Sun Ra Arkestra |
Aus dem 1 x 1 der Clubkonzertkultur:
Ist der Saal bestuhlt, wird während des Konzerts gesessen. Gibt es keine Stühle, so steht man.
Hamburg, Freitag, weit nach zehn Uhr im Kampnagel, es ist ein sehr spätes Konzert, zu dem ich viel zu früh erschienen bin. Nach langer Wartezeit vor der Saaltür begebe ich mich direkt an die Bühne. Die anderen Erste-Reihe-Streber machen Sit-In auf dem Boden. Dann zwei Leute mit von irgendwo mitgebrachtem Stuhl. Das kann nicht gutgehen. Ich stehe schon, der Typ fragt mich, ob ich das Konzert über stehen werde. Ja, was denn sonst?
Schließlich kommt der erste Bühnenebel, die sitzenden Besucher stehen auf und hinter beginnt ein Trottel, sich darüber aufzuregen. Alter, was suchen diese Figuren auf Konzertveranstaltungen?
Jazz, ey. Das ist das Blöde an der Musik.
Ich erinnerte mich zum Glück noch einigermaßen, wie Konzerte funktionieren, obwohl mein letztes ja auch schon ewig her gewesen war. Abgesehen vom Roadburn Festival waren da eigentlich nur meine beiden eigenen Shows im Mai. Es hat mich zwischenzeitlich ein paar Mal gejuckt, aber letztendlich war dann doch immer etwas anderes. Und irgendwie verlangt man nach einer Weile auch, dass diese Pause mit einem richtigen Knaller enden muss. Wie gut, dass ich, während ich mein Kamasi Washington-Review schrieb, recht kurzfristig noch entdeckt hatte, dass das Sun Ra Arkestra ja immer noch live spielt. Und dass eine jener nicht mehr allzu zahlreichen Europashows ausgerechnet in Hamburg bevorstand. Sauber!
Schließlich kommt der erste Bühnenebel, die sitzenden Besucher stehen auf und hinter beginnt ein Trottel, sich darüber aufzuregen. Alter, was suchen diese Figuren auf Konzertveranstaltungen?
Jazz, ey. Das ist das Blöde an der Musik.
Ich erinnerte mich zum Glück noch einigermaßen, wie Konzerte funktionieren, obwohl mein letztes ja auch schon ewig her gewesen war. Abgesehen vom Roadburn Festival waren da eigentlich nur meine beiden eigenen Shows im Mai. Es hat mich zwischenzeitlich ein paar Mal gejuckt, aber letztendlich war dann doch immer etwas anderes. Und irgendwie verlangt man nach einer Weile auch, dass diese Pause mit einem richtigen Knaller enden muss. Wie gut, dass ich, während ich mein Kamasi Washington-Review schrieb, recht kurzfristig noch entdeckt hatte, dass das Sun Ra Arkestra ja immer noch live spielt. Und dass eine jener nicht mehr allzu zahlreichen Europashows ausgerechnet in Hamburg bevorstand. Sauber!
Sun Ra Arkestra |
Der Meister selbst, mysteriöser Schöpfer des Afrofuturismus, weilt ja seit den frühen Neunzigern nicht mehr unter uns und hat die Rolle des Big-Band-Leaders somit an seinen langjährigen Saxophonisten Marshall Allan abgegeben. Der bereits vierundneunzigjährige Musiker spielt seit 1958 in der Band. Überhaupt ist in dem heute zwölfköpfigen Ensemble (es konnten wohl nicht ganz alle kommen) kaum jemand dabei, der sich nicht schon seit Jahrzehnten legendären Status erspielt hat.
Was die betagten Heeren in ihren glitzernd bunten afrikanisch-interstellaren Bühnenoutfits (plus die glamourös fabulöse Tara Middleton am Mikrofon) in den brühend warmen, ausverkauften Raum gefeuert haben, war unfassbar. Fast die ganze Zeit auf Anschlag im Whiplash-Tempo, bei dem die Rolle des zweiten Perkussionisten hauptsächlich darin bestand, mit der Standtom einigermaßen die Ordung zu halten, fegte das Arkestra durch ein sicher über zweistündiges Set, voller irrer, gerne an der Harmoniegrenze tanzender Improvisationen.
