Und schon wieder erster Freitag im Monat! Die Zeit fliegt. Nur ein paar digitale Tracks, maximal fünfzehn bis zwanzig Euro ausgeben, das war mein Vorsatz. Hätte auch beinahe geklappt, haha. Aber welches hyperaktive niederländische Duo den Plan dann doch noch zerschmettern sollte, war ja klar.
Doch zunächst einmal heißt es Datenhandschuh an und Laserbrille auf, denn es ist Achtziger-Jahre-Zeit:
NIGHTLIGHT - Nitelight plays: Death's Symbolic (download) (2020)
Es könnte ein schlechter Scherz sein, und sicher gibt Fans, die schon prinzipiell Heugabel und Fackel aus der Scheune holen, wenn die Prämisse hören, doch das italienische Duo Nitelight geht tatsächlich all in und interpretiert das komplette Death-Album "Symbolic" (1995) als instrumentalen Synthwave-Epos neu!
Und was soll man sagen, außer dass Chuck Schuldiner bei dieser liebevollen Homage an sein Werk vor Freude an die Decke gegangen wäre. Alleine dass Nitelight erkannt haben, wie sehr sich die vielen starken Gitarren Melodien dieses Albums zur Überführung in ihren Elektrostil eignen, ist ja schon respektabel. Aber aus dieser Idee dann wirklich ein komplettes Neun-Track-Album zu schustern, welches vermutlich auch ganz ohne Vorkenntnis des progressiven Death-Metal-Klassikers funktioniert, das ist schon geniale Fleißarbeit.
LINGUA IGNOTA - Kim (download) (2020)
Wir bleiben bei Coverversionen, denn Kristin Hayter beglückt uns auch diesen Monat wieder mit einem Track, und es ist ihr Take eines der wohl fiesesten, aggressivsten Stücke von Eminem, die... sagen wir mal in ganz weiter Auslegung des Begriffs... Mörderballade "Kim".
Dass der So-long-bitch-you-did-me-so-wrong-Refrain mi ihrer opernhaften Stimme zehn Meter größer als das Original gerät, ist dabei natürlich keine Überraschung. Ebenso wäre es sicher unsinnig, Eminems Rap kopieren zu wollen. Stattdessen wird der Text hier auf seinen Kern reduziert und langsam in Lingua Ignotas in seiner dramatischen Direktheit durchaus mit dem original verwandten Stil überführt. Nun ist "Kim" tatsächlich eine Ballade, allerdings eine verzerrte, lärmende, verstörende.
Ich bin kein Experte, doch für mich ist dies das beste Eminem-Cover seit Tori Amos' "97 Bonnie and Clyde", welches passenderweise ja auch im Original quasi das Begleitstück zu "Kim" darstellt.
-S- - Zabijanie Czasu I (download) (2020)
Traue niemals den Genrebezeichnungen, die sich Künstler selbst geben! Dennoch ist "Dark Occvlt Funk" eine zumindest in Passagen erstaunlich treffende Bezeichnungen für den hyperadvantgardistischen, mit Bass, Drums, Gesang und - was sonst? - Klarinette erzeugten Sound der Polen -S-.
Wem die Labelkollegen Esoctrilihum und Neptunian Maximalism noch nicht schwer einordbar und merkwürdig genug sind, für den halten I, Voidhanger Records mit dieser auch auf CD erhältlichen EP eine ganz neue Herausforderung bereit. Wie hier Elemente aus Jazz, Klassik, Punk, Postrock und extremem Metal fließend zusammenkommen, das ist vielleicht streckenweise mit Gruppen wie Gura vergleichbar und ist sicherlich für jeden John Zorn-Jünger zu empfehlen, entwickelt allerdings einen enorm eigenständigen Charakter.
Kunst, aber geil!
RAW DEAL / JAH CUZZI - Split (Tape) (2020)
Diese Split-Veröffentlichung ist da schon eine ganze Ecke einfacher einzuordnen: zwei Krautrockbands, jeweils ein Jam, einmal siebzehn, einmal vierzehn Minuten lang.
Das ist nicht weltbewegend und will es auch gar nicht sein, aber es ist halt cooles Zeug, wobei der langsamer und heavier beginnende und fiesere Track von Jah Cuzzi gegenüber dem doch etwas stereotypischen flotten Vierviertel-Beat-Jam von Raw Deal klar das packendere und kreativere Stück ist.
Ok, es ist teilweise auch klar das chaotischere. Aber Chaos macht halt auch Spaß.
(Zur Kassette an sich kann ich an dieser Stelle natürlich noch nichts sagen.)
MILTVUUR - Sleep Forever (Tape) (2020)
Diese vier Einkäufe sollten es eigentlich gewesen sein, doch dann musste ich ja auch noch auf dieses auf 25 Exemplare limitierte Tape aufmerksam werden.
Es ist ja technisch eigentlich nicht so, dass ich unbedingt noch mehr unbarmherzig infernalisches Gekloppe der Dead Neanderthals oder mit den Dutch Heavy Jazzern assoziierter Projekte benötigen würde. Gerade erst habe ich mir schließlich nicht nur mehrere Alben des (manchmal um weitere Mitglieder erweiterten) bekloppten Duos, sondern auch die Hirnabrisse von Cryptae und Plague Organ gegönnt.
Aber mehr ist halt mehr, und das gilt umso mehr für Miltvuur, den Projektnamen einer selbst für die Maßstäbe der Beteiligten noch ungeheuer maßlosen Session der beiden Neanderthalzombies Otto Kokke und René Aquarius mit dem Black-Metal-Musiker Vitriol (Ulveblod).
Die vier Teile von "Sleep Forever" sind im Grunde Dead Neanderthals im traditionellen Drums-und-Saxophon-Freegrindjazzexzess, jedoch geradezu ertränkt in einem Mahlstrom aus bösartigem Synthie-, Gitarren- und Wasweißich-Gelärme.
Das Resultat ist absolut diabolisch, Satans Coverversion von John Coltranes "Ascension". Eine Butterfahrt durch die Hölle. Abschließendes Büffet mit gut durchgegartem Kinderbraten inbegriffen.
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