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2022-02-15

ZEAL & ARDOR - Zeal & Ardor

YOU CAN READ AN ENGLISH VERSION OF THIS REVIEW OVER ON VEILOFSOUND.COM!

Ich habe den Gospel der Gospelschwarzmetaller ja bereits mehrfach in teils ausschweifender Gründlichkeit gepredigt, also mache ich es mir heute mal wieder bequem und schreibe hier keinen komplett neuen Text, sondern begnüge mich mit einer neunzigprozentig adäquaten Übersetzung meiner Veil Of Sound-Rezension:


So sehr Zeal & Ardor seit ihrer zunächst kaum wahrgenommenen Gründung im Jahr 2013 und ihrem viralen Durchbruch im Jahr 2016 in der Metalwelt Wellen geschlagen haben, so wenig sollte die Existenz dieses neuen Albums doch jemals als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Denn bei einem Musikprojekt, das auf dem scherzhaften Vorschlag irgendeines Internettrottels basiert, Black Metal und "N-Wort"-Musik zu mischen, kann im Grunde ja theoretisch ja so ziemlich alles schiefgehen.



ZEAL & ARDOR - Zeal & Ardor (LP) (2022)

Der schweizerisch-amerikanische Sänger/Multiinstrumentalist Manuel Gagneux, der bis auf das Live-Schlagzeug im Studio immer noch alles selbst einspielt, ist sich glücklicherweise des inhärenten Potenzials zur Lächerlichkeit zu bewusst, um in die Falle seiner eigenen Formel zu tappen. Und selbst wenn seine furchtlose Kreuzung von Gospel und anderen schwarzen Musikgenres wie Soul oder R'n'B mit Black Metal und mehr oder weniger nah verwandten Gitarrenmusik-Stilen tatsächlich zu weit geht - sei es in den mit Klischees jonglierenden Texten oder mit elektronischem Blödsinn, der über alles gesprenkelt wird - es geschieht stets zielgerichtet und mit einer gesunden Portion Humor.

Besonders die Debüt-EP "Devil Is Fine" (nein, Rest der Welt, ein Album ist das für mich immer noch nicht!), welches noch sehr offensichtlich nach einem Solo-Projekt klang, verdankte seinen Charme zu großen Teilen der Art und Weise, wie unbekümmert - und dabei mitunter auch noch etwas holprig -  Gagneux alle möglichen und unmöglichen Ideen einfach in einen Topf schmiss. Es deutete aber auch bereits auf ein größeres Potenzial und eine mögliche Langlebigkeit des Konzepts hin.

Das gereifte Album "Stranger Fruit" bewies diesen Punkt dann nachdrücklich, gefolgt von der EP "Wake Of A Nation", die sich weiter von der anfänglichen Fantasie afroamerikanischer Sklaven, die im Namen Satans rebellieren, zu realeren und tagesaktuell brennenderen Themen rund um Schwarze Realität und Rassismus bewegte. Genauso wie Star Trek-Fans davon überrascht wurden, dass ihr(?) Franchise mit Discovery plötzlich woke wurde, konnten einige Zuhörer natürlich nicht mit dem direkten Black Lives Matter-Ansatz umgehen, obwohl das Anliegen natürlich nicht tiefer in der DNA von Zeal & Ardor eingebettet sein könnte. Für die meisten Fans war es jedoch nur ein weiterer Beweis dafür, wie flexibel der künstlerische Rahmen der Band tatsächlich ist.
Nicht zu vergessen, das zwischen diesen beiden Veröffentlichungen auch noch ein Live-Album erschien, das sich aufgrund von Gagneux' rastloser Kreativität und den generell kurzen Tracklängen wie eine prall gefüllte Greatest-Hits-Sammlung anfühlt, welche die meisten "normalen" Gruppen in Laufe einer vielfach längeren Karriere nicht anhäufen könnten.

