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2015-06-13

MUSE - Drones

Musikreviews sind ja immer Momentaufnahmen der eigenen Wahrnehmung.

Im Moment weiß ich noch nicht so recht, was ich insgesamt von der neuen Muse halten sollt. Wie alle Scheiben, für ich Geld ausgegeben habe, möchte ich sie natürlich gerne rundum super finden (so wie das in seiner ungebremsten, explosiven Heterogenität für mich immer noch brilliante Vorgängerwerk "The 2nd Law"), doch ich fürchte, je mehr ich über "Drones" sinniere, desto negativer fällt mein Urteil aus.

Deswegen schiebe ich dieses Review besser nicht wie viele andere lange vor mir her, sondern bringe es jetzt hinter mich, damit die Herren BellamyWolstenholmeHoward noch einigermaßen sauber aus der Sache rauskommen.




MUSE - Drones (2015)

Die Schauwerte geben zunächst einiges her. Ja, ich mag das klugdoofe Coverartwork! Und auch der Rest des Gatefolds und die LP-Hüllen sind ein Hinkucker.

Und dann der Sound - bäm! Mit dem Opener "Dead Inside" geht es richtig dickundfettbassig los und man denkt sich nur: Geiler Scheiß!

Doch sowohl was den Sound als auch das Songwriting angeht schlägt gleich danach der Relativierungshammer zu...




"Psycho" ist als Song und auch in seiner Botschaft dann einfach zu billig und stellt wohl die größtmögliche Annäherung von Muse an generischen Stadion-Hardrock dar.
Ja, die Briten sind natürlich die Stadionband der Gegenwart und sich dessen auch bewusst. Doch ohne dieses Bewusstsein ginge musikalisch vielleicht doch manchmal mehr.

Irgendwie bleibt "Psycho" zwar doch noch cool, aber dies ist alleine dem Sound zuzuschreiben. Man beginnt sich bereits ein wenig so zu fühlen wie ein Kinozuschauer, der von einem Actionspektakel zunächst geflasht ist, doch bald merkt, dass die Handlung des Streifens hinter all dem Effektheckmeck doch reichlich dünn geraten ist.


Apropos Handlung: "Drones" ist ein Konzeptalbum über - Überraschung - Dronen. Mal gefühlig, mal abstrakt, mal politisch. Gerade bei letztem hinken Muse ja traditionell ihrem Anspruch hinterher, d.h. tiefsinnige, Gedanken anregende Lyrik ist nicht zu erwarten. Ist aber auch nicht schlimm, denn im Zusammenspiel mit der Musik funktionieren die Texte ja. Also meistens zumindest. In manchen Fällen auch eher nicht so.

Nachdem man im zweiten Song schon die Ahnung bekommen hat, dass streckenweise ein Mangel an Substanz durch die Dicke-Eier-Produktion ausgeglichen werden soll, folgt "Mercy" und ist... hmpf... ja, der Song ist selbst für Muse zu kitschig. Oder sagen wir mal so: Muse dürfen durchaus so kitschig, aber dann muss der Song auch nach mehr klingen als dem lahmen Versuch sich selbst zu kopieren. Gleiches gilt später für das Stück "Revolt", welches in diese erhebend flotte Kerbe schlagen möchte, die die Band eigentlich beherrscht; doch sie trifft hier einfach nicht gut genug.

Das sind insgesamt schon mindestens - ich sag mal - zweieinhalb Ausfälle bei zwölf Tracks. Berücksichtigt man dann noch, dass davon zwei Stücke nur Intros sind und es sich bei dem Titeltrack und Rausschmeißer "Drones" nicht um einen Rocksong, sondern um einen eingemuseten Kirchenchoral handelt, ist das schon eine stattliche Miss-Quote. Noch kein G36, aber an sich schon erschreckend.



Auf der positiven Seite steht kurz vor Schluss noch der Zehn-Minuten-Brocken "The Globalist" der einen Faden von Ennio Morricone über Progmetal zur Queen-Pianoballade spinnt, leider jedoch ausgerechnet zum bombastischen Schluss hin etwas zu langweilen beginnt. Und Schuld ist daran gar nicht so sehr die Komposition, sondern vielmehr der Sound, der immer nur darauf optimiert ist, alles bis zum Gehtnichtmehr aufzublasen, was bei den straighten Powerstücken auch gut funktiert.
Doch immer wenn das Songwriting Dynamik und feinere Nuancen vom Sound verlangt, verweigert sich dieser leider.

"Drones" wollte ja explizit das reduziertere und stringentere Album als "The 2nd Law" sein, also Konzentration auf Bass, Gitarre, Schlagzeug und nicht bei jedem Track noch eine Extrawurst wie Chöre, Bläser und übermäßige Electronica. Damit einhergehend hat man sich auch um einen einheitlichen Albumsound bemüht, bei dem nicht jedes Lied ganz anders klingt als das vorherige.

Leider geht dieser Schuss nach hinten los. Denn auch wenn ich nicht den Eindruck habe, dass Muse sich für "Drones" irgendwo kreativ oder spielerisch besonders lang machen mussten - so abwechslungsreich ist das Album immer noch, dass man nicht einen Generalsound erfolgreich auf alle Tracks anwenden kann.

Was bleibt als Fazit?
"Drones" ist trotz Ausfällen unterm Strich immer noch ein okayes, gutes Album, kann aber mit seinem direkten Vorgänger oder gar "Black Holes And Revelations" nur punktuell mithalten und ist bestimmt auch kein Kandidat für meine Jahresendtopliste.


Wer kein Muse-Zwangskomplettist ist und nur über ein beschränktes Budget verfügt, dem würde ich empfehlen, sich lieber mit der Diskographie von Lis Er Stille zu beschäftigen. (Die EP "Flight Of Belljár" ist z.B. ein guter Einstieg. Review zum neuen Album demnächst...) Die dänische Band braut aus Melodien, Gesangslinien, Energie und Kitsch, die sehr oft mit  Muse vergleichbar sind, einen wesentlich explosiveren, kreativeren und tiefsinnigeren Zaubertrank. Und da die Briten den Abgang von ein paar Konzertbesuchern gut verkraften können, während die Dänen davon angesichts ihrer Klasse skandalös wenige haben, wäre ein kleiner Austausch durchaus angebracht, um etwas Stabilität ins kosmische Karma zu bringen.


Anspieltipps: Reapers, Dead Inside, The Globalist

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