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2020-10-25

ZEAL AND ARDOR - Wake Of A Nation

Wenn wir schon beim Thema "Black Metaller, die sich nicht an die vngeschriebenen Trveness-Statvten halten" sind, darf die neue EP eines der aktuell berüchtigsten Vertreter dieser schlimmen Freidenkerschule natürlich nicht fehlen.



ZEAL AND ARDOR - Wake Of A Nation (clear vinyl 12" EP) (2020)


Unter dem Eindruck von Covid-19-Opfern im eigenen Familienkreis und in direkter Bezugnahme auf den Mord an George Floyd macht Manuel Gagneux mit "Wake Of A Nation" ernst.

Oder besser gesagt: noch ernster als sonst. Denn auch wenn das im Großteil des bisherigen Zeal And Ardor-Schaffens vorherrschende, in Black Music und Black Metal reflektierte Gedankenspiel "Was, wenn die Sklaven in den Südstaaten sich im Namen Satans gegen ihre Unterdrückung aufgelehnt hätten?" einen sehr spielerischen Umgang damit darstellt, war das Kernthema sowohl auf "Devil Is Fine" als auch auf "Stranger Fruit"  selbstverständlich immer schwarze Identität und Ermächtigung gegen Rassismus.

Diesmal gibt es schon wenige Sekunden nach Beginn des Openers "Vigil" kein Entrinnen vor der ohne fiktiven Überbau präsentierten Realität: "I can’t breathe, it’s a cellphone, please don’t shoot, I need to get home, I’m on my knees begging please" bittet Gagneux stellvertretend für unzählige Opfer rassistischer Polizeigewalt, ehe er die bittere Frage stellt: "How many more will it last? Why not just take all of us?"

Doch nicht nur die brandaktuelle Lage der insbesondere in Zeiten von Trumps MAGA-Kult so wichtigen Black Lives Matter-Bewegung findet Eingang. Schon der an den extrem ku-klux-klan-freundlichen ersten großen Kinofilm "Birth Of A Nation" anklingende Titel der EP deutet ja auf eine Lektion in schwarzer Geschichte hin.
Und diese bekommt man vor allem in "Tuskegee", welches sich mit den Opfern der von den 1930ern bis 70er Jahren in Alabama durchgeführten Syphilis-Studie auseinandersetzt, in der arme afroamerikanische Teilnehmer ohne Aufklärung und Einwilligung als Versuchskaninchen missbraucht wurden, selbst nachdem bereits wirksame Medikamente erhältlich waren. Abgründe...


Musikalisch kümmern sich Zeal And Ardor wie gewohnt nicht darum, dass jedes der hier sechs Stücke nach schwarzmodrigem Reinheitsgebot überhaupt irgendwie als Metal klassifizierbar sein muss.
So erinnert der Opener eher an eine Archive-Ballade/Hymne, ist "I Can't Breathe" ein von Samples bestimmtes Industrial-Interlude und der Titeltrack "Wake Of A Nation" eine fast rein perkussive Stomp-and-Chant-Nummer mit Elektroanleihen.
(Dass hier auch mal wieder ein paar deutsche Zeilen einfließen, dürfte gegenüber dem nicht teutonischen oder helvetischen Teil der Menschheit sicherlich helfen, die kryptische Unzuordbarkeit der Band zu wahren.)

Wenn allerdings in "Tuskegee", "At The Seams" und "Trust No One" der Black Metal losgelassen wird, dann aber auch fetter und finsterer denn je. Auch Gagneuxs Krächzstimme hat sich hier abermals gesteigert. Und die eher souligen und gospeligen Passagen sitzen ja eh, sind allerdings auf dieser EP besonders emotional.

Es ist toll zu sehen, wie Zeal And Ardor ästhetisch und konzeptionell stabil bleibt, dabei aber inhaltlich und songwriterisch mit jedem Release noch eine Schippe draufpackt. Und so ist auch "Wake Of A Nation", wenn auch sehr knapp bemessen, wieder äußerst gut und relevant.


Das transparente Vinyl (45rpm) war bei meinem Exemplar am Rand ziemlich ähm... wild geschnitten, klingt aber in Ordnung und sieht natürlich immer so klasse oder scheiße aus, wie was auch immer sich gerade unter ihm befindet.




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