Ruhepausen gab es nur wenn ein Basssolo oder Klavierzwischenspiel anstanden oder es bei einem bluesigen Thema zumindest relativ etwas gemächlicher zuging.
Es ist unmöglich, hier alles herauszustellen, was an diesem Konzert musikalisch herausstach.
Ich stand am Bühnenrand (hier auf Spiegel Online festgehalten, haha), direkt mit der Nase zum Saxophonistentrio aus Allan, James Stewart und Knoel Scott, und alleine was diese drei, die sich in der Praxis auch die Leitung der Band auf der Bühne aufzuteilen scheinen, dem hamburger Publikum boten, sprengt hier schon jeden Rahmen.
Marshall Allans schrille hohe Soli dürften sicherlich John Zorn maßgeblich beeinflusst haben. Überhaupt, wen haben diese Typen nicht beeinflusst? Ein Großteil der Musiker des Sun Ra Arkestra macht diesen Scheiß schon länger, als es die meisten Musikgenres, die ich höre, überhaupt gibt.
Und dann hat er natürlich noch dieses super skurrile elektrische Blasinstrument mit Modulationsrad, welches ihm erlaubt in Sekundenschnelle von allerhöchsten zu dröhend tiefen Frequenzen zu wechseln. Da die Position von Sun Ra selbst in der Band bewusst vakant gelassen wurde, ist dies neben der Gitarre auch die Hauptquelle für spacig abgefahrene Sounds.
Auch Urmitglied Scott ist eine Show für sich. Spielt sich auf Saxophone und Conga in Trance, singt und begibt sich in der zweiten Showhälfte irgendwann zum rechten Bühnenrand, wo er wie ein Irrwisch zum Afrobeat den Space Dance tanzt. Als er zu seinem Platz zurückkehrt und sich gleich wie ein besessener die Trommel schnappt, muss sogar Stewart schon über den Übereifer lachen.
Das ist neben dem physikalischen Wunder, wo zum Teufel diese Musiker bei dem Klima ihre Kondition herzaubern (Jupiter, Herkunftsplanet Sun Ras, ist wahrscheinlich die Antwort), überhaupt das zentrale Element der kompletten Show: dieses intergalaktische Dutzend hat einen unbändigen Spaß an der Sache, der absolut ansteckend ist.
Und wie er sich nicht nur in Polonaisen durchs Publikum, sondern auch musikalisch in den Freejazz-Eskapaden der Band manifestierte, das machte das Konzert für mich zu einer der verrücktesten, außerirdischsten Performances, die ich je gesehen habe.
Das Sun Ra Arkestra live zu erleben, das steht für mich auf derselben Augen öffnenden bucket list wie Magma, Sunn O))), Laibach, Swans. Legendär ohne Ende.
Es bleiben zwar kleine Fragen (Warum hatte Tara Middleton ihre Geige nicht dabei? Warum spielte Farid Abdul-Bari Barron im letzten Drittel nur noch sporadisch Klavier? Ich vermute, die Pedale waren defekt.), doch das ändert alles natürlich keinen Millimeter an der Höchstnote für dieses Liveerlebnis.
T-Shirts in ein, zwei Größen voluminöser wären noch nett gewesen. Ich war so verschwitzt, dass ich nicht darauf verzichten konnte, aber es ist schon eine ziemliche Wurstpelle für mich, haha.
Heute Abend geht es schon wieder Richtung Kampnagel, selbe Bühne im relativ kleinen KMH. Die Königin der Dunkelheit, Chelsea Wolffe, bittet zur Audienz. Da bin ich doch mal gespannt, wie sie mich aus meiner aktuellen Jazz mood herauskicken wird.
