Und der erste Preis in der Kategorie Rezensier mich endlich, Du fauler Sack! geht in dieser Saison an das neue Album von der Band formerly known unter dem Namen, den man immer noch überall in ihrer Social-Media-Präsenz, auf Bandcamp und in ihrer Diskographie etc. findet, der mittlerweile aber doch etwas unzureichend und auch ein wenig peinlich geworden ist und deswegen nun einfach als MWWB abgekürzt wird.
Die Lektion: Es mag vielleicht witzig sein, bei der Namensgebung deiner Musikgruppe tief in die Klischeekiste zu greifen, doch scheißegal, wie ironisch auch immer Du es gemeint hast, irgendwann wird dich dein Einfall "Mammoth Weed Wizard Bastard" evtl. nicht nur nerven, sondern sich durch die falsche Erwartungshaltung, die er hervorruft, sogar regelrecht als hinderlich herausstellen.
MWWB - The Harvest (transparent blue and cherry vinyl LP) (2022)
Schon vorher, sei es z.B. auf dem Vorgängeralbum "Yn Ol I Annwn" oder auf der fabelhaften Split mit den Slomatics "Totems" hatten MWWB bewiesen, dass ihr Sound weit über stumpfe Stonerdoomklischees hinausgeht. Die fuzzig dröhnenden Gitarren und das groovende Powerdrumming passten zwar komplett in diese Kategorie, doch der sich auch musikalisch niederschlagende konzeptionelle Spagat zwischen keltischer Mythologie und Science-Fiction und nicht zuletzt die ungewöhnliche Stimme von Bassistin/Sängerin Jessica Ball, die eher in den geisterhaften Sphären von Undersmile und Ex-Sinistro-Vokalistin Patricia Andrade als im dreckigen Bongwasser schwebten, gaben der Gruppe schon immer eine ureigene Identität, welche mit größerer Sorgfalt bei der Namenswahl sicherlich besser nach außen hätte verkauft werden können.
Aber nun ist das Kind ja längst in den Brunnen gefallen und hat es sich dort gemütlich eingerichtet. Und jetzt klingt von dort wie eine Botschaft aus einer anderen Welt "The Harvest" zu uns herauf.
Die Basis der meisten Stücke bleibt weiterhin Doom Metal. Sowohl kantige als auch epochaler angelegte Riffs erinnern oft an Yob, mit grungigerem Anstrich an King Woman, oder auch in klassischster aller Traditionen an Black Sabbath. Darüber wird allerdings mit Cello, Keyboards, Sequenzern und Space FX (bei drei von vier Bandmitgliedern so in den Credits gelistet) nicht gegeizt, ja teilweise geradezu übertrieben. Und das ist auch gut so, zumal das Songwriting immer stark genug ist, um sich durch Zirpen, Fiepen, Laserduelle und das kosmische Rauschen des sich ausbreitenden Universums nicht überschatten zu lassen.
Einige instrumentale Stücke widmen sich vollkommen dem Retrofuturismus der Siebziger und fesseln gekonnt mit Soundtrackanleien und tangerineverträumten Synthwaveexzessen, während andere Songs sich das Hineinsteigern in die analog-elekronische Ekstase zum ausgiebigen Finale aufheben.
Beinahe immer, wenn Gesang im Spiel ist, ist ein hartnäckiger Ohrwurm nicht weit. "Logic Bomb", "Altamira" oder das übergewaltige "Strontium" sind unschlagbare Genre-Hits. Und ganz am Ende dieses zwar nicht übermäßig langen, aber doch kolossalen und kreativen Albums steht die Quasi-Ballade "Moon Rise"- ein simpler, dem Hörer Ruhe zur Reflektion über die bestrittene Reise bietender Ausklang, der "The Harvest" perfekt abschließt.
Fazit: Glückseligkeit. MWWB haben noch sehr gute Chancen, sich hiermit zu meinen Genrelieblingen des Jahres krönen zu lassen.
Ich wollte das Ding eigentlich ja über Bandcamp auf Kassette ordern, habe mich allerdings irgendwie doof versmartphont und nur die digitale Variante ausgewählt. Zum Glück lief mir dann aber noch überraschend erschwinglich die transparent blau-rote Schallplatte über den Weg. Natürlich macht sich dieses Future Doom-Meisterwerk auch in dieser Form nicht schlecht.
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