich von meiner bucket list streichen konnte! Besser Isses.