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2021-05-23

WV SORCERER Zauberei mit DOPE PURPLE, 李劍鴻 LI JIANHONG und OTAY:ONII


Es begann mit der Vorbestellung des Soloalbums von Neptunian Maximalism-Chefvisionär CZLT (Vinyl verzögert sich leider noch etwas) und einer der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit traumhaftesten Versionen von Senyawas "Alkisah".

Inzwischen habe ich vier weitere Alben bei WV Sorcerer Productions geordert, und ich glaube, das französisch-chinesische Label, welches konzeptionell im breiten Feld zwischen Drone, Folklore, Jazz, Psychedelik, Esoterik, Black Metal, Noise und weiterem Experimentalismus zu Hause ist, dürfte sich zu einem meiner Lieblings-Frischmusikzuführer des Jahres entwickeln.

Neulich trudelten folgende drei Scheiben bei mir ein:




DOPE PURPLE - Grateful End (transparent yellow LP) (2019/2021)

Jupp, der Name dieser taiwanesischen Band ist ziemlich  on the nose. Und der Songtitel  "Cosmic Rock Is Not Dead" verjagt auch jeden weiteren Zweifel, worum es auf dieser ursprünglich bereits 2019 erschienenen, doch nun erstmals auf Vinyl erhältlichen LP geht.

Die vier Tracks sind in der Tat 100% Spacerock, und zwar der permanent Schüttelreflexe auslösenden und auf die Glocke gebenden Art. Die Gitarre drängelt sich dabei schrill und dreckig ausflippend ständig in den Vordergrund, worauf der Rest der Gruppe dann auch schonmal mit derbem Chaos kontert.
Keine Frage: Das ist rebellisch lärmender, geiler Scheiß. Vielleicht auch genau richtig für Leute wie mich, die sich angesichts der einschüchternd gigantischen Diskographie nicht so recht an Acid Mothers Temple rantrauen? Auf jeden Fall sollte jeder, der seinen Psych wild am Rad drehend mag, hier einmal reinhören.

Die Platte klingt gut und sieht super aus. Es zum Auflegen allerdings hilfreich, zu wissen, dass sich das längste Stück ("人類最後的一天​/​甜美的夜晚,甜美的死亡 The Last Day Of Humanity​/​Good Night, And Good Death") auf der B-Seite befindet.






李劍鴻 LI JIANHONG - 山霧 Mountain Fog (CD) (2021)

Wem Dope Purple noch nicht sechssaitenzentrisch genug sind, der ist bei Li Jianghong genau richtig aufgehoben. "你看見那個火球了嗎?它躍過了望海崗 Did you see the fireball? It just leapt beyond the Wanghai Gang", der Opener der CD "Mountain Fog" besteht nämlich aus nichts anderem als siebzehn Minuten lang lärmender, dröhnender, dramatische Bögen spannender und vulkanisch eruptierender Gitarre.
Es handelt sich hier um eine 2018 in Zürich mitgeschnittene Liveaufnahme des chinesischen Experimentalmusikers, den ich stilistisch nach dem Eindruck dieses Albums zwischen Drone-Ikonen wie Stephen O'Malley und Dylan Carlson auf der einen und Noise/Jazz-Extremisten wie Keiji Haino oder Otomo Yoshihide verorten würde. Seine größte Stärke ist dabei der erzählerisch stringente und erhabene Charakter seiner Krachmacherei.

Das zweite und abschließende Titelstück wurde eine knappe Woche später auf derselben Europa-Tour in Frankreich aufgenommen. Hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Improvisation mit dem Saxophonisten Wang Ziheng, bei der die einzige Absprache in der Vorgabe "Lass uns einen Berg spielen!" bestand. Und ein Berg ist dieser über eine halbe Stunde lang mäandernd wandernde, den Gipfel erklimmende und weit in die Ferne schauende Drone wahrhaftig.

Gewaltig, fantasiereich, beeindruckend.

Erwähnenswert ist auch, dass bei WV Sorcerer nicht nur die Plattenveröffentlichungen, sondern auch die CD - hier mit eindrucksvoller Fotografie von Li Jianhong und schwarzer statt silberner Tonträgerrückseite - sehr liebevoll gestaltet sind.





OTAY:ONII - 冥冥 Míng Míng (CD) (2021)

Das Digisleeve und die hier goldene CD wissen auch bei Otay:onii sehr zu gefallen. Musikalisch ist das zweite Solowerk von Lane Shi Otayonii, zwischen New York und Shanghai pendelnde Sängerin der US-Shoegazeband Elizabeth Colour Wheel der umfangreichste stilistische Rundumschlag des hier rezensierten Trios.

Verantwortlich nicht nur für Gesang, sondern auch für sämtliche Instrumente und mich an die Neuauflage von Wang Wens   "0.7" erinnernde Gemälde, schafft die gebürtige Chinesin auf "Míng Míng" einen gewaltigen, genauso abwechslungsreichen wie ergreifenden, Klang gewordenen Bildteppich, der sowohl instrumental als auch dank ihrer stimmlichen Fähigkeiten Dead Can Dance und Björk, traditionelle Folklore und brutalen Elektro-Noise miteinschließt.

Bemängelnd kann ich an "Míng Míng" nur, dass es trotz immerhin acht Songs doch insgesamt recht kurz geraten ist. Ansonsten ist dieses enigmatische, für keine vorgefertigte Schublade geschaffene Werk nämlich ein nahezu unantastbares, künstlerisches Statement geworden, welches ich, wenn ich nicht alphabetisch sortieren würde, wohl zwischen Zola Jesus und dem Kaiti Kink Ensemble einsortieren würde. Oder in der immer weiter wachsenden Asien-Abteilung meiner Sammlung natürlich.

Verstecken muss sich Otay:onii auf jeden Fall vor absolut nichts und niemandem.

Was genau es übrigens bedeutet, dass die Absolventin des Berklee College zweimal den "Laurie Anderson Women in Technology"-Award verliehen bekommen hat, kann ich nicht beurteilen, aber rein von der Referenz her stimmt mein Bauch hier sofort zu.

Große Kunst!





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