Angesichts all dieser Vorgeschichte ist es zugegebenermaßen erstaunlich, dass ich dennoch mit leichter Skepsis an das neue Werk herangegangen bin. Aber das war wohl nur die Patina der ziemlich verbrauchten Idee, inmitten einer Laufbahn, die schon mehrere Veröffentlichungen hinter sich hat, ein selbstbetiteltes Album herauszubringen. Ja, ihr macht dieses Statement, schon klar!
Naja, zumindest das symmetrische Cover-Artwork, welches die Geste des Baphomet in die Bildsprache des Hip-Hop-Duos Run The Jewels überführt, lässt es einigermaßen stimmig aussehen, oder?

Ihr wisst welche Einsicht jetzt folgt: Ja, ich bin ein Idiot. Denn "Zeal & Ardor" ist natürlich genau jenes definierende Statement, welches zusammenfasst, was die Band ausmacht und was ihr Mastermind mit ihr schon immer erreichen wollte. Im Vergleich zu den Vorgängern ist es dadurch sowohl heavier als auch samtener, heiliger und bösartiger.
Jedes einzelne der unendlich vielen Puzzleteile klingt perfekter ausgearbeitet als je zuvor. Und die Produktion tut ihr Bestes, um sie entsprechend zu präsentieren, inklusive durchaus überzeugend eine "echte Band" emulierender Dynamik, die wir sicherlich zu nicht geringem Teil Drummer Marco von Allmen zu verdanken haben.

Der Black Metal, egal ob oldschoolig oder in Blackgaze-Nebel getunkt, war bei Zeal & Ardor noch nie eine derart gnadenlos brutale Soundwand. Doch nichts muss sich vor seiner einschüchternden Präsenz verstecken. Denn mittlerweile scheint es, als könnte Gagneux einfach jeden Trick aus dem Ärmel schütteln, den er möchte, ohne dass dabei jemals etwas antiklimaktisches oder ein reines Gimmick herauskommt. Zwischen Kreischen und Schreien, sanften Höhen, sonoren Spoken Words, kraftvollem Soulgesang und immer nuancierteren Gospelchor-Arrangements gleitet und springt seine Stimme nach Belieben mit der gleichen Leichtigkeit umher, wie die Instrumentierung jederzeit zu Djent, Hardcore, Blues, Hip-Hop-Elementen und vielem mehr wechseln kann.
Die Natürlichkeit dieses in der Theorie durchaus grenzwahnsinnigen Amalgams lässt mich an so unterschiedliche Bands wie Blut Aus Nord, The Hirsch Effekt oder - hier ganz bewusst als ganz großes Beispiel genannt - Faith No More denken, wobei Zeal & Ardor letztlich eine ganz ureigene Wesenheit darstellen.

Wer verzweifelt nach etwas Negativem sucht, der wird vielleicht feststellen, dass die Botschaft diesmal nicht so eindeutig ist wie auf "Wake Of A Nation" oder Teilen von "Stranger Fruit", sondern deutlich verschlüsselter und rätselhafter. Und da die Qualität aller Arrangements auf ein so hohes Niveau gestiegen ist, dass der permanente pure Genuss einem die Formsache, welcher Stilrichtung man sich eigentlich gerade aussetzt, ziemlich gleichgültig erscheinen lässt, fühlt sich die musikalische - und damit auch die thematische - Dualität, auf welcher die Band ja immerhin begründet ist, paradoxerweise nun etwas weniger scharf an als bei früheren Veröffentlichungen.

Was nur eine umständliche, unnötig negative Formulierung ist, um zu sagen, dass jeder verdammte Aspekt dieser Platte gleichermaßen viel Spaß macht. Egal, wie man es dreht und wendet - man mag zwar offensichtliche Unterschiede entdecken - aber letztendlich es ist in seiner Großartigkeit doch alles gleich! Und es ist zweifellos Zeal & Ardor.

Und mit diesem letzten Gedanken im Hinterkopf werfen wir jetzt noch einmal einen genauen Blick auf das Cover-Artwork!

Clever.






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