Wo ich mit Årabrots "Heart" doch gerade beim Thema Coverversionen angelangt bin: Hier ist ein sechzehn Tracks dicker Tribute-Sampler, randvoll mit Jazzinterpretationen von Björk-Klassikern vom 1993er "Debut" der Isländerin bis zu "Selmasongs" (2000)!
VARIOUS ARTISTS - Björk in Jazz - A Jazz Tribute to Björk (CD) (2022)
Dass Björk ausgesprochen gut im Jazzkontext funktioniert, ist natürlich nichts neues. Das hat nicht nur 2013 Travis Sullivan's Björkestra mit seinem großartigen "I Go Humble"-Album bewiesen, sondern lange vorher bereits die Künstlerin selbst. Schon 1990 sang sie mit dem tríó Guðmundar Ingólfssonar Jazzstandards auf isländisch, doch auch die eigenwilligen Melodien, Harmonien, Rhythmen und Arrangements ihrer langen Solokarriere sind ja im Grunde oftmals schon Jazz, nur vorgetragen mit den Mitteln avantgardistischer Popmusik.
Und so gibt es wohl kaum einen Song aus ihrer umfangreichen Diskographie, den man nicht schon in passables Jazzstück umwandeln könnte, indem man ihn einfach mit entsprechenden Drums, Kontrabass und Klavier nachspielt. Und auch wenn ein paar Stücke auf dieser Kompilation tatsächlich auf der traditionellen Trio-Idee basieren, gaben sich die Kuratoren hier nicht mit kreativem Minimalaufwand zufrieden, sondern haben ein stilistisch ausgesprochen breites Kaleidoskop zusammengestellt.
Es mag andere Mit-Dilettanten, die mich hier häufig das J-Wort jubeln lesen vielleicht verwundern, doch mit meiner kontemporären Genrekenntnis ist es tatsächlich nicht so weit her, dass ich auch nur einen der hier teils alleine, teils in Kollaborationen vertretenen Künstler wiedererkennen würde. Doch das hilft mir vielleicht ja auch, so unvoreingenommen, wie man es als Björk-Fan überhaupt sein kann, hier hineinzulauschen.
Ohne Referenzen des sonstigen Schaffens ihrer Interpreten wissen mich hier grundsätzlich alle Tracks zu überzeugen. Und selbst wenn ein Track für den einen oder anderen Hörer nur ok wäre, sollte das Gesamtbild, in welches er eingebunden ist, diesen Eindruck eigentlich ausbügeln.
Am spannendsten ist logischerweise der erste Durchlauf, wenn einen jedes Stück neu überrascht: Wird es ein Cover mit Gesang oder übernehmen Instrumente den Stimmenpart wie in Eric Legninis Klavier-"Joga", in "You've Been Flirting Again" vom October Trio oder dem spannungsgeladenen "Hunter" von Vincent Peraini & Michael Wollny?
Setzen die Interpreten auf traditionellen Jazzsound inklusive langer Soli und spielerischen Scatgesang wie z.B. Camila Meza in "Isobel"?
Oder überraschen sie mit bewusster stimmlicher Zurückhaltung wie im großartig tief und rauchig zu einem New Orleans-Trauermarsch vorgetragenen "Bachelorette" von Simone Mazzer & Cotonete?
Kleben sie sehr dicht am Original oder sind sie tatsächlich das von Björk gecoverte Original, wie das geschickt hier hineingeschummelte "It's Oh So Quiet" von Betty Hutton. Ha, reingefallen! Selbst deren hier enthaltene 1952er Version war schon die Neuinterpretation eines drei Jahre älteren deutschsprachigen Liedes von Hans Lang.
Wird das Stück komplett durch den kreativen Fleischwolf gedreht wie in der wilden, weit vom Vertrauten abweichenden Attacke, mit der das Yaron Herman Trio "Army Of Me" eröffnet?
Oder strapaziert man den Begriff Jazz wie Viktoria Tolstoys e-gitarrenlastige, eher auf der Rock-Seite von Fusion beheimatete "New World"?
Und sobald man denkt, dass nun aber das gesamte Spektrum beacktert wurde, belehren einen nicht nur Jazz Mafia feat. Yvette Pylant mit ihrer Afro-Bläser-Funk-Interpretation von "5 Years" eines Besseren, sondern auch The Swingle Singers mit einer reinen A-Capella-Version von "Unravel".
Der Spannungsbogen, der hier zusammengestellt wurde, lässt trotz stolzer Gesamtlänge keine Langeweile aufkommen. Oder ist es einfache die unbestrittene Klasse des Ausgangsmaterials? Egal, mir gefällt das Ding sehr gut!
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