Was die betagten Heeren in ihren glitzernd bunten afrikanisch-interstellaren Bühnenoutfits (plus die glamourös fabulöse Tara Middleton am Mikrofon) in den brühend warmen, ausverkauften Raum gefeuert haben, war unfassbar. Fast die ganze Zeit auf Anschlag im Whiplash-Tempo, bei dem die Rolle des zweiten Perkussionisten hauptsächlich darin bestand, mit der Standtom einigermaßen die Ordung zu halten, fegte das Arkestra durch ein sicher über zweistündiges Set, voller irrer, gerne an der Harmoniegrenze tanzender Improvisationen.
Ruhepausen gab es nur wenn ein Basssolo oder Klavierzwischenspiel anstanden oder es bei einem bluesigen Thema zumindest relativ etwas gemächlicher zuging.
Es ist unmöglich, hier alles herauszustellen, was an diesem Konzert musikalisch herausstach.
Ich stand am Bühnenrand (hier auf Spiegel Online festgehalten, haha), direkt mit der Nase zum Saxophonistentrio aus Allan, James Stewart und Knoel Scott, und alleine was diese drei, die sich in der Praxis auch die Leitung der Band auf der Bühne aufzuteilen scheinen, dem hamburger Publikum boten, sprengt hier schon jeden Rahmen.
Marshall Allans schrille hohe Soli dürften sicherlich John Zorn maßgeblich beeinflusst haben. Überhaupt, wen haben diese Typen nicht beeinflusst? Ein Großteil der Musiker des Sun Ra Arkestra macht diesen Scheiß schon länger, als es die meisten Musikgenres, die ich höre, überhaupt gibt.
Und dann hat er natürlich noch dieses super skurrile elektrische Blasinstrument mit Modulationsrad, welches ihm erlaubt in Sekundenschnelle von allerhöchsten zu dröhend tiefen Frequenzen zu wechseln. Da die Position von Sun Ra selbst in der Band bewusst vakant gelassen wurde, ist dies neben der Gitarre auch die Hauptquelle für spacig abgefahrene Sounds.
Auch Urmitglied Scott ist eine Show für sich. Spielt sich auf Saxophone und Conga in Trance, singt und begibt sich in der zweiten Showhälfte irgendwann zum rechten Bühnenrand, wo er wie ein Irrwisch zum Afrobeat den Space Dance tanzt. Als er zu seinem Platz zurückkehrt und sich gleich wie ein besessener die Trommel schnappt, muss sogar Stewart schon über den Übereifer lachen.
Das ist neben dem physikalischen Wunder, wo zum Teufel diese Musiker bei dem Klima ihre Kondition herzaubern (Jupiter, Herkunftsplanet Sun Ras, ist wahrscheinlich die Antwort), überhaupt das zentrale Element der kompletten Show: dieses intergalaktische Dutzend hat einen unbändigen Spaß an der Sache, der absolut ansteckend ist.
Und wie er sich nicht nur in Polonaisen durchs Publikum, sondern auch musikalisch in den Freejazz-Eskapaden der Band manifestierte, das machte das Konzert für mich zu einer der verrücktesten, außerirdischsten Performances, die ich je gesehen habe.
Das Sun Ra Arkestra live zu erleben, das steht für mich auf derselben Augen öffnenden bucket list wie Magma, Sunn O))), Laibach, Swans. Legendär ohne Ende.
Es bleiben zwar kleine Fragen (Warum hatte Tara Middleton ihre Geige nicht dabei? Warum spielte Farid Abdul-Bari Barron im letzten Drittel nur noch sporadisch Klavier? Ich vermute, die Pedale waren defekt.), doch das ändert alles natürlich keinen Millimeter an der Höchstnote für dieses Liveerlebnis.
T-Shirts in ein, zwei Größen voluminöser wären noch nett gewesen. Ich war so verschwitzt, dass ich nicht darauf verzichten konnte, aber es ist schon eine ziemliche Wurstpelle für mich, haha.
Heute Abend geht es schon wieder Richtung Kampnagel, selbe Bühne im relativ kleinen KMH. Die Königin der Dunkelheit, Chelsea Wolffe, bittet zur Audienz. Da bin ich doch mal gespannt, wie sie mich aus meiner aktuellen Jazz mood herauskicken wird.
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