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2025-11-25

MARISSA NADLER und GLORIA DE OLIVEIRA live in der Christianskirche, Hamburg (23. November 2025)


So, ich wäre dann mit der Saison durch! Weihnachtlicher als vorgestern dürfte es dieses Jahr nicht mehr werden. Ein Konzert in einer Kirche inklusive Begrüßung durch den Pastor, und zur Heimfahrt frischer Neuschnee, der zu besinnlich langsamer, geradezu innerörtlicher Fahrweise auf der Autobahn zwang. Man könnte sagen, dass der ganze Sonntagabend unter einem Stern der Entschleunigung stand. Zum Glück war ich ausgeruht!

Die Parkplatzsuche hatte ich mir - ebenso wie das spätere Wiederauffinden meiner Karre im Schnee - einfacher vorgestellt, so dass ich tatsächlich nicht wie geplant kurz vor Einlass vor den Toren der Christianskirche in Hamburg-Ottensen stand. Für einen Platz in der ersten Reihe reichte es aber noch. Hinter mir gab es zwar noch freie Plätze auf Stühlen und Bänken, insgesamt waren jedoch viele Zuschauer gekommen, um die amerikanische Singer/Songwriterin Marissa Nadler zu sehen, die lange nicht mehr in Hamburg zu Gast gewesen war.

Ich persönlich hatte sie zuvor übrigens 2019 ebenfalls in einer Kirche gesehen - am allerletzten Tag, an dem Het Patronaat während des Roadburn Festivals als Musiklocation genutzt wurde.

Doch zurück ins Jahr 2025 nach Hamburg, wo zunächst die Deutsch-Brasilianerin Gloria de Oliveira vor der Kulisse des Altars auf der Bühne stand...




GLORIA DE OLIVEIRA
"Musikerin, Schauspielerin und Hörspielsprecherin" verrät einem Wikipedia über das Wirken der Solokünstlerin - und die pröfessionelle Sprecherin war tatsächlich gleich in der Diktion ihres gesprochenen Intros zu Hören.

Instrumental begleitete sich Gloria de Oliveira minimalistisch dröhnend auf Korg-Synthesizer, elektrischer Lyra, Chimes und Effekten. Gesanglich ging es vor allem zart, mystisch, schwebend, folkloristisch, manchmal auch leicht opernhaft zu. Das war schon sehr schön und hat mir gut gefallen; so richtig stark zünden konnte der Auftritt jedoch nicht. Vielleicht war diese Art der Solodarbietung etwas zu fragmentarisch, etwas zu wenig songorientiert.... oder das Problem lag im Sound, der zumindest bezüglich der Instrument eigentlich super war.

Leider krankte der gesamte Abend etwas daran, dass der Gesang Mühe hatte, sich im Mix durchzusetzen. Grund dafür war offensichtlich, dass - angesichts der Raumakustik des Kirchenschiffs an sich unnötiger - Reverb auf dem Mikrofon lag. Als Marissa Nadler dies leider erst im weit vorangeschrittenen Auftritt ansprach, besserte der Klang sich auf jeden Fall schlagartig.

Und damit wären wir nach verdientem Applaus für Gloria de Oliveira auch schon bei der Headlinerin des Abends...













MARISSA NADLER
Im Vergleich zu damals in Tilburg, als sie (bis auf wenige Stücke) alleine auftrat und sich oft mit Loops ihrer eigenen Gitarre begleitete und sogar mit sich selbst Harmonien sang, machte die Sängerin es sich diesmal etwas einfacher, indem sie das fordernste Multitasking einfach einem Mitmusiker überließ, der gleichzeitig zweite Gitarre und Basspedale spielte und auch Harmoniegesang beisteuerte. Eine ziemlich beeindruckende Leistung des Herren, der zur Überbrückung des Stimmens auch diverse kleine Zwischenspiele einstreute, und insgesamt einen tollen Job machte, der Künstlerin Bälle zuzuspielen und sie in Szene zu setzen.

Marissa Nadler stellte beinahe ihr gesamtes aktuelles Album "New Radiations" vor. Geduldig langsame, zurückgenommene aber substanzhaltige Balladen zwischen Indie Singer/Songwriter-Spirit, Gothic und Americana, aber auch mit Ambient-Effekten und sanftem Drone. For friends of Angel OlsenChelsea Wolfe and Lana Del Rey könnte man also sagen. Da schloss man gerne die Augen und ließ sich durch die draußen aufziehende Winternacht tragen.

Wunderschöne Musik und eine absolut zauberhafte gesangliche Präsenz, die leider wie bereits weiter oben erwähnt, erst in der letzten handvoll Lieder vollständig und ohne Monitorprobleme für die Musikerin selbst zur Geltung kommen konnte. Aufgrund dieses Details und sicherlich auch wegen der immer schwieriger ignorierbar in die Kirche kriechenden Kälte hatte dieses Konzert nicht die Chance, eine ähnlich weltflüchtende Magie wie die Roadburn-Show zu entwickeln, auch wenn das Setting natürlich mal eine nette Abwechslung von den üblichen Livemusikstätten, in denen man sich normalweise herumtreibt, darstellte.

