Ok, es wird jetzt wirklich mal Zeit, mit meinen
Tonträgern 2011 zu Potte zu kommen, schließlich ist der Januar ja nun auch schon längst vorüber und die Jahresrückschausaison damit eigentlich zu Ende, aber was man einmal angefangen hat...
Zu Live-Alben muss man ja auch nicht zwingend viel schreiben, vor allem dann, wenn sie voll und ganz einhalten, was sie versprechen, und das ist bei den Konzertmitschnitten von Sigur Rós und Archive unzweifelhaft der Fall. Mit diesen Bild- und Tonträgern kann man sich perfekt auf die der jeweiligen Band ureigene Art in eine andere Welt entrücken lassen.
SIGUR RÓS - Inni (2011)
Die meisten Käufer dieser Doppel-Live-CD werden wissen, welcher unnachahmliche, vor allem von mit Geigenbogen gespielter E-Gitarre und in Fantasiesprache schwebendem Falsettgesang geprägter Stil sie hier erwartet. Und wer es nicht weiß, für den sollte "Inni" ein perfekter Einstieg in die fabelhafte Welt von Sigur Rós sein.
Ob man nun sanft durch neblige Traumwelten gleitet oder das Märchenland vom Gewitter sich gewaltig auftürmender Walls of Sound erschüttert wird- das Liveerlebnis wurde in seiner ganzen Dynamik perfekt eingefangen und weiß einen auf kompletter Länge in seinen Bann zu schlagen. Die Balance zwischen den zeitlosen Epen der frühen Tage und den kürzeren neueren Songs, in denen die Band ihre Vision von Pop auslebt, stimmt auch.
Eines darf man allerdings niemals tun, nämlich sich bei "Inní Mér Syngur Vitleysingur" Hape Kerkeling am Mikro vorstellen. Das Bild wird man nämlich leider nicht mehr los! ;)
Als mangelhaft bewerten muss ich leider die Verpackung. Hier wurde der richtige Kompromiss zwischen naturschonendem Material und Funktionalität leider meilenweit verpasst. Ich finde es jedenfalls wenig schön, wenn ich jedes Mal, wenn ich die Hülle in die Hand nehme aufpassen muss, dass mir CDs und DVD ins andere Ende des Raumes davonrollen.
Die eben erwähnte DVD erhält einen Konzertfilm, den ganz zu schauen ich leider noch keine Zeit und Muse hatte. Außerdem reagiert mein pc-interner Player etwas allergisch auf die Scheibe - vielleicht ist sie von der blöden Verpackung auch schon zu zerkratzt?
Der Film besteht aus neun der insgesamt fünfzehn Livetracks, welche in ausschließlich schwarzweißen, aus teils ungewöhnlichen Perspektiven abgefilmten Bildern besteht. Musiker, die Musikern auf die Finger schauen wollen, werden enttäuscht sein, da hier ganz konsequent auf das reduzierte visuelle Unterstreichen der Stimmung der Songs gesetzt wurde.
Um so ärgerlicher - wie bei vielen Konzertfilmen dieser Art - die Unterbrechungen durch Interview- und Bandhistoryschnipseln aus dem Archiv der Gruppe. Das hätte nicht sein müssen. Aber vielleicht kommt da ja auch noch interessantes zu Tage, sobald ich das Ding mal ganz bis zum Ende schaue.
Die CDs halte ich allerdings für den essentielleren Teil der Veröffentlichung. Denn eigentlich sind Sigur Rós ja ohnehin eher ein Erlebnis, zu dem man die Augen schließen und seine eigenen Bilder entstehen lassen sollte.
Anspieltipps: Popplagid, E-Bow, Svefn-G-Englar, Ný Batterí
Von der Sagenwelt Islands geht es nun ans andere Ende Europas, dorthin wo der Traum momentan eher aus ist. Nach Athen nämlich zog es die wohl legitimsten aller Pink Floyd-Nachfolger, Archive, um ein Open-Air-Konzert zu geben und aufzuzeichnen...
ARCHIVE - Live in Athens (2011)
Den Kauf alleine wert ist im Grunde schon der epochale Opener "Lights", doch auch in den folgenden knapp zwei Stunden nach diesem Klassiker fällt das Niveau bis zum mächtigen Abschluss mit "Bullets" und "Again" niemals ab.
Was diese Band mit ihren vier Sänger(inne)n - Rapper Rosko lernt man erst ab Minute 40 kennen - anfasst, das hat einfach zeitlose, auf Genreschubladen scheißende Klasse. Und natürlich ganz viel Atmosphäre und Spannung.
Einzelne Songs will ich hier eigentlich gar nicht weiter hervorheben, denn egal ob in diesen nun wummernde Electronica oder treibender Rock vorherrscht - dafür ist dieses Konzert einfach ein viel zu stimmiges Ganzes, das mich darüber fluchen lässt, eine der aktuell wohl besten Livebands dieses Planeten noch nicht leibhaftig gesehen zu haben.
Der Sound der Aufnahme ist makellos und die Bilder großartig. Hier wurde, wenn ich mich recht erinnere, statt mit üblichen Videokameras mit modernen DSLRs gefilmt, was sich in ungewöhnlichen Blickwinkeln und Schärfespielen niederschlägt, die man so von bewegten Konzertaufnahmen nicht unbedingt kennt.
Wenn man dann noch bedenkt, dass diese Show wegen schlimmen Wetters spontan von draußen nach drinnen verlegt wurde, kann man das Ergebnis gar nicht genug loben.
Obwohl, einen Makel gibt es schon zu verzeichnen: Warum fehlt ausgerechnet der Titelsong von
"Controlling Crowds"? Das hätte nochmal ein Plus hinter die Eins gesetzt.
Dass mit "Pulse" einer meiner persönlichen Lieblinge fehlt, ist da schon eher zu verkraften, wurde der ja schon auf der "Live at the Zenith"-CD in einer unschlagbaren Version, durch die ich seinerzeit auf diese Band aufmerksam geworden bin, auf Tonträger gebannt.
Mit Worten lassen sich Archive einfach nicht erklären. Ich kann jedem nur empfehlen, mit dieser Live-DVD in den einzigartigen Kosmos dieser Gruppe einzutauchen! In der Live-Kategorie ist dies eindeutig mein Tonträger des Jahres.
Anspieltipps: Lights, Collapse/Collide, Again, Dangervisit, Pills, Finding It So Hard