Aber man kann halt nicht immer das Nonplusultra haben und muss sich auch mal mit sehr gut zufrieden geben können. Und sehr schön war dieser Auftritt ja auf jeden Fall. Die unerwartet zweitlupige Heimreise habe ich dafür dann auch gerne in Kauf genommen.







2025-11-22

MONO und CORECASS live im Knust, Hamburg (16. November 2025)


Willkommen in der Komfortzone! Dieser Konzertbericht enthält keine Überraschungen... ok, eine kleine vielleicht... Wenn man zu Mono fährt, weiß man halt, was einen erwartet. Es sei denn, von der einen kleinen Überraschung hat man nicht wie ich schon vorher gehört...

Doch zunächst zum Opening Act, der mir auch bereits bekannt war und sich tatsächlich zu so einer Art jährlichen Tradition zu entwickeln scheint.





CORECASS
November 2023 als Support von Jo Quail. Oktober 2024 alleine im Hafenklang. Und nun stand Elinor Lüddes elekroakustisches Dark Ambient Neoclassical Post Gothic Drone-Projekt Corecass also wieder auf der Bühne, um Songs ihres Albums "Tar" zu spielen.

Im Vergleich zu den Studioversionen schlägt das Pendel zwischen Licht und Schatten live schon häufiger in die Dunkelheit. Das liegt nicht nur an dem gegenüber Piano, Harfe und Feengesang in der Wirkung doch dominanteren Dröhnelementen wie Orgel und Gitarre, sondern auch daran, dass das Duo fast immer von einem Teil der Musik als Backingtrack begleitet wird, der irgendwie eine seltsam unterkühlte Distanz schafft - insbesondere, wenn weit entfernt eine komplette post-schwarzmetallische Band zu spielen scheint.

Und so ist Corecass zwar musikalisch interessant und faszinierend, hat es aber trotz aller vorhandenen und auch angewendeten Mittel schwer, darüber hinaus Momente wirklich tiefer emotionaler Verbindung mit dem Publikum zu generieren. Ich mag es also an sich, würde mir aber zukünftig irgendwie schon - entweder minimalistischer oder unter Hinzunahme eines weiteren Musikers - eine direktere, klanglich nähere, mehr auf die tatsächlich live gespielten Anteile fokussierte Darbietung wünschen.  







MONO
Danach standen bald Mono auf der Bühne. Ja, standen, denn neuerdings gibt es tatsächlich keine Hocker mehr auf den beiden Gitarristenplätzen. Wenn Takaakira oder Yoda also nicht auf dem Boden über ihren Effektboards knien, stehen sie nun während der gesamten Show. Na und? Das erscheint natürlich im rockmusikalischen Gesamtzusammenhang unbedeutend, doch wenn eine Post Rock-Institution wie das japanische Quartet nach Jahrzehnten seine schon zum Markenzeichen gewordenen Gewohnheiten ändert, hat das aus Sicht eines Fans schon eine psychologische Wirkung. Da vermeint man schon, eine zwingendere Energie zu spüren - als ob das bei der Lautstärke und den unendlich emotionsgeladenen Instrumentalkompositionen der Band überhaupt nötig sein könnte. Trotzdem natürlich ein Plus für die Performance.

Abgesehen vom Stehen war die Auftellung natürlich wie gewohnt: zwei Gitarren, Tamaki am Bass und Dahm am Schlagzeug, dazu für den Einsatz in jeweils einem Song Klavier und Glockenspiele.
Das reguläre Set bestand zur Hälfte aus Stücken das aktuellen Albums "Oath", die die Show auch einrahmten. Dazu waren noch die beiden vorigen Alben vertreten, wobei gerade der lange, mit seinem ungeraden Takt Spannung zurückhaltende Auftakt von "Innocence" einen Gegenpol zum sofort intuitiv verständlichen Großteil des Programms darstellte.

Insgesamt war es wieder ein dynamischer Rausch vom sanften Säuseln der Blüten im Windhauch bis zur reinigenden Apokalypse in Erdbeben und Vulkaneruption. Zwischen Stücken wie "Sorrow" oder "Time Goes By" wäre es hier im Grunde unmöglich, einzelne Highlights hervorzuheben - ja, wenn zu diesem Zweck nicht schon zwei Plätze in der Setlist für das Klassikeralbum "Hymn To The Wind" reserviert gewesen wären. Denn "Pure As Snow" und "Ashes In The Snow" sind einfach immer wieder Ereignisse, welche einem den Film eines gesamten Lebens vor dem inneren Auge abspielen. Das war an diesem Abend im Knust natürlich nicht anders.

Epochal vom Licht in die Düsternis eintauchend verabschiedeten Mono das Publikum mit "Recoil, Ignite" von "Rays Of Darkness" - und ich staune gerade, dass ich die Band erst seit Veröffentlichung dieses Albums vor elf Jahren kenne. Aber wer will einem angesichts derart gewaltiger Post-Rock-Macht verdenken, dass man sein Zeitgefühl verliert?

Auch wenn dieser Zustand für Mono natürlich a day in the office ist: Diese Show war wieder einmal vollkommen überwältigend!